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Als mein Bruder starb (Achtung: könnte triggern)

G

Gast

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Hallo,

bitte nicht wundern wenn der nachfolgende Text etwas durcheinander ist. Ich schreibe es so auf, wie es in meiner Erinnerung ist

Ich habe mit 14 Jahren meinen kleinen Bruder (t10) bei einem Skiunfall verloren. Es war der schrecklichste Tag in meinem Leben. Es war wie als wenn ich mich mitten in einem Film befände. Der Unfall, die Wiederbelebung, der Hubschrauber, der meinen Bruder ins Krankenhaus bringen sollte, die Polizei, die Presse,... Ich habe irgendwann nichts mehr um mich herum wahrgenommen, habe nur noch geweint, "nein, er darf nicht sterben" gerufen und gebetet. So saß ich am Fuße des Hügels, den mein kleiner Bruder hinuntergestürzt war während mein Familie noch oben war. Denn ich hatte die Bergrettung geholt und war dazu hinunter zum Lift gefahren, hatte aber keine Kraft mehr wieder hinauf. Ich war allein, und auch wenn ich ihn nicht sah, spürte ich, dass mein kleiner Bruder jetzt um sein Leben kämpft. Ich wusste von Anfang an, dass er schwer verletzt war, weil ich gesehen hatte, dass er sich nicht bewegte und weil ich die Stimme "Hol die Bergrettung" meines Vaters gehört hatte, die so anders klang als sonst. Ich hatte absolut kein Zeitgefühl mehr. Ein oder auch zweimal rief meine Mutter von oben hinab, wann die Rettungssanitäter denn kämen. Ich konnte es nicht sagen. Ich glaube es vergingen nur Minuten bis sie eintrafen, aber von meinem Gefühl her hätten es auch Stunden sein können.

Während die Wiederbelebung im Gang war, holten meine Mutter und ein Sanitäter mich hinauf. Ich ging einfach mit, stellte keine Fragen, weinte nur. Mein kleiner Bruder war umringt von Notärzten. Ein paar Sekunden lang schöpften wir neue Hoffnung, dachten, er schafft es, denn sie sagten es wäre ein Puls da und einige Meter neben mir mitten auf der Piste landete ein Hubschrauber für den Transport in ein Krankenhaus. Doch der Puls entpuppte sich als kurzes Kammerflimmern und nach einer halben Stunde hatten die Notärzte meinen kleinen Bruder aufgegeben. Sie brachten ihn weg. Der Hubschrauber verschwand wieder und wir wurden den Hügel hinunter zu einer Bank geführt. Dort mussten wir warten. Wir weinten. Die Polizei kam, drückte meinem Vater ein Blatt über den Unfallablauf in die Hand (dass dieser ausfüllte) und vermaß den Unfallort. Die Presse machte heimlich Fotos und befragte Unbeteiligte, die mehr oder weniger zutreffende Aussagen zum Geschehen machten.
Es wurde Abend und sehr kalt. Wir froren, da wir und ja kaum bewegten. Meiner Mutter ging es vom Kreislauf her schlecht, sie zitterte stark. Das rote Kreuz kam und ein Sanitäter brachte uns eine Decke.
Die Polizisten brauchten sehr lange für ihre Arbeit und dann sollten wir noch auf die Wache fahren. Die Sanitäter nahmen uns in ihrem Wagen mit, denn wir hatten unser Auto ja ganz wo anders stehen. Ich weiß nicht was auf der Wache geschah, mein Vater regelte alles, wir warteten in einem Vorzimmer. Miene Mutter hatte einen Kreislaufzusammenbruch. Sie musste sich hinlegen und sollte evtl. über Nacht ins Krankenhaus. Doch zum Glück beruhigte sich ihr Puls wieder. Wir bekamen Schokolade von einem Polizisten geschenkt und froren bald auch nicht mehr.
Irgendwann mitten in der Nacht kamen wir wieder zurück in unsere Ferienwohnung.

Am nächsten Morgen fuhren wir zur Kapelle, wo mein kleiner Bruder aufgebahrt war. Er lag in einer eisernen Wanne. Er sah nicht schlimm verletzt aus, aber er hatte eine andere Farbe bekommen und war kalt und starr. Ich werde das Bild nie vergessen!

Wie mein Vater die Heimfahrt mit dem Auto nach Deutschland ohne einen Unfall zu bauen schaffte, weiß ich nicht mehr. Ich blendete alles aus, was ich den letzten Tag erlebt hatte, fragte nur, ob er das Radio ausmachen könne, damit ich schlafen kann.

Und auch die nächsten Monate, die Beerdigung, das Grab, ...gingen völlig an mir vorbei. ich glaube nicht, dass mein Bruder tot ist bzw. wollte es nicht glauben. Ich hätte es nicht verkraftet.

Heute, ca. fünf Jahre später habe ich es natürlich begriffen. Mit dem verkraften sieht es anders aus. Mein kleiner Bruder fehlt mir so sehr, jeden Tag, dass ich es gar nicht in Worte fassen kann.

Danke fürs "zulesen".

Traurige Grüße

Nathalie
 

karma

Aktives Mitglied
Hallo Nathalie,
du hast ein schweres Trauma erlitten und du hast es bis heute nicht verarbeitet. Ich weiß nicht ob du alle Trauerphasen durchlitten hast und ich kann dir nur raten lass dir von einem Therapeuten helfen. Ich bin eine Nahtoderfahrene und ich könnte dir sagen das es ihm gutgeht wo er jetzt ist. Denn Kinder haben einen besonderen Himmel weil sie was besonderes sind.

Sie leben in einer schönen mystischen Welt und ich habe sie schon gesehen. Durch meine Nahtod als Kind wußte ich, wie es ist zu sterben und wiederzukommen. Ich kann mich an alles noch so gut erinnern als wenn es gestern gewesen ist. Und ich wußte das ich keine Angst haben muß. Diese wundervolle Stille und Leichtigkeit die mich sofort einhüllte wie ein warmer Mantel. Ich wußte sofort ich gehe nach Hause. Diese Erlebnis war so wunderschön, das es heute noch eine große Wirkung auf mich hat. Ich habe Gaben die mit dieser Welt nichts zu tun haben und ich setzte sie für hilfesuchende Menschen ein ohne dafür etwas zu nehmen.

Denn Gottesgaben verkauft man nicht. Ich habe diese Kinderwelt gesehen und ich kann dir nur sagen das sie wunderschön ist. Ein friedliches Dorf so wie früher in einer wunderschönen Naturumgebung. Mit Tieren, Obstbäume,Wohnwagen, Lagerfeuer und kleinen Häusern. Ein kleines Kinderparadies zum spielen und träumen. Und da gibt es viele lachende Kinder die überall herumtollen und auf den Obstbäumen sitzen und nur eins müssen.Glücklich sein.
 

Werner

Sehr aktives Mitglied
Mein kleiner Bruder fehlt mir so sehr, jeden Tag, dass ich es gar nicht in Worte fassen kann.
Hallo Nathalie,
erstmal finde ich deinen Text überhaupt nicht durcheinander ...
Mein jüngerer Bruder ist inzwischen vor über 18 Jahren gestorben, auch auf sehr dramatische Art. Ich kann gut verstehen, dass er dir fehlt. Wenn man als älteres Geschwister ein jüngeres verliert, hat man ja dessen ganzes Leben mit ihm geteilt. Bei mir/uns waren es 20 Jahre, bei dir 10. Das ist eine Menge Zeit und es ist eine ganz besondere Beziehung, die uns niemand ersetzen kann.
Was mir im Laufe der Zeit geholfen hat, dieses Erlebnis zu verarbeiten war einerseits, dass ich den Tod als Bestandteil des Lebens akzeptiert habe - auch dass er uns voneinander trennt. Selbst wenn ich glauben kann, dass es nur eine voräubergehende Trennung ist, ist sie doch real und unüberbrückbar. Dann hat mir geholfen, dem Tod meines Bruders für mich einen Sinn abzugewinnen - ich habe erst auf ehrenamtlicher Basis und später als Teil meines Berufs nach Wegen gesucht und sie gefunden, die anderen in ähnlicher Gefahr hilft, nicht auf diese Weise sterben zu müssen. Und schließlich gestatte ich mir wieder, Menschen nahe zu kommen, auch auf das Risiko hin, sie wieder zu verlieren. So gesehen hätte ich ohne den Tod meines Bruders nicht erfahren, wie wertvoll Beziehungen sein können - und so ist es auch eine Art Geschenk für mich geworden, eine Bereicherung.
In der Hoffnung, dass es es dir mit der Zeit oder bald ähnlich ergeht bzw. du deinen Weg findest, das Erlebte mit deinem Leben in sinnvolle Verbindung zu bringen
grüßt dich Werner
 
N

Nathalie

Gast
Hallo Werner,

danke für dein Antwort! Es tut mir leid, dass du auch so etwas schlimmes erleben musstest.
Für mich gehört der Tod mittlerweile auch zum Leben, ich habe auch keine Angst mehr davor. Das war damals natürlich ganz anders. Als 14 jährige denkt man nicht über Tod und Sterben nach, schon gar nicht, wenn die ganze Familie gesund ist. Ich hatte keinerlei Vorstellung was der Tod überhaupt bedeutet.
In gewisser Weise hat glaube ich alles einen Sinn. Ich weiß jetzt wie schön meine Kindheit war. Die Unbeschwertheit, die für mich als Kind etwas Normales war, ist jetzt etwas Besonderes.
Und ich bin schneller Erwachsen geworden als andere. Ob das gut oder schlecht ist, weiß ich nicht.

Liebe Grüße

Nathalie
 

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