Meine Mutter hat mich auch verlassen, sich nie wieder gemeldet und eine neue Familie gegründet. Mit 18 bin ich dann zum Einwohnermeldeamt, habe sie ausfindig gemacht und sie dann zum ersten mal persönlich kennengelernt. Das war ein Fiasko. Als ich sie noch nicht persönlich kannte, hab ich mir an guten Tagen auch immer gesagt "sie hatte vielleicht gute Gründe". Als ich sie jedoch traf war ich wirklich geschockt von ihrem kalten Wesen, ihrem Verhalten. Wir trafen uns exakt 2 mal. Bei beiden Treffen hat sie mir nicht einmal in die Augen gesehen, die ganze Zeit über machte sie meinen Vater schlecht, gab ihm an allem die Schuld, fragte mich welchen Schulabschluss ich denn hätte und schwärmte von ihren tollen Kindern, die beide ebenfalls anwesend waren. Ein erwachsener Sohn der sehr unsymphatisch auf mich wirkte und ein jüngerer Sohn im Teenageralter.
Das zweite Treffen fand nur deswegen statt, weil der neue und sehr nette Mann meiner "Mutter" mich eingeladen hatte. Wir trafen uns nochmals und ich brachte meinen Freund mit. Die 2 Schwestern, meine mir unbekannten Tanten, waren ebenfalls anwesend. Die beiden sahen mich kaum an und sprachen kein Wort mit mir. Meine Mutter ebenfalls fast nichts. Sie stellte mir ein oder zwei belanglose Fragen, mehr nicht. Kalt wie Eis. Stellte sich die ganze Zeit als Opfer da. Schliesslich bat sie mich zu gehen, ich hätte sie schliesslich jetzt kennengelernt. Ich war geschockt. Eigentlich sollte mich mein Halbbruder mit dem Auto zum Bahnhof fahren und stattdessen standen wir plõtzlich wieder vor der Tür. Der Mann meiner Mutter war das alles sehr peinlich und unangenehm. Er brachte uns zur Tür und gab mir noch ein wenig Geld für die Heimfahrt. Er entschuldigte sich.
Das ist jetzt viele Jahre her. Sie hatte zb auch niemals Unterhalt für mich bezahlt, obwohl sie dazu verdonnert wurde.
Wie überwindet man das?
Das tut man nie, es ist wie eine Wunde, die irgendwann verheilt, jedoch immer wieder aufreisst. Als Kind haben mir die Kinder hinterher geschrien, dass meine Mutter auf und davon ist weil sie mich nicht mochte, weil niemand mich mag, weil ich seltsam wäre usw.
Du machst viele Phasen der Verarbeitung durch. In deinem Alter kannst du das noch lange nicht verarbeiten. Es ist wirklich wie eine Art Trauerarbeit. Du machst viele verschiedene Phasen durch. Wut, Enttäuschung, Verzweiflung, Liebe, Sehnsucht, Hoffnung und Hass. All das wechselt sich ständig ab. Man versucht sich selbst zu schützen. Mein Leben lang begleitet mich eine innere "Grundtraurigkeit". Mein Vater musste mich alleine großziehen und hat meine Mutter nie verwunden. Er hat nie wieder geheiratet oder eine Beziehung gehabt. Sein Selbstvertrauen war irgendwie weg, seine Fröhlichkeit dann irgendwann auch.
Vielleicht hilft dir eine Therapie oder eine Selbsthilfegruppe. Ich hab das immer mit mir alleine ausgemacht. Klar, lässt man da auch Federn, weint viel usw. Aber diese Thematik hat mich halt auch geprägt. Du kannst aus diesen Erfahrungen auch Stärke ziehen. Du leidest und überwindest dich und dann stärkt es dich und du weißt, du hast es alleine geschafft. Manchmal entwickeln gebrochene Menschen eine innere Stärke, weil sie wissen, das sie überleben, das sie es überlebt haben. Egal wie schwer es war.
Lass diese ganzen Gefühle zu. Schreibe sie auf. Kämpfe nicht gegen die Traurigkeit und das Gefühl der Wertlosigkeit an. Verarbeitung braucht viel Zeit. Dennoch kann es gut sein, dass du es im Grunde verarbeitet hast, aber dann wirst du irgendwie getriggert (Muttertag zb, der einen jedes Jahr aufs Neue runterzieht, wütend macht und jede Frau beneidet die sich gut mit ihrer Mutter versteht.)......., , da reicht sogar manchmal nur das Anschauen eines einfachen Werbeclips....
Die Wut auf die Denke vieler Menschen, dass es immer nur die Väter sind die auf- und davonlaufen, Mütter hingegen werden nirgends erwähnt, dabei gibt es ziemlich viele Rabenmütter. Jedoch werden diese nie in den Medien, Politik, nicht einmal in Filmen oder Romanen erwähnt. Es gibt sie einfach nicht.
Also können wir uns nicht einmal Geschichten oder Filme reinziehen, die uns emotional abholen und verstehen, denn nicht- Betroffene verstehen es wirklich gar nicht, wie sich das anfühlt. Man kann einfach mit niemandem drüber reden, erst recht nicht mit der eigenen Familie oder Verwandten.