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Depression und Nicht-Sprechen-Können (TRIGGER)

"Schmerzen [...] stellen uns unter anderem vor die Herausforderung, dass wir sie eigentlich nur durch Metaphern ausdrücken können. Schmerz lässt sich sprachlich nicht erfassen wie ein Tisch oder andere Gegenstände. In gewisser Weise ist Schmerz das Gegenteil von Sprache." (John Green)

Ich habe Gedanken und Gefühle, die ich nicht haben sollte. Und ich kann nicht darüber reden. Dennoch will ich es hier versuchen. Einfach, weil es in der Therapie nicht klappt, mit Freunden nicht klappt, mit Eltern nicht klappt... Ich spreche ohne zu reden. Ich nutze Worte, ohne etwas zu sagen. Was ironisch ist, weil ich mehrere Sprachen spreche. Aber in keiner davon kann ich sagen, was für mich gerade Gewicht hat. Deshalb werde ich mich jetzt überwinden und einen Hilferuf verfassen. Denn ich bin am Limit.

Das ist nichts Neues, das bin ich seit Monaten. Vor drei Monaten etwa muss meine depressive Episode angefangen haben. Natürlich habe ich mich da nicht die ganze Zeit immer nur depressiv gefühlt. Aber aus Warnsignalen wie meiner Unfähigkeit, meine Wäsche zu waschen oder meine Essensreste wegzuwerfen (und ja, das ist genauso eklig wie es klingt) wurde nach und nach eine unerträgliche Leere und Dunkelheit in meinem Innersten.

Ich habe einen sehr engen (platonischen) Freund, der so gar nicht an Grenzen glaubt und manchmal recht übergriffig sein kann. Aber wir arrangieren uns und das läuft alles irgendwie. Aber bei ihm ist mir zum ersten Mal aufgefallen, dass ich mich fühle, als wäre nichts mehr von mir übrig. Wenn er meine Grenzen einreißt, die Mauern zu Fall bringt, die verhindern, dass andere sehen, was in mir ist, dann wird er nichts anderes als ein großes Nichts sehen. Genau wie ich in mir jeden Tag nur ein großes Nichts sehe.

Klar, ich habe Suizidgedanken. In diesem Stadium einer Depression ist das völlig normal. Und ich weiß, dass Sterben keine Option ist. Ich hätte zwar die Möglichkeiten, mich zu vergiften; ich beherrsche mein Studienfach. Aber so ein Suizidversuch kostet Kraft, Zeit und Mut. Ich habe nichts davon im Moment. Keine Gefahr.
Jeden Morgen stehe ich auf, gehe arbeiten, gehe in die Uni, schreibe meine Klausuren, treibe Sport, tue alles, was ich in der Therapie gelernt habe und funktioniere. Aber ich tue nichts anderes als das. Ich funktioniere einfach. In einem Zustand vollkommener Gleichgültigkeit tue ich das, was ich immer tue und klammere mich an meinen einzigen Erfahrungswert: Eines Tages werde ich aufwachen und mir wird das alles nicht mehr egal sein. Und die Welt wird sich weitergedreht haben. Mit mir oder ohne mich. Das könnte morgen sein, ist aber unwahrscheinlich. Ich hatte schon so viele Episoden in meinem Leben, ich weiß, wie es weitergeht. Aber ich fühle es nicht. Ich weiß auch, dass alles in Ordnung ist. Ich habe Geld, ich habe Freunde, ich habe keine ungelösten Konflikte und ich würde mein Spiegelbild am liebsten anschreien: "WARUM BIST DU NICHT GLÜCKLICH?", aber es wird mir nicht antworten, weil das alles eine Illusion ist, ein Systemfehler in meinem Gehirn, das nicht richtig funktioniert.

Alle reden davon, dass man das Leben genießen soll. Und ich weiß, dass das Leben nicht scheiße ist, ich weiß, dass man das soll und dass man das tut, indem man sich mit Leuten trifft und Sachen tut, die Spaß machen, indem man Sport treibt und sich über die kleinen Dinge im Leben freut, ich weiß das! Ich weiß auch, dass ich mich nicht dauernd nach meinem Sinn auf der Erde fragen sollte und nicht jedes Mal, wenn ich aufwache, denken sollte, dass ich jetzt ja die ganze Nacht nur Sauerstoff verbraucht habe... Ich weiß. Aber ich tue es trotzdem.

Und wenn ich einen Weg finden würde, auszudrücken, was in mir vorgeht, wäre es wohl etwas einfacher, weil mich dann jemand in den Arm nehmen und mir sagen könnte, dass ich nicht überflüssig bin, dass meine Existenz kein Fehler ist, dass ich nicht immer nur funktionieren muss...

Ich weiß, ich muss eigentlich diese Person selbst sein, der ich nicht egal bin. Aber wie soll das gehen, wenn mir sogar die Sachen egal sind, die mir immer wichtig waren? Ich drehe mich im Kreis. Die ganze Zeit. Immer und immer wieder.

Ich kann nicht mal mehr Schmerz spüren. Schmerz darüber, dass ich mein Leben verschwende, dass ich permanent eine handbreit über dem Abgrund bin, einen Zentimeter entfernt davon, alles wegzuwerfen, was ich mir erkämpft habe. Es ist, als würde ich die ganze Zeit in einem Keller sitzen und Steine essen. Es aussitzen, bis es vorbei geht. Steine essen, bis sie alle aufgegessen sind. Aber das kann nicht der Weg sein.

Jetzt habe ich ungefähr 1000 Wörter darüber geschrieben, was das Problem ist und habe immer noch das Gefühl, das Wesentliche nicht gesagt zu haben. Aber besser wird's nicht. Vielleicht findet ihr das Problem ja selbst... Ich kann es nicht sagen. Es ist da und ich finde die Worte nicht.
 
Vielleicht hat dir etwas in der Kindheit gefehlt, das dich heute unglücklich sein lässt, obwohl du scheinbar alles hast, das man sich wünschen kann. Vielleicht hilft dir ja noch die Therapie, damit du irgendwann einmal ansprechen kannst, das du vielleicht verdrängt hast oder gar nicht weißt, im Sinne einer spiralförmigen Annäherung an das Problem.
 
Ich finde mich so wieder in deinen Worten. Die Gleichgültigkeit. Und nicht reden können, weil man nicht weiß, was genau in dem Moment wo es einem schlecht geht das Problem ist. Ich habe einen Job den ich anscheinend richtig mache( ich Warte immer darauf, dass andere merken, dass ich doch nix kann)
Ich habe Freunde, aber ich verstehe überhaupt nicht, warum sie mit mir befreundet sind. Ich bin gefühlt nichts. ich kenne deine „leere“ und das Gefühl, wann sehen die anderen, dass da nichts ist.! Ich kann dir leider keinen Tipp geben, aber ich kann dir sagen: du bist nicht allein.
Ich bin noch in keiner Therapie, aber ich will es angehen. Wenn es mir gut geht denke ich immer: was soll ich dem Therapeuten erzählen. Also gehe ich zu keinem. Dann gehts mir schlecht und es ist kein Platz frei.
Seit einigen Tagen verletze ich mich wieder selbst und schlafe auf dem harten küchenboden. Einfach, weil es sich richtig anfühlt.
Ist das schon Depression?
 
Jeden Morgen stehe ich auf, gehe arbeiten, gehe in die Uni, schreibe meine Klausuren, treibe Sport, tue alles, was ich in der Therapie gelernt habe und funktioniere. Aber ich tue nichts anderes als das. Ich funktioniere einfach. (...)

Alle reden davon, dass man das Leben genießen soll. Und ich weiß, dass das Leben nicht scheiße ist, ich weiß, dass man das soll und dass man das tut, indem man sich mit Leuten trifft und Sachen tut, die Spaß machen, indem man Sport treibt und sich über die kleinen Dinge im Leben freut, ich weiß das! Ich weiß auch, dass ich mich nicht dauernd nach meinem Sinn auf der Erde fragen sollte und nicht jedes Mal, wenn ich aufwache, denken sollte, dass ich jetzt ja die ganze Nacht nur Sauerstoff verbraucht habe... Ich weiß. Aber ich tue es trotzdem.
Also ehrlich, meine Meinung, es ist (für mich) überhaupt nicht verwunderlich, wenn sich alles ums Funktionieren dreht und man das von allen gesagt bekommt, inklusive der Therapie, bzw. gerade von der Therapie (man soll ja produktiver Arbeiter sein), dass man dadurch eine ausgewachsene Depression entwickelt.

Und wenn ich einen Weg finden würde, auszudrücken, was in mir vorgeht, wäre es wohl etwas einfacher, weil mich dann jemand in den Arm nehmen und mir sagen könnte, dass ich nicht überflüssig bin, dass meine Existenz kein Fehler ist, dass ich nicht immer nur funktionieren muss...
Das ist doch bereits die Umschreibung, was offensichtlich fehlt: Einfach mal nicht zwangsweise funktionieren zu müssen. Einfach mal so in den Arm genommen und angenommen zu werden, wie man ist.

Wie soll man denn das Leben genießen können, wenn es sich laufend nur darum dreht Leistung zu bringen und Erwartungen zu erfüllen und man die Akzeptanz von den Leuten (mit denen man Sachen macht, die Spaß machen sollen) verliert, wenn man einmal nicht mehr wie vorgegeben funktioniert, bzw. sich wie vorgegeben darstellt?
 
Hi, habe mich extra hier registriert, um dir zu antworten. Ich habe schon einige depressive Phasen hinter mir und möchte dir mitteilen, wie ich daraus finde. Es hat mir immer sehr geholfen, meine Gedanken abzulenken. Ich habe größere Themen gesucht als meine Themen, die in mir rumkreisten. Der Sinn des Lebens, die entstehung des Universums und alles drum herum. Oder auch Probleme anderer Menschen, die es sehr viel schwerer haben als ich. Das alles hat mich einerseits abgelenkt und andererseits hat es mir gezeigt, dass das Leben, was mir geschenkt wurde sehr sehr kostbar ist. Ich bin körperlich gesund, kann Sport treiben, mich bewegen, kann Liebe finden oder verreisen, weil ich Geld dazu habe. Am Schluss meiner Phasen habe ich immer wieder gemerkt, dass es mir besser geht, wenn ich mein Umfeld erweitert habe, etwas verändert habe in meinem Leben oder wenn ich bestimmte Dinge gelassen habe. Mein Text ist vielleicht etwas durcheinander, aber vielleicht konnte ich dir einen anderen Ansatz für dein Problem geben. Überdenke dein derzeitiges Leben. Verändere Dinge, verschaffe deinem Leben einen Sinn, wenn er dir zurzeit fehlt und denke ihn nicht kaputt, sondern verfolge ihn, wenn du das Gefühl hast, er ist es. Oder verfolge mehrere. Du hast die freie Wahl. Wenn du dein Leben so beschreibst klingt es für mich etwas eintönig und wiederholend. So ein bisschen im "täglich grüßt das murmeltier" style. Vielleicht macht dich studieren, hart arbeiten und funktionieren nicht glücklich. Wenn du neues ausprobierst im Leben und positivere Gedanken zulässt, wie z. B. Ich habe noch ein paar Jahrzehnte Zeit, um richtig viele und tolle Dinge zu erleben, bis es vorbei ist und dann vielleicht für immer, und diese Zeit nutze ich jetzt in vollen Zügen. - bin ich sicher, dass es dir ein Stück besser geht. Wir haben doch alle nur eine gewisse Zeit. Warum diese Zeit verschwenden mit so schlechten Gedanken wie Depression und Selbstmord und alles ist doof. Und warum die Zeit grundlos eher beenden, als vorgesehen. Den Einen Grund, warum jeder von uns hier ist wird es eh nie geben. Der ist für jeden anders. Genieße die Zeit mehr und hab Spaß.

Ich habe die Gedanken, die mir oft geholfen haben noch nie jemandem mitgeteilt. Ich hoffe, Sie bringen ein bisschen was.

Meld Dich doch hier, wenn es Dir besser geht oder wie es Dir überhaupt geht.

Lg
 

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