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Kein Ziel vor Augen.

marcel1996

Neues Mitglied
Hallo zusammen, ich muss sagen, dass ich echt froh bin, dass es dieses Forum hier gibt und dass sich Leute austauschen können, ohne verurteilt zu werden und ihnen auch in schwierigen Situationen geholfen wird. Ich möchte im Folgenden mein Problem schildern. Dabei werde ich es nur oberflächlich behandeln und nicht auf alles eingehen, weil ich ansonsten auch einen ganzen Roman schreiben könnte. Ich werde auch nicht alles sorgfältig und geordnet aufschreiben, sondern einfach nur das, was mir so einfällt.

Zunächst ein paar wichtige Informationen zu mir: Ich bin männlich und fast 22 Jahre alt. Ich studiere VWL in einer großen deutschen Stadt und bin mit dem Studium an sich auch ganz zufrieden. Seit einigen Monaten aber plagen mich Gefühle des Selbstzweifels und mein Selbstbewusstsein schwindet jeden Tag etwas mehr.

Ich bin in wenigen Monaten fertig mit meinem Bachelor und hatte bis jetzt kein Praktikum gemacht. Soweit so gut. Hinzu kommt aber noch, dass ich einen ziemlich miesen 3er Schnitt habe, der es mir nicht erlauben wird, einen Master zu schreiben. Ich frage mich, wie ich jetzt arbeiten soll, ich habe keine Praxiserfahrung und einen schlechten Schnitt, darüber hinaus auch kein soziales Engagement.

Der zweite Punkt ist, dass ich noch irgendwie gar nicht weiß, was ich beruflich einmal machen will. Mit einem VWL Studium stehen mir viele Wege offen, z.B. Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung, Unternehmensberatung, Controlling, Buchführung, Einkauf, Vertrieb, Forschung & Lehre und noch einiges mehr. Aber ich weiß gar nicht, wohin ich soll. Ich habe nur zwei Ziele: Möglichst ein gutes Gehalt und ich möchte mich langfristig selbstständig machen. Ich denke, dass es heute, im Zeitalter von Internet und Digitalisierung, einfach denn je geworden ist, sich relativ risikolos selbstständig zu machen.

Ich habe eine vielleicht etwas philosophische Frage: Gibt es Menschen auf dieser Welt, die kein bestimmtes Ziel haben? Ich habe das Gefühl, als hätte ich ein Ziel, aber ich weiß nicht, wo dieses Ziel genau ist und welches Ziel ich anvisieren sollte. Aber gibt es wirklich Menschen, die gar kein Ziel haben, die den Tag einfach nur so vor sich hinleben, die aber trotzdem glücklich sind mit ihrem Leben?

Mein dritter Punkt: Ich habe seit der 5. oder 6. Klasse keine Freunde mehr. In der Mittelstufe wurde ich gemobbt, was auch an meinem Selbstbewusstsein genagt hat. In der Oberstufe wurde ich zwar nicht mehr gemobbt, aber ich wurde gemieden und mir wurde ausgewichen. Als ich fertig war mit dem Abi, habe ich sofort angefangen zu studieren, aber da ich von der Uni etwas weiter weg wohne, muss ich dort hin pendeln. Da ich im letzten Semester bin und meine Bachelorarbeit schreibe, gehe ich auch nur 1-2 Mal pro Woche zur Uni. Das Problem ist aber, dass ich keine Leute kennenlerne. Seit ich angefangen habe zu studieren, habe ich vielleicht 20 Personen insgesamt kennengelernt, und alle waren entweder Leute, mit denen ich mich mal zum Lernen getroffen habe oder Leute, die mit denen ich in der Vorlesung saß, danach aber nichts mehr mit ihnen gemacht habe. Da ich bald fertig bin, denke ich, dass ich es viel schwieriger haben werde, Leute („Freunde“) kennenzulernen, oder nicht? Und worüber soll ich überhaupt mit ihnen reden, wenn ich entweder Sport mache, spazieren gehe oder nur vorm PC hocke?

Der vierte Punkt bezieht sich auf Liebe und Beziehungen: Bisher habe ich keinerlei Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht sammeln können. Ich wäre bereit, eine Beziehung einzugehen, aber wie findet man eine, wenn man schüchtern und zurückhaltend ist (das bin ich allen Menschen gegenüber, nicht nur dem anderen Geschlecht). Ich war auch noch die auf einer Feier oder im Club – lohnt es sich überhaupt dort hinzugehen? Ich finde es nicht so interessant, weiß aber auch nicht, ob ich es nicht verpasse und es später bereuen würde, nicht einmal in einem Club gewesen zu sein, aber alleine würde ich dort auch ungerne hin.
Häufig lese ich auch von One-Night-Stands und Freundschaft Plus Beziehungen. Auch so etwas würde mich reizen, aber ich wüsste auch überhaupt nicht, wie sich so etwas ergibt. Und um so etwas zu finden muss man doch auch körperlich sehr attraktiv sein oder täusche ich mich da?

PS: Ich merke gerade, dass es wohl doch ein Roman geworden ist, aber ich danke euch allen im voraus für eure Ratschläge und Anregungen.
 

Nordrheiner

Sehr aktives Mitglied
Hallo Marcel,

aus meiner Studienzeit weiß ich, dass es einfach schwer ist, zwischenmenschliche Beziehungen zu Kommilitonen im Bereich Wirtschaft/BWL/VWL zu knüpfen. Ich weiß nicht genau, warum das so ist. Sicher gibt es auch anders lautende Beispiele. Aber ich habe es ähnlich erlebt wie Du.

Deshalb ging ich zu der katholischen Hochschulgemeinde (obwohl ich nicht katholisch war/bin). Ich nahm Kontakt auf mit Kommilitonen und Kommilitoninnen, die etwas anderes studierten. Ab da war meine Studienzeit nochmal so schön.

Einfach über den Tellerrand schauen. Aber beim Schauen sollte es nicht bleiben.

Es gibt eine Regel: "wer gut mit Menschen umgehen kann, wird die lenken, die nur mit Sachen (Zahlen) gut umgehen können." Je niedriger Deine Sozialkompetenzen sind, um so weniger eignest Du Dich für einen Beruf, in dem Du viel mit Menschen umgehen mußt (z.B. Unternehmensberatung). Aber keine Sorge: Sozialkompetenzen kann man lernen. Dafür sind Bücher gut - aber es darf auf keinen Fall bei Büchern bleiben. Übung gehört dazu und zur Übung gehört zwangsläufig die Praxis. Daraus folgt: Früher oder später solltest Du Dein Freizeitverhalten überdenken und Schritte wagen, die Du bisher noch nicht gewagt hast. Sich mit anderen Menschen beschäftigen... Dazu gehört Mut. Also sei mutig!

Ziele:

Keine Ziele zu haben finde ich ganz übel. Zu einer ziellosen Situation kann man auch Desorientierung sagen. Klar kann man dabei sich auch glücklich fühlen. Aber es braucht ungemein viel Ignoranz gegenüber dem realen Leben.

Ziele und Sinn gehören zusammen.

Ziellosigkeit, Sinnlosigkeit führen zur Gleichgültigkeit. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann man diesen Boden erreicht hat.

Erich Fromm sagte dazu: "Wenn der Mensch dem Leben gegenüber gleichgültig wird, besteht keine Hoffnung mehr, dass er das Gute wählen kann."

In voller Selbstironie könntest Du ein Plakat an Deine Wand hängen und darauf schreiben:
"Um mein Leben zu leben, sind Ziellosigkeit und Sinnlosigkeit nicht zwingend erforderlich, aber es hilft ungemein."

Ziele und Sinn (des Lebens) kann man nicht von anderen Menschen übernehmen. Diese mußt Du schon selbst finden.
Ohne Suchen ist Finden etwas schwierig und dem Zufall überlassen.

Diese Aufgabe hat etwas mit Dir als Mensch zu tun. Auch hier sind wieder soziale Kompetenzen wichtig. Aber diesmal nicht in Bezug auf andere Menschen, sondern in Bezug zu Dir. Die Reise in das eigene Ich ist n.m.M. die spannendste Reise. Diese Reise hat auch etwas mit Deinem Gewissen zu tun. Das Gewissen ist ein Sinn-Organ. Es sagt Dir, was Du tun sollst. Den Umgang mit anderen Sinnesorganen (Ohr, Nase...) lernen wir von Geburt an. Den Umgang mit dem Sinn-Organ Gewissen müssen wir erst noch lernen, sofern wir es als Kind nicht ausreichend lernten.

Ich empfehle Dir, Dich mal mit Ethik zu beschäftigen. Empfehlenswert sind Bücher von Erich Fromm. Hier empfehle ich Dir vor allem sein Buch "Haben oder Sein" sowie "Die Seele des Menschen" (Untertitel: Ihre Fähigkeit zum Guten und zum Bösen)

LG, Nordrheiner
 

user1204

Mitglied
Ich verstehe dich einigermaßen und ich kann dir sagen, dass du sehr oft hinfallen wirst in deinem Leben. Dieses Problem haben viele, die keine High-Performer sind. Insbesondere beruflich. Von den Beziehungen mal ganz abgesehen.

Freunde zu finden ist nicht sonderlich schwer finde ich, da musst du dich einfach ehrenamtlich engagieren oder so.
 

marcel1996

Neues Mitglied
Hallo Marcel,

aus meiner Studienzeit weiß ich, dass es einfach schwer ist, zwischenmenschliche Beziehungen zu Kommilitonen im Bereich Wirtschaft/BWL/VWL zu knüpfen. Ich weiß nicht genau, warum das so ist. Sicher gibt es auch anders lautende Beispiele. Aber ich habe es ähnlich erlebt wie Du.

Deshalb ging ich zu der katholischen Hochschulgemeinde (obwohl ich nicht katholisch war/bin). Ich nahm Kontakt auf mit Kommilitonen und Kommilitoninnen, die etwas anderes studierten. Ab da war meine Studienzeit nochmal so schön.

Einfach über den Tellerrand schauen. Aber beim Schauen sollte es nicht bleiben.

Es gibt eine Regel: "wer gut mit Menschen umgehen kann, wird die lenken, die nur mit Sachen (Zahlen) gut umgehen können." Je niedriger Deine Sozialkompetenzen sind, um so weniger eignest Du Dich für einen Beruf, in dem Du viel mit Menschen umgehen mußt (z.B. Unternehmensberatung). Aber keine Sorge: Sozialkompetenzen kann man lernen. Dafür sind Bücher gut - aber es darf auf keinen Fall bei Büchern bleiben. Übung gehört dazu und zur Übung gehört zwangsläufig die Praxis. Daraus folgt: Früher oder später solltest Du Dein Freizeitverhalten überdenken und Schritte wagen, die Du bisher noch nicht gewagt hast. Sich mit anderen Menschen beschäftigen... Dazu gehört Mut. Also sei mutig!

Ziele:

Keine Ziele zu haben finde ich ganz übel. Zu einer ziellosen Situation kann man auch Desorientierung sagen. Klar kann man dabei sich auch glücklich fühlen. Aber es braucht ungemein viel Ignoranz gegenüber dem realen Leben.

Ziele und Sinn gehören zusammen.

Ziellosigkeit, Sinnlosigkeit führen zur Gleichgültigkeit. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann man diesen Boden erreicht hat.

Erich Fromm sagte dazu: "Wenn der Mensch dem Leben gegenüber gleichgültig wird, besteht keine Hoffnung mehr, dass er das Gute wählen kann."

In voller Selbstironie könntest Du ein Plakat an Deine Wand hängen und darauf schreiben:
"Um mein Leben zu leben, sind Ziellosigkeit und Sinnlosigkeit nicht zwingend erforderlich, aber es hilft ungemein."

Ziele und Sinn (des Lebens) kann man nicht von anderen Menschen übernehmen. Diese mußt Du schon selbst finden.
Ohne Suchen ist Finden etwas schwierig und dem Zufall überlassen.

Diese Aufgabe hat etwas mit Dir als Mensch zu tun. Auch hier sind wieder soziale Kompetenzen wichtig. Aber diesmal nicht in Bezug auf andere Menschen, sondern in Bezug zu Dir. Die Reise in das eigene Ich ist n.m.M. die spannendste Reise. Diese Reise hat auch etwas mit Deinem Gewissen zu tun. Das Gewissen ist ein Sinn-Organ. Es sagt Dir, was Du tun sollst. Den Umgang mit anderen Sinnesorganen (Ohr, Nase...) lernen wir von Geburt an. Den Umgang mit dem Sinn-Organ Gewissen müssen wir erst noch lernen, sofern wir es als Kind nicht ausreichend lernten.

Ich empfehle Dir, Dich mal mit Ethik zu beschäftigen. Empfehlenswert sind Bücher von Erich Fromm. Hier empfehle ich Dir vor allem sein Buch "Haben oder Sein" sowie "Die Seele des Menschen" (Untertitel: Ihre Fähigkeit zum Guten und zum Bösen)

LG, Nordrheiner

Hallo Nordrheiner,

ich danke dir herzlich für deine ausführliche Antwort. Leider habe ich es während des Studiums versäumt, genügend Kontakte zu knüpfen um Freunde zu finden. Ich habe auch etwas über den Tellerrand geschaut, aber auch da bin ich nicht wirklich fündig geworden. In 3 Monaten ist es zu spät, weil ich mit meinem Bachelor fertig sein werde.

Das Buch "Haben oder Sein" habe ich gelesen und ich fand es auch sehr interessant. Ich sehe mich selbst eher auf der Haben-Seite, wobei ich selbst nicht so recht weiß, ob das die richtige Seite für mich ist.

Ehrlich gesagt habe ich in den letzten Tagen versucht zu verstehen, was mich so bedrückt und teilweise auch depressiv macht, aber ich kann es nicht finden. Ich habe keine Hobbys und auch keine Interessen, keinen konkreten Berufswunsch. Wie wird es in der Zukunft sein? Ich möchte so gerne etwas für mich selbst machen, für mich selbst arbeiten, aber irgendwie weiß ich nicht was, wo ich nicht einmal weiß, was ich für andere arbeiten soll.
 

Nordrheiner

Sehr aktives Mitglied
Hallo Marcel,

hinsichtlich Deiner beruflichen Richtung empfehle ich Dir, alle möglichen Beratungsangebote wahr zu nehmen. Du bist mit Sicherheit nicht der erste Student, der da Hilfe bzw. Anregung braucht. Nur eben mußt Du nach solchen Beratungsangeboten suchen. Vielleicht gelingt es Dir, mit einem ehemaligen Studenten Deines Fachbereiches, der zu seinem Beruf gefunden hat, Kontakt aufzunehmen und kannst ihn fragen, was sein Beruf für Vor- und Nachteile hat und zu was Dir dieser Mensch rät. Einfach suchen. Tun. Denken alleine reicht nicht.

Stehst Du eher auf der Haben-Seite, ist diese Stellung die Ursache, die auch negative Wirkungen hat.

Wenn Du bisher versäumtest, genügend Kontakte zu knüpfen, so kannst Du das in Zukunft "reparieren", nur eben nicht in der Prüfungsphase. Aber danach.... Oder?

Werde doch zum Möglichkeitsdenker:

Wenn Du bis heute sagtest: Ich weiß nicht wie das geht
Dann sag ab heute: NOCH weiß ich nicht, wie das geht

Wenn Du bis heute sagtest: Ich kann das nicht
Dann sag ab heute: NOCH kann ich das nicht

Wenn Du bis heute sagtest: Ich trau mich nicht
Dann sag ab heute: NOCH traue ich mich nicht

... aber ab heute oder ab morgen oder spätestens ab übermorgen nach der Prüfung....

Sei einfach etwas mutig.


Nach der Prüfung wirst du mehr Zeit und Möglichkeit haben, Interesse für Hobbies und vor allem für andere Menschen zu entwickeln. Und ich kann nur empfehlen, das auch zu tun. Dieses Nicht-Interesse ist ein anderer Ausdruck für Gleichgültigkeit.

Dazu sagt Erich Fromm: Wenn der Mensch dem Leben gegenüber gleichgültig wird, besteht keine Hoffnung mehr, dass er das Gute wählen kann." (aus "die Seele des Menschen")

LG; Nordrheiner
 

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