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Ich will kein schlechter Mensch sein

Rosiella

Mitglied
Hallo
Ich habe mich noch nie getraut mit jemanden darüber zu reden, weil ich es selbst nicht wahrhaben wollte, doch nun frage ich mich immer öfters, was mit mir los ist und warum es so ist.
Und zwar geht es darum, dass ich ständig dunkle, böse Gedanken habe. Und das schon seit er Kindheit. Eigentlich wünsche ich niemandem etwas Schlechtes und ich will nicht, dass diese Gedanken kommen, aber ich selbst erwische mich immer wieder, wie ich mir in verschiedenen Situationen das Schlimmste vorstelle. Wie anderen Menschen Schlechtes wiederfährt. Dass es niemandem bessergehen soll, als mir.

Um Beispiele zu nennen:
Sehe ich jemandem eine schwere Einkaufstasche ins Haus tragen, stelle ich mir oft vor, wie die Griffe reißen und alle Einkäufe auf die Straße fliegen und überfahren werden. Sehe ich, dass die Tasche kurz vorm reißen ist, sage ich nichts sondern spüre, wie es mir in den Fingern juckt, mein Handy zu zücken, auf das Unglück zu warten und es zu filmen.
Gehe ich mit Leuten aus der Arbeitsgruppe einkaufen und weiß, dass wir danach gemeinsam die Taschen tragen müssen, packe ich bei den anderen immer mehr ein als bei mir. Würde ich mitkriegen, dass jemandem etwas aus der vollen Tasche fällt, kann ich ihn nicht warnen, sondern ignoriere es und ergötze mich später daran, wie er sich, sobald es ihm auffällt, darüber ärgert.
Im Circus oder sonstigen Aufführungen muss ich mir unwillkürlich immer vorstellen, wie Vorführungen scheitern und Unfälle aussehen.
Wischt in der Kochgruppe jemand nach dem Kochen den Ofen ab, stelle ich mir vor, was passiert, wenn er noch an wäre und er sich die Hände verbrennt, oder der Lappen oder die langen Haare, die über den noch heißen Platten hängen, Feuer fangen.
Vergisst jemand die offene Milch zu verschließen, ignoriere ich sie, auch wenn ich weiß, dass sie noch fast voll ist und später noch gebraucht wird, und der Deckel danebenliegt. Dann steht sie da paar Tage und alle ärgern sich.
Braucht jemand aus der Arbeitsgruppe Hilfe bei etwas, schaue ich weg, als würde ich es nicht bemerken. Sehe ich, das der Stuhl, auf dem er steigt, um etwas ins oberste Regal zu legen, schon sehr wackelig ist, trete ich zurück, anstatt ihn zu warnen und kann nicht anders als mir vorzustellen, wie er zusammenbricht. Selbst wenn ich die Person mag.
Arbeiten wir am Computer, tue ich sogar manchmal kleine Probleme verursachen, damit andere Leute später zu mir kommen und ich das Problem dann für sie lösen kann – alle hier wissen, dass ich mich mit Computerproblemen auskenne und die immer lösen kann. Ich fühle mich gut, wenn andere danach dankend vor mir auf die Knie fallen, weil sie das Problem ohne meine Hilfe niemals alleine gelöst hätten.
Würde ich sehen, dass jemand aus der Gruppe seinen Monitor zu nahe an die Tischkante geschoben hat, schweige ich und warte gespannt darauf, dass er runterfällt und kaputtgeht. Oder lässt jemand sein Handy draußen liegen und es fängt an zu regnen, drehe ich mich vom Fenster weg und freue mich, wenn der Besitzer später zu mir kommt und meinen Rat sucht, ob man da noch was reparieren kann…
Auch Leuten die ich mag und die sehr hilfsbereit sind, lüge ich offen ins Gesicht. Sie opfern dann ihre Zeit für mich, um mir bei den Aufgaben zu helfen, und dass andere Kollegen dadurch vernachlässigt werden, ist mir egal.
Als ein Bekannter ein Treffen absagen musste zu dem ich bereits erschienen war, weil er sich schwer verletzt hatte und zum Arzt musste, war alles, was mich interessierte, wann der nächste Bus nachhause fährt und der Ärger, umsonst Zeit und Geld für die Fahrkarte aufgeopfert zu haben.
Ich habe 4 Jahre lang nach einer Wohnung gesucht, bekam aber immer nur Absagen. Dann fing ein Bekannter auch zu Suchen an und fand/bekam bereist nach 2 Monaten eine! Ich habe später geweint und die Person gehasst, war eifersüchtig, weil ich selbst nie Glück habe.
Einmal wurde der Arbeitslohn verteilt. Die Chefin gab mir das Geld schon früher, und später kam ihr Mann, der mir meinen Lohn ebenfalls geben wollte, weil er davon noch nichts wusste. Anstatt dies zu erklären, nahm ich das Geld einfach und freute mich über den doppelten Lohn. Ja, das ist falsch. Aber ich tat es. Warum…!? Ich weiß es nicht! Es direkt am Anfang aufzuklären hat sich falsch angefühlt. (Später ist dies dann aufgefallen, aber ich konnte selbst dann einfach keine Scham verspüren)
Auch wenn meiner Chefin der mitgebrachte Kuchen aus der Hand fällt, weil ich ihr nicht die Tür aufgehalten habe, kann ich nur an mich selbst denken. Anstatt zu helfen überlege ich, was ich später im Fernsehen schaue, oder überlege, welcher Platz am Tisch der beste ist und von wo aus ich die Kekse am ehesten erreichen kann. Alles andere kümmert mich einfach nicht.
Und das ist schade. Das ärgert mich oftmals sogar, wenn auch erst später.

Als Kind habe ich viele Streiche gespielt. Heftige Sachen, wie fremde Fahrräder mit alten Schlossern abschließen. Kamen die wütenden Besitzer deswegen zu spät zur Arbeit, hat mich das immer stark amüsiert. In der Grundschule habe ich ständig den Mitschülern, die sich gerade hinsetzen wollten, die Stühle weggezogen, sodass sie sich danebensetzen und hinfielen… Die Lehrerin war dann böse, aber ich habe nur gelacht.
Selbst für jemandem im Kindesalter ist so etwas nicht normal. Oder?
Heute schüttel ich über mich selbst den Kopf.
Naja als Kind wurde mir von anderen Schülern auch nie geholfen. Ich wurde immer geärgert, sogar noch als ich auf die Berufsschule kam. Die Stärkeren standen oft um mich herum und meinten, ich wäre dumm und behindert und solle endlich in die Klapse gehen – und das nur, weil ich zu ängstlich war, mich gegen sie zu wehren und immer nur stumm in meiner Ecke stand.
Freunde hatte ich kaum. Nur eine Freundin, aber die war nur mit mir zusammen, weil sie ansonsten auch alleine wäre. Ansonsten war ich immer einsam. Alleine. Sehe ich Paare, die sich glücklich auf der Straßen in den Armen halten, muss ich manchmal weinen. Ich bin fast 30, wohne in einer Therapiegruppe wegen meinen Phobien und sowas wie Partnerschaft scheint für mich unerreichbar. Manchmal frage ich mich, warum andere so viel Glück haben, und ich nie!? Ob ich für immer alleine sein werde? Ob das so etwas wie eine Strafe ist, für die Art, wie ich bin?

Sowas wie echtes Mitgefühl von anderen habe ich erst im Arbeitsleben erfahren. Es macht mich glücklich, wenn andere nett zu mir sind und ihr Essen einfach ohne Hintergedanken mit mir teilen, aber anders denken kann ich dennoch nicht. Wird zB in der Gruppe Geld für ein Geburtstagsgeschenk gesammelt, stecke ich gerne mal nur 1 Cent in die Dose und tue dann später so, als wäre der nicht von mir. Die anderen ärgern sich und meinen, wenn man schon nichts gebeb mag, kann mans runhig sagen. Das jedoch traue ich mich nicht; ich will nicht geizig erscheinen und wenn die Dose mal in der Gruppe rumgegeben wird, stecke ich viele Centstücke rein, damit es sich nach viel anhört.
Ich selbst liebe es, wenn andere sich mitleidig um mich sorgen, wenn mir mal etwas übles passiert, oder es mir schlecht geht. Dann fühle ich mich nicht so allein.

Ich selbst würde niemals jemanden mutwillig ernsthaft Schaden zufügen! Als Kind wares es dumme Streiche, die ich schon lange nichtmehr tätige. Ich bin in Gegenwart anderer Menschen immer schüchtern, zurückhaltend, beinahe krankhaft ängstlich. Aber diese schadenfrohen Vorstellungen kommen einfach. Immer wieder. Unwillkürlich.

Was ist mit mir los, frage ich mich?
Ich schäme mich für mich und traue mich nicht, mit einem Arzt oder anderen Leuten darüber zu reden. Ich mag es nicht, wenn andere mich für einen Egoisten halten. Ich weiß, dass ich einer bin, aber eigentlich will ich keiner sein. Ich weiß auch, wie gut es sich anfühlen kann, anderen eine Freude zu machen. Aber selbst an den Weihnachtstagen fällt dies mir schwer. Beim Geschenkekauf nehme ich immer das Billigste weil ich immer daran denken muss, dass, je teurer das Geschenk ist, umso weniger Geld danach für mich übrig ist. Das ist albern. Ich habe genug Geld. Aber dieser Geiz ist stark.
Mittlerweile versuche ich mich zu ändern. Überwinde mich, jemanden, dem zB das Handy runterfällt zu warnen, bevor der nächste, der vorbeikommt, drauftritt. Die Person ist dann dankbar, aber ich weiß, dass die Schadenfreude größer wäre. Es gibt keinen Schaden, an dem ich mich ergötzen kann. Das langweilt mich manchmal sogar ein bisschen.

Viele Mitmenschen halten mich dennoch für liebenswürdig und nett. Sie wissen, dass ich schüchtern bin, aber auch gerne helfe. Auch wegen der Schüchternheit habe ich oft nicht den Mut, den Mund aufzumachen und jemandem von mir aus zu helfen. Immer warte ich, bis andere zu mir kommen.
Niemand weiß von meinen schändlichen Gedanken. Ich weiß nicht, wie ich sie loswerden kann.
Was kann ich tun?
Oder was würdet ihr tun?
 
Ich habe nur den Anfang gelesen. Ich denke du bist kein schlechter Mensch. Du bist der Mensch.

Ich selbst bin kein Mensch. Weil ich es nicht schön finde wie andere leiden. Aber solche wie du gibt es zu 99% auf der Welt. Glückwunsch, du bist die oder der einzige der sich dabei nur ertappt hat
 
Ich weiß auch, wie gut es sich anfühlen kann, anderen eine Freude zu machen.
Selbsterkenntnis ist der erste Schritt zur Besserung. Ich appeliere weiter auf Versuche sich zu ändern. Der Rest des Textes ist für mich nämlich ziemlich gruselig.
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo Rosiella,

also der Anfang ist gemacht, denke ich.
Du siehst so deutlich, wie du handelst bzw. nicht handelst, du siehst sogar, dass es einen Zusammenhang zu deinen negativen Gedanken und Gefühlen gibt. Und du willst so nicht mehr sein!
Du beschreibst so offen diese Abläufe, es braucht Mut, das vor sich selbst zu Formulieren und zuzugeben.
Das ist im Grunde die Ausgangsbasis um es zu ändern, von daher sehe ich dich auf einem guten Weg sozusagen.

Ich will dir Mut machen, die Wachheit dir selbst gegenüber ist etwas, womit du viel erreichen kannst, vorallem, weil du andere Wege gehen willst.
Deine Wahrnehmung, also deine Wachheit gegenüber deinen inneren Abläufen ist wie ein Freund, sie tippt dir auf die Schulter und sagt: Schau mal genau hin, wie blöd das eigentlich ist, das könnte man auch anders machen.

Veränderungen brauchen aber auch ihre Zeit.
Die Macht der Gewohnheit ist enorm und im Grunde geht es darum, dass du dich umprogrammierst, umerziehst sozusagen.
Die alten, gewohnten und ausgelatschten Gehirnwindungen sind immer diejenigen, die sich als erstes anbieten: Hier gehts lang.
Die neuen Pfade musst du dir erst schaffen, ein neues Denken, kann man sich erarbeiten.
Deine Wachheit hilft dir dabei, diese alten Wege nicht mehr zu gehen, du kannst, sobald du bemerkst, dass du in der negativen Erwartungshaltung bist sofort Stopp sagen. Einfach die inneren Bilder anhalten, indem du bewusst etwas anderes denkst, deine Aufmerksamkeit in eine andere Richtung lenkst. Dafür kannst du Alternativen suchen, ein Lied, ein Satz, der dir gefällt, ein Wort, ein schönes vorgestelltes Bild etc.
Erst mal reduzierst du den Lustgewinn an der Negativität, indem du dich bewusst von solchen Situationen abwendest, die evtl. in die Katastrophe der anderen führen. Der nächste Schritt wäre, die drohenden Katastrophen zu verhindern, wenn es in deinen Möglichkeiten liegt. Selbst wenn du noch nicht davon überzeugt bist, dass das der bessere Umgang mit solchen Situationen ist, kannst du es dennoch tun.

Es braucht sicherlich Geduld und sehr viel Achtsamkeit, aber ich bin sicher, wenn du nicht aufgibst, wirst du dennoch bald Erfolg haben und feststellen, dass es viel schöner ist, sich mit anderen zu freuen als gegen sie.

Und noch ein anderer Gedanke: Ich finde, Schadenfreude ist auch eine Form von Rache. Wofür willst du dich rächen, woher kommt dieser Genuss am Schaden anderer? Wo ist diese Verletzung in dir, die glaubt, Schadenfreude wäre ein Trostpflaster?

LG
 
Liebe Rosiella,

Ich weiß genau, wie du dich fühlst, und dich glaube, ich kann dir auch die Frage nach dem "Warum" beantworten:

Du warst dein Leben lang immer schlechter gestellt als andere, hattest immer weniger, weniger Glück, weniger Chancen, weniger Ressourcen, und warst dir dessen immer bewusst, nicht wahr?

Es ist leider eine traurige Tatsache, auch in Deutschland, dass Chancengleichheit ein Mythos ist, ein Traum, den Menschen, die alles haben, in die Welt gesetzt haben.

In Wahrheit hat ein Mensch, der in Deutschland in die Unterschicht geboren wird, und besonders, wenn dieser Mensch dazu mit dem Verstand verflucht ist, sich dieser Tatsache bewusst zu sein, kaum eine Chance, im Leben jemals wirklich glücklich zu werden...
Wird sein Leben lang Ablehnung, Stigmatisierung und Unterdrückung erfahren, sich ein Leben lang mit anderen Vergleichen, und an den daraus resultierenden Erkenntnissen verzweifeln...

Warum ich es mir herausnehme, all dies zu behaupten?
Weil es meine eigene Vergangenheit ist: In einer Akademiker-Stadt geboren, auf ein Gymnasium gegangen, und zu Hause war kaum genug Geld vorhanden, um zu essen...
Während die Menschen um mich herum ein Leben geführt haben, von dem ich nur träumen konnte, habe ich jeden Tag von einer Hölle in die nächste gewechselt...

Es ist ein Zustand, der die Seele vergiftet, und einen Hass auf alle Menschen, denen es, nach außen hin, gut geht, nährt, und selbst heute noch fällt es mir schwer, mich mit Menschen abzugeben, denen es im Leben immer gut ging.
Weil mir dies eine Ungerechtigkeit vor Augen führt, die weh tut...

Und, bis heute kann ich keine Bücher lesen, in denen es um Menschen geht, denen im Leben alles gelingt, um klassische "Helden" eben, die dann am Schluss noch nebenbei ihr großes Glück, oft in Form von Liebe, einsacken...
Bevor ich ein Buch ausleihe, lese ich immer erst den Schluss, und nehme es nur mit, wenn das Ende schlecht oder zumindest neutral ist...

Ungesund, keine Frage, sogar sehr, und ich weiß es...
Es ist aber auch ein Teil von mir, meiner Geschichte, und es erinnert mich daran, wie ich die Prioritäten in meinem Leben setzen muss, um glücklich zu werden...

Von daher möchte ich dir ganz klar sagen: Für diese Gefühle kannst du nichts!
Bitte sieh sie nicht als Bestätigung dafür, dass du ein schlechter Mensch bist, sondern nur dafür, dass in deinem Leben zu viel schief gelaufen ist, und sich noch viel ändern muss...

In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal darauf eingehen, was ich eben schon einmal erwähnte:
Mein eigener Schmerz erinnert mich immer wieder daran, wie ich meine Prioritäten im Leben setzen muss, um glücklich zu sein.
Ich weiß, dass ich in materieller Hinsicht niemals auf einer Stufe mit anderen Menschen sein werde. Dass ich bei einem solchen Vergleich nur verlieren kann.
Daher tue ich es auch gar nicht, sondern fokussiere meine Aufmerksamkeit und meine Bemühungen auf Dinge, die auch ich erreichen kann, und in denen ich besser bin, als "normale" Menschen:

Mich selbst lieben zu lernen... Immer weiter an mir zu arbeiten... Dinge zu tun, die mir gut tun und mich weiterbringen... Irgendwann eine liebevolle Partnerschaft führen...


Denn, nicht alles ist schlecht an einer grausamen Vergangenheit:
Sie sensibilisiert uns, macht uns emotional, macht uns empfänglich für Dinge, auf die es im Leben wirklich ankommt.


Ich möchte dir daher sehr ans Herz legen, deine Aufmerksamkeit von deinen Mitmenschen abzulenken, und auf dich selbst zu fokussieren. Du hast ein großes Herz voller Gefühle. Nutze es nicht, um zu hassen, sondern um zu lieben...
Dein Leben lebenswert zu machen, dich selbst weiter zu entwickeln, und zu gegebener Zeit einen Menschn zu finden, dem du all die Gefühle in deinem Herzen, und in dieser Hinsicht kann kein "gesunder" Mensch jemals mit dir konkurrieren, widmen kannst...

Dann, und nur dann, bekommt auch deine Vergangenheit einen Sinn und einen Wert...


Liebe Grüße
 

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