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Kindheitstrauma

E

elke

Gast
Meine Kindheit ist geprägt durch einen schwer traumatisierten Vater (7 Jahre politische Haft und mehrfache (vor allem Prügel-)Folter bis hin zu einer Scheinerschießung). Mein Vater war unfaßbar aggressiv, reizbar und absolut unzuverlässig in seinen Reaktionen. Ich habe als Kind entsetzliche Erfahrungen in meinem Elternhaus machen müssen. Denke ich an meine Kindheit zurück, erinnere ich mich vor allem an Angst.

Meine Mutter war mit der Situation vollkommen überfordert und verlangte von mir bereits als 6jähriges Mädchen, daß ich vernünftig bin, daß ich verstehe, was mit meinem Vater passiert ist, und daß ich Verständnis habe für die Gewalt in unserem Hause. Ich mußte sehr früh (viel zu früh) erwachsen werden. Habe ich geweint, wurde ich auf mein Zimmer geschickt, habe ich Trost bei meiner Mutter gesucht, wurde mir Undank und Egoismus vorgeworfen. Bin ich unruhig geworden oder habe ich gereizt reagiert, bekam ich recht kräftig den Hintern versohlt. Es wurde mir sehr streng verboten überhaupt mit irgend jemandem über mein Zuhause zu sprechen. Bevor ich wußte, was Geborgenheit ist, war ich an strenge Disziplin gewöhnt: mein Elternhaus war ordentlich und sehr autoritär.

Eigentlich komme ich mit meinem Leben gut zurecht, ich habe immer viel gemacht und viel erreicht, und ich finde mein Leben interessant. Aber plötzlich kommt, aus welchen Gründen auch immer, unvorbereitet alles wieder hoch. Immer und immer wieder. Weil mich starker Selbsthaß quält, bin ich emotional dann oft überfordert. Ich fühle mich immer schuldig.

Ich kann meine Eltern nicht anklagen. Nicht solange ich es unter denselben Umständen nicht besser gemacht haben würde. Ich werfe ihnen aber vor, sich nicht um professionelle Hilfe bemüht zu haben, die meinem Vater als Folteropfer sicher zugestanden hätte.

Ich wünsche mir sehr, Menschen mit vergleichbaren Erfahrungen zu finden. Es ist sehr wichtig für mich geworden zu erfahren, wie Ihr mit Eurer Geschichte umgeht. Aber es tut sicher auch gut, einfach nur einmal ein paar nette Worte zu bekommen. Danke fürs Lesen und viele Grüße von elke
 
G

Gast

Gast
Hallo Elke
ich bin grad durch Zufall über Deinen Text gestolpert. Und kann Dir sagen, daß ich verstehen kann, wie es Dir geht. Das Du in Deinem Leben viel ge,acht und erreicht hast, daß ist auch oder gerade unter den Vorzeichen, unter denen Du groß geworden bist, verständlich. Da hast zu Hause gelernt "zu funktionieren", und das hilft Dir natürlich, auch andere Ziele zu erreichen. Nur leider kommt man irgendwann im Leben dann doch an den Punkt, wo man sich fragt, wie lange man noch funktionieren kann/will und wozu das alles gut sein kann. Dann ohne Liebe und Geborgenheit kann man nicht wirklich gut leben.
Ich habe auch entsprechende Erfahrungen und meiner Kindheit gemacht. Nur war es bei mir so, daß ich selbst von meinen Eltern traumatisiert worden bin. Ich hab das Leben "danach" nich sehr lange ausgehalten. Bin irgendwann in einer Therapie gelandet und habe jetzt nach langer Zeit endlich einen guten Stand erreich - wo ich selbst ein Kind habe und mich recht wohl fühle. Ich denke, daß auch Du vielleicht mal mit einem Therapeuten sprechen solltest. Zumindest, wenn Du etwas verändern willst. Denn die Kindheit ist sehr prägend für unser weiteres Leben, und auch wenn du Dein Leben erfolgreich meisterst, solange Du das Gefühl hast, das da was fehlt, daß Du Geborgenheit nicht wirklich spüren kannst, Dich nicht geliebt fühlst oder Liebe nicht annehmen kannst, solltest Du etwas in Richtung Therapie oder Selbsthilfegruppe unternehmen. Da hast ja hier schon einen Anfang gemacht.
Ich wünsche Dir alles Gute und vor allem, daß Du das Gefühl wirklich erleben und spüren kannst, wie es ist, angenommen und geliebt zu sein.
Liebe ist etwqas bedingungsloses. Und auch Du wirst mit Sicherheit von jemandem bedingungslos geliebt - auch wenn Du das vielleicht nich nicht sehen oder annehmen kannst.
Alles Gute und wenn Du magst, dann nehme ich Dich virtuell man ganz liebt in den Arm.
Tschau
Cindy
 
E

elke

Gast
Ganz herzlichen Dank für Eure Antworten. Ich habe in den letzten Monaten tatsächlich zumindest erst einmal zwei Gespräche mit Therapeuten gehabt, weil ich meinen Standpunkt klären möchte, um von dort aus dann einen Weg aus meiner emotionalen Situation herausfinden zu können.

Liebe Cindy, das was Du mir geschrieben hast, hat mir gut getan, vielen Dank. Und Du hast Recht mit vielem von dem, was Du mir schreibst. Ich habe Menschen, die mich lieben. Mein unüberwindbares Problem ist, daß ich Liebe und Nähe nicht aushalten kann, ich brauche Abstand. Ich stoße Menschen immer wieder weg von mir und werde trotzdem geliebt. Das hat etwas bedingungsloses. Aber für mich ist Liebe etwas sehr belastendes, ich habe als Kind zu wenige positive Erfahrungen mit Liebe gemacht.

Darf ich fragen, was die Arbeit mit einem Therapeuten für Dich bedeutet hat? Und welche Veränderungen in welcher Form es für Dich dabei gegeben hat.

Viele Grüße von elke
 
G

Gast

Gast
Hallo Elke
ich freue mich, daß Dir mein Text gut getan hat. Und ich kann verstehen, daß es problematisch ist, Liebe und Nähe zuzulassen und auszuhalten. Genau das war lange Zeit über auch mein Problem. In der Therapie habe ich aber mit der Zeit gelernt, Nähe zuzulassen und auch Liebe annehmen zu können. Ich hatte in der Vergangenheit oft Beziehungen von mir aus abgebrochen, weil ich die Nähe nicht ertragen konnte. Doch heute ist das glücklicherweise nicht mehr der Fall.
Ich habe einen sehr guten Therapeuten gefunden, der viel Geduld mit mir hatte und so konnte ich im Laufe der Zeit lernen, die Nähe anderer zuzulassen und Beziehungen längerfristig aufrecht zu halten und auch genießen zu können. Heute muß ich nicht mehr funktionieren, sondern darf darauf achten, was ich wirklich möchte und was mir gut tut. Sowas braucht natürlich seine Zeit und geht nicht von heute auf morgen. Und auch jetzt gibt es noch einiges, wo ich noch mehr dazu lernen kann.
Du solltest auf jeden Fall erst einmal sehen, daß Du einen Therapeuten findest, der zu Dir passt und mit dem Du klarkommst. Dafür gibt es sogenannte Probestunden, wo Du die/den Therapeuten kennen lernen kannst. Ich dann solltest Du da auf Dein Gefühl achten. Kannst Du Dir vorstellen, Dich demjenigen mit der Zeit immer mehr zu öffnen/ zu vertrauen? Fühlst Du Dich dort gut aufgehoben? Nur wenn die Beziehung zum Therapeuten gut ist, kann auch die Therapie erfolge bringen. Und das hat auch nichts mit der Qualifikation des Therapeuten zu tun. Jemand, der für mich gut ist braucht für einen anderen nicht unbedingt gut zu sein. Dafür sind die Menschen zu unterschiedlich.
Ich wünsche Dir, daß Du einen guten Therapeuten findest, wo Du vertrauen fassen kannst und daß Du dann auch Deinen Weg findest um Nähe und Liebe zulassen zu können und mit den "Erb-Lasten" Deiner Vergangenheit fertig zu werden.
Alles Gute
Cindy
 
O

oldie

Gast
Hallo Elke,
Schlimm kann ich nur sagen und lass Dich mal mütterlich in den Arm nehmen.
Aber Du bist ein kluges Mädchen und sicher bist Du schon auf den Gedanken gekommen, wenn Du auch selbst sehr hast leiden müssen, Dich zur Selbsthilfe für Andere mit einzusetzen, eben in einer Selbsthilfegruppe.
Was hälst Du davon. Es gäbe vielleicht uach, aber ds musst Du erfragen, im weissen Ring eine bei der Deine Engagement gebraucht werden könnte. Was meinst Du? Ich denke nämlich Dir hilft über Dein eigenes Traume hinwegzukommen, Dich einzusetzen für noch schwächere als Du Dich im Moment fülst. Denn jetzt hast Du das Martyrium überstanden und kannst es nicht rückgängig machen, aber mit verständnis helfen.

Vielleicht hilft es Dir letztlich.
Ich wünsche es Dir
oldie
 
E

elke

Gast
Vielen vielen Dank, Cindy. Du hilfst mir sehr.

Du hast richtig erkannt, daß ich es lernen mußte zu funktionieren. Tatsächlich bin ich in meinem Elternhaus an sehr strenge Disziplin und Autorität gewöhnt. Und gleichzeitig war ich hilflos den unkontrollierten Gefühlsausbrüchen meines Vaters ausgeliefert. Ich habe mich immer nach Geborgenheit gesehnt. Das regelrecht zwanghafte Lernen und Weiterkommen mit Dingen war eine Flucht. (ich habe bereits mit 14 Jahren neben der Schule angefangen zu studieren, als sogenanntes Frühstudium) Und es gibt mir die Möglichkeit, mich heute vor Liebe und vor Nähe zu schützen.

Ich werde im September Termine bei verschiedenen Therapeuten haben und hoffe sehr, dort Hilfe zu bekommen.

Was Du schreibst hört sich danach an, daß Du etwas sehr Wertvolles erreicht hast. Ich bin im Großen und Ganzen zufrieden mit meinem Leben, aber ich werde immer wieder in irgendwelchen Situationen und Augenblicken daran erinnert, daß ich etwas ganz wichtiges nie bekommen habe. Wenn Du schreibst, Du kannst heute Liebe und Nähe zulassen. Darf ich Dich noch etwas fragen: Arbeitet Dein Therapeut mit dem "inneren Kind"? Mich interessieren Deine Erfahrungen.

Ich habe für Dich und Dein Kind alle guten Wünsche
elke
 
E

elke

Gast
Liebe Oldie,
ich habe bereits geantwortet, als ich Deine Zeilen gefunden habe. Vielen herzlichen Dank auch an Dich.

Selbsthilfegruppen sind nicht ganz mein Ding und für mich zusätzlich noch das Problem: ich lebe in Norwegen. Meine Erfahrungen aber habe ich in Deutschland gemacht. Man geht hier anders miteinander um und meine Probleme werden hier vor einem anderen Hintergrund verstanden. Außerdem fühlt sich meine Geschichte auf Norwegisch oder in einer anderen Sprache immer irgendwie anders an.

Du liegst aber nicht falsch: ich arbeite heute im Gesundheitsbereich, in einer Institution mit teilweise sehr hilflosen Menschen. (Was nicht richtig ist, denn ein Mensch ist immer nur so hilflos, wie ein anderer ihn macht.) Und weil ich nachts arbeite und mit meinen Patienten alleine bin, ist die Verantwortung umso größer, wie ich einem Menschen begegne. Du hast Recht, meine Erfahrungen aus meiner Kindheit kann ich hier positiv umsetzen. Denn ich weiß, wie es sich anfühlt, hilflos zu sein. Es ist wichtig, Signale schnell wahrzunehmen und sorgsam und behutsam damit umzugehen, vor allem, wenn ein Mensch nicht mehr sprechen kann oder verwirrt ist. Es ist wichtig, das Kleine zu sehen. Meine Patienten vertrauen mir bedingungslos. Das ist etwas, was ich als Kind gebraucht habe: bedingungsloses Vertrauen haben können. Und ich finde eine nachträgliche Befriedigung meines Bedürfnisses darin, daß ich die Geborgenheit, nach der ich mich als Kind gesehnt habe, heute geben kann. Wenn sich ein Patient in seine Bettdecke gräbt mit der unbeirrbaren Gewißheit, daß ihm nichts passieren kann, weil ich da bin, ist das etwas sehr schönes für mich.

Vielen Dank für Deine Antwort, Oldie
 
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