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Ich glaube ich bin verrückt

Noah Czerny

Mitglied
Hallo -

Ich möchte hier aufschreiben was in den letzten Jahren mit mir passiert ist und hoffe dass mir das helfen wird, mich selbst besser zu verstehen. Weil ich langsam glaube, dass ich nicht mehr einschätzen kann was jetzt wirklich ein Problem ist, was normal ist und was krankhaft ist und wo ich eigentlich stehe.
Es ist schwer zu sagen wann bzw. wie meine Probleme anfingen ... das war irgendwie ein fließender Übergang. Als Kind war ich eigentlich ganz normal, nur im Großen und Ganzen eher still und schüchtern, was sicher auch damit zusammenhing dass ich bis zur Einschulung nicht viel Kontakt zu anderen Kindern hatte. Es fing in meiner späten Kindheit/frühen Jugend an, dass ich mit einer immer größeren Unsicherheit zu kämpfen hatte und meine Schüchternheit belastende Ausmaße annahm. Damals war es bei uns zuhause zeitweise etwas schwierig und ich glaube dass meine Probleme mit mangelndem Selbstbewusstsein hauptsächlich daher kamen dass ich mit meinem Vater nicht so gut zurechtkam, weil er mich damals schon ständig kritisiert hat und ich das in dem Alter nicht so gut wegstecken konnte und ich das sehr persönlich genommen habe und daraus in erster Linie mitnahm, dass ich alles falsch mache und niemand mich mag. (Was objektiv nicht stimmte.) Damals war ich auch nicht sehr sozial eingestellt und hatte nicht so sehr das Bedürfnis nach sozialen Kontakten und war eigentlich lieber alleine - was mir auch ständig vorgehalten wurde. Und damals war es schon so, dass ich negative Gefühle immer gegen mich selbst gerichtet habe und so gut wie nie rausgelassen habe. Ich war auch komplett unfähig, Wut zu empfinden. Bis ich 13 oder 14 war war Wut für mich ein abstraktes Konzept und etwas was ich nur aus Erzählungen kannte, selbst aber nie empfunden habe. Das kam dann später schon, aber auch eher in geringem Maße. Vielleicht ist es an sich positiv wenn man nie wütend ist, aber es war für mich immer seltsam, dass mir diese Emotion "fehlte". Und das hat es auch schwerer gemacht mit negativen Situationen umzugehen, weil mir einfach die emotionalen Kapazitäten fehlten.
Im Großen und Ganzen kam ich aber ganz gut zurecht ... ich war zwar sehr schüchtern und daher in der Schule eher ein Außenseiter, aber ich wurde jetzt z. B. nie gemobbt ... deshalb habe ich da nicht so extrem drunter gelitten. Ich hatte aber schon ab meinem 14. Lebensjahr ca. so leicht depressive Momente bzw. Phasen ... wo ich mich einfach leer gefühlt habe und nicht wusste warum. Dem habe ich entgegengewirkt indem ich mir selbst Schmerzen zugefügt habe. Richtiges SVV war das nie, nur oberflächliche Kratzer und ähnliches ... das hat mir gegen dieses Gefühl von Leere immer ganz gut geholfen.
Mit 15 ging es mir eine Zeit lang sehr gut weil ich da anfing aktiv gegen meine Unsicherheit anzukämpfen und da auch mit meiner ersten Freundin zusammenkam und mit ihr wirklich glücklich war. Dann bin ich für ein paar Monate ins Ausland und da fing das glaub ich an, dass irgendwas in mir aus den Fugen geriet.
Das lag erst mal daran dass ich weniger damit zurechtkam, weit weg von zuhause zu sein, als ich angenommen hatte. Ich hatte mir das alles ganz toll vorgestellt ... dass ich mir da sozusagen ein "zweites Leben" aufbaue, neue Freunde finde mit denen ich dann viel erlebe, und dass ich mit meinen Gasteltern super zurechtkomme und dass meine Freundin mich dort besucht, und wenn ich wieder nach Deutschland komme bin ich viel selbstbewusster und habe viel erlebt und bin glücklich. Was man sich als Sechszehnjähriger naiverweise so vorstellt.
Womit ich nicht gerechnet hatte war dass es viel schwieriger sein würde Kontakte zu knüpfen wenn man als Neuling an eine Schule kommt wo alle sich seit Jahren kennen und wo man dann sowieso nur ein paar Monate bleibt. Und dass Familien, die einen ausländischen Schüler bei sich aufnehmen, vielleicht gar nicht so sehr die Vorstellung haben, diesen in die Familie zu integrieren. Oder damit, dass meine Freundin merkt, dass sie mich nicht mehr liebt und per E-Mail mit mir Schluss macht.
Es ist damals nichts Schlimmes passiert aber ich habe mich einfach sehr alleine gefühlt und bin damit nicht zurechtgekommen. Es kam dann innerhalb meiner Gastfamilie zu ein paar Vorfällen, die dazu geführt haben, dass ich irgendwann nicht mehr mit ihnen zusammen gegessen habe und das hat dann wiederum dazu geführt, dass ich jeden Tag Unmengen an Süßigkeiten einkaufte und in unbeobachteten Momenten Essen aus der Küche klaute und meine Abende damit zubrachte stundenlang irgendwelche Serien zu gucken und mich Essen vollzustopfen. Das war jeden Abend dasselbe ... tagsüber habe ich sehr wenig gegessen, dann abends diese Fressorgien und dann am nächsten Tag gucken wie ich unauffällig die Verpackungen wieder loswerde.
Das ging so bis ich wieder nach Hause kam. Sobald ich wieder da war normalisierte sich mein Essverhalten zum Glück wieder, aber mir fiel es schwer, mich wieder einzufinden anfangs und wirklich glücklich war ich nicht.
Ich habe keine so detaillierten Erinnerungen an diese Zeit, ich habe wohl auch nicht so viel gemacht in der Zeit.
 
Januar 2013 war dann ein Wendepunkt. Ich kann keinen konkreten Auslöser nennen, aber es kam dann dazu, dass sich bewusst die Entscheidung traf, mein Essverhalten zu ändern. Das war vielleicht auch die logische Konsequenzen von Situationen während meines Auslandsaufenthalts und auch davor, die mir das Gefühl gegeben haben dass ich Essen nicht verdient habe und das der Verzicht mir ein Gefühl der Kontrolle gibt.

Ich fing an zu testen wie lange ich tagsüber ohne Essen auskam und entwickelte die Angewohnheit, nicht mehr zu frühstücken und dann nach der Schule einen Joghurt oder einen Apfel oder sowas zu essen und dann abends ganz normal mit meiner Familie. Damit kam ich gut klar und ich fühlte mich gut dabei. Ich bin dann sehr schnell ins Untergewicht gerutscht aber irgendwann stagnierte mein Gewicht dann und sowohl mein Gewicht als auch meine Essgewohnheiten blieben lange Zeit gleich. Mir ging es zum ersten Mal wieder wirklich gut, ich war selbstbewusster und kontrollierter und hatte endlich etwas "Sinnvolles" zu tun. Ich konnte einfach alles Negative "umlenken" indem ich mich komplett auf meine Selbstkontrolle konzentrierte. Ich aß gar nicht so extrem wenig aber eben nach bestimmten Regeln ... ich dachte mir Ausreden aus um Essen aus dem Weg zu gehen. Und wenn das nicht ging habe ich unbeobachet in meinem Zimmer "gegessen" und es dann ausgespuckt. So von außen betrachtet war das damals vielleicht schon nicht mehr ganz normal aber mir ging es wirklich gut und ich meine depressiven Tendenzen waren für eine lange Zeit komplett weg.
Das änderte sich dann schlagartig als ich letzten Sommer auszog und von da an auf mich allein gestellt war. In einem Moment habe ich mich noch darauf gefreut wegzuziehen und etwas neues anzufangen und zu studieren ... eigentlich genau so wie es vor meinem Auslandaufenthalt auch gewesen war. Und im nächsten Moment saß ich hier in meinem Zimmer und kam überhaupt nicht mehr klar. Ich war nur noch depressiv, hatte plötzlich extreme Stimmungsschwankungen, jede Nacht extrem verstörende und selbstzerstörerische Gedanken, Angstzustände ... das war der Moment wo ich wirklich merkte dass etwas nicht stimmte. Dass mit meiner Art zu empfinden und zu denken irgendetwas absolut nicht stimmt. Das ging wochenlang so bis dann im Oktober das Semester anfing und ich wieder etwas zu tun hatte und langsam wieder etwas besser zurechtkam.
Ich hatte in dieser Zeit sehr viel Zeit um über mein Verhalten nachzudenken und seitdem denke ich auch dass wahrscheinlich doch schon eine Art Essstörung habe oder mein Verhalten zumindest in diese Richtung tendiert.
Ich habe in den letzten Monaten mehrere Male versucht das in den Griff zu kriegen, aber irgendwo fehlt mir der Wille es wirklich durchzuziehen. Ich mag mich einfach nicht ständig dazu zwingen müssen noch mehr zu essen wenn ich einfach keinen Hunger habe. Das macht es nur schlimmer weil ich dann das Bedürfnis habe mich zu übergeben. Es gab schon Momente wo ich es versucht habe. Meistens nicht wirklich ernst gemeint ... und auch nicht weil ich Angst vor Kalorien hätte sondern mehr aus einem Bedürfnis nach Selbstbestrafung und Selbstbefreiung. Irgendwann habe ich den Dreh rausbekommen und ich weiß jetzt theoretisch wie ich mich selbst zum Erbrechen bringen kann. Aber ich mache das kaum weil das nichts ist womit ich anfangen will. Aber ich weiß dass es nicht normal ist das ÜBERHAUPT zu machen oder nur daran zu denken. Der Gedanke daran ist aber ständig da wenn ich "zu viel" esse. Also immer wenn ich versuche "normal" zu essen klappt das nicht weil mir dann stundenlang das Essen im Magen liegt und mir im wahrsten Sinne des Wortes zum Kotzen zumute ist ...

Ich denke immer öfter, dass mit mir etwas nicht stimmt und das mein Verhalten einfach nicht mehr normal ist. Ich denke immer wieder daran damit zum Arzt zu gehen oder direkt zu einem Psychiater und eine Therapie zu machen weil ich weiß dass ich so nicht weitermachen will und das auf Dauer auch nicht kann. Bisher habe ich das nicht geschafft. Weil ich Angst habe dass man mir dann sagt dass ich komplett gestört bin und dass ich vielleicht wirklich "krank" bin. Oder dass ich komplett übertreibe und dass das keine richtigen Probleme sind.
Ich kann auch einfach immer nur beschreiben was ich empfinde und was ich tue, aber ich bin absolut nicht in der Lage zu erklären WARUM ich so fühle oder handle.
Und da sind eigentlich noch viel mehr Dinge aber das will ich jetzt auch nicht alles aufschreiben weil das jetzt schon so viel ist und das wahrscheinlich jetzt schon keiner liest ...
Ich muss das einfach loswerden, ich muss mich irgendjemandem mitteilen. Ich brauche jemanden der mir sagt was mit mir nicht stimmt.
 

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