Hallo,
nachdem ich von verschiedenen Leuten schon einiges über Familienaufstellungen gehört hatte, habe ich heute zum ersten Mal aus Neugier bei einem Familienaufstellungsseminar in Köln teilgenommen und mich als Stellvertreterin zur Verfügung gestellt. Die Teilnehmergruppe bestand aus ca. 14 Leuten. Ich bin total geschockt über die Art, wie das Ganze angeleitet wurde. Der Leiter war psychotherapeutischer Heilpraktiker, nach eigenen Angaben "mit langjähriger Erfahrung in Familienaufstellungen, Psychotherapie und neuerdings auch Traumatherapie". Es begann mit einer geführten Meditation. Ich habe in der Vergangenheit schon einige geführte Meditationen mitgemacht und sowohl sehr angenehme als auch weniger angenehme erlebt. Bei dieser heute redete mir der Leiter zuviel und zu schnell, und obendrein waren mir seine Formulierungen viel zu suggestiv. Die anschließenden Aufstellungen liefen so ab, dass der Leiter das Geschehen stark lenkte, indem er die Aufstellenden und auch die Stellvertreter anwies, bestimmte Plätze einzunehmen und bestimmte Sachen zu sagen. Er gab den Leuten immer wieder ganze Sätze vor, z. B. "Sag mal 'Ich hab dich lieb, Mama'". Er agierte wie ein Regisseur, der mit den Teilnehmern ein Stück einübt. Leider ging er dabei kaum darauf ein, wie sich die Teilnehmer tatsächlich fühlten. Es ging eher um das, was er hören wollte. Es war grotesk. Alle Aufstellungen liefen auf ein forciertes Happy End hinaus, bei dem der Leiter die Aufstellenden regelrecht dazu drängte, ihm bestimmte Schlüsselsätze nachzusprechen, z. B. "Sag mal: 'Papa, ich danke dir dafür, dass du mir das Leben geschenkt hast und dafür liebe ich dich'" oder "Sag mal: 'Mama, ich danke dir dafür, dass du mir das Leben geschenkt hast und dafür wirst du immer einen Platz in meinem Herzen haben.'" Die Aufstellung beendete er mit den Worten: "Ich empfehle, beim letzten Bild der Aufstellung zu bleiben" - also beim forcierten Happy Ending - und das, obwohl zuvor sehr klar wurde, dass die Betreffenden aus durchaus verständlichen Gründen eher negative Gefühle gegenüber ihren Eltern hatten. Diese Technik, Leuten Worte in den Mund zu legen und sie bestimmte Standardsätze sagen zu lassen, scheint wohl typisch für die Hellinger-Methode zu sein, wie ich gehört habe. Ich konnte es nicht fassen, dass erwachsene Leute es freiwillig mitmachen, sich in dieser Weise Worte in den Mund legen zu lassen und sich wie Marionetten behandeln zu lassen. Es kamen teilweise sehr heftige Geschichten mit Tränenausbrüchen zur Sprache, wobei die Betroffenen vom Leiter meiner Ansicht nach nicht professionell aufgefangen, sondern eher erneut traumatisiert wurden. Mein Fazit: Ich kann jedem nur davon abraten, sich auf diesen manipulativen Mist einzulassen. Insbesondere seelisch labile, traumatisierte Menschen sollten die Finger davon lassen. Gerade für sie ist es doch lebenswichtig, Raum für ihre eigenen Worte und Gefühle zu finden. Ein Therapeut hat die Aufgabe, Menschen darin zu unterstützen, ihre eigene Wahrheit und ihre eigenen Wahrnehmungen zu finden - aber ganz bestimmt nicht die Aufgabe, ihnen seine eigenen aufzustülpen. Der Leiter war genau der Typ Mensch, der auf keinen Fall als Therapeut arbeiten sollte: ein manipulativer Kontrollfreak, der sich für empathisch hält ohne es wirklich zu sein - einer dem es eigentlich nur darum geht, sich selbst gut zu fühlen, auf Kosten anderer.