ich habe Abitur, ein abgebrochenes Studium und eine abgeschlossene Berufsausbildung.
auch wenn viele immer behaupten ein Studium sei härter als eine Ausbildung, glaube ich, dass es oft andersherum ist.
Ich habe während meines Studiums (vor allem weil ich nicht nebenbei arbeiten musste) relativ viel Freizeit gehabt. Meine Freunde, die in einer Ausbildung steckten, habe ich oft bewundert für ihre Disziplin, ihre Fähigkeit Gelerntes immer wieder neu in die Praxis umzusetzen, den Druck die ständige Beobachtung von Chefs und Kollegen auszuhalten, einerseits als Küken ihrer Abteilung manchmal bemuttert oder gar bevormundet zu werden und andererseits erwachsen agieren zu müssen, und und und
Was ich damit sagen möchte: die Tatsache, dass Du eine Ausbildung erfolgreich zuende gebracht hast zeigt, dass es so ganz schlimm nicht sein kann mit Dir.
🙂
Das Problem liegt nicht bei Dir, sondern an den übermenschlichen Anforderungen, die heute oft gestellt werden.
Allerdings bin ich mir darüber im Klaren, dass ich langsamer als die meisten anderen arbeite - teils, weil ich einfach etwas langsam im Denken, teils weil ich perfektionistisch bin. Meine meist guten oder sehr guten Noten hab ich durch viel lernen bekommen. Kurz vor und nach einer Klassenarbeit/Prüfung weiß ich den Stoff auch, ich begreife schon auch Komplizierteres -aber ich brauch eben Zeit dafür.
Zu Zeiten, in denen meine Mutter berufstätig war, wäre das überhaupt kein Problem gewesen. Wenn man in den 60ern und 1970ern nicht gerade auf der Arbeit einschlief, war der Job so gut wie sicher.
Meine Mutter erzählt mir, dass sie manchmal auf der Arbeit stundenlang Bücher las oder zum Chef ging, sich abmeldete und einen Stadtbummel machte. So paradiesisch ging es zwar ganz bestimmt nicht überall zu, doch leider stimmt es, dass sich die Zeiten für Leute wie uns in beruflicher Hinsicht zum Schlechteren gewandelt haben.
🙁
Ich schreibe "uns", weil ich dasselbe Problem habe wie Du. Mein Gehirn ist nicht in der Lage wie ein Trichter zu funktionieren und viele Fakten ganz ganz schnell aufzunehmen. Es kann auch keine Infos speichern, so dass ich sie abrufbereit habe, sobald ich sie brauche. Damit ich etwas abrufbereit habe, muss ich es immer wieder tun.
Einige Büro-Schulungen, in denen andere problemlos mitkamen, hätte man für mich genauso gut in Chinesisch halten können.
😕Nach wenigen Minuten
kann ich einfach nicht mehr zuhören und mein Gehirn schaltet auf Standby.
Oft haben mir Kollegen geholfen zu verstehen, was bei ihnen hängen geblieben war und bei mir nicht.
Die Schulungsleiter waren ebenfalls nett und verständnisvoll und gaben mir Nachhilfe. Und trotzdem: es gab Zeiten in meinem Leben, in denen ich trotz aller Hilfe scheiterte.
Meine Schulzeit auf dem Gymnasium war das Grauen, weil ich dort mit dem Input an Informationen komplett überfordert war.
Natürlich habe ich oft darüber nachgedacht, warum ich mich nicht konzentrieren kann, und viel darüber gelesen. Es gibt ganz, ganz viele mögliche Ursachen dafür.
- ein Gehirn, das Informationen eher mit der rechten Hirnhälfte aufnimmt als mit der linken.
- Menschen lernen auf unterschiedliche Weise. Es gibt akustische-, visuelle- und "learning by doing" Lerntypen.
- starke Introvertiertheit.
Wie ist es bei Dir? Bist Du gerne 24/7 mit anderen Menschen zusammen, oder brauchst Du manchmal Pausen? Wissenschaftliche Studien haben nachgewiesen, dass Introvertierte eine längere Leitung als Extrovertierte haben, weil in ihrem Gehirn so viel Aktivität herrscht, dass dieses nicht wie eine leere Vase funktioniert, die gefüllt werden will. Das heißt nun natürlich nicht, dass Introvertierte oder Extrovertierte schlauer oder dümmer sind als die jeweils andere Gruppe. Es ist halt nur so, dass extrovertierte Menschen nicht soviel nachdenken und grübeln, weshalb ihr Gehirn bei Bedarf schneller den Status einer leeren Vase annehmen kann. Und das hilft beim Aufnehmen neuer Fakten ungemein.
- wie stark schätzt Du Dein Selbstbewusstsein und Deine Selbstsicherheit ein? Du schreibst, Du bist sehr perfektionistisch. Warum ist das so?
Hat das vor allem mit Deinem Selbstbild zu tun, oder geht es Dir auch vielleicht zu stark darum, was andere Menschen von Dir denken?
- fühlst Du Dich beobachtet, wenn Du mit anderen zusammen arbeitest? Wenn man ständig das Gefühl hat, beobachtet und beurteilt zu werden, kann das die Konzentration auf momentane Aufgaben ganz schön arg in Mitleidenschaft ziehen.
Ich litt früher an Sozialphobie. Die Folgen der SP und des Mobbings auf dem Gymnasium führten dazu, dass ich mich nicht komplett entspannen kann, sobald ich mit einer Gruppe Menschen zusammen bin. Meine Kollegen und Chefs konnten so nett, geduldig und verständnisvoll sein wie man es sich nur vorstellen kann. Mich fallen zu lassen und mein Gehirn zu einer "leeren Vase" zu machen, die in sehr kurzer Zeit mit mehr und mehr und mehr Infos gefüllt wird, klappt(e) einfach nicht.
- manche Menschen leiden unter Konzentrationsstörungen als Folge einer Depression
- oder ADS
- Hochsensibilität
- oder unterdrückter Linkshändigkeit. Kinder ahmen Erwachsene und andere Kinder oft nach, weshalb es selbst im Jahr 2013 noch immer Kinder geben soll, die als Linkshänder geboren werden und sich sozusagen selber umerziehen. Als Erwachsene haben sie dann nicht selten die Probleme, die Du beschrieben hast.
Was ich damit sagen will ist nicht, dass die Wurzel Deiner Probleme irgendwo bei den Punkten liegen muss, die ich eben aufgezählt habe. Es sollte nur ein kleiner Denkanstoß sein.
🙂
Mein Gedächtnis ist mittelmäßig bis schlecht; das, was ich ständig mache, das hab ich intus, aber sobald ich etwas Gelerntes nicht dauernd brauche, ist es weg. Außerdem leide ich unter Schlafmangel und Konzentrationsschwierigkeiten, was sich natürlich ebenfalls negativ aufs Denkvermögen auswirkt.
Das könnte ebenfalls von mir sein.
Leidest Du unter Einschlafproblemen aufgrund zu vieler Gedanken und Grübeleien?
Du scheint innerlich enorm angespannt zu sein. Hast Du Dich schon mal von einem Arzt untersuchen lassen? Zu viele Stresshormone, Schilddrüsenprobleme, usw...<- Denk-und Gedächtnisstörungen liegen nicht selten unter anderem auch an medizinischen Faktoren.
Wahrscheinlich hast Du schon viel von Entspannungsübungen gehört. Was auch helfen soll: Singen. Ob gut oder schlecht, alleine oder mit anderen ist egal.
🙂 Es entkrampft innerlich.
In dieser Hinsicht habe ich bereits viel unternommen, aber die Ergebnisse sind nicht berauschend. Nur: Mein Job ist sowas wie eine Insel der Seligen ... unsere Vorgesetzten sind sehr human und tun wirklich alles, um unsere Arbeitsplätze erhalten zu können.
Du zeigst Engagement um an Dir zu arbeiten, leidest nicht an Selbstüberschätzung (ein häufiges Problem in unserer Gesellschaft) und zeigst Dankbarkeit. Damit hast Du Eigenschaften, die für jeden Arbeitgeber ein absoluter Traum sind. Ich glaube, es wäre wichtig, dass diese Aspekte auch in Deinem Lebenslauf und/oder den Beurteilungen Erwähnung finden. Denn zum Glück gibt es noch immer Arbeitgeber, denen der Charakter ihrer Bewerber wichtig ist.
🙂
Ich mache mir sehr große Sorgen um meine finanzielle Sicherheit, weil ich nicht glaube, dass ich irgendwo anders im Berufsleben wirklich Fuß fassen könnte.
Keiner ist heutzutage mehr sicher in seinem Job. Und dass einem nach einem Jobverlust der Neueinstieg nicht gelingt, kann leider jedem passieren.
🙁 Natürlich ist es alles andere als schön, wenn es soweit kommen sollte. Doch keiner wird dadurch zu einem weniger wertvollen Menschen.
Vielleicht würde es Dir ein wenig helfen Dich zu fragen, was so schlimm daran wäre, wenn der Worst Case tatsächlich eintreten würde. Klar, Dein Perfektionismus käme mit einer Position und einem Leben als Arbeitsloser nicht gut klar.
Doch was wäre da
noch? Würdest Du darunter leiden, dass Du Dir weniger leisten könntest? Dass andere Menschen Dich eventuell für etwas verurteilen würden, für das Du nichts kannst?
Dass Du Dich selber verurteilen würdest? <- Doch Warum? Du scheinst ein toller Mensch zu sein. Keiner ist ohne Schwächen. Es ist gut, dass Du an Deinen arbeitest, aber gleichzeitig ist es auch wichtig sich ein Stück weit anzunehmen.
Brauchst Du es gebraucht zu werden? Ein berufstätiges und "richtiges" Mitglied unserer Gesellschaft zu sein? Stelle doch mal all diese Dinge infrage.
"Dank" Globalisierung, Technologisierung, Digitalisierung und Outsourcing verlieren viele Menschen die Kontrolle über ihren beruflichen Werdegang. Doch wir leben leider immer noch in einer Welt, in denen Menschen, die im Berufsleben (nicht mehr) mithalten können als Menschen zweiter Klasse gesehen werden von denen, die noch im Berufsleben stehen
Das kommt den Großkonzernen sehr gelegen, denn durch all das "Hartz IV Empfänger"-Bashing hat der arbeitende Teil der Bevölkerung umso
mehr Angst ein Teil der anderen Gruppe zu werden und legt sich noch mehr ins Zeug. Ob die Menschen dann durch Überforderung irgendwann krank werden ist den Mächtigen dieser Welt egal.
Übertriebenes Leistungsdenken ist in unserer Zeit, in denen ein "ordentlicher" Job im ersten Arbeitsmarkt oft Glückssache ist, also total fehl am Platz.
Damit meine ich nun nicht, dass man nicht mehr aus dem Bett aufstehen und seine Hoffnungen begraben soll. Doch so ein Stück weit los zulassen ist gar nicht mal das Schlechteste.
🙂
Du bist in erster Linie ein Mensch. Deine Position als Berufstätiger macht Dich nicht besser als es der Fall wäre, wenn Du aus dem Hamsterrad Job heraus geflogen wärst.
An sozialen Fragestellungen habe ich zwar Interesse,
Noch eine Sache, die für Dich als Person spricht!
🙂
aber ich bin nur wenig belastbar und da ich zu Depressionen neige, wäre das auch der falsche Platz für mich.
Nun...soziale Arbeit ist nicht gleich soziale Arbeit. Da gibt es eine riesige Vielzahl an Bereichen und Nischen. Vor langer Zeit bin ich trotz meiner Konzentrationsprobleme, anfänglichen Schüchternheit und Depressionsneigung gut in einem sozialen Jahr in der Pflege zurecht gekommen. Die Anfangszeit war schwer, doch dann lief -oh Wunder- alles gut. Manchmal muss man Dinge einfach ausprobieren um herauszufinden, ob man sie kann. Ich habe herausgefunden, dass ich belastbarer in, wenn ich einen emotionalen Draht zu dem habe, was ich tue. Das ist natürlich bei jedem anders.
Gibt es etwas, was Dich sehr interessiert, aber wovor Du Dich fürchtest, weil Du glaubst ihm nicht gewachsen zu sein? Vielleicht liegt genau dort langfristig Dein Glück.
Doch auch falls es nichts gibt, was Dich innerlich fesselt: lerne ein wenig los zu lassen. Wir haben alle Schwächen, altern und sterben. Kontrolle ist eine Illusion.
Alles Gute!
🙂