Zeigt nicht auch dieser Thread, dass das Konzept der monogamen Liebe so gut wie immer ein Verfallsdatum hat? Bei den einen früher, bei den anderen später, weil wohl jede(r) im Laufe des Lebens an die Grenzen seiner Kraft, seiner Liebesfähigkeit, seiner inneren Stärke, seiner Überzeugungen und seiner Hoffnungen gerät. Und dann wird deutlich, wieviel davon gespielt, gehofft, gesponnen oder tatsächlich real und verlässlich ist.
Dein Neffe und seine Frau haben mit ihren "Dämonen" zu kämpfen, wie so viele andere auch. Warum haben sie geheiratet? Weil sie sich insgeheim Dinge vom anderen erhofft haben, die dieser nun nicht "liefern" kann? Er soll sie begehren, ihr Selbstbewusstsein stärken, obwohl er sie nicht (mehr) begehrt? Sie soll ihn motivieren, auf sich zu achten und etwas aus seinem Leben zu machen? Warum nicht? Klingt doch gut. Aber es funktioniert eben oft nicht und die Gründe dafür sind vielschichtig.
Also wie dann? Den schönen Schein wahren, lügen und auf das Beste hoffen? Ja, so läuft es nicht selten, denn sonst gäbe es keine "self fulfilling prophecies". Wir können über uns hinauswachsen, aber wir können auch an unseren Hoffnungen scheitern. An diesen Unterschieden zwischen Wunsch und Wirklichkeit wachsen und scheitern Beziehungen doch schon immer und so manche Beziehung verkümmert an der Enttäuschung. Und dann zeigt sich, dass auch Zorn, Angst und Trauer eine Beziehung am Leben halten können, weil "Strukturen" ja nicht nur von innen nach außen, sondern auch von außen nach innen wirken. Eine Familie, ein Haus, gemeinsame Ziele können eine Beziehung festigen, ohne dass sie von innen her verfault.
Wenn er ein "Augenmensch" ist und sie das weiß, nützt es dann noch etwas, wenn er nicht hin schaut? Und wenn sie das demütigt, wie soll sie das humorvoll aufnehmen? Ab wann ekeln sie sich vor einander? Und dann?
Ja, vielleicht gibt es für alles einen Ausweg. Aber wenn man den nicht gehen will oder glaubt, nicht gehen zu können, dann ist die Fahnenstange zu ende. Oder doch nicht? Wieviel Wahrheit verträgt eine Beziehung? Das frage ich mich schon viele Jahre und mir scheint, dass es darauf keine allgemeingültige Antwort gibt. Ist ein "glotzen" dann kein "glotzen" mehr, wenn es nur eine halbe Sekunde gedauert hat? Oder will und muss die Welt betrogen werden, weil wir die Wahrheit nicht aushalten? Wenn sie auf ihn sauer ist, es ihm aber nicht sagt, was ist dann die Wahrheit? Was sie ihm damit zeigen oder was sie ihm nicht zeigen will?
Oder kann man es sich so einfach machen, in dem man sich jeden Tag fragt: wollen wir diesen Weg noch gemeinsam gehen? So manche Lüge hat schon eine Beziehung aufrecht erhalten, bis man die Wahrheit sehen kann. Das alles sind große Risiken und ich bin um jeden froh, der sie mit einem anderen teilen will oder es zumindest versucht. Vielleicht wiegt Hoffnung schwerer als Lüge.