Liebe Mia88,
deine Zeilen kann ich sehr gut nachvollziehen und wie schwer der innere Kampf ist und die Ängste, die damit einher gehen. Nachdem du mir in meinem Thread Mut gemacht hast, möchte ich es bei dir auch versuchen
. Ich war selbst jahrelang sehr schlimm magersüchtig und bin irgendwie heute noch leider in der Magersucht drin. Ich könnte dir jetzt massig Text schreiben, weil das so ein komplexes Thema ist, das so belasten und unglaublich heftig sein kann, wenn man drinsteckt oder versucht, so wie nicht essgestörte Personen zu denken, zu essen und zu leben. Viele deiner Probleme kenne ich auch. Mein Essverhalten ist immer noch nicht so, wie es sein sollte und mir geht es phasenweise gesundheitlich ganz schlecht, was natürlich doof ist, wenn man Vollzeit arbeitet.
Erstmal kann ich dir erzählen, was mir persönlich hilft. Also mir ist aufgefallen, dass ich etwas entspannter mit diesen Problemen umgehe (soweit man das kann), wenn ich mit engen Freunden darüber spreche. Irgendwann bekommt dann manchmal das Essen und der Körper einen anderen wert. Bei mir ist es auch extrem schwierig, mich zum Essen zu überwinden. Deswegen hilft es mir sehr, wenn ich mit anderen esse - und damit meine ich auch gesund essen und eben "normal" werden. Bevor du über eine Diät nachdenkst, solltest du versuchen, erst einmal etwas mehr mit deinem Körper ins Reine zu kommen oder eine andere Beziehung zum Essen aufzubauen, als es in deinem Kopf drin ist, wenn du in einer essgestörten Phase steckst oder noch richtig drin bist. Die Gefahr von einem Rückfall ist sehr groß. Man macht sich leider bei einer Essstörung dann noch oft extrem viel selbst vor, selbst wenn man weiß, dass es total schlecht ist und man eigentlich darüber hinwegkommen möchte. Ich z. B. sage oft, dass ich bei Stress einfach weniger esse, weil ich keine Zeit dazu habe etc., aber Fakt ist, dass ich es mir unbewusst oder manchmal leider noch bewusst verbiete.
Wie sieht es bei dir gesundheitlich aus? Hat dein Körper noch Mangelerscheinungen? Das kann oft sehr lange dauern, bis sich der Körper erholt hat, auch wenn man bereits wieder Normalgewicht hat. Ich würde auch genauer darüber nachdenken, warum du wirklich so viele kleine Mahlzeiten isst und überlegen, ob es nicht vielleicht irgendwann besser wäre, auf 2-3 Hauptmahlzeiten umzusteigen. Dieses ständige Kleinigkeiten-essen kann nämlich auch wieder nur eine Verlagerung von den Essproblematiken sein. Und letzten Ende finde ich es einfach so, dass man sich nicht nach seiner Esstörung richten darf, irgendwann muss man eine normale Richtung einschlagen, was das angeht. Ich weiß nicht, wie ausgeprägt deine Essstörung noch ist, wie sehr du noch drinsteckst und wie viel du dich schon damit außeinandergesetzt hast, aber oft bleiben unbewusst Teile im Denken und Fühlen zurück, was das angeht. Das kann bei einer Diät gefährlich sein.
Ich finde dein Gewicht für deine Größe okay und es ist nicht fett, auch wenn ich ahne, dass es in dir anders aussieht, was das angeht. Ich würde auch deinen Stoffwechsel mal abchecken lassen, wenn du das noch nicht getan hast. Eine rasante Gewichtsabnahme oder -zunahme kann nämlich auch damit zusammenhängen. Das ist auch wiederum ein Zeichen für Mangelerscheinungen oder dass der Körper sich noch nicht wirklich erholt hat und da ist eine Diät sowieso tabu.
Ein großes Problem ist bei mir Sport. Ich muss da echt aufpassen, dass ich dann nicht wieder in einen Wahn verfalle. Ich neige dann auch dazu, viel von meinem Stress und meinen Problemen in den Sport zu legen, was nicht gut ist, weil ich mich eigentlich damit außeinandersetzen wollte. Versuch also vorerst lieber weniger Sport zu machen, bzw. gar keinen und nur an deiner Ernährung zu arbeiten. Ich würde auch bei Hilfsforen zu Magersucht aufpassen, da kann man oft sehr leicht getriggert werden, auch wenn die Leute da angeblich wieder gesund werden wollen oder normal essen.
Eigentlich ist bewusst abnehmen nach einer Essstörung oder wenn man noch zum Teil drinsteckt, ein ganz schwieriges Thema und man sollte es lieber lassen. Es ist auch so, dass sich nach einiger Zeit das Körpergewicht wieder von selbst anpasst und einpendelt, wenn der Körper merkt, dass man wieder normal und regelmäßig isst und er keine Angst haben muss, dass er Essen weggenommen bekommt und um sein Leben kämpfen muss. Das dauert aber halt leider seine Zeit. Bei mir hat es mindestens ein halbes Jahr gedauert, bist meine Verdauung wieder einigermaßen mitgemacht hat und mein Stoffwechsel besser war. Du darfst ja nicht vergessen, was man bei Magersucht und Bulemie seinem Körper antut. Eine Diät ist sowieso häufig ein Mangelzustand. Willst du deinen Körper von einem Mangelzustand in den nächsten bringen? Die beste Diät ist wirklich gesund und ausgewogen essen, Fett und Zucker weglassen, etwas Bewegung und die Essensmenge zu reduzieren, wenn es zu viel ist (aber sein Hungergefühl beachten!) und dann läuft das schon alles. Aber gerade beim letzten Punkt kann es schwierig werden. Bei mir ist es zumindest so, dass ich mein Hungergefühl gerne "vergesse" oder anders empfinde, als es normal sein sollte. Ist doch leider eine starke Kopfsache und oft will man anders, aber kann noch nicht.
Wenn du Fressanfälle hast (sind es wirklich welche oder betrachtest du es nur als solche?), zeigt es, dass du noch nicht wirklich mit bestimmten Dingen im Reinen bist und dir was fehlt, emotional wie nahrungstechnisch. Der Körper holt sich oft durch "Fressanfälle" das, was er dringend braucht. Deswegen ist auch hier Abnehmen eine bedenkliche Sache.
Mein Rat an dich wäre, dass du dich vielleicht etwas mehr mit dir, deiner (vergangenen?) Essstörung und deiner Gesundheit außeinandersetzst, bevor du sowas anpeilst. Vielleicht verlagerst du durch den Wunsch abzunehmen ganz andere Probleme? Oft muss man auch wirklich in sich hineinhören, ob man wirklich ganz weg von der Essstörung ist. Sowas dauert wirklich und bedeutet ganz harte Arbeit an sich selbst und seinem Leben. Aber überhaupt mehr und richtig zu essen, das ist schon mal der wichtigste Anfang von der ganzen Sache. Mir hat es immer sehr geholfen, wenn ich von anderen Betroffenen, die aus der Essstörung rauskommen wollten, mitbekommen habe, dass es ihnen ähnlich wie mir geht oder dass ich mit meiner Verzweiflung und Erschöpfung, was das alles angeht, nicht alleine bin. Ich wünsche dir auf jeden Fall ganz viel Glück und hoffe, dass ich dir einige Denkanstöße geben konnte. Das meiste kann ich leider nur aus meiner eigenen Erfahrung berichten oder wie ich es empfunden habe, aber wenn es dir hilft, freut es mich natürlich
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