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Hallo name123,


du schreibst, dass deine Eltern dir viel angetan haben und nicht einfühlsam sind. Das klingt, zusammen mit deiner isolierten Situation und deinem geringen Selbstwertgefühl danach, als ob sie dich nie wirklich geliebt haben. Ob dich deine Mutter oder dein Vater mag, weiß ich nicht, aber echte Liebe hat unter anderem IMMER damit zu tun, dass ich mich für denjenigen interessiere, dass ich wissen will, wie es ihm WIRKLICH geht, dass ich seine Grenzen respektiere. Dazu gehören auch Einfühlungsvermögen, Zärtlichkeit, Trost, Interesse an den Hobbys, Anleitung für alle möglichen Dinge, Schutz und vieles mehr. Eltern sind zu 100% verantwortlich, wie es ihren Kindern geht. Sie sind die Erwachsenen, sie haben die nötige Erfahrung, sie müssen dafür sorgen, dass es dem Kind auch seelisch gut geht, denn ein Kind kann seine eigenen Emotionen lange Zeit nicht selber regulieren. Das kann gar nicht anders sein. Ein Säugling weint so lange, bis eine Bindungsperson kommt und ihm gibt, was er gerade braucht. Angst kann ein Säugling oder Kleinkind nicht aushalten, denn es kann sich nicht selbst trösten. Das heißt, Eltern müssen unglaublich viel geben. Und immer im Dialog mit dem Kind bleiben. Dadurch, dass die Eltern dem Kind vermitteln: "Du bist es uns wert, dass wir uns um dich kümmern, du bist wertvoll und kostbar für uns", lernt das Kind, dass es etwas wert ist, denn ein kleines Kind glaubt den Eltern alles. Aus seiner Sicht sind es ja fast Götter (zunehmend weniger, natürlich). Ein geliebtes Kind fühlt sich mit 18 Jahren einigermaßen fit fürs Leben, liebt sich selbst, hat einen großen Berg an Wärme und schönen, verbindenden Erlebnissen erhalten, und in seinem Gehirn gibt es sowas wie Autobahnen: Manche Gedanken und Gefühle sind so oft durch die Nervenverbindungen gerast, dass sie eben ein festes Netz bilden, also Nerven mit vielen Synapsen zu anderen bestimmten Nerven gebildet haben: Klar bin ich wertvoll. Es gibt mich, und ich bin insgesamt o. k. Ich muss nichts leisten, um für mich und meine Eltern liebenswert zu sein.


Wenn man geliebt wird, kann man seine Talente besser trainieren, denn man hat den Kopf eher dazu frei und hat weniger Angst. Man weiß, man hat seine Basis, die Eltern (oder  Oma und Opa etc.), man fühlt sich sicher und kann sich anderen Dingen widmen. Wer Kompetenzen hat, wirkt auf andere attraktiv (aber da muss noch mehr dazukommen). Wer Angst und Depressionen hat, kann schlechter lernen.

Ganz wichtig für die Attraktivität ist die seelische Ausstrahlung, die durch Mimik und Gestik, durch die Stimme, Körperhaltung, die Laune, die Sprache und durch die eigenen Werte und Taten sichtbar wird. Ein Mensch, der z. B. ständig auf Konfrontation aus ist, hinterhältig ist, dominieren will, sehr unsicher oder ständig depressiv ist etc. etc., ist für die meisten weniger attraktiv. Wenn man einen Menschen findet, der ähnliche Ansichten und Interessen hat, freundlich, ehrlich und seelisch stabil ist, fühlt man sich meistens zu ihm hingezogen. (Natürlich hat jeder seine eigenen Vorlieben und den eigenen Wertekanon, aber ich denke, diese Mischung hier wirkt auf viele Leute attraktiv.)


Deine Eltern scheinen dir ganz viel von dem, was ein Kind seelisch wirklich braucht, vorenthalten zu haben. Es sieht für mich alles danach aus, als würdest du unter einem Riesenmangel an Liebe und Unterstützung leiden. Sowas wie ein Hunger, der nie gestillt worden ist. Und vielleicht bist du deswegen auch depressiv - ich weiß es nicht. Jedenfalls scheinst du sehr, sehr verunsichert zu sein. Was nicht wundert, denn deine Eltern haben dir offenbar sehr oft vermittelt, dass du eben nicht ok bist. Ich nehme an, dass du meistens davon überzeugt bist, "nicht ok" zu sein. Das scheint mir das "Erbe" zu sein, das deine Eltern durch ihr Verhalten in deinem Gehirn hinterlassen haben. Das ist es, was du 18 Jahre lang gehört hast, direkt und indirekt.


Ich könnte mir vorstellen, dass eine Psychotherapie für dich sehr wichtig wäre. Denn kein Freund und keine Freundin kann so viel an Zuneigung, Unterstützung und Geduld aufbringen wie du es nötig hättest. Das wäre keine Freundschaft mehr, denn du brauchst sehr viel und könntest erstmal nicht so viel geben. Später schon. Ein guter Therapeut ist, nach manchen Therapieansätzen zumindest, jemand, der dich "nachbeeltern" kann. Nicht nur das, aber auch das. Es ist ein sehr, sehr wichtiger Bestandteil der Therapie. Ich hab mehrere Therapien gemacht und bin sehr froh, dass ich das erleben durfte. Ein Mensch ist eben ein Herdenwesen und nicht für 20 Jahre Einsamkeit gemacht.


Wenn man will, dass es einem besser geht, dann muss man ALLE seine Emotionen spüren. Eine Emotion ist wie eine Welle, die durch einen Menschen durchläuft. Sie hat einen Anfang, kann ein paar Minuten oder viele Stunden dauern, aber irgendwann ist sie vorbei. Wenn man sie spürt, fühlt man sich lebendiger als wenn man sie unterdrückt. Natürlich heißt das bei Wut nicht, dass man mit Tellern werfen oder Leute beleidigen soll, aber ich kann mir nur schlecht vorstellen, dass eine Unterdrückungssituation (ich nehme an, dass deine Eltern dich unterdrückt haben) ohne Wut - egal, ob sie sofort oder erst nach Jahren spürbar wird - aufgelöst werden kann. Man muss erstmal fühlen, dass man wirklich ein Recht darauf hat und immer schon hatte, respektiert zu werden. Ich hatte damals jahrelang eine Riesenwut auf meine Eltern. Insofern kann ich mir eigentlich nicht vorstellen, wie man seelisch heilen soll, wenn die Schuldfrage ausgeklammert wird. Die Eltern sind, wie gesagt, bis du 18 bist, zu 100% für dich verantwortlich. Diesen Satz hab ich vor kurzem so bei Jesper Juul, einem renommierten Erziehungswissenschaftler, gelesen, aber ich war auch vorher schon davon überzeugt.


Ich bin der Meinung, dass viele Eltern eine Menge Scheiße bauen. In sehr vielen Fällen ist die Ursache dafür, dass sie selbst psychisch krank sind und sich dieser Einsicht um nichts in der Welt stellen wollen. Das wäre ja sehr schmerzhaft, sehr unbequem und würde den eigenen Stolz verletzen. Da ist es doch einfacher, so weiterzumachen wie gehabt und die Kinder zu unterdrücken, damit der Nachwuchs die Eltern nicht mit ihren Mängeln und Fehlern konfrontieren kann. Kinder zu unterdrücken tut den Eltern selbst nicht weh, also ist alles in Ordnung.-


Soviel erstmal zu den Ursachen.


Ich bin natürlich auch der Ansicht, dass jeder (junge) Erwachsene selbst dafür zuständig ist, sich seelisch zu heilen und heilen zu lassen. Wie lang es auch immer dauert. Diese Verantwortung kann ihm niemand abnehmen. Aber es gibt ja Hilfen in Form von Psychotherapien, Büchern und Selbsthilfegruppen, da sollte man zuschlagen und alles mitnehmen, was man braucht. :)


Frohe Ostern!


Kaela


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