Mein Sohn ist gestorben

Ruinengarten

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Mein Sohn Lucas ist am 31. März 2017 hier zu Hause gestorben. Er hatte einen Hirntumor, der nicht operiert werden konnte.

Im Dezember davor ist er 18 Jahre alt geworden. Zwischen ihm und mir gab (und gibt) es seit seiner Geburt ein leuchtendes Band, eine Verbindung, die allen Stürmen standgehalten hat. Auch als ich mich von seiner Mutter trennte, blieb er bei mir, und wir haben immer über alles reden können.

Ich vermisse sein Lachen, seinen Humor, das Geknatter seines Motorrads, wenn er nach Hause kam und ich vermisse es, mit ihm in der Küche zu stehen, zu kochen und dabei laut Bohemian Rhapsody von Queen zu singen. Ich vermisse es, mit ihm im Wohnzimmer zu sitzen und eine Folge nach der anderen von Dr. House zu sehen. Am meisten vermisse ich aber die Gespräche mit ihm.

Da ist ein riesiger Berg an Gefühlen, Angst, Hass, Liebe, Trauer und Erinnerungen, den ich jetzt bewältigen muss. Deshalb habe ich angefangen, für ihn eine Internetseite zu bauen, auf der ich all das in Sätze bringen kann. Sätze sind das einzige, was mir hilft, aus dem Berg vielleicht einmal Hügel zu machen, auf denen ich etwas pflanzen kann. Lucas hätte das so gewollt. Er nahm mir das Versprechen ab, ein Buch über ihn zu schreiben. Das werde ich auch irgendwann tun, aber dafür muss ich erst in mir alles so ordnen, dass ich niemanden mit diesem Buch verletzen oder anprangern würde.

Die Zeit mit Lucas war wunderschön, und ich bin voll Dankbarkeit für all die Jahre, die ich mit ihm gemeinsam hatte.

Lucas war ein wundervoller Mensch, er war sogar der beste Mensch, den ich jemals kennenlernen durfte. Ich bin auch den letzten Weg gemeinsam mit ihm gegangen, außer dem letzten halben Meter, aber ich habe versprochen und gehalten, dass auch der nicht schwer war. Jetzt nimmt er mich an die Hand und geht den weiteren Weg mit mir. Zumindest hat er das versprochen. Und ich spüre, er ist hier. Er konnte sterben, ohne zu jammern. Jetzt muss ich weiterleben, ohne zu jammern. Manchmal ist es nur verdammt schwer.

Liebe Grüße aus dem Ruinengarten.

Marcus
 
Lieber Marcus,

zuerst mein herzliches Beileid zu Lukas Tod, der sich nun bald jährt. Ja, da bist Du jetzt in der Phase, die alle Menschen ( wenn sies nicht durch exzessive Aktivität verdrängen..und so nie werden echt loslassen können, bzw. auf den Hügeln wieder Pflanzen anbauen..wie Du es treffend ausdrückst)durchmachen, wenn Ihnen so ein positiv positiv naher Mensch, mit dem man auch noch so intensiv den Alltag teilen durfte, Dich verlassen muss ! Da kommen erst mal eine Weile allerlei archaische Gefühle hoch. Bitte zulassen...all das ist VOR dem Trauer-Loslassprozess ungeheuer wichtig zuzulassen. Mit der Zeit wird sich dann die Gewichtung verändern beginnen. Doch solche Prozesse sind niemals gradlinig und "unkompliziert". Eine Hilfe kann sein, wenn Du die Bilder und Gefühle ( aller Art) herausmalst. Es geht dabei nicht darum, Kunstwerke hinzukriegen, sondern irgendwie ( kann auch was anderes als malen sein...) für Dich auszudrücken, was so stark in Dir läuft.

Es ist gut, dass Du auch schon etwas die Dankbarkeit spüren konntest, die die so wunderbare harmonische Zeit mit Dir und Deinem Sohn - mit dem Ihr sogar einen besonderen Draht hattet - ermöglichte. Das ist Seltenheitswert, die Mehrzahl grad der Väter hat nicht die Fähigkeit sich derart zu öffnen und zu zeigen, so dass der Sohn das zurückgeben kann. In der Regel sind Männerbeziehungen nicht so wahnsinnig persönlich. Womit ich sagen will,
dass Du und Lukas beide sehr viel Glück und eine schöne Persönlichkeit beide hattet ( noch habt).

Ich möchte Dir aber auch sagen, dass Du Dich keinesfalls unter irgendeinen Druck tun muss, jetzt dieses Buch das Du Lucas versprochen hast zu schreiben ( seine Biographie) auch wirklich zu schreiben. Ich bin sicher, Lucas wollte eigentlich sagen, "Vergiss mich nie"...was schwarz auf weiss steht ist handfest. Doch im Grunde erfüllst Du das Versprechen auf die best mögliche Art ( sogar womöglich besser als ein Buch über Eure Zeit zu verfassen), wie
Du jetzt gerade und auch in Zukunft mit allem umgehst.

Menschen die das Bedürfnis haben ( es sind nicht viele) von sich aus ihre Tragik so zu verarbeiten ( und der Zweck ist ja erfüllt, Lucas erhielt die Zusicherung, dass er nicht in Vergessenheit gerät !!!!!), DANN und nur DANN ist das dem Autor und dann sicher auch den LeserInnen ein Bedürfnis. Wenn sich jemand jedoch (zum Beispiel wegen eines symbolischen Versprechens) etwas auferlegt, das er lieber in sich trägt, in sich behält, dann riskiert er das Gegenteil von dem , was im Grunde der Sinn der Sache ist ( einander nicht zu vergessen)...DENN so Buchschreiben kann ein Krampf sein..und wenn der zu gross ist..DANN könnten die so schönen Momentanen Erinnerung an eine wunderbare Zeit sogar überschattet werden. Du hast ja geschrieben, dass Du Dir mit dem Buch Zeit lassen willst ( super !),
aber falls Du dieses Buch auch NIE schreibst...Du liebst Lucas genug...und falls es ihn irgendwo noch gibt, dann
ist er sowieso weiser als wir hier...nehm ich jetzt mal an 🙂) alles Liebe und Gute Judith
 
Hallo Ruinengarten,

ich selbst musste bisher zum Glück keinen Verlust erleiden, bin aber selbst erst 19 Jahre alt und als ich das hier gelesen habe, wird einem doch wieder so plötzlich bewusst wie kurz das Leben sein kann.
Es tut mir unglaublich Leid, dass dein Sohn bereits gehen musste, aber irgendwie macht mir eure Beziehung Mut.
Es ist so schön zu lesen, dass es tatsächlich so intensive Beziehungen zwischen Vater und Kind gibt und das du es scheinbar trotz der Trauer schaffst, weiter zu leben und sogar dankbar für die schöne Zeit. Es ist wirklich unglaublich was du mit der Seite für deinen Sohn geschaffen hast, wirklich berrührend.

Ich habe mit meinem Vater leider nicht so eine Bindung und würde ich sterben, was hoffentlich nicht demnächst passiert, wäre er auch wohl eher nicht so der Typ den Trauerakt usw. so offen angehen würde, sondern er würde vermutlich trotz alldem unsere Beziehung nicht so gut ist, eher in der Trauer versinken. Von daher bin ich wirklich beeindruckt wie du das alles meisterst. Und ich hoffe du kannst das sehen und so weiter machen. Ich wünsche dir jedenfalls alles Gute für deinen weiteren Lebensweg bis du irgendwann, wenn dein Zeitpunkt gekommen ist, deinen Sohn wieder in die Arme schließen kannst - dort oben.
 
Lieber Marcus,

das ist grausam. Die Logik des Lebens sagt uns eigentlich, dass Kinder irgendwann ihre Eltern beerdigen. Wenn Eltern aber ein Kind zu Grabe tragen müssen, wird diese Logik außer Kraft gesetzt.

Es fällt mir schwer, Dir etwas Tröstendes zu sagen.

Ich möchte Dir aber wünschen, dass sich in Dir die Erinnerung an Deinen Sohn so lebhaft erhält, dass er Dir auf diese Weise nie verloren geht.

Herzliche Anteilnahme!

Burbacher
 
Lieber Marcus,

Ich möchte Dir meine aufrichtige Anteilnahme zum Deinemschweren Verlust aussprechen.

Ich will Dir auch viel viel Kraft schicken für die ach so schwere Zeit.


Liebe Grüße
Josef
 
Zuletzt bearbeitet:
Warte - geh nicht fort!
Weißt du denn nicht:
Es ist doch nur eine Tür, durch die ich vor dir gegangen bin!

Und auch du wirst eines Tages durch diese Tür gehen,
wenn deine Zeit gekommen ist.
Und dann werden wir einander umarmen
so wie früher, als ich noch auf Erden war.

Glaub mir - es hat sich nichts geändert an unserer Liebe!
Was sich geändert hat, ist meine Freiheit.
Keine Schmerzen, keine Angst, kein Leid mehr.
Freu dich für mich, auch wenn du mich unendlich vermisst.

Aber ich bin immer bei dir - in deinem Herzen, deiner Seele, in dir.
Ich weiß - im Moment reicht dir das nicht.
Du willst mich halten, berühren, spüren.
Aber ist das das Wichtigste? Ist nicht viel wichtiger unsere Liebe, die uns immer verband?

Diese Liebe, sie endet nicht mit meinem Tod.
Und eines Tages wird sie uns wieder vereinen in dem, der uns Beide schuf.
Jesus stand an der Schwelle, als ich gehen musste - und nahm meine Hand.
Ich war nicht allein - so, wie auch du niemals allein sein wirst.

Ich liebe dich!

 
Lieber Ruinengarten,

mein herzliches Beileid! Ich bin selbst auch gerade in einer Phase des Vermissens von jemandem, den ich auch gehen lassen musste, weil sein Krebs nicht zu heilen war. Nach über zwei Jahren war unser Kampf überstanden und er ging und ich blieb. Was darauf folgt, darauf ist glaube ich niemand vorbereitet. Mein Kopf, meine Gedanken, gehören schon lange nicht mehr mir. Alles dreht sich immer wieder um dieses Ereignis und das Gefühl, dass der wichtigste Mensch fehlt, scheint nicht mehr weichen zu wollen.

Meine erste Erkenntnis war, dass man ja nicht aufhören muss zu lieben. Also liebe ich einfach weiter, auch, wenn der andere nicht mehr da ist. Die Welt ist für mich arm und leer geworden und noch weiß ich nicht, warum ich noch hier bin. Vielleicht ändert sich das ja noch einmal, aber im Moment könnte ich auf alles hier gut verzichten und würde lieber da oben am Wolkenrand mit meinem Liebsten stehen und den Gang der Welt von oben beobachten.

Entschuldige bitte, wenn das jetzt nicht sehr aufmunternd war. Ich finde es toll, wie Du mit Deinem Verlust umgehst.
Ich wünsche Dir alles Gute und einmal sieht man sich ja immer wieder - ich glaube, auf diese Wiedersehen freuen sich mehr Leute als man glaubt!

birdie
 
[...]
Mein Beileid liebe TE. Ich habe auch meinen Stiefvater und meinen Onkel wegen Krebs verloren. 🙁
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Er ist vor gegangen, viel zu früh. Aber eines Tages wirst du wieder bei ihm sein. Das sage ich mir zumindest jeden Tag, nachdem 2016 mein Bruder und 2017 mein Vater gestorben ist. Die unendliche Trauer macht es einem fast unmöglich, die Augen am Morgen wieder zu öffnen. Aber die Welt dreht sich weiter, die Bäume wachsen, die Pflanzen blühen, die sonne geht auf, die sonne geht unter.

Auch wenn das taube herz vielleicht nie wieder wirklich Glück empfinden kann, solltest du immer daran denken, dass du Eines Tages wieder mit ihm vereint bist, wie auch immer das auch aussehen mag.

Bleib stark, aber Weine auch wenn du kannst. Es gibt nichts schlimmeres als sein eigenes Kind sterben zu sehen.
 
Lieber Marcus,

auch ich möchte Dich aufmuntern, in dem ich Dir sage, dass es nach einiger Zeit wirklich besser wird: ich habe 2011 meine Mutter nach einer langen Leidenszeit ( Brustkrebs der streute), 2014 einen jungen Freund dessen Blasenkrebs ihn in die Palliativstation des Unispital brachte (...es wurde geholfen wo möglich, aber...) und im September letztes Jahr meinen Untermieter (2 Jahren bei mir ) an einem Bauchspeicheldrüsenkrebs ( sehr aggressiv) innert nur einiger Monate verloren...

Immer noch denke ich häufig an diese Menschen, doch irgendwie sind sie noch bei mir. Unterhalte mich auch mit ihnen. Meine Mutter, mit der ich mich auf dem Sterbebett ( nach langer Betreuung meinerseits) versöhnte, ist heute bei mir. Es ist schwer zu beschreiben...aber es ist gut. Ich bin dankbar, dass ich mit allen lieben Menschen gut Abschied nehmen konnte, und wir alle doch genügend Zeit bekamen, über "alles" zu reden. Wie Du und Lucas!

Trotzdem braucht es Zeit, und wie hier schon geschrieben wurde..nimm Dir Zeit für alle Gefühle !!

Liebe Grüsse Judith
 

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