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Mein Freund ist Autist

Ronis

Mitglied
Hallo zusammen

mein Freund hat kürzlich die Diagnose Autismusspektrumsstörung erhalten. Das macht es einerseits für ihne leichter, da er sich hoffentlich in Zukunft in seinem Leben besser zurecht finden kann. Ich hoffe, dass wir durch die Diagnose einen einfacher Umgang mit gewissen Schwierigkeiten in unserer Beziehung finden können. Aber wie genau der Umgang aussehen soll, damit bin ich mir noch nicht sicher.

Mein Freund hat die Diagnose erst jetzt bekommen, da er sozial immer irgendwie in der Masse untergegangen ist. Er hat die ersten sechs Lebensjahre im Heimatland seiner Eltern verbacht und wurde dann heir eingeschult. Seine Herkunftskultur legt sehr viel Wert auf Gemeinschaft, Eigenheiten werden eher einfac toleriert als hier in Mitteleuropa. In der Schule fiel er auf, da er die Sprache extrem schnell beherrscht hat. Da er als Spezialinteresse als Kind immer verschiedene Sportarten hatte, konnte er sich darüber gut integrieren. Er in der Ausbildung kamen Schwierigkeiten, er wurde wegen seiner Eigenheiten ausgegrenzt. Das wurde dann aber auf die Pubertät etc. geschoben. Er hat einen beruf gewählt, der mit seinem künstlerischen Spezialinteresse zusammenhängt, und sticht dort durch aussergewöhnlich breite und tiefe Fachkenntnisse heraus. Sein Autismus wurde auch lange nicht erkannt, da er sehr extrovertiert, selbstbewusst und humorvoll ist. Er kann sehr gut durch seinen Humor einen Zugang zu Menschen finden, und wenn er ins Fettnäpfchen tritt (was oft passiert), kann er es gut überspielen.

Da liegen aber genau die Schwierigkeiten. Er tritt sehr oft ins Fettnäpfchen. Er erkennt, dass er etwas flasches gesagt/getan hat, aber oft erkennt er nicht was es war. Allgemein hat er starke Mühe, wenn jemand nicht so reagiert, wie er es erwartet, das veriwrrt ihn stark. Er hat auch starke Mühe mit Dingen, die ihm nicht logisch reagieren. Er kann sich kaum abgrenzen, wenn jemand etwas, dass seiner Meinung nach irrational/unlogisch/falsch ist Er kann nur in schwarz/weiss denken, Mittelwege und Grauzonen verunsichern ihn. Dies ist für ihn wiederum ein Vorteil in der Arbeit, er scheut sich nicht, Entscheidungen zu treffen, wo andere rumducksen. Ausserdem ist er sich oft seiner Mimik/Gestik nicht bewusst, er kommt z.B. wütend rüber, wenn er es gar nicht ist. Am schwierigsten finde ich aber, dass es ot Mühe hat, bedürnisse zu kommunizieren. Entweder verschliesst er sich total und starrt nur noch gegen die Wand oder wird frustriert, weil er meint, es sei von aussen klar und logisch zu erkennen, was er braucht. Dass nemand seine Gedanken lese kann versteht er in dem Moment nicht. Wegen all dem hat er Mühe, tiefere Freundschaften zu knüpfen und fühlt sich oft einsam.

Er ist ein sehr lieber, feinfühliger und loyaler Mensch. Wir lachen sehr viel zusammen, teilen Interessen, sind füreinander da, haben ein tolles Sexleben etc. Aber in einer engen Beziehung sind genau die Punkte, mit denen er Mühe hat, genau die, die herausfordern. In einer Paarbeziehung muss man seine Bedürfnisse mitteilen können, muss man auch mal Kompromisse und Grauzonen akzeptieren können. Fenaud aran sind wohl seine vorderen beziehungen gescheitert. Und zwischen uns beiden haben diese Verhaltensweisen auch schon zu streiten geführt.

Für uns ist das alles noch sehr neu. Er muss jetzt quasi sein Verhalten genau reflektieren und neu einordnen. Ich möchte ihn so gut wie möglich unterstützen. Damit er lernen kann, mit den Schwierigkeiten klar zu kommen, und er auch die Vorteile und Fäjigkeiten, die mit Autismus einhergehen, besser hervorheben kann. Ich würde mich freuen, wenn Leute, die selbst betroffen sind oder in einer Beziehung mit einem Autisten/einer Autsitin leben ihre Erfahrunegn teilen könnten.
 

Linda Kremer

Aktives Mitglied
Hi @Ronis
Ich finde es sehr toll, wie du alles bereits so gut reflektierst. Das ist sicherlich bereits hilfreich für eure Beziehung.
Und es ist gut, dass ihr jetzt beide wenigstens einen Namen oder die Ursache kennt, weshalb ihr euch in gewissen Punkten vielleicht nicht versteht.
Nachdem er die Diagnose hat, wird er Hilfe in Anspruch nehmen? Es gibt ja auch Selbsthilfegruppen, wo er vielleicht ähnliche Leute treffen kann.
Ich kenne mich mit Autismusspektrum gar nicht aus, aber ich finde es sehr schön, dass ihr es zusammen angeht.
Ich wünsche euch gutes gemeinsames Gelingen 🧡
 

Enie

Aktives Mitglied
Hallo Ronis

Wie ist es dir bisher mit ihm gegangen in der Beziehung, vor der Diagnose? Hast du gemerkt, dass er "anders" ist?
Was für ein Typ Mensch bist du? Du schreibst, er sei extrovertiert und kommunikativ.
 
G

Gelöscht 124895

Gast
Er tritt sehr oft ins Fettnäpfchen. Er erkennt, dass er etwas flasches gesagt/getan hat, aber oft erkennt er nicht was es war.
Vielleicht kannst du ihm das - sofern du dabei bist - ja erklären?
Ich denke, eine Autismus-Selbsthilfegruppe, eine Autismustherapie und/oder ein Sozialkompetenz-Training könnten generell sehr hilfreich für ihn sein. Es gibt auch spezielle Angebote und Selbsthilfegruppen für Angehörige. Das dürfte dir helfen, ihn noch besser zu verstehen.

Er wird sich niemals in seinem Leben besser zurecht finden.
Das stimmt so nicht. Man kann sich sogar viel besser im Leben zurecht finden, wenn man nach z.T. jahrzehntelanger Odyssee endlich weiß, woran man ist und woran es liegt, dass man immer so große Probleme hat. Viele Rätsel lösen sich mit dem entsprechenden Hintergrundwissen auf, man versteht viele Dinge plötzlich und man kann lernen, neue Wege zu gehen und für sich passende Lösungen zu finden. Außerdem kann man sich gezielt Hilfe und Unterstützung holen, wie z.B. über das persönliche Budget oder durch ambulant betreutes Wohnen.

Er wird immer von dir erwarten, dass du auf ihn Rücksicht nimmst, er wird aber nie auf dich Rücksicht nehmen, weil er das gar nicht kann.
Auch das ist so nicht richtig. Auch Autisten können und wollen auf die Bedürfnisse anderer Menschen Rücksicht nehmen. Man muss ihnen nur deutlicher als "normalen" Menschen sagen, wo sie Rücksicht walten lassen müssen, denn sie wissen es häufig nicht intuitiv.

Wenn du nicht extrem nervenstark bist, wird er dich mit runter ziehen.
Und auch das stimmt so nicht. Es gibt sehr viele Autisten, die in einer Partnerschaft leben ohne ihren Partner "runterzuziehen". Natürlich ist eine Partnerschaft mit einem Autisten nicht immer einfach, aber sie ist keinesfalls von vornherein zum Scheitern verurteilt.

Woher ich das weiß? Weil ich selbst spätdiagnostizierte Autistin bin und durch diverse Autismusforen viele andere Autisten kenne. Ich komme seit der Diagnose viel besser in meinem Leben und mit anderen Menschen zurecht. Genau wie mein Verlobter, der ebenfalls Autist ist. Oder auch unsere beiden besten Freunde, die ebenfalls Autisten sind. Sicher gibt es Autisten, die ihren Autismus gern als Ausrede hernehmen, nicht an sich arbeiten zu müssen (oder es tatsächlich nicht können) und sich wie die Axt im Walde benehmen, aber es sind lange nicht alle Autisten so. Man sollte nie von einen Autisten auf einen anderen schließen. Es heißt nicht umsonst: "Kennst du einen Autisten, kennst du einen Autisten!".
 
G

Gelöscht 126322

Gast
In einer Paarbeziehung muss man seine Bedürfnisse mitteilen können, muss man auch mal Kompromisse und Grauzonen akzeptieren können. Fenaud aran sind wohl seine vorderen beziehungen gescheitert. Und zwischen uns beiden haben diese Verhaltensweisen auch schon zu streiten geführt.
Das ist zu ungenau. Du solltest schon ein bisschen genauer schreiben, was Dich stört oder ein paar Beispiele bringen.

Es gibt viele Menschen, die sich scheuen ihre Bedürfnisse mitzuteilen und die dann nicht kommunizieren. Deswegen solltest Du genau überlegen was Dich stört. Dann kann man Dir auch sagen, ob es autistisches Verhalten ist oder eher ein sozial erlerntes Verhalten.

Ebenfalls würde mich interessieren um welche Art von Kompromissen oder Grauzonen es da geht.
 

Enie

Aktives Mitglied
Das stimmt so nicht. Man kann sich sogar viel besser im Leben zurecht finden, wenn man nach z.T. jahrzehntelanger Odyssee endlich weiß, woran man ist und woran es liegt, dass man immer so große Probleme hat. Viele Rätsel lösen sich mit dem entsprechenden Hintergrundwissen auf, man versteht viele Dinge plötzlich und man kann lernen, neue Wege zu gehen und für sich passende Lösungen zu finden. Außerdem kann man sich gezielt Hilfe und Unterstützung holen, wie z.B. über das persönliche Budget oder durch ambulant betreutes Wohnen.
Danke dafür, ich denke auch, dass Menschen im Autismusspektrum sich durchaus verändern und weiterentwicklen!
Sicher gibt es Autisten, die ihren Autismus gern als Ausrede hernehmen, nicht an sich arbeiten zu müssen (oder es tatsächlich nicht können) und sich wie die Axt im Walde benehmen, aber es sind lange nicht alle Autisten so.
Die Ursache für so ein Verhalten liegt m.E. nicht mal an irgendeiner Diagnose. Menschen, die sich nicht verändern wollen (können?) und viele Ausreden haben für ihr Sosein gibt es überall.
 

Ronis

Mitglied
Ich nehme an du sprichst von Asperger Autismus. Ich kann dich nur warnen. Er wird sich niemals in seinem Leben besser zurecht finden. [...]

Ich spreche leider aus Erfahrung. Es gibt mehrere Asperger in meiner Ursprungsfamilie und ich wünsche das niemandem.
Es tut mir Leid, dass du offenbar schlimme Erfahrungen in deiner Urpsrungsfamilie machen musstest. Trotzdem ist es nicht richtig, wie du hier über Menschen mit Autismus sprichst, wieso haben ja schon einige erläutert.

Wie ist es dir bisher mit ihm gegangen in der Beziehung, vor der Diagnose? Hast du gemerkt, dass er "anders" ist?
Was für ein Typ Mensch bist du? Du schreibst, er sei extrovertiert und kommunikativ.
Grundsätzlich haben wir eine sehr gute Beziehung. Wir sind beide extrovertiert, lachen viel und gerne, teilen Hobbies, Zukunftswünsche etc. Es ist als eine gute Grundlage da. Ich habe mich bisher nur wiederholt genervt, wie er teilweise nicht einsieht, dass gewisse Bemerkungen verletzend sein können. Oder dass er nicht einsah, dass er in gewissen Situationen mit seiner Mimik, Gestik, Stimme etc. ganz anders herüber kommt als er es selber empfindet. Das waren schon Punkte, bei denen ich mir dachte, da muss er sich noch "beweisen", damit es wirklich langfristig mit uns klappen kann. Jetzt wo wir wissen, dass diese mangelnde Aussenperspektive von der Diagnose kommt, kann ich das besser einordnen, da wir daran arbeiten können.

Das ist zu ungenau. Du solltest schon ein bisschen genauer schreiben, was Dich stört oder ein paar Beispiele bringen.

Es gibt viele Menschen, die sich scheuen ihre Bedürfnisse mitzuteilen und die dann nicht kommunizieren. Deswegen solltest Du genau überlegen was Dich stört. Dann kann man Dir auch sagen, ob es autistisches Verhalten ist oder eher ein sozial erlerntes Verhalten.

Ebenfalls würde mich interessieren um welche Art von Kompromissen oder Grauzonen es da geht.
Ein sehr grosses Thema bei ihm ist, dass alles immer in Recht/Unrecht, richtig/falsch, alles/nichts kategorisiert werden muss. Er hat starke Probleme damit, zu erkennen, dass sein "richtig" nicht immer objektiv ist. So hat er beispielsweise grosse Mühe, eine Diskussion um ein Bagatellthema loszulassen, wo wir nicht gleicher Meinung sind. In einer Beziehung muss man auch mal ungleicher Meinung sein können und das stehen lassen. Das meine ich mit Grauzonen.
Oder dass er, wie ich oben geschildert habe, sich manchmal nicht bewusst ist, dass eine Handlung/Reaktion verletzend sein kann. Und wenn ihm die Reaktion der anderen Person nicht logisch/rational vorkommt, frustriert ihn das. "Es macht objektiv keinen Sinn, dass dich das verletzt, das ist irrational!" ist ein Satz, der dann von ihm kommen kann. Aber Gefühle in engen Beziehungen sind nicht immer rein logisch und rational nachzuvollziehen, und schon gar nicht objektiv. Und manchmal sind Gefühle wirklich irrational, aber das muss man auch mal so stehen lassen können und nicht immer in eine logisches richtig oder falsch einteilen.
 

Ronis

Mitglied
Vielleicht kannst du ihm das - sofern du dabei bist - ja erklären?
Ich denke, eine Autismus-Selbsthilfegruppe, eine Autismustherapie und/oder ein Sozialkompetenz-Training könnten generell sehr hilfreich für ihn sein. Es gibt auch spezielle Angebote und Selbsthilfegruppen für Angehörige. Das dürfte dir helfen, ihn noch besser zu verstehen.
Wir sind daran, die geeignete Therapie zu finden. Er war vor der Diagnose in Therapie, aber die Therapeutin kennt sich mit Autismus nicht aus. Eine Selbtshilfegruppe hat er ausprobiert. Er war jeodch nur einmal da und hat sich unwohl gefühlt, wir müssen dem noch etwas Zeit geben und schauen, ob das etwas für ihn ist.
 
G

Gelöscht 126322

Gast
Ein sehr grosses Thema bei ihm ist, dass alles immer in Recht/Unrecht, richtig/falsch, alles/nichts kategorisiert werden muss. Er hat starke Probleme damit, zu erkennen, dass sein "richtig" nicht immer objektiv ist. So hat er beispielsweise grosse Mühe, eine Diskussion um ein Bagatellthema loszulassen, wo wir nicht gleicher Meinung sind. In einer Beziehung muss man auch mal ungleicher Meinung sein können und das stehen lassen. Das meine ich mit Grauzonen.
Oder dass er, wie ich oben geschildert habe, sich manchmal nicht bewusst ist, dass eine Handlung/Reaktion verletzend sein kann. Und wenn ihm die Reaktion der anderen Person nicht logisch/rational vorkommt, frustriert ihn das. "Es macht objektiv keinen Sinn, dass dich das verletzt, das ist irrational!" ist ein Satz, der dann von ihm kommen kann. Aber Gefühle in engen Beziehungen sind nicht immer rein logisch und rational nachzuvollziehen, und schon gar nicht objektiv. Und manchmal sind Gefühle wirklich irrational, aber das muss man auch mal so stehen lassen können und nicht immer in eine logisches richtig oder falsch einteilen.
Nun.... er ist Asperger und denkt und fühlt anders. So wie Du von ihm verlangst in Deinen Sichtweisen zu denken, so verlangt wer das auch von Dir. Das ist grundsätzlich menschlich, dass man vom anderen verstanden werden will und insbesondere in der Beziehung eine gewisse Sicherheit erleben will. Für einen Asperger ist das noch wichtiger, weil er oft die Erfahrung macht abgelehnt zu werden. Du hast auch geschrieben, dass bei ihm vorher bereits Beziehungen zerbrochen sind. Er wird das wohl so einordnen, dass das aufgrund mangelnden Konsens der Fall gewesen ist. Aber um es genau heraus zu finden musst Du ihn fragen, weil ich jetzt auch nur mutmaßen kann.

Es könnte an der Stelle hilfreich sein sich mit dem Konzept von Toleranz und Respekt zu beschäftigen, weil das ihm einen logischen Zugang bieten wird.

Dein Freund hat etwas erkannt, was Du vielleicht nicht so gut an Dir selbst erkannt hast: Dass Du manchmal keinen Zugang zu Deinen Gefühlen hast und deswegen nicht sagen kannst warum etwas so ist. Vermutlich wird er unglaublich viel Zeit damit verbringen sich und seine Gefühle so sortieren, zu kategorisieren und zu verstehen. Das klappt bei ihm wohl sehr gut, wenn es um sich und sein Denken geht. Aber, wie viele Asperger hat er keinen Zugang zu Deinen Gefühlen und ist sehr reduziert, wenn es um Empathie geht. Deswegen muss er von Dir wissen, wie Du Dich fühlst und warum Du Dich so fühlst. Er weiß das offensichtlich sehr genau wieso er so denkt und warum er etwas richtig oder falsch findet. Du hingegen nicht. Das solltest Du dann auch so kommunizieren, dass Du noch nie darüber nachgedacht hast und es deswegen nicht weißt. Das wäre auch für ihn logisch nachvollziehbar, denke ich.

Das würde ich mal probieren.
 

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