Anzeige(1)

Der Prophet von Khalil Gibran

S

Schnecke

Gast
"Der Prophet" von Khalil Gibran

Von den Kindern

Und eine Frau, die einen Säugling an der Brust hielt, sagte: Sprich uns von den Kindern.
Und er sagte:
Eure Kinder sind nicht eure Kinder, Sie sind die Söhne und Töchter der Sehnsucht des Lebens nach sich selbst.
Sie kommen durch euch, aber nicht von euch, und obwohl sie mit euch sind, gehören sie euch doch nicht.
Ihr dürft ihnen eure Liebe geben, aber nicht eure Gedanken, denn sie haben ihre eigenen Gedanken.
Ihr dürft ihren Körpern ein Haus geben, aber nicht ihren Seelen, denn ihre Seelen wohnen im Haus von morgen, das ihr nicht besuchen könnt, nicht einmal in euren Träumen.
Ihr dürft euch bemühen, wie sie zu sein, aber versucht nicht, sie euch ähnlich zu machen.
Denn das Leben läuft nicht rückwärts, noch verweilt es im Gestern.
Ihr seid die Bogen, von denen eure Kinder als lebende Pfeile ausgeschickt werden.
Der Schütze sieht das Ziel auf dem Pfad der Unendlichkeit, und Er spannt euch mit Seiner Macht, damit seine Pfeile schnell und weit fliegen.
Lasst euren Bogen von der Hand des Schützen auf Freude gerichtet sein;
denn so wie Er den Pfeil liebt, der fliegt, so liebt Er auch den Bogen, der fest ist.
Khalil Gibran
 
Hallo puma 🙂

schön, dass dir die Texte von Khalil Gibran auch gefallen.
Ich lese sie öfters, sie haben für mich viel Lebensweisheit.
Wenn du sie auch gerne liest, werde ich einige seiner Worte hier wiedergeben.


winkers.....>>> Schnecke
 
eine weitere Geschichte von Khalil Gibran.....

Von der Liebe....
Da sagte Almitra: Sprich uns von der Liebe.
Und er hob den Kopf und sah auf die Menschen, und es kam eine Stille über sie. Mit lauter Stimme sagte er:
Wenn die Liebe dir winkt, folge ihr. sind ihre Wege auch schwer und steil, und wenn ihre Flügel dich umhüllen, gib dich ihr hin.
Auch wenn das unterm Gefieder versteckte Schwert dich verwunden kann....
Wenn sie zu dir spricht, glaube an sie. Auch wenn ihre Stimme deine Träume zerschmettern kann wie der Nordwind den Garten verwüstet
Denn so, wie die Liebe dich krönt, kreutzigt sie dich.
So wie sie dich wachsen lässt, beschneidet sie dich.
So wie sie emporsteigt zu deinen Höhen und die zartesten Zweige liebkost, die in der Sonne zittern, steigt sie hinab zu deinen Wurzeln und erschüttet sie in ihrer Erdgebundenheit.
Wie Konrgarben sammelt sie dich um sich. Sie drischt um dich nackt zu machen, sie siebt dich, um dich von deiner Spreu zu befreien, sie mahlt dich, bis du weiss bist, sie knetet dich, bis du geschmeidig bist.
All dies wird die Liebe mit dir machen, damit du die Geheimnisse deines Herzens kennenlernst und in diesem Wissen ein Teil vom Herzen des Lebens wirst.
Aber wenn du in deiner Angst nur die Ruhe und die Lust der Liebe suchst, dann ist es besser für dich, deine Nacktheit zu bedecken und vom Dreschboden der Liebe zu gehen, in die Welt ohne Jahreszeiten, wo du lachen wirst, aber nicht dein ganzes Lachen, und weinen, aber nicht all deine Tränen.
Liebe gibt nichts von sich selbst und nimmt nichts als von sich selbst.
Liebe besitzt nicht, noch lässt sie sich besitzen; denn die Liebe genügt der Liebe.
Und glaube nicht, du kannst den Lauf der Liebe lenken, denn die Liebe, wenn sie dich für würdig hält, lenkt deinen Lauf. Liebe hat keinen anderen Wunsch, als sich zu erfüllen.
Aber wenn du liebst und Wünsche haben musst, sollst du dir dies wünschen:
Zu schmelzen und wie ein plätschernder Bach zu sein, der seine Melodie der Nacht singt. Den Schmerz allzu vieler Zärtlichkeit zu kennen. Vom eigenen Verstehen der Liebe verwundet zu sein; und willig und freudig zu bluten.Bei der Morgenröte mit beflügeltem Herzen zu erwachen und für einen weiteren Tag des Liebens dankzusagen; zur Mittagszeit zu ruhen und über die Verzückung der Liebe nachzusinnen; am Abend mit Dankbarkeit heimzukehren; und dann einzuschlafen mit einem Gebet für den Geliebten im Herzen und einem Lobgesang auf den Lippen.


>>> Schnecke
 
Der Narr

Ich erwachte eines Tages aus tiefem Schlaf und bemerkte, das alle meine Masken gestohlen waren. Unmaskiert lief ich durch die belebten Strassen und rief: "Diebe, Diebe, verfluchte Diebe!" Einige Frauen und Männer lachten mich aus, und andere eilten aus Angst vor mir davon. Als ich zum Marktplatz kam, rief ein junger Mann vom Dach des Hauses herab: "Er ist ein Narr!" Ich hob den Kopf, um nach ihm zu sehen. Da küsste zum ersten Mal die Sonne mein entblößtes Gesicht. Und zum ersten Mal entflammte meine Seele in Liebe zur Sonne, und nicht länger verlangte es mich nach meinen Masken. Wie in Trance rief ich: "Gesegnet, gesegnet seien die Diebe, die mich meiner Masken beraubten"
 
Von der Zeit

Ihr möchtet die Zeit messen, die doch ohne Maß ist und unermesslich.
Ihr möchtet euer Handeln und selbst den Lauf eures Geistes nach Stunden und Jahreszeiten ordnen.
Aus der Zeit möchtet ihr einen Fluss machen, von dessen Ufer aus ihr in Muße dessen Strömen betrachten könnt.

Doch das Zeitlose in euch ist sich der Zeitlosigkeit des Lebens bewusst.
Und weiß, dass das Gestern nichts als die Erinnerung des Heute ist und das Morgen das, was das Heute erträumt.
Und was in euch singt und gewahrt, wohnt nach wie vor in den Grenzen jenes ersten Moments, der die Sterne im Weltraum verstreute.
Wer von euch spürt etwa nicht, dass seine Fähigkeit zu lieben unbegrenzt ist?
Und dennoch, wer empfindet nicht, dass ebendiese Liebe, wenn auch unbegrenzt, doch im Zentrum seines Wesens enthalten ist und sich nicht von Liebesgedanken zu Liebesgedanken bewegt noch von Liebeshandlung zu Liebeshandlung?
Und ist etwa die Zeit nicht ganz so wie die Liebe – ungeteilt und raumlos?

Aber wenn ihr schon die Zeit in Gedanken nach Jahreszeiten bemessen müsst, dann möge jede einzelne Jahreszeit alle übrigen Jahreszeiten umfassen,
Und das Heute umarme das Vergangene mit Erinnern und das Künftige mit Sehnsucht.

Khalil Gibran aus " Der Traum des Propheten"
 

Anzeige (6)


Antworten...
Jedem Teilnehmer und jedem Beitrag des Forums ist mit Respekt zu begegnen...
Bitte beachte das Thema auf das du antworten möchtest und die Forenregeln.

Ähnliche Themen

Thema gelesen (Total: 0) Details

Anzeige (6)

Anzeige(8)

Regeln Hilfe Benutzer

Du bist keinem Raum beigetreten.


      Du hast keine Berechtigung mitzuchatten.
      Du bist keinem Raum beigetreten.

      Anzeige (2)

      Oben