Dieses "Hätte ich mehr tun müssen, hätte ich mich früher wehren müssen, hätte es garnicht erst dazu kommen dürfen", all das sind legitime und belastende Fragen, die sich jedes Opfer stellt und deren Antworten sich immer wieder verändern.
@GrayBear
Diese Frage stellen sich wirklich viele Opfer und diese Fragen, haben, so denke ich, eine Schutzfunktion, gleichzeitig stellen diese Fragen aber auch eine Belastung dar.
Sich die Mitschuld zu geben bedeutet letztendlich, dass man eine Situation erklärbar macht und so sich die theoretische Möglichkeit des Entrinnens aus einer bedrohlichen Situation auch für die Vergangenheit offen lässt, frei dem Motto, hätte ich anders reagiert, wäre alles nicht passiert. Das ist natürlich in den meisten Fällen ein Trugschluss. Das gegenwärtige Ich versucht in diesen Fällen nur dem vergangenen Ich eine Erklärung zu geben, die aber natürlich auf die damalige Situation nicht zutrifft.
Ich möchte dies an meinem Fall verdeutlichen, ohne konkret auf meinen Fall einzugehen, um niemanden evtl. zu triggern. Mein Leben wurde duch jemanden bedroht. In einer gewissen Situation war ich erschrocken und überrascht, so dass ich zunächst nicht zur Gegenwehr kam. Mein Kopf war leer, ohne Gedanken, nur der eine Gedanke war in mir, was macht er hier, in meinem Raum. Danach war mein Kopf gänzlich leer. Ich schaute ihn einfach an, ohne die Möglichkeit einer Reaktion und ohne einen Gedanken in mir. Mein Gehirn stellte alle Gedanken ab, um mich zu "schützen". Danach kamen noch ein paar Reaktionen von mir, die hier aber nicht wichtig sind,denn auch bei diesen Handlungen lief mein Gehirn nicht wie der Motor eines Porsches, sondern wie der eines Trabis.
Mein jetziges Ich könnte sagen, ich hätte mich von Anfang an gegen ihn schmeißen müssen, aber ich würde mir dann etwas vormachen. Ich konnte es während des Angriffes aus dem Hinetrhalt nicht, so hilft mir auch nicht, wenn mein jetziges Ich meinem vergangenen Ich sagen will, ich hätte es machen müssen. Vielmehr muss mein jetziges Ich akzeptieren, dass mein vergangenes Ich es nicht konnte. Herrje, das ist nun aber für mein jetziges Ich auch ein Problem, weil ich mir damit Wehrlosigkeit für diese vergangene Sitaution attestiere, was für die Zukunft Angst bedeuten kann. Deswegen ist der Versuch von Opfern durch Schuld dieser Wehrlosigkeit zu entkommen verständlich.
Somit sind wir jetzt an einem Punkt der absolut unsäglich ist. Was machen wir nun? Wir müssen einfach begreifen, dass unseres zukünftiges Ich auch durch schlimme Erlebnisse wachsen und gedeihen kann, dass dadurch eine Reifeprozess einsetzen kann, der unsere zukünftige Entwicklung positiver werden lässt, auch wenn wir auf diese schlechten Erfahrungen gerne verzichtet hätten. Ich sage immer in allem Negativem kann auch etwas Positives erwachsen und wenn wir das sehen können, dann werden wir das auch für uns erreichen.