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Neurodivergenzen

Trinitiy

Aktives Mitglied
@Santino
Thema Frustration - ich erlebe durch meine Neurodivergenz keinen *richtigen* Leidensdruck, allerdings bisweilen eben Frustration mit anderen Menschen.
Das fühl ich. Geht mir genauso. Die Frustration kommt - bei mir- aus verschiedenen Quellen, immer jedoch in Interaktion mit anderen Menschen. Daher musste ich mir eine Art funktionelle Akzeptanz aneignen und immer wieder viel Anstrengung aufwenden um eine Art oberflächlichen Konsens herzustellen. Befriedigend im Sinne von echter Verbindung herstellen ist es nicht. Diese finde ich extrem selten- auch wenn dann nur mit 1,2 Bezugspersonen- und fühlt sich wie ein 6er im Lotto an. Früher war ich oft neidisch auf Menschen, die sich so leicht in Kontakte stürzen und in oberflächlichen Gesprächen und Treffen so viel Befriedigung rausziehen... der Neid ist mittlerweile weg- aber die Einsamkeit nicht. Auf ihr stehe ich aber mittlerweile sehr sicher. :)

Insgesamt wurde für mich im Studium alles besser, weil ich da Menschen gefunden habe, die dieselben Interessen wie ich haben - deshalb wollte ich auch lang in der Academia bleiben, habe auch promoviert.
Das freut mich für dich - dass du zumindest beruflich ein Feld erobern konntest, wo du Gleichgesinnte finden konntest. Mir war das leider nicht möglich, da ich auch in dieser Welt gescheitert bin mit meiner Art der Neurodivergenz. Besonders schmerzhaft, da das kognitive Potenzial immer für alle sichtbar da war- die inneren Strukturen jedoch in den akademischen Rahmen auch nicht reinpassen.

Dadurch zumindest eine materielle Sicherheit aufbauen zu können ist da sicherlich ein großer Puffer, und befreit vom Druck. :) Dass du frei entscheiden kannst, ob du in 5 oder 10 Jahren in Rente gehen kannst und damit frei über deine Energie/Zeit verfügen kannst, ist ein mega Luxus...
 

Trinitiy

Aktives Mitglied
@Maxi0815
Ich hab hier mal einen Text aus der Perspektive einer hochsensiblen Person in einem Cafe. Ich denke, das beschreibt es ganz gut:

"Ich trete ins Café, und sofort umhüllt mich eine dichte Wolke aus Eindrücken. Der Duft von frisch gemahlenem Kaffee trifft mich wie eine warme Umarmung, durchzogen von einem Hauch Vanille und Schokolade, aber auch einem kaum wahrnehmbaren, stechenden Reinigungsmittelgeruch. Die Luft ist schwer – nicht unangenehm, aber spürbar, als wäre der Raum seit Stunden voller Leben. Ein Summen erfüllt den Raum, eine Mischung aus Stimmen, die sich zu unterhalten scheinen, dem Zischen der Kaffeemaschine, dem gelegentlichen Klirren von Tassen und einer leisen Musik im Hintergrund, die fast verloren wirkt.

Ich lasse meinen Blick durch den Raum gleiten. Das Licht ist weich, aber ungleichmäßig – die großen Fenster lassen das Tageslicht hereinfluten, während die Lampen eine warme, fast goldene Stimmung erzeugen. Doch in den Ecken liegt etwas Düsteres, Schatten, die fast wie kleine Geheimnisse wirken. Die Tische sind aus Holz, ihre Maserung so lebendig, dass ich den Drang spüre, mit meinen Fingern darüberzufahren. Ein Krümel liegt auf der Tischkante – winzig, fast unscheinbar, doch es zieht meine Aufmerksamkeit magisch an. Ich habe das Gefühl, ich müsste es wegwischen, um die Harmonie wiederherzustellen.

Die Menschen um mich herum sind wie kleine Universen, die gleichzeitig existieren und kollidieren. Die Frau in der Ecke liest ein Buch, doch ihre Augen schweifen immer wieder zu ihrem Telefon – sie scheint woanders zu sein. Ein Paar lacht, aber das Lachen klingt hohl, als wäre es mehr ein Schutzschild als echtes Vergnügen. Der Barista hinter der Theke bewegt sich hektisch, seine Hände klappern mit den Tassen, sein Gesicht wirkt angespannt. Alles hat eine Bedeutung, jede Geste, jeder Blick. Ein Baby weint am Eingang, leise, fast unbemerkt von den anderen, doch in mir hallt es wie ein Echo wider, unangenehm und tief.

Ich spüre den Stuhl unter mir – er ist ein wenig zu hart, das Kissen ein wenig zu weich, fast unangenehm. Meine Hand umschließt die Tasse, die Kühle des Porzellans ist ein Kontrast zur Wärme des Kaffees, die sich auf meinen Lippen ausbreitet. Der erste Schluck ist samtig, aber die Schaumbläschen kitzeln meine Oberlippe – ein Gefühl, das mir bewusst ist, fast überdeutlich. Die Musik aus den Lautsprechern hat einen dumpfen Bass, der durch meinen Körper vibriert, als würde er mich vereinnahmen, ohne dass ich es will.

Ich nehme alles wahr, jedes Detail. Die Atmosphäre ist so einladend, so warm, aber gleichzeitig fordert sie mich heraus. Ich fühle die Ungeduld in den Bewegungen der Gäste, die Melancholie in der Musik, die Rastlosigkeit im Raum. Es ist schön, so schön, und doch fast zu viel. Ein Teil von mir will aufstehen und hinausgehen, die Reizflut stoppen. Aber ich will auch bleiben, diesen Moment festhalten, das Gefühl der Verbundenheit mit der Welt, das trotz der Überwältigung da ist.

Als ich schließlich aufstehe, begleitet mich der Moment noch lange. Der Geschmack des Kaffees bleibt auf meiner Zunge, die Geräusche hallen in meinem Kopf nach, und ich spüre die Eindrücke, als hätte das Café einen Teil von mir aufgenommen und mir zugleich etwas dagelassen. Es ist wie ein Abdruck, ein leises Nachbeben, das mich begleitet, lange nachdem ich das Café verlassen habe."

Ganz grob gesagt kann man sagen, dass dem Hochsensiblen dem Filter zur Reizverarbeitung fehlen bzw deutlich reduziert sind. Dabei hat jeder auch eine etwas andere Ausprägung: Manche sind sehr empfindlich ggü Licht, manche gegen Geräusche, manche ggü. Emotionen anderer Menschen....
Dadurch wird nahezu alles viel schneller überfordernd und anstrengend. Man nimmt wesentlich intensiver wahr, benötigt jedoch auch wesentlich mehr Energie zur Verarbeitung des Wahrgenommen.
 

Ausnahmsweise

Aktives Mitglied
Öffne ich die Tür zu solch einem belebten Raum, um ihn zu betreten, hat das für mich etwa den Effekt, als würde aus friedlicher Stille heraus plötzlich und mit einem Knall ein Rudel Raubtiere vor mir stehen, mir direkt ins Gesicht brüllend.
Die Welt stürzt förmlich über mich herein.
Und statt zu flüchten begebe ich mich lächelnd in dieses Chaos.
Überforderung, Anstrengung, Stress pur.

Bei zu vielen Geräuschen kann ich einem Gespräch nicht mehr folgen. Gut trainiert kann ich jedoch als der interessierte Zuhörer wahrgenommen werden und vereinzelte Sätze, Satzteile, genügen meist, um das zu nutzen.
Es wirkt manchmal merkwürdig, wenn ich zu erschöpft bin, um die Fassade weiter aufrecht erhalten zu können, weil die Konzentrationsfähigkeit völlig dahin ist. Spätestens dann erwähne ich Kopfschmerzen, Konzentrationsproblem.
Derealisation kann vorkommen, Depersonalisation auch.

I.d.R. wähle ich für Treffen inzwischen bevorzugt ruhigere Orte, damit eine Unterhaltung möglich ist.
Ohne eine Unterhaltung liefern zu müssen mag ich ab und zu lebhafte Orte, auch Konzerte.
 

Holunderzweig

Sehr aktives Mitglied
Heute war eine Bekannte bei mir und schwärmte mir vor, dass sie im Jahre 2025 ihren Traumprinzen treffen wird, sie war bei einer Wahrsagerin. Ich guckte in die Luft, rechts im Blickfeld tauchte ein Bild auf von einem Mann mit grauem Haar, Bart und graugrünen Augen. Ich sagte ihr, ich sehe einen und beschrieb ihn. Sie lachte auf, zog ihr Handy heraus und zeigte mir eine Zeichnung, coloriert- grauhaariger Mann, Bart, graugrüne Augen. Die Wahrsagerin hat ihn gemalt.

Millionen solcher Zufälle lassen mich meinen und glauben, dass wir untereinander vernetzt sind, psychisch geistig, oder wie ich halt immer sag, uns ist viel nicht bewusst, was unbewusst so alles abläuft.
Ich komm jedenfalls vom Staunen und Wundern nicht mehr heraus, so seltsam, wie geht das? Wieso rede ich eine wildfremde Frau am Ufer eines Sees an und sie heult plötzlich los und sagt, sie hatte gerade vor, sich das Leben zu nehmen, heute wollte sie es tun - bei drei, vier war das ähnlich, intuitiv besuchte ich sie, oder rief sie an und das war echt in letzter Minute. Irgendwer weiß offenbar wirklich, "wieviel Haare jeder am Kopf hat", so stehts jedenfalls geschrieben, einer, so meine ich, weiß offenbar echt alles. Man darf staunen und dem Zufall lauschen, was der alles kann und weiß.
 

Trinitiy

Aktives Mitglied
Hier mal ein Artikel zum Thema Neurodivergenz, den ich echt schön finde:



Zitate daraus:

"Die Vielfalt von Denkweisen ist eine treibende Kraft hinter Kreativität und Innovation. Menschen, die anders denken und Probleme aus ungewöhnlichen Blickwinkeln betrachten, bringen oft revolutionäre Ideen hervor. In vielen Bereichen, wie der Wissenschaft, Technologie, Kunst und Wirtschaft, haben neurodivergente Menschen große Erfolge erzielt, weil sie in der Lage sind, konventionelle Denkmuster zu durchbrechen und neue Lösungswege zu finden.

Zum Beispiel könnten die analytischen Fähigkeiten von Menschen im Autismus-Spektrum in datengetriebenen Berufen wie der Informatik oder Forschung enorm wertvoll sein. Menschen mit AD(H)S neigen dazu, in kreativen Berufen aufzugehen, wo sie ihre Ideenvielfalt und Innovationskraft einsetzen können. Hochsensible Menschen sind oft ausgezeichnete Kommunikatoren und empathische Führungspersönlichkeiten, weil sie soziale und emotionale Dynamiken intensiv wahrnehmen und darauf reagieren können."

"In einer Zeit, in der viele Branchen mit zunehmender Komplexität, schnellen technologischen Veränderungen und globalen Herausforderungen konfrontiert sind, brauchen wir mehr denn je Menschen, die „anders denken“. Neurodivergente Menschen können dazu beitragen, neue Märkte zu erschließen, Produkte zu verbessern und effizientere Geschäftsstrategien zu entwickeln."



Ich fände es sehr erstrebenswert, wenn die individuellen Stärken Neurodivergenter viel stärker berücksichtigt, gefördert und genutzt werden würden- und zwar bereits ab dem Kindesalter.
 

Holunderzweig

Sehr aktives Mitglied
Zitat daraus: """Daraus folgt, dass Neurodivergenz eine Abweichung in Hinblick auf eine von der Gesellschaft festgelegte Norm darstellt – sie ist nicht inhärent negativ oder pathologisch""".

Ich glaub, es gibt eine Art "Grundsprache", bei der man sich trotz Abweichungen normal unterhalten kann, bzw eh unterhält. Manche empfinden diese "Kunstsprache" ( unsere angebliche Empathielosigkeit im Umgang miteinander) als schrecklich, unpersönlich, oberflächlich, ich find, egal, wie man gestaltet ist, es ist wohl das Wichtigste, diese "Einheits-Norm-Gepflogenheiten" intus zu haben.
Meine Enkelin hasst zb sozial korrekten Umgang, der sticht sie, den mag sie nicht. Wenn sie den aber nicht übt und lernt, dann wird sie andere Schwierigkeiten vorfinden, die wesentlich unbequemer sind.
Sie geht meiner Meinung nach den angeblich bequemeren Weg- Ausweichen, statt Dazulernen.
 

Trinitiy

Aktives Mitglied
Sie geht meiner Meinung nach den angeblich bequemeren Weg- Ausweichen, statt Dazulernen.
Es gibt ja Parameter, in denen sich ein jeder begegnen kann. Nicht jeder hat alle Paramater (schon) zur Verfügung. Bei sowas bin ich sanft.... ich mag hier nicht dieses "man sollte dies" oder "man sollte jenes".
Deine Ansicht, dass es zu jeder Zeit das Wichtigste ist, die sozialen Umgangsformen intus zu haben, unterschreibe ich nicht. Das Wichtigste ist (finde ich), sich selbst intus zu haben. Erst danach, wenn man sich mit sich selbst vertraut und wohl und sicher fühlt, hat man- evtl- Lust und Kapazität, sich auch dem Sozialen zu öffnen.
 

Holunderzweig

Sehr aktives Mitglied
Ich schau normal aus, ich lebe normal, ich bin offiziell und nach außen hin nicht anders wie jede und jeder. Eigenarten zeigen, das ist gleichzusetzen mit nackt oder sonst irgendwie auffallend rumlaufen unter "normal Angezogenen". Öffentlich haben doch alle, zumindestens die meisten, ein "Allerweltsgesicht" auf. Dieses höfliche, unpersönliche "Gesicht" find ich ( die ich sehr leicht auf Reize reagiere) angenehm. Kurz, ich mag nicht gern angegriffen werden, Zielscheibe sein, deshalb habe ich Tarn-Kleidung, ich gebe mich bewusst nicht privat. Das musste ich lernen, aber ich kanns. Ihr nicht?
 

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