AngelikaKlein
Mitglied
😕
Mein Kind ist ausgezogen und meldet sich nicht mehr bei mir.
Eigentlich ist das keine Geschichte, denn mein Kind ist 26 und hat sein Studium erfolgreich abgeschlossen. Die normalste Sache der Welt, eine eigene Wohnung zu suchen und sich selbstständig zu machen. Aber die Umstände belasten mich sehr.
Ich habe immer gearbeitet, um meinem Kind eine gute Ausbildung zu ermöglichen und eine Atmosphäre der sozialen Sicherheit, die ich nie erleben konnte. Wenn ich arbeiten gegangen bin, hat sich meine Mutter um das Kind gekümmert, dann kam der Kindergarten und die Ganztagesbetreuung in der Schule. Alles lief glatt- zu glatt: nie ein Patzer, nie ein Tadel, kein Sitzenbleiben. Ein ruhiges, hübsches Kind mit einem herrlichen Humor und festen Vorstellungen, was es im Leben wollte. Dann kamen die Männer: es waren wenige und die letzte Freundschaft besteht seit Jahren…Alles so ruhig und friedlich.
Vor sechs Jahren ist der Freund bei uns eingezogen. Seine Eltern waren geschieden und es war kein Platz mehr für ihn da. Wir hatten genug Platz: Ein Wohnzimmer, ein Schlafzimmer, eine Küche, ein Bad, ein Balkon für die Kinder. Damit Sie ihr eigenes Reich hatten. Natürlich habe ich auch neue Möbel gekauft.
Sechs Jahre hat er bei uns gelebt, aber ich habe seine Familie nie kennen gelernt. Es hat nie jemand gefragt, wie ich das mache den Jungen zu ernähren und zu kleiden. Und die ersten Jahre waren schwer, denn er ist nach seiner handwerklichen Ausbildung nicht übernommen worden und fand keine Stelle. Erst gab es Hartz IV und dann noch den 1€-Job und dann endlich die ersten Zeitverträge und nach Jahren endlich eine Festanstellung und einen sicheren, wenn auch geringen Verdienst. Ich habe versucht Kontakt zu der Familie herzustellen, aber vergeblich. Ich habe immer versucht, ihm Mut zu machen.
Es war schwer an ihn ran zu kommen: ein wortkarger Mensch. Wort und Schrift sind nicht sein Ding- aber ein begabter Handwerker.
Und meine Tochter hat verbissen ihr schweres Studium bewältigt. Wo sie ging und stand wurde gelernt. Dann die Prüfung mit Bravour bestanden.
Die letzten Monate vor der Diplomprüfung waren eine irre Quälerei: Der praktische Teil verlief nicht so selbstverständlich erfolgreich , wie sie es erwartet hatte. Sie musste sehr hart arbeiten; mehrmals scheiterten Versuche. Aber sie hat sich durchgebissen und ein gutes Diplom gemacht. Sie war danach erschöpft und erholungsbedürftig.
Manchmal habe ich mich gefragt, ob man so seine Jugend verbringen muss: Immer nur lernen.
Nach dem Diplom blieb der sofortige Erfolg aus: Ihre Professorin bot ihr keine Doktorandenstelle an; ihre Suche nach Stelle oder Praktikum ohne Erfolg. Wen wundert es in diesen Zeiten- man muss Geduld und Stehvermögen haben. Und man muss flexibel sein.
Ich habe versucht sie zu trösten und ihr Mut zu machen: Deine Eltern sind da und wir haben die Möglichkeiten Praktikumszeiten oder Auslandsaufenthalte zu finanzieren. Wir würden auch noch eine Zusatzqualifikation ermöglichen. Sei ganz ruhig Kind, Deine Eltern sind da. Und Du gehst ja gesichert in die Welt. Du hast keine Bafög-Schulden, Du hast ja das Geld, was Deine Eltern für Dich gespart haben und in zwei Jahren wird Deine Lebensversicherung fällig. Und sieh doch mal, viele Menschen haben in anderen Berufen, auch solchen, die nicht ihrer Qualifikation entsprechen, Sinn, Befriedigung und Spaß gefunden.
Und dann hat Deine Mutter für Dich ja auch noch das Erbe der Großeltern bewahrt und gesichert: Du hast zwei Häuser und eine Wohnung. Klar, da muss man sich darum kümmern. Man muss verwalten und finanzieren, sich mit Handwerkern rumärgern und mit Mietern. Aber macht Mutter doch gerne für ihr Kind. Willst Du nicht von mir lernen, wie es geht? Nein? Kein Interesse?
Und immer noch alles ruhig und friedlich. Auch auf Nachfrage keine Absichtserklärung eine eigene Wohnung zu suchen. Eigentümlich nur, dass mein Kind keine Diplomfeier wollte. Nur zum Essen zum Inder- wie prunkvoll.
Dann kam ein erstes Zeichen: Die Zeitung, die ich für mein Kind abonniert hatte, sollte ich abbestellen, denn sie sei öde geworden. Na, wer rennt denn immer zum Briefkasten und kann es kaum erwarten, dass die Zeitung da ist? Na?
Und dann wirft mein Kind seine Kindheit weg: Bücher und Spielzeug, Spiele und Medaillen- alles geht zum Müll. Man brauche mehr Platz in den Räumen in unserem Haus. Na?
Unser abendliches Ritual, das gemeinsame Abendessen wird immer stiller. Der Freund klimpert auf dem handy oder dem palm, das Kind lächelt wie eine Moderatorin und macht smalltalk- und die Eltern schauen sich an und fragen sich, was sie gegen diese Entfremdung tun können.
Erneute Nachfrage: Habt ihr an eine eigene Wohnung gedacht? Bracht ihr mehr Platz in unserem Haus? Nein?
Gemeinsame Aktivitäten: Fehlanzeige! Kommt ihr mit in’s Theater, in’s Konzert, zum Ausflug, auf die Reise, zum Einkaufen, in’s Kino, zu Freunden? Nein! Habt ihr uns was zu sagen? Nein?
Das Essen schmeckt nicht mehr oder ist zu viel, die Wäsche ist nicht mehr weich, die Katze macht nur Dreck und ist faul, der Garten zu viel Arbeit, die Eltern rauchen und trinken und gehen aus und haben Freunde, die auch noch kommen, der Vater ist ein Mensch mit zwei linken Händen und vergesslich…Nichts ist mehr recht.
Die Erosion setzt sich fort: jetzt unterbleibt jede Hilfestellung in Haus und Garten. Und die Eltern schauen sich an und fragen sich, wie sie die Entfremdung stoppen könnten.
Wieder die Frage nach der eigenen Wohnung. Wieder eine Verneinung. Aber jetzt drängen die Eltern auf ein Gespräch, denn so geht’s nicht weiter.
Dieses Gespräch wird es nie geben. Über eine Unzuverlässigkeit, die ich bemängele, wird ein Streit aufgebauscht, der damit endet, dass der Freund ohne Zusammenhang zur Sache brüllt: “ Du willst, dass ich ausziehe? Kannst Du haben?“
Dann schriftlich fünf Seiten voller Anwürfe: Mein Kind habe seine eigenen Probleme und wolle ein selbstständiges Leben führen. Vor mir, der Mutter, habe sie Angst. Ich wolle alles kontrollieren. Ich hätte immer angerufen, sogar aus dem Urlaub. Ich hätte ihr Socken mitgebracht- alles Kontrolle. Ich wolle bestimmen, wo sie sein solle und was sie anziehen solle. Sie wolle jetzt ihr eigenes Leben führen. Das Diplom sei nichts wert.
Dann folgt eine große Absichtsliste, was man alles in Zukunft im Hause der Eltern erledigen würde. Vom Garten über die Wäsche- das alles machen in Zukunft die Kinder. Und noch viele andere Versprechungen.
Und dann noch ein Danke! Für Ausbildung und Fürsorge. Danke! Danke auch vom Freund, denn er wisse ja, was man für ihn getan habe, aber jetzt erstmal das eigene Leben, die eigenen Probleme…
Dann klappt eine Tür und ohne Adieu sind die Kinder fort und waren nicht mehr gesehen.
Wenn die Eltern arbeiten sind, wird es lebhaft im Haus. Alle Sachen, die die Kinder gebrauchen können, werden fortgeschafft, alles was man nicht brauchen kann, bleibt zurück für die Entsorgung durch die Eltern. Auch die Reinigung und die folgenden Reparaturen an den Räumen bleiben den Eltern (zwei begnadeten Handwerkern) überlassen. Die Absichtsliste haben die Eltern inzwischen auch selbst heruntergearbeitet.
Und dann ein Brief vom Freund: „Sehr geehrte Frau…, sehr geehrter Herr…, ich kündige das Mietverhältnis gesetzlich zu 01.10.“ Das schreibt der Mann, den wir wie unser Kind aufgenommen haben.
Erneut zwei Versuche in’s Gespräch zu kommen. Das geht nur noch per email. Keine Chance- die Kinder lassen mich nicht mehr an sich ran. Keine Reaktion. Seit vielen Wochen.
Das Kind telefoniert noch mit dem Vater und berichtet, man habe eine Wohnung und einen minijob. Die Adresse wird verweigert- dann nichts mehr.
Und die Eltern sitzen wie erschlagen da und sind sprachlos. Zum Glück haben wir uns nicht einen Moment gestritten oder uns gegenseitig Vorwürfe gemacht. Wir gehen jetzt sehr aufmerksam miteinander um. Wir haben nicht geweint, nicht getobt. Wir haben still die Ärmel hochgekrempelt und die Hinterlassenschaften der Kinder beseitigt. Wir haben ganz kleine Pläne gemacht für eine kurze Reise. Mal raus. Wir haben uns Hilfe von außen gesucht für das Haus und die Katzen. Unser Leben ist einfacher und stressfreier geworden.
Und abends nach der Arbeit sitzen wir da und fragen uns, was unser Kind jetzt macht. Sie wohnt jetzt in einem kleinen Ort, aus dem ihr Freund stammt. Das wissen wir, aber leider nicht von ihr. Eine ideale Ausgangslage für eine Stellenbewerberin ohne Auto. Keine Anbindung an den Nahverkehr. Nein, keine Einladung an die Eltern, dass sie sich die neue Wohnung ansehen. Nein, keine Mitteilung, wie man sich das Leben in Zukunft vorstelle. Nichts!
Wir sind sehr traurig. Wir haben unser Kind gehegt und gepflegt. Wir haben sie nie geschlagen (natürlich nicht!), sie immer bestärkt und gefördert. Und nicht nur wir, sondern die ganze Familie. Wir haben alle für sie gearbeitet und gesorgt.
Wir haben am Anfang versucht, es mit Humor zu nehmen. Aber unsere Fröhlichkeit schwindet. Wir sind an der Schwelle zum Alter und kommen uns ausgenutzt und abgeschrieben vor.
Ich war immer sehr stolz auf mein Kind. Jetzt schäme ich mich, wenn jemand nach ihr fragt und ich sagen muss, dass ich nicht weiß, wo mein Kind ist und was es macht. Wenn dann noch die Feststellung kommt: „Aber ihr habt doch immer alles für sie getan!“, könnte ich schreien.
Mein Kind ist ausgezogen und meldet sich nicht mehr bei mir.
Eigentlich ist das keine Geschichte, denn mein Kind ist 26 und hat sein Studium erfolgreich abgeschlossen. Die normalste Sache der Welt, eine eigene Wohnung zu suchen und sich selbstständig zu machen. Aber die Umstände belasten mich sehr.
Ich habe immer gearbeitet, um meinem Kind eine gute Ausbildung zu ermöglichen und eine Atmosphäre der sozialen Sicherheit, die ich nie erleben konnte. Wenn ich arbeiten gegangen bin, hat sich meine Mutter um das Kind gekümmert, dann kam der Kindergarten und die Ganztagesbetreuung in der Schule. Alles lief glatt- zu glatt: nie ein Patzer, nie ein Tadel, kein Sitzenbleiben. Ein ruhiges, hübsches Kind mit einem herrlichen Humor und festen Vorstellungen, was es im Leben wollte. Dann kamen die Männer: es waren wenige und die letzte Freundschaft besteht seit Jahren…Alles so ruhig und friedlich.
Vor sechs Jahren ist der Freund bei uns eingezogen. Seine Eltern waren geschieden und es war kein Platz mehr für ihn da. Wir hatten genug Platz: Ein Wohnzimmer, ein Schlafzimmer, eine Küche, ein Bad, ein Balkon für die Kinder. Damit Sie ihr eigenes Reich hatten. Natürlich habe ich auch neue Möbel gekauft.
Sechs Jahre hat er bei uns gelebt, aber ich habe seine Familie nie kennen gelernt. Es hat nie jemand gefragt, wie ich das mache den Jungen zu ernähren und zu kleiden. Und die ersten Jahre waren schwer, denn er ist nach seiner handwerklichen Ausbildung nicht übernommen worden und fand keine Stelle. Erst gab es Hartz IV und dann noch den 1€-Job und dann endlich die ersten Zeitverträge und nach Jahren endlich eine Festanstellung und einen sicheren, wenn auch geringen Verdienst. Ich habe versucht Kontakt zu der Familie herzustellen, aber vergeblich. Ich habe immer versucht, ihm Mut zu machen.
Es war schwer an ihn ran zu kommen: ein wortkarger Mensch. Wort und Schrift sind nicht sein Ding- aber ein begabter Handwerker.
Und meine Tochter hat verbissen ihr schweres Studium bewältigt. Wo sie ging und stand wurde gelernt. Dann die Prüfung mit Bravour bestanden.
Die letzten Monate vor der Diplomprüfung waren eine irre Quälerei: Der praktische Teil verlief nicht so selbstverständlich erfolgreich , wie sie es erwartet hatte. Sie musste sehr hart arbeiten; mehrmals scheiterten Versuche. Aber sie hat sich durchgebissen und ein gutes Diplom gemacht. Sie war danach erschöpft und erholungsbedürftig.
Manchmal habe ich mich gefragt, ob man so seine Jugend verbringen muss: Immer nur lernen.
Nach dem Diplom blieb der sofortige Erfolg aus: Ihre Professorin bot ihr keine Doktorandenstelle an; ihre Suche nach Stelle oder Praktikum ohne Erfolg. Wen wundert es in diesen Zeiten- man muss Geduld und Stehvermögen haben. Und man muss flexibel sein.
Ich habe versucht sie zu trösten und ihr Mut zu machen: Deine Eltern sind da und wir haben die Möglichkeiten Praktikumszeiten oder Auslandsaufenthalte zu finanzieren. Wir würden auch noch eine Zusatzqualifikation ermöglichen. Sei ganz ruhig Kind, Deine Eltern sind da. Und Du gehst ja gesichert in die Welt. Du hast keine Bafög-Schulden, Du hast ja das Geld, was Deine Eltern für Dich gespart haben und in zwei Jahren wird Deine Lebensversicherung fällig. Und sieh doch mal, viele Menschen haben in anderen Berufen, auch solchen, die nicht ihrer Qualifikation entsprechen, Sinn, Befriedigung und Spaß gefunden.
Und dann hat Deine Mutter für Dich ja auch noch das Erbe der Großeltern bewahrt und gesichert: Du hast zwei Häuser und eine Wohnung. Klar, da muss man sich darum kümmern. Man muss verwalten und finanzieren, sich mit Handwerkern rumärgern und mit Mietern. Aber macht Mutter doch gerne für ihr Kind. Willst Du nicht von mir lernen, wie es geht? Nein? Kein Interesse?
Und immer noch alles ruhig und friedlich. Auch auf Nachfrage keine Absichtserklärung eine eigene Wohnung zu suchen. Eigentümlich nur, dass mein Kind keine Diplomfeier wollte. Nur zum Essen zum Inder- wie prunkvoll.
Dann kam ein erstes Zeichen: Die Zeitung, die ich für mein Kind abonniert hatte, sollte ich abbestellen, denn sie sei öde geworden. Na, wer rennt denn immer zum Briefkasten und kann es kaum erwarten, dass die Zeitung da ist? Na?
Und dann wirft mein Kind seine Kindheit weg: Bücher und Spielzeug, Spiele und Medaillen- alles geht zum Müll. Man brauche mehr Platz in den Räumen in unserem Haus. Na?
Unser abendliches Ritual, das gemeinsame Abendessen wird immer stiller. Der Freund klimpert auf dem handy oder dem palm, das Kind lächelt wie eine Moderatorin und macht smalltalk- und die Eltern schauen sich an und fragen sich, was sie gegen diese Entfremdung tun können.
Erneute Nachfrage: Habt ihr an eine eigene Wohnung gedacht? Bracht ihr mehr Platz in unserem Haus? Nein?
Gemeinsame Aktivitäten: Fehlanzeige! Kommt ihr mit in’s Theater, in’s Konzert, zum Ausflug, auf die Reise, zum Einkaufen, in’s Kino, zu Freunden? Nein! Habt ihr uns was zu sagen? Nein?
Das Essen schmeckt nicht mehr oder ist zu viel, die Wäsche ist nicht mehr weich, die Katze macht nur Dreck und ist faul, der Garten zu viel Arbeit, die Eltern rauchen und trinken und gehen aus und haben Freunde, die auch noch kommen, der Vater ist ein Mensch mit zwei linken Händen und vergesslich…Nichts ist mehr recht.
Die Erosion setzt sich fort: jetzt unterbleibt jede Hilfestellung in Haus und Garten. Und die Eltern schauen sich an und fragen sich, wie sie die Entfremdung stoppen könnten.
Wieder die Frage nach der eigenen Wohnung. Wieder eine Verneinung. Aber jetzt drängen die Eltern auf ein Gespräch, denn so geht’s nicht weiter.
Dieses Gespräch wird es nie geben. Über eine Unzuverlässigkeit, die ich bemängele, wird ein Streit aufgebauscht, der damit endet, dass der Freund ohne Zusammenhang zur Sache brüllt: “ Du willst, dass ich ausziehe? Kannst Du haben?“
Dann schriftlich fünf Seiten voller Anwürfe: Mein Kind habe seine eigenen Probleme und wolle ein selbstständiges Leben führen. Vor mir, der Mutter, habe sie Angst. Ich wolle alles kontrollieren. Ich hätte immer angerufen, sogar aus dem Urlaub. Ich hätte ihr Socken mitgebracht- alles Kontrolle. Ich wolle bestimmen, wo sie sein solle und was sie anziehen solle. Sie wolle jetzt ihr eigenes Leben führen. Das Diplom sei nichts wert.
Dann folgt eine große Absichtsliste, was man alles in Zukunft im Hause der Eltern erledigen würde. Vom Garten über die Wäsche- das alles machen in Zukunft die Kinder. Und noch viele andere Versprechungen.
Und dann noch ein Danke! Für Ausbildung und Fürsorge. Danke! Danke auch vom Freund, denn er wisse ja, was man für ihn getan habe, aber jetzt erstmal das eigene Leben, die eigenen Probleme…
Dann klappt eine Tür und ohne Adieu sind die Kinder fort und waren nicht mehr gesehen.
Wenn die Eltern arbeiten sind, wird es lebhaft im Haus. Alle Sachen, die die Kinder gebrauchen können, werden fortgeschafft, alles was man nicht brauchen kann, bleibt zurück für die Entsorgung durch die Eltern. Auch die Reinigung und die folgenden Reparaturen an den Räumen bleiben den Eltern (zwei begnadeten Handwerkern) überlassen. Die Absichtsliste haben die Eltern inzwischen auch selbst heruntergearbeitet.
Und dann ein Brief vom Freund: „Sehr geehrte Frau…, sehr geehrter Herr…, ich kündige das Mietverhältnis gesetzlich zu 01.10.“ Das schreibt der Mann, den wir wie unser Kind aufgenommen haben.
Erneut zwei Versuche in’s Gespräch zu kommen. Das geht nur noch per email. Keine Chance- die Kinder lassen mich nicht mehr an sich ran. Keine Reaktion. Seit vielen Wochen.
Das Kind telefoniert noch mit dem Vater und berichtet, man habe eine Wohnung und einen minijob. Die Adresse wird verweigert- dann nichts mehr.
Und die Eltern sitzen wie erschlagen da und sind sprachlos. Zum Glück haben wir uns nicht einen Moment gestritten oder uns gegenseitig Vorwürfe gemacht. Wir gehen jetzt sehr aufmerksam miteinander um. Wir haben nicht geweint, nicht getobt. Wir haben still die Ärmel hochgekrempelt und die Hinterlassenschaften der Kinder beseitigt. Wir haben ganz kleine Pläne gemacht für eine kurze Reise. Mal raus. Wir haben uns Hilfe von außen gesucht für das Haus und die Katzen. Unser Leben ist einfacher und stressfreier geworden.
Und abends nach der Arbeit sitzen wir da und fragen uns, was unser Kind jetzt macht. Sie wohnt jetzt in einem kleinen Ort, aus dem ihr Freund stammt. Das wissen wir, aber leider nicht von ihr. Eine ideale Ausgangslage für eine Stellenbewerberin ohne Auto. Keine Anbindung an den Nahverkehr. Nein, keine Einladung an die Eltern, dass sie sich die neue Wohnung ansehen. Nein, keine Mitteilung, wie man sich das Leben in Zukunft vorstelle. Nichts!
Wir sind sehr traurig. Wir haben unser Kind gehegt und gepflegt. Wir haben sie nie geschlagen (natürlich nicht!), sie immer bestärkt und gefördert. Und nicht nur wir, sondern die ganze Familie. Wir haben alle für sie gearbeitet und gesorgt.
Wir haben am Anfang versucht, es mit Humor zu nehmen. Aber unsere Fröhlichkeit schwindet. Wir sind an der Schwelle zum Alter und kommen uns ausgenutzt und abgeschrieben vor.
Ich war immer sehr stolz auf mein Kind. Jetzt schäme ich mich, wenn jemand nach ihr fragt und ich sagen muss, dass ich nicht weiß, wo mein Kind ist und was es macht. Wenn dann noch die Feststellung kommt: „Aber ihr habt doch immer alles für sie getan!“, könnte ich schreien.
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