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Meine Geschichte....

S

saaphyri

Gast
Im Moment gehen mir extrem viele Dinge durch den Kopf.... Vergangenheit, Zukunft und der Moment in dem ich mich gerade befinde...


Ich habe für mich beschlossen, Erlebtes aufzuarbeiten – egal wie schmerzhaft es werden wird.
Würde mich jemand bitten einen Lebenslauf zu schreiben, in dem all die Dinge niederschreibe, die mich zu der Person gemacht haben, die ich heute bin, so würde dies ein halbes Buch werden.


Wer ich heute bin? Im Grunde weiß ich es selber nicht so genau... Ich habe Phasen in denen ich mich selber als Person klar definieren kann, in denen ich weiß, dass ich jemand bin und das ich eigentlich auch stark sein kann, aber ich habe auch Phasen in denen ich mich einfach nur klein und zerbrechlich fühle und eigentlich in meinen Augen einfach niemand bin.


Aufgewachsen bin ich die ersten Jahre meines Lebens in einem kleinen Kurort in Schleswig-Holstein. Meine Mutter war Thailänderin, mein Vater Deutscher. Wir lebten zusammen mit meiner thailändischen Halbschwester und der Mutter meines Vaters in einem schönen Haus mit großem Garten und Schaukel. Im Grunde genommen eine ganz normale Bilderbuchfamilie in einer idyllischen kleinen Straße, in der jeder jeden kennt.
Nur, dass das was nach außen hin gezeigt wird, nicht immer das ist, was sich tatsächlich hinter allem verbirgt.


Ich glaube das ganze Theater ging los, als meine Mutter begann, öfter einfach mal fernzubleiben. Sie kam einfach nicht nach Hause, mein Vater sagte sie in Hamburg ihre thailändischen Freundinnen besuchen. Die Besuche wurden allerdings immer länger, zu Beginn nur ein Wochenende, dann eine Woche, zwei und schließlich kam sie nur noch ab und an um Stück für Stück ihre Sachen zu holen.
Ich war noch lange nicht in der Lage zu verstehen was vor sich ging, aber ich spürte schon, dass sich etwas veränderte.

Meine Schwester stritt sich immer öfter mit meinem Vater, und auch mit mir kam sie nicht so gut klar. In einem Streit warf sie mir an den Kopf wie sehr sie mich hasste weil meine Mutter sie angeblich die Treppe runter werfen wollte als sie merkte das sie mit mir schwanger war. Nun gut ich kann es irgendwie verstehen – erst wird man einfach in Thailand gelassen und dann plötzlich doch geholt weil das Paar denkt es kann keine gemeinsamen Kinder bekommen, und dann kommt auf einmal doch die ersehnte Schwangerschaft, und man wird als Kindermädchen und Putzfrau behandelt und die Mutter stößt einen von sich weg. Ich denke ihre Reaktion war normal.


Die Sehnsucht nach meiner Mutter war so riesengroß. Jede Woche rief ich sie an und fragte ob ich sie besuchen könne, und jedes mal sagte sie ja um hinterrücks meinen Vater anzurufen damit er mir sagen musste das ich nicht kommen kann. Wenn ich aber dorthin konnte, dann war es für mich ein Besuch im Paradies. Das gute Essen, ihr neuer Freund, wenn Hamburger Dom war wurde mir kein Karussell und keine Süßigkeit verwehrt. Aber ich musste auch alleine hingehen, um Punkt 15 Uhr wurde ich mit 200 DM aus dem Haus gescheucht und um 21 Uhr hat man mich dann im Bierzelt zum Ochsen wieder eingesammelt- meist betunken. Auch wenn kein Dom war – ich bekam immer was ich wollte und fuhr mit vielen neuen Sachen und einer menge Taschengeld nach hause. Das war saugut zumindest für mein damaliges empfinden.

Doch die Besuche bei meiner Mutter wurden für mich immer schwerer. Es begann damit, dass sie anfing mich mit ins „103“ zu nehmen, das war die Kneipe ihres Freundes. Immer wenn wir dort waren steckte sie mir 5 Mark in den Spielautomaten und verschwand irgendwo in den Hinterzimmern. Gegen Nachmittag kamen immer ganz viele asiatische Frauen herein, die allesamt schick angezogen und geschminkt waren. Eines Tages als meine 5 Mark verspielt waren ging ich meine Mutter suchen um mir neues Geld zu holen. Ich stieg eine Treppe hinauf und fand mich in einem rotgestrichenen Flur wieder von dem aus es in viele ebenso in rot gehaltene Schlafzimmer ging. In einem dieser Zimmer sah ich auf dem Nachttisch ein Bonbonglas stehen und dachte es wären kleine Tütchen mit Gummibären darin. Aber bevor ich hineingreifen und mich bedienen konnte, stand meine Mutter laut schimpfend hinter mir und bugsierte mich mit einer langen Predigt, das ich dort oben nichts zu suchen hätte nach unten.
Damals war ich 9 Jahre alt und verstand noch nicht, wo ich dort war. Irgendwann mit 12 ist bei mir der Groschen gefallen und eine Welt brach für mich zusammen.
Doch in den Jahren die dazwischen lagen sollte noch so einiges geschehen.
Jeder Besuch bei meiner Mutter war für mich von Vorwürfen geprägt. Immer und immer wieder warf sie mir alkoholisiert und unter Medikamenteneinfluss vor, dass ich und meine Schwester der Grund seien, warum sie nicht zurück nach Thailand gehen könnte, sie müsse ja auf uns aufpassen. Manchmal zickte ich zurück, zu meinem Geburtstag und zu Weihnachten hatte ich sie ja schon seit Jahren nicht gesehen und WENN mal eine Karte kam, dann hatte ihr Freund sie geschickt und ihre Unterschrift gefälscht.


Als ich 13 Jahre alt war ist es dann eskaliert. Ich war zusammen mit meiner Schwester bei meiner Mutter zu Besuch. Sie war betrunken und wir saßen alle zusammen weinend im Schlafzimmer und liessen die immerwährenden Vorwürfe über uns ergehen, die meine Mutter uns zwischen Korn und Tabletten immer wieder predigte. Meine Schwester ging ins Bad und plötzlich kippte meine Mutter um. Durch meine Tätigkeit im Jugendrotkreuz wusste ich so ansatzweise wie ich zu reagieren hatte. Nur konnte ich, vielleicht wegen der Aufregung, keinen Puls spüren. Ich rannte ins Treppenhaus und rief um Hilfe. Zwei Nachbarn kamen und gaben Mund-zu-Mund sowie Herzdruckmassage und riefen den Notarzt. Meine Schwester und ich haben nie wirklich darüber gesprochen, aber ich habe schon damals bei dem Besuch gespürt das irgendwas nicht stimmt. Die Menge an Tabletten die sie an dem Tag genommen, die nimmt man nicht nur weil man den Überblick verliert. Es war ein Suizidversuch und das vor unseren Augen und mit so vielen Vorwürfen.
Das war vorerst mein letzter Besuch bei meiner Mutter.


Ich konnte und wollte solche Situationen nicht mehr erleben und vermied zunächst den Kontakt zu ihr. Ich lebte mein Leben in unserer kleinen Stadt, bei meinem Vater. Meine Schwester wohnte nicht mehr bei uns, meine Oma lag inzwischen im Pflegeheim. Im Endeffekt konnte ich tun und lassen was ich wollte. Ich kam erst kurz vor 24 uhr nach Hause, weil mein Vater gegen 0:30 Uhr von der Nachtschicht kam. Mein Freundeskreis war so um die 20+, natürlich alle mobil.
Sie passten immer gut auf mich auf und ab und zu tranken wir mal ein Bier zusammen.


Bei gleichaltrigen Kindern dagegen war ich nicht sehr beliebt. Für die Coolen war ich zu uncool und bei den anderen Kindern sprachen sich die Eltern dagegen aus, das ich mit ihnen spielte, weil ich ja keine Mutti hätte und daher schlechter Einfluss sei. Von daher hatte ich keine anderen Möglichkeiten.



Ich fühlte mich von meinem Vater nie wirklich geliebt. Er war da und zu Hause war für mich der Platz wo ich schlief und aß. Sicherlich hat er versucht mir an Zuneigung für seine Verhältnisse alles zu geben. Ich fühlte mich stets ungeliebt, allein schon aufgrund der Tatsache, dass ich, wenn ich nach einer Mark fragte für Süßigkeiten, ins Büro gerufen wurde, wo mir dann eine lange Liste mit den Ausgaben gezeigt wurde, die ich den Monat schon verursacht hatte... Es waren sogar Pfennigbeträge aufgelistet wie: 10 Pfennig für einen Lutscher beim wöchentlichen Einkauf.
Wenn ich heute darüber nachdenke, stellt sich mir wieder die Frage meiner Wertigkeit.
War ich als Kind zu teuer? Und als ich verkauft wurde? Wieso dann für nur 3500 Euro?
Was bin ich eigentlich wert? Sicherlich sind das schräge Gedankengänge, und tief in sich weiß man ja auch, dass jeder Mensch wertvoll ist, aber nach solchen Erlebnissen kann ich mir das eben nicht immer sagen.

In unserem Ort gab es damals noch nicht viele Ausländer und dafür umso mehr rechtsradikal eingestellte Jugendliche. Als ich einmal von 3 Mädchen mitten in der Stadt mit Stahlkappen zusammengetreten worden bin und im Krankenhaus erwachte, stand mein Vater am Bett und fing an mir eine Moralpredigt zu halten, ich hätte ja selber Schuld – es würde ja niemand grundlos zuschlagen....


Kurz nach diesem Erlebnis war ich plötzlich auch in der Schule der A****. Ich weiß nicht wieso, aber eines Tages auf dem Weg nach Hause lauerten mir wieder ein paar Leute auf. Sicher, ich war in dem Alter noch mit Karotten-Cordhosen und Micky-Maus-Pulli unterwegs, weil ich ja eben auch keine von den coolen war, aber war das etwa Grund genug?
Eines der Mädchen kam auf mich zu und begann mich zu schlagen – ich hätte angeblich schlecht über sie geredet... Als ich dann völlig aufgelöst zu Hause ankam und mein Vater die Blessuren sah, hagelte es wieder nur Vorwürfe.


Ich war zu der Zeit damals anscheinend das perfekte Opfer für gelangweilte Teenies, die intrigen spinnen und Ärger für andere provozieren wollten. Das haben sie auch geschafft, am selben Tag versuchte ich mir das Leben mit Hilfe von Tabletten zu nehmen.
Als ich im Krankenhaus erwachte, kam irgendwann eine unserer Nachbarinnen zu Besuch, warf mir vor, meinen Vater psychisch fertig machen zu wollen und fragte mich, ob ich so werden wolle wie meine Mutter – jeden Tag einen anderen Mann, jeden Tag besoffen....

Nachdem ich aus dem Krankenhaus entlassen wurde, versuchte ich noch zweimal mir das Leben zu nehmen, einmal sprang ich von einer Brücke – das Wasser war allerdings zu flach und ich verstauchte mir lediglich den Knöchel, der zweite Versuch dann wieder in Form von Tabletten.
Danach wurde ich zur Kinderpsychologin geschickt, deren Behandlung ich dann abbrach, als sie vorschlug mich zur Beobachtung in eine Klinik zu schicken.


Das Verhältnis zu meinem Vater war völlig zerbrochen, ich konnte ihm nur noch mit extremen Agressionen und Hass entgegentreten und ging mehrmals nach der Schule, sofern ich überhaupt hinging, zu verschiedenen Kinderheimen und sagte, dass ich nicht mehr nach Hause wolle. Irgendwann wurde das Jugendamt informiert, aber man sagte meinem Vater, was er zu zahlen hätte, wenn ich in ein Heim käme, woraufhin ich mit Druck dazu gebracht wurde, die für mich rettende Idee wieder zu verwerfen.


Irgendwann als ich 14 Jahre alt war, ich war bereits am Kiffen und am Extacy nehmen wie ne Große, warf mein Vater mich raus.... Gut – ich hatte schon viele Kontakte durch meine Drogenfreunde in Hamburg und verschwand dorthin. Über Wasser hielt ich mich, indem ich bei Freunden mal hier mal da wohnte, und mit meinem Kindergeld und ein paar anderen Geschäften.
Der Kontakt zu meinem Vater ist bis heute lediglich sporadisch – ich vermeide ganz bewusst jegliche Familientreffen, einfach weil ich dann nach wie vor mit Vorwürfen konfrontiert werde, dass ich doch endlich mein Leben in Ordnung bringen solle. DAS hätte er mir sagen sollen als ich 14 war und er mich rausgeworfen hat, und nicht 14 Jahre später mit solchen Aussagen kommen. Immerhin für alles was danach noch gekommen ist, alles wo ich dringesteckt habe und selber wieder rausgekommen – das ist meiner Meinung nach eine ganze Menge was ich da gesleistet habe.


Meine Drogenkarriere war schon extrem erschreckend... Designerdrogen waren damals extrem populär und lange blieb es nicht bei Extacy - Speed, ab und an mal Kokain und mein neuer Favorit LSD gesellten sich dazu. Die Drogen lenkten mich ab von meinem Leben, dass ich nicht spüren wollte, so war ich letztlich jeden Tag drauf. Bis heute bin ich froh, dass ich niemals mit Heroin in Kontakt gekommen bin.
Wir lebten teilweise mit 6 Leuten, alles so gestrauchelte Minderjährige wie ich, heimlich in der Jugendwohnung eines Freundes und träumten von einem normalen, stabilen Leben, mit festem Einkommen und ohne Drogen.
Irgendwann merkte ich aber, dass ich mit meinen Träumereien aus der Misere nicht herauskommen würde und ging zur Drogenberatung.
Der Drogenberater nahm mich mit in einen Raum und ich sagte ihm klipp und klar war ich wollte:
Eine Therapie mit anschliessender Betreuung. Um alles in die Wege zu leiten benötigte er eine Art Schicksals-Lebenslauf. Er sagte ich solle alles aufschreiben, wovon ich glaubte, dass es mich dazu gebracht hat dieses Leben zu führen und diesen Lebenslauf sollte ich eine Woche später abgeben.
Eine Woche später erschien ich in der Drogenberatung und gab ihm 80 doppeltseitig handgeschriebene Din-A-4 Seiten. Er hat sich zwar ein wenig verschluckt, weil normalerweise die Heroin-Junkies, die ja normalerweise in solchen Institutionen verkehren, ne halbe Din-A-4 Seite abgeben.
Eine Woche später, als ich wieder in die Beratungsstelle kam, kamen alle Drogenberater um mich kennenzulernen – denn alle hatten meinen Lebenslauf gelesen und wollten mit mir sprechen, ob man nicht ein Buch daraus machen könne. Das schmeichelte mir zwar sehr, war aber nebensächlich.
Gut, ich muss gestehen, aus der Therapie ist nichts geworden, weil ich mal wieder nix auf die Reihe gekriegt hab – ich hab nach wie vor Riesenprobleme mit Papierkram und Ämtergängen, aber ich habs ja auch so irgendwie geschafft....


Ausschlaggeben war dafür eine Freundin, die zwar auch Drogen nahm und die ich auch von Parties kannte, die aber ihr Leben dafür richtig im Griff hatte. Sie nahm mich bei sich auf, sorgte dafür dass ich arbeiten ging, vermittelte mir auch einen richtig guten Kellnerjob – nur irgendwann zog sie zu ihrem Freund und der Kontakt brach ab – immerhin, sie hatte mich stabiler gemacht.


Als ich dann einen neuen Freund in Kiel hatte, nutzte ich die Chance und zog zu ihm – so war ich fernab von all den Drogenfreunden und konnte neu und vor allem drogenfrei anfangen.
Zwei Jahre später, nachdem ich entdeckt hatte, dass er mich betrog zog ich zurück nach Hamburg, ich hatte einen tollen Job in einem Callcenter, wo ich innerhalb von 4 Jahren auf zur Teamleitung aufgestiegen war, ging zur Abendschule um mein Abi zu machen, bis ich eines Tages zu Hause mit einem Freund saß – wir wollten ausgehen und plötzlich piepte mein Emailprogramm.
Es war eine Email von meiner Schwester, ich solle bitte schnellstmöglich ins Altonaer Krankenhaus kommen. Mein Bekannter fuhr mich hin und ich stürmte völlig unvorbereitet ins Zimmer, sah meine völlig aufgelöste Schwester am Bett meiner Mutter sitzen.
Es piepste und blinkte... Sie war in ihrer Wohnung gefunden worden mit Gehirnblutungen, Not-OP hatte bereits stattgefunden, aber die Ärzte sagten, sie würde es vermutlich nicht schaffen.


Sie schaffte es zwar, sich wieder aufzurappeln, war halbseitig gelähmt, und konnte nicht mehr sprechen, aber sie lebte noch und irgendwie war ich sehr froh darüber – egal, was sie mir alles, vielleicht unbewusst angetan hat, sie ist doch meine Mutter und die Person, die ich mein ganzes Leben lang vermisst und in vielen gesucht habe, was ich auch immer noch tue.
Das letzte Mal als ich sie im Pflegeheim besucht habe, habe ich ihr gesagt, dass ich ihr alles verzeihe und ich bin mir bis heute sicher, dass sie mich verstanden hat, denn eine Träne rollte über ihre Wange. Am nächsten Tag rief mich meine Schwester an und teilte mir mit, dass sie am Morgen nach meinem Besuch gestorben war.
Ich weiß nicht, ob ich ihr wirklich schon verziehen habe, denn meine Mutter beschäftigt mich nach wie vor sehr stark.....Aber ich habe ihr das gesagt, damit sie in Ruhe gehen kann und ich denke, dass war eine der besten Entscheidungen die ich getroffen habe.



Kurz nach dem Tod meiner Mutter am 17.10.2004 hatte ich Geburtstag (30.10.) am Tag vor mir hatte eine Bekannte Geburtstag, die mich zu ihrer Feier einlud. Ich wollte nicht hin, immerhin war ich noch in Trauer, aber sie und ihr Freund sagten, wenn es mir zuviel werden sollte, würde man mich sofort nach Hause fahren, woraufhin ich zusagte. Ich wusste, dass sie in der Herbertstraße arbeitet und ihr Freund ihr Zuhälter war. Aber die beiden hatten mich mit dem Thema immer in Ruhe gelassen, so dachte ich mir nichts dabei zu dieser Feier zu fahren.
Dort wurde mir ein echt hübscher junger Mann vorgestellt. Was ich nicht wusste war, dass man einfach die Situation ausnutzen wollte, dass ich einfach ohne Halt in der Weltgeschichte herumirrte. Ich nenne diesen Mann einfach mal R., nutzte aus, dass ich einsam war und hielt mir den Strohhalm hin, den ich auch ergriff. Wir hatten zwei richtig tolle Monate, dann fand ich mich plötzlich auch in der Herbertstraße wieder. Was nun begann war eine Zeit, die mich ziemlich kaputtgemacht hat.


R wurde gewaltätig, kam von Parties nach Hause, drückte mir Kissen aufs Gesicht während ich schlief. Machte Schulden bei anderen Zuhältern, also lieh sich ohne zu wissen was ich verdient hatte 350 Euro um Vodka-Flaschen auf den Tisch stellen zu können ect.
Ich bekam jeden Tag 10 Euro Taschengeld für Essen und Zigaretten, von dem Restgeld sah ich nichts.
Hatten wir Streit, und den hatten wir oft, ließ er mich nicht in unsere Wohnung und ich musste gesenkten Hauptes und total verheult wieder zurück zur Herbertstraße und im Puff auf dem Freierbett schlafen. Meistens habe ich dann Doppelschichten geschoben. Es ist ziemlich makaber, dass ich gerade in den heutigen Zeiten wo man soviel über Zuhäterei ect hört, am besten verdient habe, wenn ich so verheult in meinem Fensterchen gestanden habe. Keine Ahnung ob das Mitleid war von den Freiern....
Irgendwann ist das mit R und mir so eskaliert, dass wir uns getrennt haben. Er hat mich dann für 3500 Euro an jemand anders verkauft, mit dem ich aber keine Beziehung führte, sondern lediglich zusammen wohnte und wöchentlich 250 Euro abgab. Es war eine Art Geschäftsbeziehung – ich hatte ihn mir auch zum Glück selber aussuchen können. R war anscheinend froh, dass ich ihm überhaupt nochmal Geld brachte auf diesem Weg.
Mit T meinem „Neuen“ war auch alles super – ich machte Urlaub, zwar in seiner Begleitung, aber das ok, denn das Verhältnis war relativ freundschaftlich, ich konnte einmal im Monat einen Abend am Wochenende ausgehen. Ich hatte sogar mehrere „normale“ Männer in den Jahren mit T.
Aber eine Beziehung mit einer Prostituierten und einem soliden Mann hält halt nicht lange in der Regel.


Irgendwann merkte ich, dass ich auch ohne Mann im Millieu zurechtkam und „trennte“ mich offiziell von T. Danach arbeitete ich noch ca. 1 Jahr in dem Job, weil ich nicht meine Abendschule und alles aufgegeben hatte, um nach meiner Zeit als Hure ohne einen einzigen Cent dazustehen.


Jetzt? Ja jetzt strippe ich, fühle mich wohl dabei und bin verliebt in einen guten Mann. Klar ich habe nach wie vor meine Probleme und ja, ich bin meiner Meinung nach auch ziemlich gestört, aber er tritt mir ordentlich in den A**** damit ich endlich eine Therapie anfange.


Mir hat mal jemand gesagt, ich würde in allem was ich tue meine Mutter suchen. Ist es wirklich so? Habe ich mir all das angetan, weil meine Mutter auch Suchtkrank und Prostituierte war?
Ist mein Kurs der Selbstzerstörung endlich abgeschlossen oder sollte ich mich jetzt, wo es seit ca. 1 Jahr endlich alles ziemlich ruhig ist in meinem Leben und einigermaßen geregelt lieber auf das nächste Chaos vorbereiten?
 

karma

Aktives Mitglied
Es ist gut das du erkennst das du eine Therapie brauchst. Es wird dir helfen mit dem alten Leben abzuschließen. Es wird dann wie in einem Buch sein. Du liest es und dann machst du es zu. Und das ist doch was du willst. Abschließen und in einer Ecke verstauben lassen.


Karma
 
S

saaphyri

Gast
hallo karma...

ja, das ich ernsthaft eine therapie brauche ist mir schon irgendwann bewusst geworden - immer wenn ich denke, ich bin über alles hinweg und irgendwas in meinem leben passiert, wirft es mich total aus der bahn und dann kommt auch alles hoch...

hätte ich meinen freund nicht, der mir nachdrücklich klargemacht hat, dass ich das alles alleine nicht gewuppt kriege, würde ich wahrscheinlich einfach "wie-immer" weitermachen...

schön wäre es wirklich, wenn eine therapie bewirken könnte, das gewisse dinge in der ecke liegen und verstauben - aber ich glaube nicht, man erlebte sachen einfach so auslöschen kann. vielleicht kann man aber lernen, anders damit umzugehen - das erhoffe ich mir zumindest.

lg
 

karma

Aktives Mitglied
Mein Leben konnte auch ein ganzes Buch füllen. Ein Arzt sagte zu mir das was ich erlebt hätte, hätte ich nur überstanden weil ich gerne lebe und meinen Humor behielt. Mein Leben da war alles drin. Mißbrauch, Gewalt, Mordversuch, Demütigungen, Psychische und körperliche. Das hätte ausgereicht um von einer Brücke zu springen. Aber ich nicht. Ich habe gekämpft. Natürlich kommt alles raus. Und manchmal saß ich zuhause wie ein Häufchen Elend und heulte stundenlang. Aber ich wußte es muß sein. Und nach einiger Zeit wurden meine Tränen weniger und ich freute mich auf morgen. Und am Schluß nach 2,5 Jahre wurde ich neu geboren. Danach lebst du nur noch im Jetzt. Es gibt kein Gestern mehr und auch meine Vergangenheit wurde begraben für immer und ewig. Viele brechen die Therapien zu früh ab und merken nach einiger Zeit das sie wieder von vorne Anfangen müßen. Das ist der größte Fehler und danach sitzen sie wieder in der Therapie. Mache sie denn sie wird dich befreien. Mache sie aber nur bei einer Therapeutin die du auf den ersten Blick direkt gut leiden kannst. Und bei der du das Gefühl sie versteht dich und du könntest ihr alles erzählen. Dann ist die oder der Richtige.

Karma
 
A

AceDaBrain

Gast
Hey, ich bins:)

Der Server hat bei mir die ganze letzte halbe Stunde auf der Seite versagt. Aber vielleicht liegt es ja auch an der Webside. Was ich eher glaube, weil es öfter vorkommt.

Also, hab mir deine Geschichte aufmerksam und genau durchgelesen und muss sagen, ich bin doch tief Betroffen. Mein erster Gedanke war, Therapie und bloß weg von dieser Familie, Vergangenheit verarbeiten und in die Zukunft sehen. Du bist zur zeit stripperin? Ich komm mir grad wie ein Klugscheißendes Kind vor.. aber das würde ich in Verbindung mit der Vergangenheitsbewältigung lassen. Immerhin verdienst du ja Geld mit deinem Körper, Du magst sexy sein, keine Frage. Aber irgendwie würde mich auch das immer wieder an die Vergangenheit erinnern. Versuchst du vielleicht unterbewusst das Leben deiner Mutter zu führen, einiges besser zu machen um ihr dadurch näher zu sein (gefühlsmäßig)? Das sind nur fragen und vermutungen, denn ehrlich gesagt bin ich mit deiner Geschichte total überfordert und der eine oder andere, der mehr Ahnung hat, wird vielleicht über mein Kommentar lachen.

Nur ganz egal, was tu machst.. Versuch unter allen Umständen diese Therapie zu machen. Ich bin ja schon durch das lesen beinahe traumatisiert.. Kaum auszumalen, wie ich mich nach so einer Lebensgeschichte überhaupt noch über Wasser halten würde und könnte.

Deshalb ziehe ich ganz groß den Hut vor dir, wie du es geschafft hast, trotz all dieser Erlebnisse so ein toller, wunderbarer Mensch zu werden, dessen Charakter ich selbst übers texten in den letzten Tagen ganz Arg schätze. Ich ziehe auch den Hut, dass du immer noch Punkte in deinem Leben findest, an denen du dich erfreust und immer noch Hoffnung schöpfst und Kraft ausstrahlst bzw rüberkommen lässt.

Ganz ehrlich, ich verspüre echt das Bedürfnis dich mal in den Arm zu nehmen! Viele sollten sich an dir mal eine ganz großes Beispiel nehmen und eine dicke Scheibe abschneiden.So, wie auch ich das tun werde. Denn meine Probleme wirken im Vergleich zu deiner Geschichte, wie ein Kinderbuch und du kämpfst trotzdem und wirst auch zum Erfolg kommen! Und wenn ich persönlich dafür Sorgen muss!!!!!!

Du bist eine sehr beeindruckende Frau, muss ich ehrlich sagen. Und es wäre mehr als schade, wenn du dich irgendwann aufgibst. Soviel Kraft muss einfach zum Erfolg führen. Auch, wenn du dich öfter noch sehr niedergeschlagen fühlst. Aber dafür ist dann die Therapie da. Und ich empfehle dir auch, vielleicht über eine Kur nachzudenken. Mal ein paar monate Abspannen, in guten Händen sein und die Sorgen des Alltages zu vergessen. Zuvor aber die Warnung. Du wirst es vielleicht selbst wissen, aber in einer Therapie oder Kur wird es vorerst immer schlimmer, bevor es besser wird. Denn deine Probleme und Erinnerungen werden ja immerhin professionell und gezielt aufgearbeitet. Also versprich mir bitte, dass du das durchziehst!! Ich hab eine Adresse von einer hervorragenden Kureinrichtung. Wo ich die her hab, ist nicht für die öffentlichkeit bestimmt, weil ich damit bisher nichts zu tun hatte. Die gebe ich dir auf wunsch sehr gerne!

Desweiteren werde ich mir deine Geschichte ausdrucken und an die Wand hängen, wenn du nichts dagegen hast.:) Ich bin der meinung, die sollte man sich immer als Beispiel nehmen, wenn man mal down ist und sich vor Augen führen, wie stark und hoffnungsvoll Menschen sein können, die sowas durchlebt haben!!!

Alles gute für deinen weiteren Weg wünsche ich dir. Und wenn du jemand brauchst.. Biete mich immer gern zum Reden an!

lg Marcus
 
P

piper

Gast
Mir hat mal jemand gesagt, ich würde in allem was ich tue meine Mutter suchen. Ist es wirklich so? Habe ich mir all das angetan, weil meine Mutter auch Suchtkrank und Prostituierte war?
glaub dieser erste satz könnte sich bei so einigen einbrennen.....
kannst du mit deiner antwort schon leben bzw. sie akzeptieren?

lg
piper
 
S

sagittarius

Gast
Hallo!

Deine Geschichte hat mich tieftraurig gemacht. Und gerade weil du das alles erlebt hast, bewundere ich dich sehr. Du hast es trotzallem geschafft, daß du ein normaldenkender Mensch geblieben bist, der genau erkannt hat was, er braucht und was schlecht ist. Eine Therapie ist da ein wichtiger Schritt.

Vergangenes kann man nicht auslöschen, aber man kann es verarbeiten. Es wird immer wieder Zeiten geben, in denen dich das Vergangene einholen wird. Aber dann hast du die Wahl: lass ich mich fertig machen oder zeig ich dem die Stirn. Du hast schon bewiesen, daß du eine Menge Kraft und Energie und auch den Willen zum Kämpfen hast. Und du kannst diesen Kampf gewinnen. Davon bin ich fest überzeugt.

Ich würde mir sehr wünschen, daß du auch weiterhin auf dem Weg bleibst, den du jetzt begonnen hast. Ich habe das dringende Bedürfnis, dich in den Arm zu nehmen und dir ein "Du schaffst das" zuzurufen.

lg sagittarius
 
G

Gast

Gast
Im Moment gehen mir extrem viele Dinge durch den Kopf.... Vergangenheit, Zukunft und der Moment in dem ich mich gerade befinde...


Ich habe für mich beschlossen, Erlebtes aufzuarbeiten – egal wie schmerzhaft es werden wird.
Würde mich jemand bitten einen Lebenslauf zu schreiben, in dem all die Dinge niederschreibe, die mich zu der Person gemacht haben, die ich heute bin, so würde dies ein halbes Buch werden.


Wer ich heute bin? Im Grunde weiß ich es selber nicht so genau... Ich habe Phasen in denen ich mich selber als Person klar definieren kann, in denen ich weiß, dass ich jemand bin und das ich eigentlich auch stark sein kann, aber ich habe auch Phasen in denen ich mich einfach nur klein und zerbrechlich fühle und eigentlich in meinen Augen einfach niemand bin.


Aufgewachsen bin ich die ersten Jahre meines Lebens in einem kleinen Kurort in Schleswig-Holstein. Meine Mutter war Thailänderin, mein Vater Deutscher. Wir lebten zusammen mit meiner thailändischen Halbschwester und der Mutter meines Vaters in einem schönen Haus mit großem Garten und Schaukel. Im Grunde genommen eine ganz normale Bilderbuchfamilie in einer idyllischen kleinen Straße, in der jeder jeden kennt.
Nur, dass das was nach außen hin gezeigt wird, nicht immer das ist, was sich tatsächlich hinter allem verbirgt.


Ich glaube das ganze Theater ging los, als meine Mutter begann, öfter einfach mal fernzubleiben. Sie kam einfach nicht nach Hause, mein Vater sagte sie in Hamburg ihre thailändischen Freundinnen besuchen. Die Besuche wurden allerdings immer länger, zu Beginn nur ein Wochenende, dann eine Woche, zwei und schließlich kam sie nur noch ab und an um Stück für Stück ihre Sachen zu holen.
Ich war noch lange nicht in der Lage zu verstehen was vor sich ging, aber ich spürte schon, dass sich etwas veränderte.

Meine Schwester stritt sich immer öfter mit meinem Vater, und auch mit mir kam sie nicht so gut klar. In einem Streit warf sie mir an den Kopf wie sehr sie mich hasste weil meine Mutter sie angeblich die Treppe runter werfen wollte als sie merkte das sie mit mir schwanger war. Nun gut ich kann es irgendwie verstehen – erst wird man einfach in Thailand gelassen und dann plötzlich doch geholt weil das Paar denkt es kann keine gemeinsamen Kinder bekommen, und dann kommt auf einmal doch die ersehnte Schwangerschaft, und man wird als Kindermädchen und Putzfrau behandelt und die Mutter stößt einen von sich weg. Ich denke ihre Reaktion war normal.


Die Sehnsucht nach meiner Mutter war so riesengroß. Jede Woche rief ich sie an und fragte ob ich sie besuchen könne, und jedes mal sagte sie ja um hinterrücks meinen Vater anzurufen damit er mir sagen musste das ich nicht kommen kann. Wenn ich aber dorthin konnte, dann war es für mich ein Besuch im Paradies. Das gute Essen, ihr neuer Freund, wenn Hamburger Dom war wurde mir kein Karussell und keine Süßigkeit verwehrt. Aber ich musste auch alleine hingehen, um Punkt 15 Uhr wurde ich mit 200 DM aus dem Haus gescheucht und um 21 Uhr hat man mich dann im Bierzelt zum Ochsen wieder eingesammelt- meist betunken. Auch wenn kein Dom war – ich bekam immer was ich wollte und fuhr mit vielen neuen Sachen und einer menge Taschengeld nach hause. Das war saugut zumindest für mein damaliges empfinden.

Doch die Besuche bei meiner Mutter wurden für mich immer schwerer. Es begann damit, dass sie anfing mich mit ins „103“ zu nehmen, das war die Kneipe ihres Freundes. Immer wenn wir dort waren steckte sie mir 5 Mark in den Spielautomaten und verschwand irgendwo in den Hinterzimmern. Gegen Nachmittag kamen immer ganz viele asiatische Frauen herein, die allesamt schick angezogen und geschminkt waren. Eines Tages als meine 5 Mark verspielt waren ging ich meine Mutter suchen um mir neues Geld zu holen. Ich stieg eine Treppe hinauf und fand mich in einem rotgestrichenen Flur wieder von dem aus es in viele ebenso in rot gehaltene Schlafzimmer ging. In einem dieser Zimmer sah ich auf dem Nachttisch ein Bonbonglas stehen und dachte es wären kleine Tütchen mit Gummibären darin. Aber bevor ich hineingreifen und mich bedienen konnte, stand meine Mutter laut schimpfend hinter mir und bugsierte mich mit einer langen Predigt, das ich dort oben nichts zu suchen hätte nach unten.
Damals war ich 9 Jahre alt und verstand noch nicht, wo ich dort war. Irgendwann mit 12 ist bei mir der Groschen gefallen und eine Welt brach für mich zusammen.
Doch in den Jahren die dazwischen lagen sollte noch so einiges geschehen.
Jeder Besuch bei meiner Mutter war für mich von Vorwürfen geprägt. Immer und immer wieder warf sie mir alkoholisiert und unter Medikamenteneinfluss vor, dass ich und meine Schwester der Grund seien, warum sie nicht zurück nach Thailand gehen könnte, sie müsse ja auf uns aufpassen. Manchmal zickte ich zurück, zu meinem Geburtstag und zu Weihnachten hatte ich sie ja schon seit Jahren nicht gesehen und WENN mal eine Karte kam, dann hatte ihr Freund sie geschickt und ihre Unterschrift gefälscht.


Als ich 13 Jahre alt war ist es dann eskaliert. Ich war zusammen mit meiner Schwester bei meiner Mutter zu Besuch. Sie war betrunken und wir saßen alle zusammen weinend im Schlafzimmer und liessen die immerwährenden Vorwürfe über uns ergehen, die meine Mutter uns zwischen Korn und Tabletten immer wieder predigte. Meine Schwester ging ins Bad und plötzlich kippte meine Mutter um. Durch meine Tätigkeit im Jugendrotkreuz wusste ich so ansatzweise wie ich zu reagieren hatte. Nur konnte ich, vielleicht wegen der Aufregung, keinen Puls spüren. Ich rannte ins Treppenhaus und rief um Hilfe. Zwei Nachbarn kamen und gaben Mund-zu-Mund sowie Herzdruckmassage und riefen den Notarzt. Meine Schwester und ich haben nie wirklich darüber gesprochen, aber ich habe schon damals bei dem Besuch gespürt das irgendwas nicht stimmt. Die Menge an Tabletten die sie an dem Tag genommen, die nimmt man nicht nur weil man den Überblick verliert. Es war ein Suizidversuch und das vor unseren Augen und mit so vielen Vorwürfen.
Das war vorerst mein letzter Besuch bei meiner Mutter.


Ich konnte und wollte solche Situationen nicht mehr erleben und vermied zunächst den Kontakt zu ihr. Ich lebte mein Leben in unserer kleinen Stadt, bei meinem Vater. Meine Schwester wohnte nicht mehr bei uns, meine Oma lag inzwischen im Pflegeheim. Im Endeffekt konnte ich tun und lassen was ich wollte. Ich kam erst kurz vor 24 uhr nach Hause, weil mein Vater gegen 0:30 Uhr von der Nachtschicht kam. Mein Freundeskreis war so um die 20+, natürlich alle mobil.
Sie passten immer gut auf mich auf und ab und zu tranken wir mal ein Bier zusammen.


Bei gleichaltrigen Kindern dagegen war ich nicht sehr beliebt. Für die Coolen war ich zu uncool und bei den anderen Kindern sprachen sich die Eltern dagegen aus, das ich mit ihnen spielte, weil ich ja keine Mutti hätte und daher schlechter Einfluss sei. Von daher hatte ich keine anderen Möglichkeiten.



Ich fühlte mich von meinem Vater nie wirklich geliebt. Er war da und zu Hause war für mich der Platz wo ich schlief und aß. Sicherlich hat er versucht mir an Zuneigung für seine Verhältnisse alles zu geben. Ich fühlte mich stets ungeliebt, allein schon aufgrund der Tatsache, dass ich, wenn ich nach einer Mark fragte für Süßigkeiten, ins Büro gerufen wurde, wo mir dann eine lange Liste mit den Ausgaben gezeigt wurde, die ich den Monat schon verursacht hatte... Es waren sogar Pfennigbeträge aufgelistet wie: 10 Pfennig für einen Lutscher beim wöchentlichen Einkauf.
Wenn ich heute darüber nachdenke, stellt sich mir wieder die Frage meiner Wertigkeit.
War ich als Kind zu teuer? Und als ich verkauft wurde? Wieso dann für nur 3500 Euro?
Was bin ich eigentlich wert? Sicherlich sind das schräge Gedankengänge, und tief in sich weiß man ja auch, dass jeder Mensch wertvoll ist, aber nach solchen Erlebnissen kann ich mir das eben nicht immer sagen.

In unserem Ort gab es damals noch nicht viele Ausländer und dafür umso mehr rechtsradikal eingestellte Jugendliche. Als ich einmal von 3 Mädchen mitten in der Stadt mit Stahlkappen zusammengetreten worden bin und im Krankenhaus erwachte, stand mein Vater am Bett und fing an mir eine Moralpredigt zu halten, ich hätte ja selber Schuld – es würde ja niemand grundlos zuschlagen....


Kurz nach diesem Erlebnis war ich plötzlich auch in der Schule der A****. Ich weiß nicht wieso, aber eines Tages auf dem Weg nach Hause lauerten mir wieder ein paar Leute auf. Sicher, ich war in dem Alter noch mit Karotten-Cordhosen und Micky-Maus-Pulli unterwegs, weil ich ja eben auch keine von den coolen war, aber war das etwa Grund genug?
Eines der Mädchen kam auf mich zu und begann mich zu schlagen – ich hätte angeblich schlecht über sie geredet... Als ich dann völlig aufgelöst zu Hause ankam und mein Vater die Blessuren sah, hagelte es wieder nur Vorwürfe.


Ich war zu der Zeit damals anscheinend das perfekte Opfer für gelangweilte Teenies, die intrigen spinnen und Ärger für andere provozieren wollten. Das haben sie auch geschafft, am selben Tag versuchte ich mir das Leben mit Hilfe von Tabletten zu nehmen.
Als ich im Krankenhaus erwachte, kam irgendwann eine unserer Nachbarinnen zu Besuch, warf mir vor, meinen Vater psychisch fertig machen zu wollen und fragte mich, ob ich so werden wolle wie meine Mutter – jeden Tag einen anderen Mann, jeden Tag besoffen....

Nachdem ich aus dem Krankenhaus entlassen wurde, versuchte ich noch zweimal mir das Leben zu nehmen, einmal sprang ich von einer Brücke – das Wasser war allerdings zu flach und ich verstauchte mir lediglich den Knöchel, der zweite Versuch dann wieder in Form von Tabletten.
Danach wurde ich zur Kinderpsychologin geschickt, deren Behandlung ich dann abbrach, als sie vorschlug mich zur Beobachtung in eine Klinik zu schicken.


Das Verhältnis zu meinem Vater war völlig zerbrochen, ich konnte ihm nur noch mit extremen Agressionen und Hass entgegentreten und ging mehrmals nach der Schule, sofern ich überhaupt hinging, zu verschiedenen Kinderheimen und sagte, dass ich nicht mehr nach Hause wolle. Irgendwann wurde das Jugendamt informiert, aber man sagte meinem Vater, was er zu zahlen hätte, wenn ich in ein Heim käme, woraufhin ich mit Druck dazu gebracht wurde, die für mich rettende Idee wieder zu verwerfen.


Irgendwann als ich 14 Jahre alt war, ich war bereits am Kiffen und am Extacy nehmen wie ne Große, warf mein Vater mich raus.... Gut – ich hatte schon viele Kontakte durch meine Drogenfreunde in Hamburg und verschwand dorthin. Über Wasser hielt ich mich, indem ich bei Freunden mal hier mal da wohnte, und mit meinem Kindergeld und ein paar anderen Geschäften.
Der Kontakt zu meinem Vater ist bis heute lediglich sporadisch – ich vermeide ganz bewusst jegliche Familientreffen, einfach weil ich dann nach wie vor mit Vorwürfen konfrontiert werde, dass ich doch endlich mein Leben in Ordnung bringen solle. DAS hätte er mir sagen sollen als ich 14 war und er mich rausgeworfen hat, und nicht 14 Jahre später mit solchen Aussagen kommen. Immerhin für alles was danach noch gekommen ist, alles wo ich dringesteckt habe und selber wieder rausgekommen – das ist meiner Meinung nach eine ganze Menge was ich da gesleistet habe.


Meine Drogenkarriere war schon extrem erschreckend... Designerdrogen waren damals extrem populär und lange blieb es nicht bei Extacy - Speed, ab und an mal Kokain und mein neuer Favorit LSD gesellten sich dazu. Die Drogen lenkten mich ab von meinem Leben, dass ich nicht spüren wollte, so war ich letztlich jeden Tag drauf. Bis heute bin ich froh, dass ich niemals mit Heroin in Kontakt gekommen bin.
Wir lebten teilweise mit 6 Leuten, alles so gestrauchelte Minderjährige wie ich, heimlich in der Jugendwohnung eines Freundes und träumten von einem normalen, stabilen Leben, mit festem Einkommen und ohne Drogen.
Irgendwann merkte ich aber, dass ich mit meinen Träumereien aus der Misere nicht herauskommen würde und ging zur Drogenberatung.
Der Drogenberater nahm mich mit in einen Raum und ich sagte ihm klipp und klar war ich wollte:
Eine Therapie mit anschliessender Betreuung. Um alles in die Wege zu leiten benötigte er eine Art Schicksals-Lebenslauf. Er sagte ich solle alles aufschreiben, wovon ich glaubte, dass es mich dazu gebracht hat dieses Leben zu führen und diesen Lebenslauf sollte ich eine Woche später abgeben.
Eine Woche später erschien ich in der Drogenberatung und gab ihm 80 doppeltseitig handgeschriebene Din-A-4 Seiten. Er hat sich zwar ein wenig verschluckt, weil normalerweise die Heroin-Junkies, die ja normalerweise in solchen Institutionen verkehren, ne halbe Din-A-4 Seite abgeben.
Eine Woche später, als ich wieder in die Beratungsstelle kam, kamen alle Drogenberater um mich kennenzulernen – denn alle hatten meinen Lebenslauf gelesen und wollten mit mir sprechen, ob man nicht ein Buch daraus machen könne. Das schmeichelte mir zwar sehr, war aber nebensächlich.
Gut, ich muss gestehen, aus der Therapie ist nichts geworden, weil ich mal wieder nix auf die Reihe gekriegt hab – ich hab nach wie vor Riesenprobleme mit Papierkram und Ämtergängen, aber ich habs ja auch so irgendwie geschafft....


Ausschlaggeben war dafür eine Freundin, die zwar auch Drogen nahm und die ich auch von Parties kannte, die aber ihr Leben dafür richtig im Griff hatte. Sie nahm mich bei sich auf, sorgte dafür dass ich arbeiten ging, vermittelte mir auch einen richtig guten Kellnerjob – nur irgendwann zog sie zu ihrem Freund und der Kontakt brach ab – immerhin, sie hatte mich stabiler gemacht.


Als ich dann einen neuen Freund in Kiel hatte, nutzte ich die Chance und zog zu ihm – so war ich fernab von all den Drogenfreunden und konnte neu und vor allem drogenfrei anfangen.
Zwei Jahre später, nachdem ich entdeckt hatte, dass er mich betrog zog ich zurück nach Hamburg, ich hatte einen tollen Job in einem Callcenter, wo ich innerhalb von 4 Jahren auf zur Teamleitung aufgestiegen war, ging zur Abendschule um mein Abi zu machen, bis ich eines Tages zu Hause mit einem Freund saß – wir wollten ausgehen und plötzlich piepte mein Emailprogramm.
Es war eine Email von meiner Schwester, ich solle bitte schnellstmöglich ins Altonaer Krankenhaus kommen. Mein Bekannter fuhr mich hin und ich stürmte völlig unvorbereitet ins Zimmer, sah meine völlig aufgelöste Schwester am Bett meiner Mutter sitzen.
Es piepste und blinkte... Sie war in ihrer Wohnung gefunden worden mit Gehirnblutungen, Not-OP hatte bereits stattgefunden, aber die Ärzte sagten, sie würde es vermutlich nicht schaffen.


Sie schaffte es zwar, sich wieder aufzurappeln, war halbseitig gelähmt, und konnte nicht mehr sprechen, aber sie lebte noch und irgendwie war ich sehr froh darüber – egal, was sie mir alles, vielleicht unbewusst angetan hat, sie ist doch meine Mutter und die Person, die ich mein ganzes Leben lang vermisst und in vielen gesucht habe, was ich auch immer noch tue.
Das letzte Mal als ich sie im Pflegeheim besucht habe, habe ich ihr gesagt, dass ich ihr alles verzeihe und ich bin mir bis heute sicher, dass sie mich verstanden hat, denn eine Träne rollte über ihre Wange. Am nächsten Tag rief mich meine Schwester an und teilte mir mit, dass sie am Morgen nach meinem Besuch gestorben war.
Ich weiß nicht, ob ich ihr wirklich schon verziehen habe, denn meine Mutter beschäftigt mich nach wie vor sehr stark.....Aber ich habe ihr das gesagt, damit sie in Ruhe gehen kann und ich denke, dass war eine der besten Entscheidungen die ich getroffen habe.



Kurz nach dem Tod meiner Mutter am 17.10.2004 hatte ich Geburtstag (30.10.) am Tag vor mir hatte eine Bekannte Geburtstag, die mich zu ihrer Feier einlud. Ich wollte nicht hin, immerhin war ich noch in Trauer, aber sie und ihr Freund sagten, wenn es mir zuviel werden sollte, würde man mich sofort nach Hause fahren, woraufhin ich zusagte. Ich wusste, dass sie in der Herbertstraße arbeitet und ihr Freund ihr Zuhälter war. Aber die beiden hatten mich mit dem Thema immer in Ruhe gelassen, so dachte ich mir nichts dabei zu dieser Feier zu fahren.
Dort wurde mir ein echt hübscher junger Mann vorgestellt. Was ich nicht wusste war, dass man einfach die Situation ausnutzen wollte, dass ich einfach ohne Halt in der Weltgeschichte herumirrte. Ich nenne diesen Mann einfach mal R., nutzte aus, dass ich einsam war und hielt mir den Strohhalm hin, den ich auch ergriff. Wir hatten zwei richtig tolle Monate, dann fand ich mich plötzlich auch in der Herbertstraße wieder. Was nun begann war eine Zeit, die mich ziemlich kaputtgemacht hat.


R wurde gewaltätig, kam von Parties nach Hause, drückte mir Kissen aufs Gesicht während ich schlief. Machte Schulden bei anderen Zuhältern, also lieh sich ohne zu wissen was ich verdient hatte 350 Euro um Vodka-Flaschen auf den Tisch stellen zu können ect.
Ich bekam jeden Tag 10 Euro Taschengeld für Essen und Zigaretten, von dem Restgeld sah ich nichts.
Hatten wir Streit, und den hatten wir oft, ließ er mich nicht in unsere Wohnung und ich musste gesenkten Hauptes und total verheult wieder zurück zur Herbertstraße und im Puff auf dem Freierbett schlafen. Meistens habe ich dann Doppelschichten geschoben. Es ist ziemlich makaber, dass ich gerade in den heutigen Zeiten wo man soviel über Zuhäterei ect hört, am besten verdient habe, wenn ich so verheult in meinem Fensterchen gestanden habe. Keine Ahnung ob das Mitleid war von den Freiern....
Irgendwann ist das mit R und mir so eskaliert, dass wir uns getrennt haben. Er hat mich dann für 3500 Euro an jemand anders verkauft, mit dem ich aber keine Beziehung führte, sondern lediglich zusammen wohnte und wöchentlich 250 Euro abgab. Es war eine Art Geschäftsbeziehung – ich hatte ihn mir auch zum Glück selber aussuchen können. R war anscheinend froh, dass ich ihm überhaupt nochmal Geld brachte auf diesem Weg.
Mit T meinem „Neuen“ war auch alles super – ich machte Urlaub, zwar in seiner Begleitung, aber das ok, denn das Verhältnis war relativ freundschaftlich, ich konnte einmal im Monat einen Abend am Wochenende ausgehen. Ich hatte sogar mehrere „normale“ Männer in den Jahren mit T.
Aber eine Beziehung mit einer Prostituierten und einem soliden Mann hält halt nicht lange in der Regel.


Irgendwann merkte ich, dass ich auch ohne Mann im Millieu zurechtkam und „trennte“ mich offiziell von T. Danach arbeitete ich noch ca. 1 Jahr in dem Job, weil ich nicht meine Abendschule und alles aufgegeben hatte, um nach meiner Zeit als Hure ohne einen einzigen Cent dazustehen.


Jetzt? Ja jetzt strippe ich, fühle mich wohl dabei und bin verliebt in einen guten Mann. Klar ich habe nach wie vor meine Probleme und ja, ich bin meiner Meinung nach auch ziemlich gestört, aber er tritt mir ordentlich in den A**** damit ich endlich eine Therapie anfange.


Mir hat mal jemand gesagt, ich würde in allem was ich tue meine Mutter suchen. Ist es wirklich so? Habe ich mir all das angetan, weil meine Mutter auch Suchtkrank und Prostituierte war?
Ist mein Kurs der Selbstzerstörung endlich abgeschlossen oder sollte ich mich jetzt, wo es seit ca. 1 Jahr endlich alles ziemlich ruhig ist in meinem Leben und einigermaßen geregelt lieber auf das nächste Chaos vorbereiten?


Ich wollte dir einfach nur einen kleinen Vorschklag machen.
Und zwar, versuch doch einfach mal all deinen Schmerz und Kummer in einem Buch zu verfassen.
Damit könntest du dir selbst und vielleicht auch vielen anderen helfen!!
 
G

Gast

Gast
Anscheinend hast du ne sehr niedrige Meinung von dir sonst würdest du dich nicht so verkaufen. Klingt hart aber Leute wie du tragen dazu bei, dass Thailänderinnen hier als billige ******* gelten.
 

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