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Haben wir als Eltern versagt?

Amerikanerin

Mitglied
Guten Abend

Ich mache mir schon seit einigen Jahren Gedanken darüber, ob wir als Eltern versagt haben.

Kurz zu uns: Ich stamme gebürtig aus den USA und mein Mann aus Ägypten. Wir leben schon sehr lange in Deutschland und haben zwei Erwachsene Kinder (Sohn und Tochter).

Ich war eigentlich immer der Meinung, dass wir nach bestem Wissen und Gewissen alles getan haben, um unseren Kindern ein guten Start ins Leben zu ermöglichen. Es war uns immer wichtig, dass sie selbstbewusste Menschen werden, die für sich und andere einstehen. Mein Mann hat auch noch etwas strengere Islamische Werte, die ihm wichtig sind. Wir waren diesbezüglich aber immer ein gutes Team und hatten dabei ein gutes Gleichgewicht. Wir haben unseren Kindern vieles ermöglicht, ohne sie von A bis Z zu verwöhnen. Wir haben immer darauf geachtet, dass die Schule gut läuft. Ich war nachmittags nach der Schule immer zuhause etc.

Ich möchte nicht sagen, dass wir immer alles richtig und perfekt gemacht haben. Das ist kaum möglich. Ich war dennoch eigentlich ganz zufrieden, und rückblickend wüsste ich nicht, was ich grundlegend falschgemacht haben könnte. Die beiden sind nämlich eigentlich ganz liebe und nette junge Menschen.

Mein Mann ist mittlerweile so enttäuscht, dass er nicht möchte, dass seine Familie in Ägypten etwas davon erfährt. Die beiden sind Ende20,/Mitte30 und wohnen schon lange nicht mehr bei uns. Das heißt, wir bekommen nur einen kleinen Bruchteil von allem mit, und nur das schockiert uns schon sehr.

Das wichtigste ist anscheinend Party machen und trinken. Am Wochenende in der Woche.
Die Partnerinnen und Partner werden öfters gewechselt als Unterwäsche. Ich weiß schon gar nicht mehr, wer gerade zusammen oder getrennt ist oder nur Sex oder Freundschaft+. Ich blicke da nicht mehr durch. Das kann sich quasi täglich ändern.
Die einzige Konstante sind Tattoos. Von Kopf bis Fuß ist da kaum noch eine freie Stelle.
Ich weiß auch nicht, woher das Geld für Feiern, Urlaub, Tattoos usw. kommt. Sie haben beide keine Ausbildung, ständig wechselnde Gelegenheitsjobs oder immer neue Ideen. Es wird sich selbstständig gemacht, und 2 Monate später ist alles wieder ganz anders.
Die Wohnung ist nicht richtig eingerichtet. Es sieht dauerhaft so aus, als wäre man gerade ausgezogen und müsste sich erst noch einen eigenen Hausstand aufbauen.

Die beiden sind Erwachsen und können machen, was sie wollen. Sie bleiben aber meine Kinder, und ich mache mir Sorgen. Ich habe Angst, dass ich meine Kinder irgendwann im Reality-TV, auf der Straße, im Gefängnis oder schlimmeres wiederfinde.

Und ich stelle mir Tag und Nacht die Frage, ob wir etwas falsch gemacht haben und mit Schuld daran sind, dass sie jetzt so sind und so leben.
 
Hallo Amerikanerin,

sehr sehr sehr viele junge Menschen leben heutzutage so. Gerade in Berlin, auch natürlich in anderen Großstädten und Orten, aber gerade in Berlin ist diese Kultur, die du beschreibst, in jüngeren Generationen total normal.

Ich denke nicht, dass es hier ausreicht, zu den Eltern zu schauen. Eher ist es tatsächlich eine Frage der Generation, der Mode, des Zeitgeists.

Eure Kinder mögen aktuell nicht so leben, wie ihr es euch für sie gewünscht hättet.
Aber vielleicht können sie euch Perspektiven aufs Leben zeigen, die euch (und eurer Generation) bisher verwehrt blieben?
Mein Tipp: Auch wenn euch Vieles unverständlich ist und ihr euch Sorgen macht- redet darüber ruhig mit euren Kindern- zB über Drogen- und Alkoholexzesse, häufige Partnerwechsel etc, aber versucht auch neugierig auf ihre Perspektive zu sein-Augenhöhe quasi. Sie sind ja schon lange erwachsen.

Damit meine ich nicht, dass ihr eure Gefühle runterschlucken solltet- im Gegenteil. Redet authentisch darüber, aber versucht auch, ein bisschen Offenheit zu bewahren mit dem Hintergrundwissen, dass jede Generation Ihre Spleens hat.
Das heißt nicht, es gut zu finden- aber evtl. als Teil des Lebens zu akzeptieren statt nachts Alpträume zu generieren....

LG
 
Eure beiden Kinder genießen nun die Freiheit, entdecken all das, was ihr eigentlich nicht so wollt, ja, Freiheit kann plötzlich Dinge auslösen, die man vorher nie geahnt hatte. Erwachsene sind eben keine kleinen Kinder mehr, haben ihr eigenes Leben und dafür auch die eigene Verantwortung. Bleibt im Gespräch mit ihnen, redet da auch über eure Gefühle, Bedenken, hört euch die Sichtweisen eurer Kinder auch an.
 
Durften sie denn mit 16 Alkohol (Bier) ausprobieren?
Oder Freundin/Freund haben?
Normalerweise tastet man sich in dem Alter an sowas ran, testet seine Grenzen aus und kommt dann im Erwachsenenleben damit besser klar.
 
Ich glaube nicht, dass das mit der Generation zu tun hat, sondern vielmehr damit, in welchen peer groups sie gelandet und wo sie sich wohl gefühlt haben. Deren Lebensstil haben sie adaptiert, ab einem bestimmten Punkt ist man da als Eltern raus.

Seid froh, dass ihr noch Kontakt und wohl ein gutes Verhältnis habt. Dass ihr ihnen mit 30 noch etwas über Drogen erzählt, das könnt ihr euch kneifen. Garantiert sind sie da aufgeklärter als ihr.

Es ist ihr Leben und es ist auch ihr Körper. Ich kann gut verstehen, dass ihr Tattoos nicht mögt. Aber sie sind eben erwachsen und ihr könnt sie maximal noch beraten. Ihre Fehler machen sie trotzdem selber.
 
Was ich, aus Sicht als "erwachsenes Kind" (naja was älter als deine Kinder und vielleicht nicht ganz so wildes Leben) aber mit einem Vater mit seinen muslimischen Wurzeln und Einflüssen sagen kann: Immer wenn mein Vater anfing, uns mit seinen Moralvorstellungen und Werten zu bearbeiten, schaltete ich immer nur mehr auf Durchzug. Damit erreichte er maximal das Gegenteil bei uns, so nach dem Motto "eigentlich sind wir vergleichsweise noch brave Kinder wenn dir aber selbst das nicht passt, dann erst recht". Bis heute kommt noch sowas wie was soll denn seine Familie davon halten, was soll er bloß sagen, er spricht lieber gar nicht über uns als dass sie ihm sagen wir sind eine Schande.

Dein Mann ist so enttäuscht, dass er sich für seine Kinder schämt und ihm ist wichtiger, was die weit entfernt lebende Familie von seinen Kindern so denken könnte. Ich weiß natürlich nicht ob er das auch so offen kommuniziert und zeigt, denn das sitzt so tief und das prägt, das macht was mit einem bis heute. Ich hab es noch vergleichsweise gut weggesteckt, mein Bruder weniger gut, er hatte auch sehr oft auf und abs im Berufs und Privatleben.

So das mal um die Gegenseite zu spiegeln.

Ich denke mit Ende 20 Anfang 30 sind eure auch nicht mehr formbar und nicht mehr umerziehbar. Soweit ich verstehe, leben sie getrennt von euch, verdienen irgendwie, wenn auch über wechselnde Jobs, selber ihren Lebensunterhalt und sind von euch nicht abhängig. Deren Privatleben ist vielleicht mit wechselnden Partnern turbulent und passt euch nicht, am Ende auch nur ihr Leben. Vielleicht setzen sie sich eben mit 40 zur Ruhe, wer weiß. Nicht jeder findet Mittr 20 die große Liebe, nicht jeder ist für langjährige Beziehungen gut geeignet. Kriminell sind sie ja bisher nicht gewesen, nur weil jemand ein etwas anderes, weniger stabiles Leben mit wechselnden Jobs und Partnern führt, wird er nicht gleich kriminell.
 
Und ich stelle mir Tag und Nacht die Frage, ob wir etwas falsch gemacht haben und mit Schuld daran sind, dass sie jetzt so sind und so leben.
Wenn ihr nichts falsch gemacht hättet, würden euch die Kinder vorwerfen, zu perfekt gewesen zu sein.
In der Erziehung kann man nie alles richtig machen.

Ich hab keine Kinder und kann nicht mitreden, aber es scheint schon so, dass für viele jungen Leute der Social Media - Status wichtiger als alles andere ist.

Da könnt ihr als Eltern gar nichts mehr ausrichten.
 
Durften sie denn mit 16 Alkohol (Bier) ausprobieren?
Oder Freundin/Freund haben?
Normalerweise tastet man sich in dem Alter an sowas ran, testet seine Grenzen aus und kommt dann im Erwachsenenleben damit besser klar.

Das durften sie. Wir haben sogar immer gesagt, dass wir sie jederzeit abholen. Ganz egal in welchem Zustand sie sind. Es gab nie großen Ärger deswegen.

Was ich, aus Sicht als "erwachsenes Kind" (naja was älter als deine Kinder und vielleicht nicht ganz so wildes Leben) aber mit einem Vater mit seinen muslimischen Wurzeln und Einflüssen sagen kann: Immer wenn mein Vater anfing, uns mit seinen Moralvorstellungen und Werten zu bearbeiten, schaltete ich immer nur mehr auf Durchzug. Damit erreichte er maximal das Gegenteil bei uns, so nach dem Motto "eigentlich sind wir vergleichsweise noch brave Kinder wenn dir aber selbst das nicht passt, dann erst recht". Bis heute kommt noch sowas wie was soll denn seine Familie davon halten, was soll er bloß sagen, er spricht lieber gar nicht über uns als dass sie ihm sagen wir sind eine Schande.

Dein Mann ist so enttäuscht, dass er sich für seine Kinder schämt und ihm ist wichtiger, was die weit entfernt lebende Familie von seinen Kindern so denken könnte. Ich weiß natürlich nicht ob er das auch so offen kommuniziert und zeigt, denn das sitzt so tief und das prägt, das macht was mit einem bis heute. Ich hab es noch vergleichsweise gut weggesteckt, mein Bruder weniger gut, er hatte auch sehr oft auf und abs im Berufs und Privatleben.

So das mal um die Gegenseite zu spiegeln.

Ich denke mit Ende 20 Anfang 30 sind eure auch nicht mehr formbar und nicht mehr umerziehbar. Soweit ich verstehe, leben sie getrennt von euch, verdienen irgendwie, wenn auch über wechselnde Jobs, selber ihren Lebensunterhalt und sind von euch nicht abhängig. Deren Privatleben ist vielleicht mit wechselnden Partnern turbulent und passt euch nicht, am Ende auch nur ihr Leben. Vielleicht setzen sie sich eben mit 40 zur Ruhe, wer weiß. Nicht jeder findet Mittr 20 die große Liebe, nicht jeder ist für langjährige Beziehungen gut geeignet. Kriminell sind sie ja bisher nicht gewesen, nur weil jemand ein etwas anderes, weniger stabiles Leben mit wechselnden Jobs und Partnern führt, wird er nicht gleich kriminell.

Mein Mann hat die beiden nie "bearbeitet" oder etwas aufgezwungen. Es war ihm nur wichtig, dass die beiden auch sein Land und seine Kultur kennenlernen. Sprache, Kultur, Feiertage, wichtige Ereignisse usw. Er ist anders aufgewachsen und wollte immer etwas strenger durchgreifen. Wie aber schon erwähnt, hatten wir da ein gutes Gleichgewicht.
 
Was ich, aus Sicht als "erwachsenes Kind" (naja was älter als deine Kinder und vielleicht nicht ganz so wildes Leben) aber mit einem Vater mit seinen muslimischen Wurzeln und Einflüssen sagen kann: Immer wenn mein Vater anfing, uns mit seinen Moralvorstellungen und Werten zu bearbeiten, schaltete ich immer nur mehr auf Durchzug. Damit erreichte er maximal das Gegenteil bei uns, so nach dem Motto "eigentlich sind wir vergleichsweise noch brave Kinder wenn dir aber selbst das nicht passt, dann erst recht". Bis heute kommt noch sowas wie was soll denn seine Familie davon halten, was soll er bloß sagen, er spricht lieber gar nicht über uns als dass sie ihm sagen wir sind eine Schande.

Dein Mann ist so enttäuscht, dass er sich für seine Kinder schämt und ihm ist wichtiger, was die weit entfernt lebende Familie von seinen Kindern so denken könnte. Ich weiß natürlich nicht ob er das auch so offen kommuniziert und zeigt, denn das sitzt so tief und das prägt, das macht was mit einem bis heute. Ich hab es noch vergleichsweise gut weggesteckt, mein Bruder weniger gut, er hatte auch sehr oft auf und abs im Berufs und Privatleben.

Meine Eltern sind Muslime, aber nicht so engagierte Muslime. Im Gegenteil, so wurde kriegte ich keine Predigten über speziell muslimische Moralvorstellungen. Ich glaube das war ganz gut, weil das nur Abscheu hervorruft. Nicht die Moralvorstellungen, die Predigten. Besser ist es Werte vorzuleben, was meine Eltern taten. Wichtig ist auch, die Kinder in ein gutes Umfeld einzubetten. Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind zu erziehen.

Wo ich Predigten kriegte, beispielsweise gute Schulleistungen, Höflichkeit, hat es mehr gestresst und geschadet. Ich kann verstehen, warum es ihnen wichtig war. Es hat aber einfach nur mein Stresslevel erhöht.
 
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