Und was ist die Alternative? Ein Leben lang so weiterleben?
Liebe kasiopaja, Wenn man akut in dieser Situation steckt, gibt es keine wirkliche Alternative. Die Alternative wäre sterben. Das wird einem so eingebläut, dass man es ohne wenn und aber glaubt.
Natürlich ist der Wunsch da, aus dieser Situaton raus zu kommen. Doch es scheint nicht realistisch, denn eins weiß man genau. Lebend trennt man sich von so jemandem nicht.
Dass das nicht so ist, steht auf einem anderen Blatt Papier. Nur glaubt man das nicht, weil man diesen Menschen kennt und glaubt ihn einschätzen zu können.
Mein Ex hat damals seine Drohung wahr gemacht und mir das einzig Wichtige in meinem Leben genommen, meine Kinder, die ich über alles liebe. Es war nur Zufall, dass ich meine Kinder dann fand. Glück gehabt.
Dennoch ist der einzig richtige Weg, sich über die Todesangst hinweg zu setzen und sich zu trennen. Aber das macht man nicht mal eben so aus dem Handgelenk. Dazu ist das bei Blume schon viel zu lange eingefahren. Sie braucht Zeit. Sie muss Mut sammeln und sie braucht jemanden, der ihr immer wieder sagt, trenn dich, das ist die einzige Möglichkeit.
Fragen wie ''warum tust du dies nicht und warum hast du das noch nicht gemacht, warum beendest du das nicht etc.pp zeigen zwar das Unverständnis vom Menschen, die das nicht kennen. Aber das hilft nicht. Von den Gedankengängen her ist Blume so weit, dass sie das weiß. Aber die Angst, diese Todesangst, das wissen, wenn ich auch nur eine falsche Bewegung mache, dann wars das, das verhindert alles.
Hast du Lust auf ein Gedankenexperiment?
Stell dir vor, du stehst an einem 100 m tiefen Abgrund. Hinter dir ein Tiger, der dich gerne fressen möchte, vor dir nur gähnende Leere und 50 m. weiter das andere Ende der Schlucht. Und von dort ruft dir jemand zu, du musst nur springen, dann wird alles gut. Würdest du springen?
Dir ist klar, 50 m weit kannst du nicht springen. Du weißt, einen 100 m tiefen Sturz kann man auch nicht überleben. Und du weißt, der Tiger wird dich töten, irgendwann, aber er wird es tun.
Jedes Zögern lässt dich aber die Zeit weiterleben, die du nicht hättest, wenn du springen würdest.
Wann würdest du den Schritt in den Abgrund wagen?
Vor dieser Entscheidung steht Blume. Sie glaubt noch nicht, dass die Person auf der anderen Seite der Schlucht sehen kann, was ihr durch den Abgrund verborgen ist. Nämlich dass ihr Sprung gar nicht ins leere geht, weil dort ein großer Vorsprung ist, auf dem viele Menschen stehen, die ihr helfen können. Sie sieht den Abgrund und hat nie was anderes gesehen. Da springt man nicht, wenn man vielleicht noch ein oder zwei Minuten Zeit hat zu leben... oder Hoffnung, dass der Tiger einfach geht, weil er plötzlich keinen Appetit mehr auf dich hat. Oder ein anderes Opfer findet, oder, oder, oder... denn solange der Tiger da ''nur'' steht, stirbst du nicht...
So fühlt sich das an. Mit jedem Versuch, sich Hilfe zu organsieren, kommt man der Kante der Schlucht ein Stück näher. Und jeder Millimeter den man sich der Kante nähert, birgt die Gefahr, dass der Tiger springt und einen packt. Die Hilfe die da ist, kann man in der Situation noch nicht sehen...
Wenn Blume sich weiter dem Abgrund annähert, wird sie hoffentlich irgendwann sehen können, dass da Menschen sind, die sie auffangen. Aber das braucht viel Geduld und Mut, sich immer weiter, mm um mm dem Abgrund zu nähern, bis man dann irgendwann sehen kann, dass da ein Vorsprung ist.