Ich darf nicht traurig sein!

dauni

Aktives Mitglied
Hallo,

meine Mama ist letzte Woche an einer Überdosis Tabletten gestorben. Es ist so das sie schon mehr als 10 Jahre Tablettenabhängig war und mit Alkohol konnte sie auch nicht richtig umgehen.
Ich bin 30 Jahre alt und ihre einzigste Tochter. Ich habe mich mit der zeit immer mehr von ihr zurückgezogen und sie mit ihrer Sucht alleine leben lassen da ich ihr einfach nicht helfen konnte und auch irgendwann nicht mehr wollte. Ich war auch in psychologischer Behandlung, dort wurde mir ebenfalls geraten mein eigenes Leben zu leben.
Vor einigen Wochen hat meine Mutter erneut einen Entzug gemacht und ihn nach fünf Wochen beendet. Kurz nach Ihrer Entlassung hat sie wieder zu Tabletten gegriffen 🙁
Diesesmal hat sie einfach zuviele Schlafmittel und Blutdrucksenkende Mittel erwischt!!!!
Sie wollte Ihrem Freund noch informieren hat aber die falsche Nummer gewählt und es dann wohl nicht mehr geschafft jemand anderst anzurufen.
Ich muß dazusagen das sie schon oft Selbstmordversuche begangen hat die immer ein Hilfeschrei waren weil sie immer noch jemand informiert hat! Diesesmal wollte sie das ja auch aber eben nicht mehr geschaffft.
Bei mir hat sie auch noch angerufen und meinen Mann gebeten das er sie doch zu ihrem Freund fahren solle. Aber da er dies nicht wollte machten wir das auch nicht.
Ich dachte mir einfach sie ist besoffen wie immer!!! Und hab nichts darauf gegeben.
Nun mache ich mir die allergrößten Vorwürfe! Ich hätte es ahnen können, ich hätte es verhindern müssen! Einen Tag vorher hab ich das auch noch geträumt und trotzdem hab ich nicht reagiert.
Ich habe mich heute von meiner Mama verabschiedet aber so richtig weinen und begreifen kann ich das nicht!
Ausserdem verbiete ich mir, traurig zu sein, weil ich auch Schuld habe das es so gekommen ist!
Mein Mann und jeder will mir helfen aber Sie können mich einfach nicht verstehen, ich will nicht in den Arm genommen werden und mitleidig angeschaut werden. Ich hab als Tochter versagt also warum soll ich weinen und trauern dürfen?
Aber trotz allem vermisse ich meine Mama jetzt schon so sehr!!!! Ich kann mir nicht vorstellen wie es ohne sie ist!
Ich habe ein vier Monate altes Baby, für das ich momentan auch keine gute Mutter bin 🙁
Was soll ich nur machen?

Dauni
 
Trauern. Wie jede Tochter und Sohn um Mutter und Vater trauert. Vorwürfe machen sich viele Hinterbliebenen, auch wenn es keinen Hilferuf seitens des Verstorbenen gab.
 
Genau, ich leg jetzt einfach den Schalter um!!! Vergesse was war und freu mich auch die Zukunft oder wie???
Sorry, so einfach ist das für mich leider nicht!!!
 
Dauni, du darfst traurig sein. Und was du außerdem sein darfst: WÜTEND!

Dazu hättest du alles Recht der Welt. Du bist nicht Schuld am Tod deiner Mutter. Sie hat zugelassen, daß du dich schuldig fühlst, sie hat in ihrer Krankheit, in ihren Süchten immer wieder die Verantwortung für ihr eigenes Leben auf anderer Leute Schultern geladen. Hat sich "versucht" das Leben zu nehmen - aber immer rechtzeitig um Hilfe gerufen. Mit welchem Ziel denn, Dauni? Du nanntest das "Hilferufe" - wie hättest du ihr denn helfen können? Die Hilfe, die sie gebraucht hätte, hätte sie annehmen müssen, und zwar nicht bei ihrer Tochter oder ihrem Freund, sondern in einer Therapie. Stattdessen hatte sie ihre Schwäche, ihre Sucht stärker sein lassen als die Liebe zu ihrem Kind. Dieses letzte Mal hat ihre Kalkulation nicht funktioniert, sie hat nicht rechtzeitig ihre erzwungenen Retter rufen können. Du hast das Recht, wütend und verletzt zu sein, und du hast auch das Recht, zu trauern, wenn es irgendwann so weit ist.

Vielleicht hilft dir das im Moment nicht so viel weiter, aber ich möchte dir erzählen, was mir ein Pater in einem Gespräch erklärt hat, als ich sehr verzweifelt war. Darin ging es um die Erbsünde. Er erklärte mir, daß die Erbsünde, von der immer die Rede ist und die ich als so ungerecht empfand, wie eine große schwere Last ist, die von Generation zu Generation weitergegeben wird. Ein Mensch, der Schuld auf sich geladen hat, wird diese an seine Nachkommen weitergeben, immer! Durch Schuldgefühle, durch ein schlechtes Gewissen, vielleicht auch durch Aggressionen, weil man Schuldgefühle nicht ertragen kann. Vielleicht hat deine Mutter schon Schuld von ihren Eltern aufgebürdet bekommen und diese Last war ihr so schwer, daß sie sich in Alkohol und Tabletten geflüchtet hat. Und nun hat sie diese Last also an dich weitergegeben, sie ist nun tot und du trägst ihre Last weiter. Sie hat das bestimmt nicht absichtlich getan, und trotzdem - du bist jetzt diejenige, die mit einer Schuld, die du nicht verursacht hast, zu leben versucht.

Tu dir das bitte nicht an. Und tu das bitte auch deinem Kind nicht an. Du kannst diese Kette unterbrechen, so wie es deine Mutter hätte tun müssen, wenn sie die Kraft dazu aufgebracht hätte. Mach du es besser. Such dir Hilfe - vielleicht in einer Trauergruppe oder bei einer psychologischen Beratungsstelle. Oder vielleicht weiß hier jemand, wo du dich hinwenden kannst. Laß diese Schuld los, damit du und vor allem später dein Kind frei leben könnt.

Alles Gute und viel Kraft für dich!
 
Hallo Fritzie,

ich wollte mich bei Dir für Deine Worte bedanken. Sie sind mir sehr nahe gegangen und ich denke immer wieder daran.
Ich weiß das ich mir helfen lassen muß weil ich mit dieser Schuld die ich mir gebe selber nicht leben kann! Und meinem Kind möchte ich das auf keinen Fall weiter geben!!!
Ich habe mir schon immer geschworen das ich nie so werde wie meine Mutter war!! Also muß ich was tun und alleine schaff ich das nicht.
Es ist aber schwer!!!
Danke Dir nochmal.
Gruß Dauni
 
Hallo Dauni, vielen Dank für deine Rückmeldung, darüber freu ich mich sehr! Dir alles Liebe und viel Kraft. :blume:
 
liebe dauni,

ich kann dich gut verstehen, als ich deinen text gelesen habe, empfand ich paralellen zu meiner lebensgeschichte🙁. meine mutter hat zwar keine tabletten genommen, aber sie war schwer alkoholkrank. als ich 17 war habe ich morgens tot in ihrem bett gefunden.....herzversagen....einen abend davor haben wir und heftig gestritten, sie war wieder mal (wie jeden tag) total besoffen und ich sagte ihr ins gesicht, dass ich nicht mehr kann und sie mich in ruhe lassen soll und ich ausziehen würde....tja und dann starb sie in dieser nacht....

wie du auch, habe mir lange vorwürfe gemacht.....es hat lange gedauert bis ich begriffen habe, dass ich nichts dafür kann...... und auch du kannst nichts dafür..... deine mutter war ein eigenständiger, erwachsener mensch und selber verantwortlich für ihr handeln. daran hättest du auch nichts ändern können.

hast du schon mal darüber nachgedacht die therapeutische hilfe zu holen???? ich möchte dir ja nicht zu nahe treten, aber mir hat es wirklich geholfen, einfach jemanden fremden mein leben zu erzählen, es gemeinsam zu analysieren.......

ich wünsche dir vom herzen das es dir bald besser geht
lg red007
 
Hallo Ihr beiden

Eure Worte kommen genau zum richtigen moment. Denn heute war ich bei meiner Mama in der Wohnug weil ich noch einiges sortieren muß. Als ich dort war habe ich die unendliche leere und die Einsamkeit gespürt. Ich empfand die Einsamkeit die sie jahrelang hatte.
Ich fand auch niedergeschriebene zeilen von ihr (2006+2008) als sie schon mal einen Entzug gemacht hat. Sie erwähnte immer und immer wieder wie einsam sie ist und das sie die Sucht besiegen will aber die Einsamkeit so groß ist.
Ein Satz lautete: Die Einsamkeit ist wie der Duft einer Giftpflanze, süß, abber betäubend und mit der Zeit geradezu verderblich, selbst für die stärksten Konstitutionen.
Und das schlimmste ist, ich habe das alles einfach gewusst!!!!!!! Ich habe gewußt wie sie sich fühlt und sie einfach im Stich gelassen!!! Ich ging zu einem Psychologen der mir riet sie fallen zu lassen!!!! Von ihrem Lebenspartner weiß ich das sie sehr unter dem wenigen Kontakt gelitten hat!
Und nun???? Mein schlechtes Gewissen und diese Schuld in mir zerreisen mich!!! Weinen kann ich mittlerweile, sogar sehr viel aber ich versuche es immer wieder aufzuhalten weil es so schmerzt. Ich habe manchmal das Gefühl durchzudrehen.
Ich gehe wieder zu einem Psychologen aber im moment kann ich mir nicht vorstellen das er mir diese Last nehmen kann!?
Und jetzt wo sie tot ist merk ich wie sehr ich sie doch geliebt habe!!! Leider zu spät!!!

Wie findet man zurück ins Leben???
 
Hallo

@Red: wielange dauert es denn ungefähr bis man wieder mit seinem Leben klar kommt? Mir ist bewusst das jeder Mensch anderst ist und jeder anderst zeit braucht.
Wielange hat es bei Dir gedauert? Bekommt man es jemals ganz raus?

Heute ist so ein Tag wo ich versuche meine Gedanken und alles zu verdrängen, zwar spüre ich einen tiefen Schmerz in mir aber zulassen will ich es nicht. Es geht mir besser wenn ich es verdränge. Mein Mann meint es ist das falsche aber für mich fühlt es sich besser an!

Reden will ich auch mit niemand, ausser mit meinem Mann aber so ganz verstehen kann er mich glaub auch nicht.
Vorallem bin ich nicht wirkich immer nett zu ihm worüber er dann natürlilch gleich beleidigt ist. Ich kann es ja verstehen! Aber mich kotzt einfach alles an im moment.

LG
 

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