Ich bin 21 und habe seit ca. 7 Jahren Depressionen, bin auch in Behandlung. Meine beiden Brüder haben auch seit ihrer Jugend Depressionen und Angststörungen, sind ebenfalls in Behandlung. Heute haben wir erfahren, dass unser Vater und unser Großvater beide Schizophrenie hatten. Das wurde wohl erst sehr spät erkannt.
Jetzt haben wir alle Angst, auch betroffen zu sein. Ich erkenne weder bei mir noch bei den anderen die typische Symptome, allerdings sind wir alle erst Anfang 20. Leider weiß ich nicht, seit wann unser Vater es hatte.
Ich wünschte man hätte mir davon nichts gesagt. Ich habe Angst, dass es sich bei mir auch entwickelt und ich kein normales Leben mehr führen kann.
Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass ich es habe?
Selbst wenn du Schizophrenie hättest, könntest du ein nahezu normales Leben führen. Voraussetzung ist allerdings, dass du krankheitseinsichtig bist, dich in Behandlung begibst und deine Tabletten regelmäßig nimmst.
Ich habe selbst einen Kollegen, der schizophren und krankheitseinsichtig ist. Bei ihm gab es auch eine familiäre Disposition und außerdem hatte er eine sehr belastete Kindheit. Dennoch hatte er neben seinem Beruf das Abitur auf dem 2. Bildungsweg erworben. Er war zwar anschließend einem Studium an einer Universität nicht gewachsen (hat zwei anspruchsvolle Studiengänge abgebrochen), die Krankheit brach währenddessen aus. Wohl aber hat er, nachdem er medikamentös gut eingestellt war bei seinem Psychiater und wohl auch therapeutische Gespräche dort führte, ein Fachhochschulstudium erfolgreich absolviert und ist trotz seiner psychischen Beeinträchtigung sogar verbeamtet worden, da ein psychiatrisches Gutachten mit entsprechend günstiger Prognose vorgelegt worden war. Heute ist er im gehobenen Dienst tätig und führt schon seit vielen Jahren ein geregeltes Leben, hat auch eine Partnerin. Er ist wegen seiner Erkrankung zwar schwerbehindert, aber das sind Menschen mit bestimmten körperlichen Beeinträchtigungen auch. Jedenfalls kommt er recht gut im Leben zurecht.
Meine Schwester dagegen hat nach meiner Einschätzung auch Schizophrenie, ihr fehlt aber jede Krankheitseinsicht. Dadurch ist ihr Leben komplett den Bach runtergegangen. Dafür ist aber nicht ihre Krankheit an sich, sondern nur ihre mangelnde Krankheitseinsicht ausschlaggebend. Ich habe laienhaft die ersten Symptome (phasenweise Wahnvorstellungen, optische und akustische Halluzinationen, fehlende Tagesstruktur) bei ihr vor 22 Jahren festgestellt, da war sie Mitte 30. Sie hat sich aber bis heute erfolgreich jeder Diagnose und Behandlung entzogen. Zwingen kann man sie nicht, solange sie nicht sich selbst oder andere unmittelbar gefährdet. Sie war nie erwerbstätig, hat folglich kein eigenes Einkommen. Unser gemeinsam ererbtes, schuldenfreies, von ihr allein bewohntes Elternhaus musste nur wegen ihr teilungsversteigert werden. Jetzt lebt sie schon seit acht Jahren in einer kleinen Sozialwohnung von ihrem Erlös aus der Teilungsversteigerung bzw. von Sozialhilfe. Da ich ihrem krankheitsbedingten Psychoterror nicht mehr gewachsen war, musste ich den Kontakt zu meinem Selbstschutz abbrechen. Bis dahin hatte ich 12 Jahre lang vergeblich versucht, sie in psychiatrische Behandlung zu bekommen.
Schizophrenie ist unterschiedlich ausgeprägt. Manche Menschen bekommen in ihrem Leben nur einen einzigen Schub. Andere haben öfters Schübe. Man kann die Krankheit aber behandeln und die Lebensqualität für die Betroffenen und damit auch für ihr Umfeld verbessern. Da du ja um die familiäre Vorbelastung weißt, gehe ich bei dir von der nötigen Einsicht aus. Spätestens für den Fall, dass dir deine Umgebung irgendwie komisch vorkommen sollte und du den Eindruck hast, alles habe sich gegen dich verschworen, solltest du dich in psychiatrische Behandlung begeben.
Aber wenn dich der Gedanke, du könntest auch daran erkranken, schon jetzt dermaßen ängstigt, würde ich mich an deiner Stelle auch schon jetzt vorsorglich beraten lassen. Du könntest deine Besorgnis doch bei der Psychotherapeutin/dem Psychotherapeuten mal ansprechen, bei der/dem du wegen Depressionen in Behandlung bist. Vielleicht bist du danach ein wenig beruhigt.
So klar, wie du schreibst, habe ich übrigens nicht den Eindruck, dass du bereits erkrankt bist. Ich habe mit meiner Schwester viel mitgemacht. Darüber hinaus war ich als Juristin lange bei meiner Behörde für einen bestimmten Bereich des Personals tätig und habe in der Zeit viele verworrene Briefe von offensichtlich psychotischen Menschen gelesen. Dein Text klingt in keiner Weise auffällig, sondern im Gegenteil sogar sehr reflektiert.