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Denksüchtig?

User19

Neues Mitglied
Hallo liebes Forum!
Ich habe ein kleines Problem. Es ist wirklich sehr klein, aber auch sehr belastend für mich. Ich muss ehrlich zugeben, es ist mir etwas peinlich euch hier mit so einer Nichtigkeit zu belästigen, wenn ich sehe, dass andere Menschen, die hier Hilfe suchen, scheinbar unlösbare Schwierigkeiten in ihrem Leben haben. Nun ich schreib jetzt mal einfach….

Ich bin momentan sehr glücklich. Ich hab eine Handvoll wunderbarer Freunde, ich bin gesund, ich studiere ein Fach, bei welchem ich, voll in Leidenschaft versunken, jede kommende Vorlesung kaum abwarten kann, ich mache nächste Woche 8 Tage Urlaub und besuche meine beste Freundin in Irland – eigentlich ein richtig tolles Leben!

Nun, mein Problem ist folgendes: Meine Eltern starben als ich noch recht jung war (7 Jahre) und ich habe mich damals, als Reaktion darauf, komplett verschlossen und mich nur noch mit mir selbst beschäftigt. Ich hab begonnen nachzudenken. „Wo sind sie jetzt genau?“, „Wie sieht es im Himmel aus?“, „Warum passierte das gerade mir und nicht irgendeinem anderen Menschen?“, „Hab ich was falsches gemacht?“ und so weiter. Natürlich war ich schwer depressiv für die nächsten Jahre und hatte wenige Freunde, aber das ist jetzt nicht das Thema! Das Thema ist: Ich hab weiter gedacht. Ich habe über den Himmel nachgedacht, dann über Gott, dann über das Leben und den Tot dann über die Menschheit, dann über Philosophie, Religionen, die Gesellschaft, Politik, Wirtschaft, Psychologie und Biologie und die Jahre verstrichen und ich hab nie wieder aufgehört. Ich kann nicht mehr aufhören. Ich MUSS denken. Jede freie Sekunde. An Leben und Tot, aber auch alltägliches wie das, was in der Zeitung steht. Und ich vergeude damit mein Leben. Ich finde es gibt nichts Besseres im Leben als nachzudenken. Es ist schöner als Sex. Ich verbringe freie Tage damit 5-8 Stunden pausenlos in meiner Wohnung auf und ab zu gehen (stets von der Küche zur Balkontür und wieder zurück) und mein Hirn arbeiten zu lassen. Ich bin süchtig darauf und wie bei einer Sucht vernachlässige ich andere Bereiche.

Es ist Samstag und nichts zu essen zuhause – ich sollte einkaufen gehen. Ne, ich denk lieber über philosophisches Problem xy nach und ess morgen einfach nichts.
In 1 Stunde beginnt die Uni – ich sollte mich vorbereiten. Ne, ich denke lieber nach und dusch einfach nicht und geh mit dem T-Shirt, mit dem ich geschlafen hab, merkt eh niemand.
Ich sollte heute wirklich für die Prüfung lernen. Ne ich denk lieber über das Shakespeare Stück, dass ich gerade gelesen hab nach.

Ihr könnt euch nicht vorstellen wie gerne ich nachdenke. Über alles und jeden. Ich bin kaputt, was das angeht. Vollkommen unbrauchbar. Und natürlich geht das ganze denken nicht spurlos an einem Vorbei. Ich muss ehrlich zugeben, ich bin mittlerweile durch jede Philosophische Überlegung 10 Mal durchgelaufen und nun ungewollt Nihilist geworden. Ich glaube an rein gar nichts mehr, bin vollkommen taub gegenüber allem und nehme nichts, was irgendwo auf der Welt passiert mehr ernst. Ich finde die ganze Welt ist sinnlos und lächerlich und die Tatsache, dass ich hier gerade schreibe ist völlig sinnlos und lächerlich. Das bedeutet aber nicht, dass ich depressiv bin, nein, ich bin ziemlich glücklich mit dieser Einstellung. Aber: Ich hab mich gedanklich ins Aus gespielt, in ein Aus, aus dem ich nicht mehr rauskomme und das niemandem etwas nützt. Es bringt mich ja nicht weiter im Leben, so zu denken und zu handeln. Ich steh in einer Sackgasse und verschwende mein Leben. Ich hab schon versucht das Problem zu lösen, indem ich mich z.b. mit buddhistischen Meditationsübungen auseinandersetzte. Das Resultat war wochenlanges Nachdenken über den Buddhismus.

Bin ich normal? Machen das viele Menschen Anfang 20 so? Ist das ein typischer Fall von Existenzkriese? Brauch ich Hilfe?
 
Ich finde dich sehr interessant. 🙂

Wenn du etwas tust, das dich glücklich macht, dann ist es keine vergeudete Zeit. Es gehört zu dir und die Minuten und Stunden, die du mit dir verbringst, sind ein Teil von dir.

Aber was hält dich davon ab, beispielsweise während dem Duschen zu denken? Gerade Duschen, da kann man doch so schön das heiße Wasser über sich laufen lassen und in Gedanken versinken. Beim Abwasch, beim Aufräumen, beim Anziehen, beim Entspannen. Alles Dinge, über die man nicht nachdenken muss und dafür Raum bieten, anderen Gedanken nachzugehen.

Ich bin der Meinung, dass das Denken an und für sich nicht das Problem ist. Es ist wundervoll, dass du in dich gehst. Allerdings klingt es für mich so, dass du zu sehr in dir drin bist und zu wenig "da draußen". Sprichst du mit anderen Menschen über Themen die dich beschäftigen? Hör anderen zu, hör dir andere Meinungen und Ansichten an und lass dir neue Einblicke aus anderen Köpfen geben. Wenn du nur in deinem Kopf bist, dann bist du dort nicht so frei, wie du dich vielleicht fühlst. Du hast einen Gedanken, ein Puzzleteil, auf dem du ein Blütenblatt siehst und malst dir die Rose dazu aus. Du kommst aber nie dahinter, dass dieses Blütenblatt nur ein Teil eines riesigen Blumenbuketts ist, weil du nie nach den restlichen Teilen gesucht hast.

Durch dein geschlossenes Ökosystem in deinem Kopf verfestigen sich deine eigenen Schlüsse, die verhindern, dass du über den Tellerrand schauen kannst. Und du stößt an deine Grenzen, deswegen suchst du in diesem Forum Rat. Lerne dich zu öffnen, beschäftige dich mit anderen Menschen, beobachte deine Umgebung, such dir gegensätzliche Literatur.

Und geh mal Duschen!
 
Lieber User,

Nihilisten haben die schöne Fähigkeit, Dinge und Gegebenheiten hinterfragen zu können.
Jedoch haben sie oftmals die Fähigkeit verloren, einen festen Standpunkt einzunehmen.
Sie treiben in der Zeit wie ein Blatt im herbstlichen Wind und neigen nicht selten dazu,
sich irgendwo irgendeiner allgemeinen Meinung anzuschließen, um Nachteile möglichst zu vermeiden.
Es fällt ihnen schwer, ein schönes Ziel anzustreben, denn es könnte falsch sein.

Wechsel von der Theorie zur Praxis, schaffe gute Tatsachen, die Dir belegen, wie Dein Leben gut funktioniert.

LG, Nordrheiner
 
Das ist überhaupt nicht schlimm. Du bist in einem guten Alter. Im Moment hast du ein Problem: Deine Gedanken gehen kreuz und quer und kommen und gehen wann sie wollen. Das empfindest du als Last.

Das ist aber überhaupt nicht schlimm. Du gehörst zu den besonderen Menschen, die sich mit dem Leben und der Welt beschäftigen.

Durch das jahrelange Nachdenken hast du dir einen Wissensvorsprung geschaffen. Jetzt ist es für dich vielleicht an der Zeit, selbst produktiv zu werden. Ich kann mir vorstellen, dass du dich anderen mitteilen willst, aber nur nicht weißt, wie du das machen sollst.

Versuche es mit der Schriftstellerei. Schreibe Geschichten. Und wenn du jetzt sagst....würde ich gerne, ich weiß nur nicht, wie ich das anfangen soll, dann antworte ich: "Fange an Tagebuch zu schreiben. Am ersten Tag schreibst du vielleicht nur einen Satz....aber du wirst sehen, dass es mit der Zeit immer mehr Sätze werden....und dann weißt du wie das mit dem Geschichte schreiben funktioniert."

Damit tust du deinem Gehirn übrigens ein Gefallen. Während du dich in Gedanken manchmal im Kreis drehst, vermittelst du dir durch das Aufschreiben selbst, dass du es "abgelegt" hast und du hast im Gehirn Platz für was neues.

Ich hoffe, ich konnte dir helfen. Ich glaube wir sind Brüder/Geschwister im Geiste. Halte mich auf dem Laufenden.
 
Ob du normal bist?
Ich finde es jedenfalls total normal, dauernd zu denken.
Ist das nicht bei jedem so? Was sollte das gehirn denn auch anderes tun?
Komisch finde ich nur, dass du das denken nicht mit anderen (monotonen) tätigkeiten kombinieren kannst.
Und die art deiner gedanken ist vielleicht auch bemerkenswert.
 
Hey, ich finde, es klingt ein bisschen nach Zwang(sgedanken)/Denkzwängen oder wie auch immer man das nennen mag. Zwar scheinst du glücklich zu sein, was dieser Vermutung widerspricht, aber aus irgendeinem Grund hast du hier ja auch gepostet, also scheint es dich ja auch irgendwie zu beschäftigen. Habe jedenfalls mal von einer person ähnlichesgehört und diese person litt unter einer zwangserkrankung...

Wie sehr dich das ganze einschränkt kannst aber nur du beurteilen.

PS: entschuldige dich nicht für die angebliche "nichtigkeit" deiner Probleme! Du warst in deinem Leben bisher anscheinend sehr, sehr tapfer! Ich wünsche dir weiterhin alles Gute! 🙂
 
Hallo User19,

ich denke, dass es vor allem aufgrund Deiner Biographie ziemlich normal ist, dass Du Dir Gedanken machst über den Tod, die Gerechtigkeit im Leben etc. Die Frage nach dem Sinn ist eigentlich weit verbreitet. Ich habe mich schon oft gewundert, wie man überhaupt zufriedenstellend leben kann ohne eine befriedigende Antwort auf solche Fragen.

Die Lösung besteht wohl in einem Weltbild, das Dich gleichzeitig vom Grübeln wegbringt.

Wenn Du Dich schon für Philosophie interessierst, so würde ich Dir Kant empfehlen. Der gibt - zumindest mich - befriedigende Antworten. Auch in religiöser Hinsicht. Leider ist er nicht gerade allgemeinverständlich. Sein schwerer Sprachstil hat mich anfangs ziemlich abgetörnt ("so was Kompliziertes kann nicht in Übereinstimmung mit der Wahrheit sein ..." 🙂.

Was richtig oder falsch ist, erkennt zudem jeder ganz schnell, oder? Dazu muss man keine Philosophie studiert haben. Dazu braucht man kein stundenlanges Grübeln. In Deiner Ablehnung des Grübelns zeigt sich Dein wahres Ich, das nicht in Übereinstimmung steht zu Deiner aktuellen Lebenspraktik (nihilistisches Grübeln, das keinem etwas nützt). Diesem Ich nachzuspüren, könnte helfen.
 
Hallo User19,
hast du mittlerweile die Lösung für dein Problem gefunden? Ich habe im Prinzip dasselbe Problem. Vielleicht sind viele andere Menschen auch so, ohne sich jedoch dessen bewusst zu sein? Du hast dir doch dazu sicherlich viele weitere Gedanken ☺gemacht, oder?
 
Ich denke, dass solche Gedanken jeden irgendwann beschäftigen, aber man sich beizeiten auch selber stoppen kann und muss.

Schon alleine um nicht das Jetzt zu vergeuden mit den Was-Könnte-sein-Gedanken.

Damit wird man nie zu einem abschließenden Ergebnis kommen, weil man es schlicht nicht weiß und wissen kann.

Man sollte sich vielleicht auf das Jetzt und das Jetzt-Genießen und -freuen konzentrieren, damit man am Ende nicht mit bloßen Gedankenkonstrukten da steht, sondern mit wirklichen und schönen Erlebnissen.
 
Wie Nordrheiner es beschrieb, sehe ich ebenso ein Problem.

Die ganze Grübelei ist je nach Typus normal, auch das Suchen und Interessieren - Du musst einen großen Wissensschatz dadurch angehäuft haben, aber die Intensität, wie Du diese beschreibst ist übergroß, da stimmt etwas nicht - und genau deswegen sehe ich ein Problem in Deiner Entscheidungsfähigkeit/in Deinem Beurteilungsvermögen.

Wie hast Du geschrieben, Du wolltest meditieren und hast danach den gesamten Buddhismus durchgewälzt...

....und lass mich raten, dann ist es zu keiner Meditation gekommen.

Das wäre ein solches Beispiel. Ich denke mir mal eines aus:
Du denkst über Kinder nach als evtl. Vaterschaft und lernst quasi alles über Erziehung, Kinderkrankheiten, Familienplanung, Familienprobleme, Beziehungprobleme, Finanzen in der Beziehung und Ehe, u.s.w. ...und dann kommst Du darauf das Du das besser bleiben lässt. So stelle ich mir Dich vor.

Nun bist Du ja an einem Punkt gelangt, in der Du alles als sinnlos ansiehst, aber dennoch verstehst das das niemanden etwas nützt, das Du es so ansiehst?

Ich denke Du hast ein Entscheidungsproblem, genauer ein Problem Dich für gut oder schlecht zu entscheiden...

Woran liegt das? Ich denke Deine Entscheidungsunfähigkeit (siehe ungewollt Nihilist) ist angstbegründet - Du könntest Dich für das Falsche entscheiden.

Aber Du standest mittem im Wald und hast diesen wegen der ganzen Bäume um Dich herum nicht erkennen können:

Es ist egal wofür Du Dich entscheidest, denn auch wenn es ein Fehler war bringt Dich dieser zur richtigen Erkenntnis, wenn Du weißt wonach Du suchst. Verstehst Du das? Wenn Du es jedoch nicht weißt, wie sollst Du dann Deinen Weg beurteilen können? Das ist es warum Du mit nichts etwas anfangen kannst. Das Ziel liegt nicht in den Wegen welche man gehen kann... ...sondern das Ziel ist ein von Dir g e s e t z t e r Punkt, diesen es gilt zu erreichen.

Dein ganzes Wissen was Du durchstöbert hast, gleicht dem Anschauen eines Reisekataloges, aber keines von den Zielen hast Du bereist, nichts erlebt, nichts dafür oder darin getan.

Jedoch schreibst Du Du fühlst Dich damit gut, nur warum dann der Post hier? Ich denke Du könntest hier in vielen Threads Dein Wissen in kompaktisierter Form anwenden und verteilen, so hätten alle etwas davon und Du würdest evtl. etwas finden was Dich sinnvoller Weise erfüllt und vielleicht ungeahnter Weise noch etwas dazu lernen.

Grüße,
Peace
 

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