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Geltungssucht, Eitelkeit, Überlegenheitsdrang

randexistenz

Mitglied
Ich scheine sehr sensibel und empathisch zu sein - in der Tat bin ich recht empfänglich für die Gefühle meiner Mitmenschen und nehme ich auch große Rücksicht auf sie. Deshalb habe ich ständig dieses schmerzliche Bewusstsein, dass ich kaum etwas aktiv für meine Mitmenschen tue und ein im höchsten Maße bequemliches Leben führe... Ich schob es immer darauf, dass mein Leben nicht normal verlaufen ist. Schon seit meiner frühesten Kindheit erlebte ich in der Familie Hass, Streit, Gewalt, Lieblosigkeit und Disharmonie.

Schon mit 12 Jahren kam mir der Gedanke, der mich bis heute (ich bin 20) begleitet : Wenn mir schon all diese guten Dinge, an denen sich andere Menschen erfreuen und über die sie ihr Lebenssinn definieren, wie z.B. Liebe, Familie, Freunde, Harmonie, Gesundheit etc. nicht gegönnt sind, dann muss ich das getrost substituieren. In diesem Alter versuchte ich krankhaft mich intellektuell weiterzubilden. Mein Wortschatz und mein Wissen vergrößerte sich rapide. Ich merkte mir viele philosophische Ansätze, liebte es sie zu verknüpfen und auszudiskutieren. Sämtliche Lehrer lobten mich für meine Aufsätze. Ich war das wandelnde Lexikon und sogar Lehrer fragten mich nach der Bedeutung von Fremdwörtern. Ich genoss es, von allen als schlau bezeichnet zu werden, blieb aber trotzdem unauffällig und unprätentiös. In der 11. Klasse sagte mein Klassenlehrer, dass ich schon längst in die Uni gehen könne.

Auch andere Leute sagten das. Egal mit wem ich spreche, ständig wird mir gesagt, ich mache einen intelligenten Eindruck. Äußerlich blieb ich bescheiden, aber innerlich tat das meiner Seele gut. Indem ich so versuchte, die Wunden verheilen zu lassen, die meine lieblose Kindheit verursacht hat, wurde ich im Geiste immer eitler, arroganter und egozentrischer.

Alle meine Tagträume drehen sich um Anerkennung, Geltung, Akzeptanz, Bewunderung von anderen Menschen. In diesen sehe ich mich meistens aus den Augen von Menschen, von denen ich viel halte, sehe mich kluge, weise, nette, tolle Dinge sagen oder tun und versuche ihre positive Rezeption dessen zu empfinden. Ich verbringe einen großen Teil meines Tages mit genau dieser Träumerei.

In meiner eitlen Bestrebung, mich weiterzubilden, um toller zu werden, habe ich Adlers "Menschenkenntnis" gelesen, worin behauptet wird, das menschliche Seelenleben strebt auf ein Ziel zu, und das ist in unserer Kultur fast immer Macht, Geltung, Überlegenheit - wobei der Weg zum Ziel natürlich unterschiedlichen Ausdrucksformen unterliegt und sich darin auch manchmal ändert. Erst hat das nichts in mir ausgelöst, weil ich mich ja ohnehin klangheimlich als etwas "Besonderes" verstehe, aber als ich verschiedene Phasen meines Lebens verglichen habe, hat es Klick gemacht: Ich habe überlegt, warum ich in einer Phase meines Lebens eine merkwürdige Fitnessobession hatte, und mir ist aufgefallen, dass ich in dieser Phase sehr wenig nach Erkenntnis gestrebt habe. Ich wollte mir einen Körper formen, der anziehend ist, und ja, ich wollte auf diesem Weg Anerkennung und auf einer gewissen Weise Überlegenheit, Ansehen, Stärke erreichen. Zu dieser Zeit war mir meine intellektuelle Weiterbildung erstaunlich gleichgültig, weil ich dieses Ziel auf andere Weise erreichen wollte - und es auch deutlich vor Augen hatte, greifbar. Als ich an einem Punkt merkte, dass das nicht mein Weg ist, habe ich wieder angefangen in intellektuellen Gebieten meine Eitelkeit auszuleben.

Wenn ich Menschen kennen lerne, bei denen ich das Gefühl habe, sie könnten intelligenter, einsichtsreicher, toller sein als ich, werde ich ein wenig wütend, gehe ein wenig laufen, während ich in meinem Kopf Dialoge mit selbigem führe, oder mich aus seinen Augen sehe, um von ihm und mir selbst zumindest als ebenbürtig akzeptiert zu werden.

Etwas anderes das eng damit zusammenhängen könnte, ist mein enormer Perfektionismus . Ich habe in der Schule nicht 100% gegeben und daher nur ein Abischnitt von 1,6 erreicht. Da ich damit aber nicht sofort in mein heiß ersehntes Studium komme, komme mir so minderwertig vor. Das Medizinstudium ist das einzige, was zu meiner Persönlichkeit passt, da ich als Arzt mein menschliches und sensibles Helfersyndrom ausleben kann, ohne meine Prestigesucht aufgeben zu müssen.

Wie sollte ich mein Problem angehen? Am Liebsten würde ich das Problem alleine lösen, mir ist aber bewusst, dass es ein langer Weg sein wird, weil ich wirklich durch und durch von diesem Drang durchdrungen bin: Ich habe mich schon selbst etliche Male in den letzten Tagen erwischt, wie ich diese Erkenntnis wieder dazu nutzen suche, mich über andere zu stellen, mich toll zu fühlen, weil ich der Wahrheit über mich selbst näher gekommen bin und all der Schmarrn.

Ich bin über jede Art von Input wirklich dankbar & entschuldige mich für meinen unstrukturierten Beitrag.
 
Letztendlich zeugt dieses Werben um Anerkennung, einem Schulterklopfen, von Unreife. Das scheinst du ja erkannt zu haben. Ich frage mich jedoch, welche Art von Hilfe du dir erhoffst - deshalb vermute ich, dass du auch hier nur nach Anerkennung suchst.

Welche negativen Empfindungen versuchst du auf diese Weise auszugleichen? Kannst du deinen Selbstwert denn nicht auch unabhängig von dem Urteil anderer bestimmen?
 
Hallo,

ich bin mir gar nicht sicher wie weit du ein Problem hast. Ich glaube, im Kern stimmst du mit Adlers Meinung über den unsere Anerkennungssucht überein und erkennst dich offensichtlich selbst auch in diesem Schema. Und gerade der letzte Abschnitt

Ich habe mich schon selbst etliche Male in den letzten Tagen erwischt, wie ich diese Erkenntnis wieder dazu nutzen suche, mich über andere zu stellen, mich toll zu fühlen, weil ich der Wahrheit über mich selbst näher gekommen bin und all der Schmarrn

finde ich, hast du super treffend formuliert. Ich kenne diese Gedanken und wohl jeder andere Mensch auch, jeder hat das Gefühl, dass gerade seine neuen Erkenntnisse so bedeutend sind dass er das Gefühl hat, all den anderen Menschen nun einen Schritt voraus zu sein.
Du hast offensichtlich das Glück, ziemlich intelligent zu sein und so hat dir die Schule natürlich die ideale Plattform gegeben, um dort Anerkennung zu erhalten - aber im Grunde will jeder Mensch diese Anerkennung irgendwoher haben, sei es im Fußball oder schon nur im alltäglichen Leben unter seinesgleichen. Ein Punk will möglichst punkig sein und dafür wahrgenommen werden, jemand aus der Oberschicht will vielleicht möglichst Knigge-konform handeln etc.. Und dann gibt es Leute, die streiten diesen Wunsch ab, aber vermutlich wollen sie genau dafür anerkannt werden, dass sie nicht offensichtlich danach streben, wollen als fromme oder gottesfürchtige Menschen wahrgenommen werden, oder, oder... Ich glaube, niemand entkommt diesem Ur-Wunsch, Anerkennung zu erhalten.

Vermutlich liegt der Unterschied darin, wie wir mit diesem Wunsch umgehen. Einerseits, wie Adler sagt, welche Mittel wir dafür gebrauchen, und andererseits wohl auch, wie wir selbst Stellung dazu beziehen.
Dein Mittel scheint die schulische bzw. zukünftig die universitäre Laufbahn zu sein, und da wird dir dein Ehrgeiz sicher auch hilfreich sein.
Die Stellung, die du zu diesem Wunsch nach Anerkennung beziehst scheint mir etwas problematischer. Es scheint, als würdest du versuchen, diese Anerkennung vor allem durch das Übertrumpfen der anderen erreichen zu wollen. Das ist aber ein Ding der Unmöglichkeit. Ich habe vor Jahren mal ein Buch gelesen (Dale Carnegie - Wie man Freunde gewinnt falls du mal reinschauen willst) und mir sind damals viele Dinge bewusst geworden. In erster Linie auch das Problem, welches du heute hast: Anerkennung erhälst du nur in einem geringen Masse dadurch, dass du besser bist als andere. Den wesentlich grösseren Teil macht es aus, wie du dich den anderen präsentierst und sie dich wahrnehmen. Und genau da wird es sehr schnell problematisch, wenn du zu sehr darauf aus bist, durch Leistung Anerkennung zu verdienen. Bestimmt wird dabei deine Leistung anerkannt, aber du als Person läufst dabei sogar in Gefahr,entweder Neid anderer zu ernten oder selbst überheblich zu wirken.
Ich habe das Gefühl, du hast dich ziemlich gut selber analysiert und deine Probleme einer inneren Überheblichkeit und Geltungssucht erkannt und suchst nun nach einer Lösung. Vermutlich ist deine scheinbar lieblose und schroffe Vergangenheit mitschuldig an deinem heutigen Leiden, aber versuche nicht, dich damit zu entschuldigen (!). Sofern du nicht bei einem philosophischen Ansatz geblieben bist, der den freien Willen ablehnt, bist du heute verantwortlich für dich und auch kompetent, um an dir zu arbeiten. 😉
Ich glaube, dass du erkennen musst, dass auch du ein soziales Wesen bist. Ich habe das in der Familie und noch viel mehr in der Schule auch überhaupt nicht gelernt und zurückgezogen gelebt, aber deswegen ist nicht alles verloren.
Das allerwichtigste, was ich dir in diesem Aufsatz hier zu sagen versuche, ist folgendes: Du musst einsehen, dass du Anerkennung nicht durch Leistung erhälst. Damit erhält nur deine Leistung Anerkennung. Schule, Fußball oder sonstige Beschäftigungen sind zwar gut, um einen Ehrgeiz zu befriedigen, aber menschliche Anerkennung erhälst du dadurch nicht. Vermutlich hast du dies aufgrund fehlender Liebe und einem zurückgezogenen Leben noch nicht richtig erkennen können und versuchst dir dort zu holen, was du sonst nicht bekommst.
Menschliche Anerkennung erhälst du, weil man gerne in deiner Gesellschaft ist. Das bedeutet nicht, dass du dich oder deine eher introvertierte Lebensweise ändern musst, aber du solltest, ganz blöde gesagt, lernen, wie man nett zu anderen ist und dich selbst hin und wieder etwas zurücknehmen, wenn du in Gesellschaft bist. Konkret bedeutet das vielleicht, dass du andere mal lobst, für etwas, dass sie gut oder besser gemacht haben als du, anstatt eifersüchtig zu sein. Dass du vielleicht mal jemandem zuhörst, und ihn einfach wertschätzt, indem du dich beeindruckst zeigt von dem, was er erzählt. Dass du jemandem deine Hilfe anbietest, ohne ihn mit deinen Problem zu belästigen oder weil du etwas von ihm willst. Ich glaube, dass du auf diese Weise viel Sympathie bekommen kannst und eine neue Art von Anerkennung kennen lernst, die nicht auf Leistung basiert, aber mindestens soviel Wert ist wie die, nach der du momentan strebst.
Vielleicht ist es von mir etwas über das Ziel hinausgeschossen, dich hier mit so vielen wichtigen Dingen in so wenig Text vollzuquatschen.
Kurz gesagt möchte ich dir ans Herz legen, dass Anerkennung der natürlichste Wunsch ist und ihn jeder Mensch hat. Da liegt dein Problem nicht. Dein Problem ist da, dass du keinen Unterschied zwischen leistungsorientierter Anerkennung und zwischenmenschlicher Anerkennung machst und versuchst, durch Leistung die zwischenmenschliche Form zu kompensieren - daran wirst du scheitern, das eine wird nie das andere ersetzen. Wie du das konkret auf dein Leben anwenden könntest, kann ich dir kaum in ein paar Zeilen erklären. Ich würde dir ein Buch wie das erwähnte von Dale Carnegie empfehlen, und da ein bisschen Zeit zu investieren und dich damit auseinandersetzen. Wir Menschen sind selbst als introvertierte und ehrgeizige Charaktere wie wir es sind immer noch soziale Wesen, und wenn man das in der Familie und in der Schule nicht lernt, ist das zwar schade, aber umso erfreulicher, wenn es später dann doch einmal klappt und man merkt, dass man Anerkennung nicht nur dadurch bekommen kann, dass man besser ist, sonder auch, indem man andere bewusst besser sein lässt. 🙂
 
Bitte, bitte, liebe randexistenz, werde kein Arzt, kein Weisskittel, der von allen bewundert werden will! Das ist nicht der richtige Weg, und von denen haben wir auch schon genug.
 

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