Hallo Cherry00,
ich kann dich gut verstehen - denn als ich in deinem Alter war,
dachte ich auch (wegen meinem damaligen Glauben), dass ich
die erste Frau, mit der ich schlafen würde, auch heiraten müsse.
Das habe ich auch getan, obwohl ich wusste, dass wir nicht zu-
sammen passen - einfach, damit ich ein gutes Gewissen hatte
und vor Freunden und Familie als "guter Mensch" dastehe. Die
nächsten Jahre waren sehr anstrengend, voller Eifersucht, Streit,
Selbstmorddrohungen (wenn ich die Ehe beenden wollte) - und
natürlich gab es auch "gute Zeiten", aber tief drinnen wusste ich,
dass ich einen Fehler lebe. Nach sieben Jahren war es dann so
weit, dass ich nicht mehr anders konnte und die Trennung wollte.
Ich dachte, ich würde sterben, so schrecklich fühlte sich das an,
denn mein Glaube war so tief drin verankert, dass es fast die
schlimmste Sünde war, die ich da beging. Nur konnte ich nicht
mehr anders (mir war klar, dass ich nicht nochmal sieben Jahre
aushalten würde, ohne dass meine Seele darüber zu zerbrechen
drohte).
Das ist inzwischen über 20 Jahre her, ich bin inzwischen mit je-
mand verheiratet, mit dem ich richtig gut auskomme und wo die
Liebe immer tiefer und wertvoller wird. So wie es eben sein soll.
Ich denke aber, der "Fehler" war notwendig, damit ich den Un-
terschied verstehe zwischen nicht so gut und richtig gut. Nur
denke ich heute, diesen Unterschied hätte ich auch ohne eine
Hochzeit und sieben Jahre Ehe verstanden. Mir stand halt, wenn
ich ehrlich bin, mein Stolz im Weg: ich wollte der gute Mensch
sein, der von der Religion gefordert wird. Heute ist mir klar, dass
kein Gott von mir fordert, ein unglückliches Leben zu wählen,
wenn ich auch ein normales oder ein glückliches wählen kann.
Diese Einsicht wünsche ich dir und dann die Kraft, aus deinen
Beobachtungen und Erfahrungen den passenden Schluss zu
ziehen und dich gegen ein unglückliches Leben zu entscheiden -
und wenn es nur um der Kinder willen ist, die in so einer Ehe
und Familie aufwachsen und eine unglückliche Mutter haben
würden!
Ein großer Denker, Immanuel Kant, hat einmal geschrieben:
"Getraue dich, deinen Verstand zu benutzen." Ich denke, auch
der Verstand ist ein Geschenk dessen, der uns das Leben ge-
geben hat und es ist ein Schlag in dessen Gesicht, ihn außer
acht zu lassen, wenn man so weitreichende Entscheiden trifft.
Alles Gute!
Werner