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Mein Job ödet mich an

G

Gast

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Hallo ihr Lieben,

vielleicht könnt ihr mir ja den einen oder anderen Tipp geben, bin etwas ratlos.
Ich bin jetzt 51 Jahre jung/alt und arbeite seit 27 Jahren in der IT-Branche.
Am Anfang war es sehr interessant und aufregend. Zuerst war ich im Bereich PC-Hardware tätig, dann in der Netzwerktechnik und zu guter Letzt in der Programmierung. Ich habe also so einiges durch, beherrsche einige Programmiersprachen und bis vor zehn Jahren, war auch noch alles soweit in Ordnung, bis auf die Arbeitszeiten. In meiner letzten Anstellung war ich täglich mindestens 10 Stunden, meistens sogar länger vorm Schirm und irgendwann fingen meine Nerven an verrückt zu spielen. Die Augenlider zuckten, ich hatte ständig Durchfall und konnte ohne drei, vier Bier am Abend keinen Schlaf mehr finden.

Ich entschloss mich, zu wechseln und ging - wahrscheinlich der größte Fehler meines Lebens - in den öffentlichen Dienst. Anfangs war es ja auch noch ganz nett. Zwar etwas weniger Geld, aber dafür 8 1/2 Stunden pro Arbeitstag, kostenlose Weiterbildung, nette Kollegen. So arbeitete ich so vor mich hin. Drei jahre lang entwickelte ich an einer Portallösung für unser Unternehmen (ich nenne es einfach mal so), viele Excel-Tabellen und krude Zugangsroutinen wurden obsolet und die täglichen Routineaufgaben meiner Kollegen um einiges erleichtert. Belohnung oder Anerkennung gab es kaum, eine Beförderung, bei Beamten in solchen Fällen durchaus üblich, leider auch nicht, ist aber auch nicht das vorherrschende Problem. Im vierten Jahr beschloss man höheren Ortes, dass lokale Softwareentwicklung nicht mehr tragbar wäre und so wurde mein Arbeitsbereich von einem Tag auf den anderen mehr oder minder stillgelegt. Am jetzt hieß es, nur noch stupide Routinetätigkeit, a là Benutzerverwaltung, Listenkorrekturen und hin und wieder ein bischen Projektarbeit an mehr oder minder unbrauchbaren Projekten. Seitdem, also seit rund 7 Jahren sieht meine Tätigkeit so aus und es ist schon immer eine Freude, wenn ein oder mehrere Beamte krankfeiern, was sie gottlob häufig tun und ich ihre "Arbeit" mit übernehmen kann. An solchen Tagen komme ich gelegentlich auf 3-4 Stunden intensiven Arbeitens, wie es an den anderen Tagen aussieht, kann man sich ja vorstellen. Und langsam fängt es an mich fertig zu machen. Ich meine, ich verdiene nicht schlecht, leider, könnte man sagen, denn sonst würde ich bestimmt nicht so an meinem Sitz kleben und ich bin nicht alleine, gottlob, denn sonst wäre ich wahrscheinlich schon längst zum Vollblutalki mutiert. So hält mir meine Frau die Stange und versucht mich aufzumuntern, aber es gelingt ihr immer seltener. Sie geht zwar auch arbeiten, aber der Job wirft nicht viel ab, sodaß sie uns damit nicht durchfüttern könnte. Wir sind also angewiesen auf meinen Job, ansonsten wäre die Wohnung weg, die Autos weg, die Urlaube weg und meine Tochter (aus einer vergangenen Beziehung) ebenso, da sie ja vor allen Dingen den Unterhalt (freiwillig, da bereits erwachsen und auch nicht in Ausbildung) von mir sehen möchte und nur das Geld sie dazu bewegt, sich hin und wieder einmal zu melden.

Mittlerweile bin ich allerdings größtenteils schlecht gelaunt, dieses ewige Zeitabsitzen auf der Arbeit nimmt mir jegliche Kraft und Freude. Wenn ich von der Arbeit nach Hause komme, fühle ich mich, als hätte ich den ganzen Tag schwer gearbeitet, völlig erschöpft und habe keine Lust zu gar nichts mehr und meine Frau muß darunter leiden. Das hat sie nicht verdient, ich weiss aber auch nicht, wie ich aus der Misere rauskommen soll. Sinnvolle Weiterbildungen, also solche, die ich auch anwenden könnte sind nicht in Sicht und ich habe das Gefühl, dass ich jeden Tag ein bischen mehr verblöde, dabei bräuchte ich doch nur eine Herausforderung, etwas für das es sich lohnt, zur Not auch wieder die alten Arbeitszeiten in Kauf zu nehmen, etwas wobei man das Gefühl hat, wieder von der Stelle zu kommen, etwas Sinnvolles oder gar Kreatives zu tun. Aber wo soll ich anfangen?

Betrachtet man den aktuellen Arbeitsmarkt, scheinen ja nur noch höchstens 30-jährige mit ein oder mehreren Universitätsabschlüssen und einem untadeligen Lebenslauf überhaupt eine Chance auf einen Arbeitsplatz zu haben, und da soll ich mich, als 51-jähriger, zwar mit zwei Berufsausbildungen (DV-Org u. Netzwerktechniker), aber eben ohne Universitätsabschluß - den brauchte man damals nicht, also habe ich die Uni ohne einen solchen verlassen - irgendwo bewerben? Die lachen mich doch aus, da ja Berufserfahrung heutzutage nicht mehr zu zählen scheint, gerade in der IT-Branche. Hinzu kommt, dass ich in den letzten Jahren in einigen Bereichen vermutlich den Anschluß verloren habe, zum Einen, weil ich mit Weiterbildungen in dem Sektor einfach nichts anfangen konnte, da ich das Wissen nicht produktiv verwenden konnte aus Mangel an Gelegenheit zum Anderen, weil Weiterbildungen einfach nicht genehmigt wurden, da man sie ja nicht mehr brauchen würde. Nun, meiner Meinung nach ist das aber kein wirkliches Problem, die Neuerungen sind meines Erachtens bei weitem nicht so komplex, dass man sie nicht innerhalb kurzer Zeit verinnerlichen könnte, aber gibt einem heute auch nur ein Arbeitgeber die Chance dazu? Ich fürchte nicht und daher traue ich mich auch gar nicht, mich irgendwo in der freien Wirtschaft zu bewerben. Diverse Ablehnungen würden mir psychisch das Rückrad brechen und das möchte ich weder meiner Frau noch mir antun. Aber, ich habe noch 16!!!! Jahre, die ich hinter mich bringen muß. Wie soll ich das bloß durchhalten? Erstaunlicherweise arbeite ich ja immer noch gerne mit Computern und sie haben in meinem Alltag auch einen festen Platz, abr ich ertappe mich zunehmend dabei, dass ich mich ganz bewußt nach der "Arbeit" davon fernhalte und versuche Anderes zu machen. Womit könnte man denn noch den Lebensunterhalt verdienen? Diese Frage stelle ich mir mittlerweile des öfteren, aber die heutige Arbeitswelt läßt einem da ja nicht viele Chancen. Journalismus, schreiben in irgendeiner Art, verbunden mit Computerarbeit, würde mich schon interessieren, aber was gibt es da und vor allen Dingen, für so alte zausel wie mich. Ich ratlos und auch ein wenig hoffnungslos, hat jemand einen brauchbaren Tipp? Wäre schön, denn irgendwie nagt diese Sinnlosigkeit des Daseins doch zunehmend an mir und das geht zur Lasten meiner Frau und das hat sie wirklich nicht verdient.

Danke fürs Lesen
 
eigentlich hast du doch das grosse los gezogen: du kriegst geld - und das fuer lau!

viele leute wuerden dich darum beneiden, sowohl die, die richtig schwer ranklotzen muessen mit stress im job ohne ende, als auch die, die gar keine arbeit haben.


jetzt denkst du dir wahrscheinlich "so ein idiot, der kapiert gar nicht, was mein problem ist".

aber so ist es nicht. ich verstehe verdammt gut, wie beschissen deine situation ist. es mag zwar leute geben, die wunderbar die fuesse hochlegen und einfach nichts tun koennen, aber du kannst es offenbar nicht, und so ist dein leben im augenblick der horror fuer dich, wohl kaum zum aushalten. eh du voellig durchdrehst, wirst du etwas aendern muessen, da fuehrt kein weg dran vorbei.


trotzdem solltest du dir klarmachen, dass die allermeisten jobs (grade auch in deinem bereich) mit einer unmenge stress verbunden sind, oft so, dass man das nicht bis zur rente aushaelt, zumindest nicht bei akzeptabler gesundheit. ein job mit zu wenig stress ist daher eigentlich eine perle, die man nur selten findet und die man nicht so einfach wegwerfen sollte.

daher wuerde ich dir raten, dich mit deinem doch eigentlich eher komfortablen job zu arrangieren, wenn es irgendwie geht.

dabei kann "arrangieren" aber nicht heissen, dass du 5 stunden taeglich daeumchen drehst, dann dann drehst du irgendwann am rad...


nein, was ich dir vorschlagen wuerde, ist, dass du dir beschaeftigung suchst.

vielleicht kannst du anderen mitarbeitern bei ihren computerproblemen helfen. ok, denen in deiner abteilung offenbar nicht, di haben ja selber nichts zu tun. aber vielleicht gibt es ja mitarbeiter in anderen abteilungen, also die user, nicht die sysadmins. wenn da mal wieder so ein user wie ein DAU halt vor seinem computerproblem steht, kannst du dem nicht helfen? gib den leuten deine telefonnummer, fuer computerprobleme aller art, und ermutige sie, dich anzurufen. und dann hilf ihnen. wahrscheinlich kannst du damit ne menge menschen gluecklich machen - und das koennte dich dann auch gluecklich machen. und solang du anderen mitarbeitern hilfst und gleichzeitig deine eigenen aufgaben erledigst, kann dein arbeitgeber da ja wohl nichts gegen haben.

ok, das war ein vorschlag meinerseits, aber ich weiss natuerlich nicht, in was fuer einem betrieb du arbeitest, vielleicht gibt es diese user ja gar nicht, oder sie haben selbst so wenig zu tun, dass sie froh sind ueber jedes kleine problemchen, das sie dann lieber selber loesen muessen.

kann sein. aber dann such dir halt ne andere beschaeftigung. vielleicht koennte man im betrieb mal ein paar pflanzen aufstellen und diese hegen und pflegen. betriebsfeste organisieren, eine zeitschrift fuer die kunden auf die beine stellen, den nervenden, ewig tropfenden wasserhahn mal reparieren oder die bueros anstreichen... geh mal mit offenen augen durch den betrieb und schau, was da eigentlich alles schon laengst mal haette getan werden muessen oder was man vielleicht mal tun koennte. (vielleicht taugst du ja auch als personalrat, dann lass dich waehlen.)

oder sitzt du wirklich in einem betrieb, wo insgesamt viel zu viele mitarbeiter viel zu wenig zu tun haben und sich auf alles, was sie mal machen koennten, so stuerzen, dass wirklich gar nichts zu tun ist?

nun, wenn das so ist, mach einfach dinge fuer dich selber. das mag ein bisschen illegal sein, weil du ja fuer deinen arbeitgeber was tun sollst, aber wenn da eben absolut gar nichts zu tun ist, dann stoert es deinen arbeitgeber vielleicht auch nicht, wenn du was anderes machst. bau halt buddelschiffe, lies krimis, mach sudokus oder lies heimlich im hilfeforum (wer ausser deinen ebenso unbeschaeftigten sysadmin-kollegen sollte das merken?), hier gibts genug leute, denen du mit ideen helfen kannst, zeit kannst du hier in beliebigen mengen totschlagen - und dabei auch noch anderen leuten helfen. vielleicht sind auch foren ueber computer geeigneter, das faellt nicht so sofort auf, dass das mit deiner arbeit nichts zu tun hat. oder programmier ein paar nuetzliche programme oder apps.

oder brauchst du eine wirkliche herausforderung?

dann haette ich auch noch einen tipp fuer dich: studiere! zB an der fernuni hagen. da kriegst du regelmaessig studienbriefe nach haus geschickt, und die musst du dann lesen und die uebungen dazu bearbeiten. vielleicht kannst du das ja waehrend deiner arbeitszeit machen. studium ist normalerweise hart genug, da hast du genug zu tun. wenn nicht (zB weil du dich fuer informatik enscheidest und vieles schon kannst), dann umso besser, dann kannst du das studium umso schneller durchziehen und abschliessen. notfalls machst du noch ein zweites oder drittes studium hinterher...


fazit: nur daeumchen drehen geht nicht, dabei wirst du verrueckt. aber sei froh, dass dein arbeitgeber dich nur zu 20% auslastet und nicht zu 300%, wie das schon fast ueblich ist. ersteres ist eindeutig besser, denn bei letzterem gehst du auch koerperlich drauf. du musst nur lernen, dich selbst sinnvoll zu beschaeftigen. hilf anderen, wo es geht, oder tu einfach was fuer dich selber. du hast zB keinen uni-abschluss? na dann mach doch einen... dann hast du wieder genug stress in deinem leben. und nur so viel, wie du willst, denn grade so ein nebenberufliches studium kann man schneller oder langsamer absolvieren, da ist man ziemlich frei. selbst wenn dir das objektiv gesehen wegen alters karrieremaessig nichts mehr bringen sollte: tu es doch einfach fuer dich selber. du bist beschaeftigt und es ist auch gut fuers ego 🙂


also, *tu* was! was auch immer.
 
danke für deine gut duchdachte antwort. habe gerade nur sporadisch inet und werde montag ausführlicher dazu stellung nehmen.
 
Lieber Fragesteller, ich bin erst Anfang dreißig und habe diesselbe Erfahrung hinter mir. Leider geht es im öffentlichen Dienst um Planzahlen/Planstellen und die können es sich erlauben, Menschen ohne Arbeit die Zeit absitzen zu lassen. Ich weiß, wie belastend das ist, denn ich hatte am Ende schwere Depressionen und bin in Kur, lange ausgefallen und habe dann gekündigt. Die beste Entscheidung meines Lebens.

Ja, der Jobmarkt ist mit Ü50 nicht rosig, aber

- persönlich um Jobs vorsprechen, anrufen und überzeuegen (jetzt haste ja die Zeit dazu)
- wäre ein Umzug in die Nachbarländer möglich? Dann dort anfragen.
- Beratungsfirmen kontaktieren, vielleicht suchen die einen externen Berater (aus dem ÖD heraus zu kommen wird schwer, aber es gibt auch welche, die eben nur den ÖD beraten)
- wäre auch eine Selbständigkeit etwas? Ich kenne einige, die während der Arbeitszeit ihr eigenen Geschäfte nachgingen bis sie dann irgendwann gekündigt hatten. Du kannst es probieren, gefahrlos.
- Schulen suchen oft auch sowas wie "Gastlehrer" infolge Lehrermangels

Mir ist am Ende das Geld, der sichere Status egal gewesen. Ich wollte glücklich sein. Mach auf jeden Fall eine Therapie und nimm vielleicht auch was Leichtes, um die Phase durch zu stehen. ich bin kein Medikamentenfreund, aber der Job macht depressiv, so wie erst ist und dir fehlt die Kraft.

Viel Kraft und das wird schon. Beantrage doch mal eine Kur, mache einen kleinen Ausstieg und da hast du die Kraft zu überlegen, wie es weiter geht....Kämpfe!
 
Hey
der einzige Tipp den ich geben kann, ist dass du deinen Job nicht dein Leben bestimmen lassen solltest. Wenn du dich ödest, versuche dir einen Ausgleich zu suchen. Das sind ja eben "nur" 8 Stunden des Tages. Versuche dir ein Hobby zu suchen, oder zu erschaffen, dass dir den Ausgleich schafft und dir dann der Job völlig Wurst ist, weil er dir eben nur deine Rechnungen bezahlt 🙂
 

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