Cloudy, Du schreibst:
"Der Lehrer war noch eine Autortät. Auch für die Eltern. Da wurde man schon mal am Kragen gepackt und in die Bank reingeworfen nach einer besonders dummen Antwort, meine Englischlehrerin meinte in der 10. "ihr seid dümmer als die Neger. Obwohl, das ist eine Beleidigung für die Neger". (Neger sagen war damals noch normal). Wenn sie heute sowas sagen würde, kämen die Eltern in Scharen angerannt udn würden sich beschweren.
Der Lehrer heute hat nicht mehr das Ansehen wie früher, muss aber viel mehr. Er soll die Schüler begeistern, motivieren, muss immer absolut political korrekt sein. Und mit Eltern rumdiskutieren wenn der Sprössling schlechte Noten hat, nachsitzen muss...
Echt schrecklicher Beruf geworden, vor allem in der Stadt und je älter die Schüler."
Herzlichen Dank für diese treffliche Beschreibung. Du hast einen wesentlichen Aspekt der Diskussion um Schule und Erziehung getroffen. Ich habe ja, als jemand, der ein paar Jahre nach dem Krieg geboren wurde, noch beides kennengelernt. Die Schule und Lehrer der Adenauer-Zeit und die darauf folgenden Veränderungen, die wie Wellen über die Erziehungs-und Bildungslandschaft schwappten.
Eins sage ich noch heute: Wir hatten in den frühen 60iger Jahren auf der Penne gestandene Pauker mit Autorität und Kompetenz, vor denen wir Respekt hatten und die wir dennoch geliebt haben. Ich habe einiges von deren Verhalten, auch einige Marotten später als Lehrer selbst praktiziert.
Ja, es gab sie auch die Zyniker und Machtmenschen, die nur deshalb Recht hatten, weil sie oben und vorne saßen, aber auch schon damals galten sie ja zumindest unter uns Pennälern nicht unbedingt als geschätzte Autoritäten. Andere jedoch schon. Die waren durchaus Vorbilder für uns. Ich erinnere mich bis heute und lebhaft eines Studiendirektors, der mit gestrengem Blick über die Flure schritt, im Unterricht kein Pardon kannte, wenn wir unsere Köpfe nicht eingeschaltet hatten, bevor wir unsere "Weisheiten" von uns gaben. Zeigten wir ihm aber, dass wir nicht nur mit Schlagwörtern agierten, sondern in die Materie eingedrungen waren, dann erhielten wir von ihm jede erdenkliche Hilfestellung und förderliche Hinweise.
Er motivierte uns in jeder Hinsicht.
Er war in jenen Jahren auch für die Betreuung der Referendare zuständig und von diesen hochgeschätzt.
Später dann, als junger Lehrer, erlebte ich Fachleiter und Seminarvertreter, die offenbar über die politische Schiene in einem Tempo nach oben stiegen, dass man sich fragen konnte, wann und wo sie überhaupt Erfahrungen gesammelt hatten. Und heutzutage scheint mir das fast die Regel zu sein.
Wenn dann junge Menschen diese seltsamen Machtgefüge begreifen, dann hat der Pädagoge verloren. Wenn ein Pädagoge, der Teamplayer sein muss, erfährt, dass der Einzelne im Team immer weniger zählt, dann wird er zum Bückling, lässt sich verbiegen.
Derjenige, der sich nicht verbiegen lässt, wird nicht selten gebrochen.
In einer demokratischen Gesellschaft kannst Du heute und gerade im Bildungsbereich Strukturen erkennen, die mit Fachkompetenz oft nichts mehr zu tun haben. Das hat Folgen für die personelle Ausstattung der Stellen auf allen Ebenen der Hierarchie.
Je jünger, umso besser. Je größer die Ellenbogen, um so besser die Karriere-Chancen. Selbstreflexion gilt immer nur für die, die unten sind. Oben wird entschieden.
Burbacher