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Erfahrungen bzgl. Glaubwürdigkeitsgutachten?

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Bumblebee*

Gast
Hallo liebe Community,

vor mehr als einem Jahr kam ich unter dem Namen Emma* hilfesuchend hier her, weil ich Geschädigte sexueller Gewalt wurde - vielleicht erinnert sich der ein oder andere noch an mich.

Jedenfalls denke ich inzwischen darüber nach, Anzeige zu erstatten. Allerdings macht mir der ganze Prozess, welcher damit ins Rollen gebracht würde, etwas Angst bzw. ich habe Sorge, dass ich das alles nicht aushalte, ich Fragen nicht ausreichend sicher beantworten kann und/oder aufgrund von Erinnerungslücken bzw. unpräzisen Antworten in Frage gestellt werde.


Wie ich zu dieser Befürchtung komme, ist schnell erklärt:

Ich hatte inzwischen eine anwaltliche Beratung bei einer Opferanwältin, die mich auch auf das Glaubwürdigkeitsgutachten hinwies. Um meinen Fall deshalb entsprechend sicher abzuklopfen, stellte sie mir natürlich verschiedene Fragen. Diese Fragen bzw. die Bewertung meiner Antworten waren dabei in Teilen jedoch so kritisch und bereits mit Blick auf das gerichtet, was im Falle einer Anzeige auf mich zukommt, dass ich nun mit dem Gefühl zurückbleibe, in Frage gestellt und bezweifelt zu werden. So konnte ich zum Beispiel manche Fragen gar nicht sicher beantworten, weil mir noch immer Erinnerungen fehlen. Auch fällt es mir schwer, manche Dinge konstant und präzise genug ad hoc mündlich zu formulieren (er trug dunkle Socken, er trug schwarze Socken, seine Socken waren dunkelblau...). 😕


Inzwischen gehe ich davon aus, dass meine Anwältin einfach sicher abklären wollte, inwiefern eine Anzeige in Anbetracht meiner Schilderungen erfolgreich wäre. Allerdings empfand ich dieses wiederholte Nachfragen und das "Worte auf die Goldwaage legen" als sehr, sehr entwürdigend und es stellt sich mir nun die Frage, wie schlimm ein solches Gutachten wirklich ist und/oder ob z. B solche Erinnerungslücken in dieser Sache zu einem unüberwindbaren Problem werden, man mir aufgrund der genannten Umstände ohnehin nicht glauben wird?

Hat hier jemand ein solches Gutachten bereits hinter sich und möchte seine Erfahrungen mit mir teilen?
Ich wäre wirklich sehr, sehr dankbar darüber.

Emma
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo Emma,

Eine Freundin von mir hat das durch Und nach ihrer Schilderung war das leider sehr entwürdigend für sie.
Wenn man psychisch eh schon angegriffen ist, ist es schwierig, Fragen ala "Wieso sind sie mit dem Mann mitgegangen, wenn sie ihn gerade erst kennen gelernt haben?" Oder "Sie haben einen Freund, sind sie aus Rache fremd gegangen und haben es dann doch bereut & Lügen jetzt?" Nicht als Angriff zu erleben.
Ich fand ihre Erzählungen in dem Bezug schon krass.
Auf der anderen Seite sind es auch wieder legitime Fragen, Wenn man sachlich drauf schaut....na ja.
Ich würde dir auf jeden Fall raten, dir therapeutischen Beistand zu holen. Ich wünsche dir viel Mut dafür!
 
Hallo Emma.

Du schreibst, dass Du eine Anzeige erstatten möchtest.
Der Vorgang, auf den sich die Anzeige bezieht, dürfte sich gegen eine Dir unbekannte Person richten.
Würdest Du den Namen der Person kennen, so käme es nicht darauf an, welche Sockenfarbe seinerzeit getragen wurde.
Da es aber wohl auf die Sockenfarbe ankommt, wird die Staatsanwaltschaft zu Deiner Anzeige - sprich Mitteilung, dass es eine Straftat gegeben hat - eine Person zu ermitteln versuchen, und vielleicht scheitern.
Falls dieses Verfahren sich als nahezu aussichtslos darstellt, kann es nur darum gehen, dass Du aus einem hierfür bereit gestellten fonds eine Entschädigung für Aufwendungen erhalten möchtest.

Wurde dazu vermittelt, dass es einer Strafanzeige bedarf - auch bei ungewissem Ausgang, und wurde zum Zwecke der Strafanzeige vermittelt, dass Deine Glaubwürdigkeit im Vorfeld zu prüfen ist (und ggf Kosten entstehen)?
Falls nein, könntest Du prüfen, ob Deine Aussage nicht ohne eine solche Prozedur erfolgreich sein kann und Du Dir dieses ins-Gedächtnis-rufen von Einzelheiten erspart bleiben kann.
 
Hallo Deliverance, Hallo Bodenschatz,

danke für eure Antworten. Ich gebe dir natürlich recht Deliverance, die Fragen sind alle legitim und müssen gestellt werden, auch wenn sie schlimm sind. Meine Sorge ist allerdings, dass ich diese Fragen nicht ausreichend gut/präzise beantworten kann, was ja wiederum zu genauerem Nachfragen führt, was dann im schlimmsten Fall meine Glaubwürdigkeit untergräbt, da meine Erinnerung bruchstückhaft und im zeitlichen Verlauf in Teilen durcheinander ist. Und gerade auch weil ich nicht alles erinnere, werde ich sehr schnell unsicher und stelle mich bzw. meine Erinnerung selbst in Frage, was im Gespräch mit dem Gutachter wahrscheinlich nicht die beste Idee ist. 😕

Das Beispiel mit den Socken ist fiktiv. Ich wollte nur deutlich machen, was ich mit "präzise" meine - eben dass jedes Wort gefühlt in die Waagschale gelegt wird. Es mag komisch klingen, aber dies verunsicherte mich sehr, gab es mir doch das Gefühl, es ginge nicht um die Sache selbst sondern "nur" um den richtigen Wortlaut. Naja, wie auch immer. Jedenfalls ist mir sowohl Name als auch Wohnort bekannt, es geht also nicht darum, den Mann erst noch zu ermitteln.

Ob überhaupt so ein Gutachten am Ende notwendig sein wird, ist aktuell für mich noch unklar. Das Problem wird wahrscheinlich die Zeit sein, die inzwischen vergangen ist und die Tatsache, dass ich das Geschehen therapeutisch aufarbeite.

Vielleicht gibt es ja aber auch positive Berichte/Beispiele bezüglich eines solchen Gutachtens, die mir etwas Mut machen? Ich habe einfach Angst das nicht auszuhalten.

Emma
 
Liebe Emma,

gleich vorneweg, ich bin selbst Opfer von sexuellen Missbrauch und Gewalt geworden. Ich kann dir also in etwa nachempfinden, wie sich dieser innere Kampf anfühlt und was man als Betroffener (ich sage nicht so gerne "Opfer") durchleidet. Hast du Leute, denen du dich in deinem Umfeld anvertrauen kannst? Gehst du dauerhaft in Therapie und hast einen guten Therapeuten, der dich begleitet und dir hilft, das Trauma aufzuarbeiten? Es ist sehr wichtig, dass man sich ein stabiles Netzwerk aufbaut, das einen auffangen kann in schweren Zeiten.

Jede Entscheidung, die du triffst, sollte eine Entscheidung für dich sein. Nicht weil du denkst, etwas tun zu müssen oder weil dir das irgendjemand einredet, sondern es sollte nur für dich sein. Gerade weil deine Grenzen so sehr verletzt wurden, ist es wichtig, dass du selbst deine eigenen Grenzen respektierst. Um es mal "doof" zu sagen: du hast Verjährungsfristen von mehreren Jahren. Wenn du merkst, JETZT ist ein schlechter Zeitpunkt, dann kannst du es auch ein Jahr später anpeilen. Wenn du Angst hast, etwas zu vergessen, schreib dir alles auf, jedes Detail. Dann ist es sicher verwahrt.

Leider ist es so, dass die Justiz dir nüchtern und neutral betrachtet alle möglichen Fragen stellen muss. Weil alles und nichts sein kann. Unabhängig davon ist es aber meiner Ansicht nach inakzeptabel auszusagen "Wenn du mitgegangen bist, ohne zu wissen, dass dein Begleiter ein Täter wird, bist du selbst mitschuld, wenn er dir Gewalt antut." Weil es Gewalt und Grenzüberschreitungen schnell rechtfertigt. Die Justiz übt oft Victim Blaming aus. Leider. Ich habe einen Thread mit dem Thema dazu hier erstellt, vielleicht magst du mal reinlesen, denn dann kannst du auch sehen, du bist nicht alleine damit. Du bist nicht allein, das Gefühl finde ich sehr wichtig.

Ich habe von vielen Betroffenen, die Anzeige erstattet haben erfahren, dass sie alle möglichen "Lücken" oder Unklarheiten, jedes Detail ausgearbeitet und sich damit befasst haben. Weil leider kommt es auch darauf an, welchen Vertreter des Rechts du vor dir hast und wenn du einen Idioten hast, dann dreht der dir einen Strick draus, weil du eben nicht wusstest, ob die Socken des Täters jetzt rot gestreift waren oder nicht.

Es kann dir aber auch Sicherheit geben, alles nahtlos abzuklären, aufzuarbeiten und durchzuarbeiten. Nur: dafür muss man stabil sein. Das ist sehr schwer. Da muss man schon etwas stabil sein. Da brauchst du oft auch einen guten Therapeuten, der dich auffangen kann.

Als Tipp: ich würde niemals ohne Anwalt in eine Aussage gehen. Ernst gemeint. Sprich da jeden Schritt mit deinem Anwalt ab und lass dich begleiten. Es ist häufig auch so, dass gerade die Polizei einen ernster nimmt, wenn ein Anwalt dabei sitzt. Und ich denke, man fühlt sich automatisch sicherer. Es ist gut, dass dein Anwalt so ehrlich ist und dich auf das hinweist, dem du dich mitunter stellen und auch ausliefern musst an Fragen. Dann hast du die Chance, für dich abzuwägen und zu entscheiden, was du schon kannst und was nicht. Und wie du damit umgehst. Wenn du mögliche Fragen kennst, kannst du dich auch darauf vorbereiten und wirst nicht vollkommen überrascht und überfahren. Ich würde auch nicht verzweifeln, wenn du bei einer Frage erstmal nicht weiter kommst. Dafür kannst du andere beantworten.

Ich finde das sehr mutig, womit du dich außeinandersetzt und ich wünsche dir viel Kraft!
 
Hallo grisou, Hallo Findefuchs,

ja, ich bin in Behandlung und meine Therapeutin sowie auch Freunde unterstützen mich auch wo und wie sie können.

Es mag albern klingen, aber Zweifel und Ängste meinerseits bleiben in dieser Sache trotzdem. Es gibt einfach zu viele Horrorgeschichten, die ich nicht ungeachtet zur Seite wischen kann. Deshalb versuche ich auch so viele Informationen, Erfahrungen und Eindrücke für mich einzuholen, wie nur möglich - vielleicht helfen sie mir am Ende, sicherer zu werden und das für mich Richtige zu tun. 😕


Danke jedenfalls für eure ehrlichen Antworten - sie sind sehr, sehr wertvoll für mich. Und danke für den Hinweis zu deinem Thread, Findefuchs. :blume:

Emma
 
Zuletzt bearbeitet:
Es mag albern klingen, aber Zweifel und Ängste meinerseits bleiben in dieser Sache trotzdem. Es gibt einfach zu viele Horrorgeschichten, die ich nicht ungeachtet zur Seite wischen kann. Deshalb versuche ich auch so viele Informationen, Erfahrungen und Eindrücke für mich einzuholen, wie nur möglich - vielleicht helfen sie mir am Ende, sicherer zu werden und das für mich Richtige zu tun. 😕

Nein, das ist ganz und gar nicht albern. Gib dir Zeit. Du musst auch heilen. Jeder hat seine eigene Geschichte. Das bedeutet, wenn du Horrorgeschichten liest, du weißt nie völlig, was alles mit reinspielt, was abgelaufen ist und wie die Betroffenen damit umgegangen sind oder ihr Umfeld. Deswegen verkopf dich da nicht so sehr. Vertrau auf deinen Anwalt, deinen Therapeuten und dein soziales Netz aus Freunden und Familie. Ich würde da auch auf aufpassen, dass ich keine Reizüberflutung bekomme. Es ist vollkommen normal, bei sowas Zweifel und Ängste zu haben. Und manchmal lohnt es sich, den Zweifeln und Ängsten genauer zuzuhören, um damit arbeiten zu können und abzuwägen, wie viel Gewichtung diese wirklich für das eigene Leben haben. Wenn du deinen Therapeuten schon jetzt ausreichend vertrauen kannst, kannst du ihn ja fragen, wie er das Thema einschätzt. Ob er dich stabil genug findet. Oder wo er noch Handlungsbedarf sieht. Und was den sachlichen, strategischen Ablauf und die Anzeige angeht, das kannst du ja alles deinen Anwalt fragen und wie dieser die Situation einschätzt. Ich denke, du kannst da wirklich auf das Feedback vertrauen. Und das kann dir helfen, dich selbst zu reflektieren.


Und danke für den Hinweis zu deinem Thread, Findefuchs. :blume:

Emma

Bitte 🙂. Mir hat es allgemein immer sehr geholfen, wenn ich mitbekommen habe, ich bin mit bestimmten Problemen nicht alleine. Und dass es vielen anderen ähnlich geht. Oder dass es viele gibt, die auf der Seite der Opfer stehen und die sich mit dem gesellschaftlichen Umgang damit kritisch befassen. Ich wünsche dir weiterhin alles Gute.
 
Ja, das ist wohl so mit dem nicht alleine sein oder alleine fühlen.
Manchmal fühlt es sich aber trotz diesem Wissen und trotz aller Unterstützung so an.


Ich danke dir jedenfalls Findefuchs, sowie allen anderen natürlich auch. :blume:

Emma
 
Huhu Bumbleebee

Gibt es dich hier noch ?
Ich hab deine ganzen Beiträge gelesen und würde dich gern was fragen dazu . Würd mich dann auch anmelden .
 

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