Maliza
Mitglied
Der Text ist ziemlich lang geworden. Es ist mir wichtig zu zeigen, dass "Misshandlung" viele Gesichter hat.
Meine Kindheit, lässt sich grob aufgeteilt, in drei Bereiche gliedern:
1. Im Alter von 0-10 habe ich um Zuwendung und Aufmerksamkeit gekämpft.
2. Im Alter von 11-14 war ich massiven körperlichen und seelischen Misshandlungen ausgesetzt und habe um meine körperliche und seelische Unversehrtheit gekämpft, mich vermeintlich angepasst und wäre fast an der Erkenntnis, meine Mutter verlassen zu müssen, um zu überleben, zerbrochen.
3. Im Alter von 15-21 habe ich um eine Existenz gekämpft, darum einen Platz im Leben haben zu dürfen und mir selbst treu bleiben zu dürfen.
Ich war kein geplantes Kind, sondern eine "Überraschung". Meine Mutter war 21 Jahre alt, als ich geboren wurde. Nachdem sich meine Großeltern dazu bereit erklärten, sich um mich zu kümmern, entschied sie sich gegen eine Abtreibung. Damals waren meine Eltern noch miteinander verheiratet und lebten zusammen. Sie trennten sich als ich ein Jahr alt war und ließen sich zwei Jahre später scheiden. Meine Mutter "besuchte" mich bei meinen Großeltern fast jeden Tag.
Ich habe schon damals gepürt, dass es meiner Mutter nicht um mich bei diesen Besuchen ging. Sie unterhielt sich mit meiner Oma und machte sich häufig, wenn ich sie ansprach, über mich lustig. Sie verbot mir,sie in den Arm zu nehmen, weil ich angeblich ihr Make-up verschmieren würde. Sie war damals sehr hübsch und wirkte auf mich "zu perfekt" zum Anfassen. Manchmal, wenn sie gute Laune hatte, tanzte sie mit mir im Wohnzimmer zu der Disco-Musik ihrer Platten. Sie fasste mich bei dieser Gelegenheit häufig an den Armen und Beinen, um "Hebeübungen" auszuprobieren. Häufig hatten diese Übungen zur Folge, dass ich mir weh tat, weil sie mich so unachtsam und heftig durch die Luft warf, dass ich mir den Kopf an Wänden und Möbelstücken stiess. Sie mir mal erzählt, dass sie kurz nach meiner Geburt geglaubt hat, man hätte ihr das falsche Baby gegeben, weil ich blond bin und blaue Augen habe.
Wenn ich als kleines Mädchen darüber geweint habe, dass sie mich nicht berühren konnte, hat sie mir gesagt, ich würde später einen Mann kennenlernen, der mich in den Arm nimmt und mit mir kuschelt. Damals war ich noch zu klein, um in den Kindergarten zu gehen. Die Aussicht auf spätere Umarmungen durch irgendeinen Mann konnten mich nicht trösten.
Meine Eltern trennten sich.
Zur Zeit der Scheidung meiner Eltern war ich drei Jahre alt. Damals hat mein Vater das Besuchsrecht für mich zugesprochen bekommen.
Während der Besuchstermine hat mein Vater sich dann nicht für mich interessiert, sondern ausschließlich mit meiner Mutter unterhalten.
Irgendwann sind wir in eine ländliche Gegend gefahren und zu dritt über ein abgemähtes Maisfeld gelaufen. Meine Mutter hatte aufgehört mit meinem Vater zu reden. Mein Vater hat dann, möglicherweise aus Langeweile, angefangen, mir von hinten "Beinchen zu stellen". Er hat früher Fußball gespielt und hatte eine sehr routinierte Art, mir von hinten mit den Fuß die Beine wegzuziehen, bis ich hinfiel. Zuerst habe ich noch so getan, als ob es mir Spass macht. Als ich stürzte, habe ich mir die Beine ziemlich übel an den scharfen Maisstoppeln aufgeschrammt. Danach hatte ich Angst und habe angefangen, zu weinen, Trotzdem hörte er nicht damit auf. Einige Male tat er so, als ob er das Interesse an mir verloren hätte und wartete darauf, dass ich wieder nach vorn schaute, anstatt mich ängstlich nach ihm umzusehen, bis er mir wieder die Füße wegzog. Meine Mutter beobachtete das Ganze aus der Entfernung und lachte. - Das war meine erste Erfahrung darin, das Opfer eines (zweier) Sadisten zu sein.
Nachdem sich das "Beinchen-Stellen" bei den nächsten Besuchsterminen wiederholte, wurden meine Großeltern wütend und haben von meiner Mutter verlangt, dass sie dafür Sorge trägt, dass (notfalls auf dem Klageweg) die Besuchstermine eingestellt werden. Meine Mutter klagte und gewann. Danach habe ich meinen Vater fünf Jahre lang nicht gesehen.
Gelegentlich bemühte sich meine Mutter darum, sich um mich zu "kümmern". Schon damals konnte ich deutlich spüren, dass ihre Bemühungen (Kuchen-backen, wiederwillige Umarmungen, das Vorlesen aus einem Märchenbuch) purer Aktionismus waren und sie eine Rolle spielte.
Als ich sechs Jahre alt war lernte meine Mutter ihren zweiten Ehemann kennen. Mein Bruder wurde geboren, als ich sieben Jahre alt war. Während sie schwanger war, strickte sie einen Bären aus Wolle für mich. Als der Bär fertiggestellt war, wurde mir mein "Geschenk" mit den Worten, dass sie von nun an nicht mehr "so viel" Zeit für mich haben würde, weil mein Brüderchen ihre gesammte Liebe und Aufmerksamkeit brauche. überreicht. Dieser Bär sollte der Ersatz für ihre "Zuwendung" sein. Ich habe den Bären erst im vergangenen Jahr wegschmeissen können.
In den zwei Jahren ihrer zweiten Ehe habe ich wenig von meiner Mutter gesehen.
Nach der Trennung von ihrem zweiten Mann holte mich meine Mutter an den Wochenenden zu sich. Obwohl ich sie damals sehr liebte, sah ich häufig dem Besuch bei ihr mit gemischten Gefühlen entgegen. Die Regeln unseres Zusammenlebens änderten sich ständig. Es war sehr schwer für mich, herauszufínden innerhalb welcher Grenzen ich mich bewegen durfte. Ein falsches Wort oder auch nur ein Blick konnten der Auslöser für einen Jähzornsanfall von ihr sein. Damals begrenzten sich ihre Strafen noch darauf, mich in einem fensterlosen Raum einzusperren und/oder an meinen Haaren zu ziehen.
Als ich neun Jahre alt war lernte meine Mutter ihren Ehemann Nr. 3 kennen. Da diese Ehe am Anfang wohl besser als die beiden vorangegangenen funktionierte, plante meine Mutter eine Zeit lang, mich nach meinem Wechsel auf eine weiterführende Schule ganz zu sich zu nehmen. Ich war in dieser Zeit an fast allen Wochenenden und in den Ferien bei ihr. Zu dieser Zeit begannen die körperlichen Misshandlungen. Zuerst katte sie nur eine lockere Hand und verteilte häufig Ohrfeigen. Die Schläge waren oft ungerechtfertigt, bzw. stand mein "Vergehen" in keinem Verhältnis zu der "Bestrafung". Sie begann mir gegenüber zu betonen, dass mein Bruder ihr "Wunschkind" sei und ihr "Liebstes auf der Welt". Gleichzeitig ergingen häufig ohne jeden Anlass die wiederlichsten Schimpftiraden über mich.
Als ich dann umgeschult wurde, begann auch die dritte Ehe bereits zu krieseln. Es kam zu dieser Zeit noch nicht dazu, dass ich bei ihr einzog.
Als ich zwölf Jahre alt war, starb mein Opa. Da meine Oma mich als unnötige Belastung ansah, wurde entschieden, dass ich bei meiner Mutter einziehe.
Obwohl meinen Mutter mich zuvor schon geschlagen hatte, traf es mich überraschend, als sie mich das erste mal zusammenschlug. Ich hatte damals keine Kenntnis von Persönlichkeitsstörungen. Der verwahrloste Zustand ihrer Wohnung war für mich "normal".
Meine "Mutter" war und ist phasenweise durch ihre psychische Erkrankung antriebsschwach. In diesen Phasen, die manchmal Monate andauerten, hat sie ihre Rechnungen nicht mehr bezahlt, die Post nicht geöffnet, ließ die Wohnung verdrecken und "vergaß", den Müll rauszubringen. Essensreste, wie geöffnete Johurtbecher und angebissene Butterbrote wurden einfach in die Schubladen vom Wohnzimmerschrank geworfen.Manchmal hatte ich, wenn ich von der Schule nach Hause kam, ein bis zwei Stunden Zeit, um aufzuräumen und sauber zu machen. Sie war in dieser Zeit einkaufen oder machte, wenn sie kein Geld hatte, einen Spaziergang. Ich verrichtete dann einen Teil der Hausarbeit wie in Zeitlupe, da ich mich die ganze Zeit über wie gelähmt fühlte. Jeder einzelne Griff fiel mir so schwer, als ob tonnenschwere Gewichte an meinen Armen hängen würden. Wenn sie nach Hause kam, um meine Arbeit zu inspizieren, fühlte ich mich, in Erwartung der unmittelbar bevorstehenden Misshandlungen, wie erstarrt. Sie beschimpfte mich den ganzen Tag über als faul und phlegmatisch.
In der Zeit, die ich bei ihr verbracht habe, wurde uns der Strom und das Telefon gesperrt, da sie die Rechnungen nicht mehr bezahlte. In einem Monat mussten wir uns drei Wochen lang nur von Toastbrot, Kartoffelbrei aus der Tüte und Mineralwasser ernähren. Bei jedem Klingeln der Türglocke, wies sie meinen Bruder und mich an, leise zu sein. Wir stellten uns "tot", um dem vermeintlichen Gerichtsvollzieher vorzugaukeln, es wäre niemand daheim. In der Schule habe ich mich zu sehr geschämt, zuzugeben, dass sie mir keine Schulbücher kaufen wollte. Ich habe immer behauptet, dass ich meine Bücher zuhause vergessen hätte.
In dieser Zeit kam es zu täglichen, körperlichen Misshandlungen (schlagen, treten, beissen, würgen, Haare ausreissen, mir ins Gesicht spucken). Vor den Misshandlungen hat sie mich häufig gezwungen, mich nackt auszuziehen oder mir die Kleidung heruntergerissen, um die Erniedrigung zu vergrössern.
Während sie bei den Misshandlungen völlig unkontrolliert wirkte, mich blindlings schlug, wirkten die Vorbereitungen meiner Bestrafung (die Befragung nach meinen "Vergehen" durch sie, das Schliessen der Jalousie, um den Raum zu verdunkeln) immer methodisch. Da sie große Angst davor hatte, dass andere Leute auf die Zustände in ihrem Haushalt aufmerksam werden, hat sie mir mehrmals ein Messer gezeigt, mit dem sie mich erstechen wollte, falls ich mit fremden Leuten über die Misshandlungen spreche. Sie hat mir beschrieben, wie sie mich in einen Müllsack einpacken und in dem Kofferraum ihres Wagens in ein abgelegenes Waldstück transportieren wird, um mich dort zu begraben. Nachdem sie mir dies in Aussicht stellte, beschloss ich, von ihr fortzulaufen.
Nach meiner Flucht wurde meine Oma vom Jugendamt gebeten, die Pflegschaft für mich zu übernehmen. Nachdem sie erfuhr, dass sie neben dem Unterhalt und Kindergeld noch Anspruch auf Erziehungsgeld hatte, willigte sie ein. Es wurde mir ständig vor Augen gehalten, dass ich bei ihr nur geduldet werden und ein Heimaufenthalt in Aussicht gestellt, wenn ich zu hohe Kosten verursachen oder nicht nach ihren Vorstellungen funktionieren sollte.
Ich zog mit 19 Jahren aus und verlor eine Zeit lang die Orientierung. In den nächsten vier Jahren war ich depressiv, lebte, unfähig eine richtige Bindung einzugehen, allein, hielt mich mit Gelegenheitsjobs über Wasser und hatte Umgang mit Menschen, die mich immer tiefer herunterrissen. Mit 25, als ich vor dem nichts stand und mit extremen Existenzängsten zu kämpfen hatte, brach ich alle Brücken hinter mir ab. Ich konnte mit ein wenig Glück und einer Menge harter Arbeit beruflich wieder Fuß fassen. Es gelang mir, mich weiterzuqualifizieren, neue Kontakte zu knüpfen, Freunde zu gewinnen, die bis heute geblieben sind.
Bis heute ertappe ich mich immer wieder dabei, die Nähe zu einem liebgewonnenen Menschen manchmal nicht aushalten zu können. Manchmal glaube ich, nur dann glücklich zu sein, wenn ich etwas (jemanden) habe, um das/den ich kämpfen kann. Die härtesten Kämpfe fechte ich mit mir selbst aus.
LG
Maliza
Meine Kindheit, lässt sich grob aufgeteilt, in drei Bereiche gliedern:
1. Im Alter von 0-10 habe ich um Zuwendung und Aufmerksamkeit gekämpft.
2. Im Alter von 11-14 war ich massiven körperlichen und seelischen Misshandlungen ausgesetzt und habe um meine körperliche und seelische Unversehrtheit gekämpft, mich vermeintlich angepasst und wäre fast an der Erkenntnis, meine Mutter verlassen zu müssen, um zu überleben, zerbrochen.
3. Im Alter von 15-21 habe ich um eine Existenz gekämpft, darum einen Platz im Leben haben zu dürfen und mir selbst treu bleiben zu dürfen.
Ich war kein geplantes Kind, sondern eine "Überraschung". Meine Mutter war 21 Jahre alt, als ich geboren wurde. Nachdem sich meine Großeltern dazu bereit erklärten, sich um mich zu kümmern, entschied sie sich gegen eine Abtreibung. Damals waren meine Eltern noch miteinander verheiratet und lebten zusammen. Sie trennten sich als ich ein Jahr alt war und ließen sich zwei Jahre später scheiden. Meine Mutter "besuchte" mich bei meinen Großeltern fast jeden Tag.
Ich habe schon damals gepürt, dass es meiner Mutter nicht um mich bei diesen Besuchen ging. Sie unterhielt sich mit meiner Oma und machte sich häufig, wenn ich sie ansprach, über mich lustig. Sie verbot mir,sie in den Arm zu nehmen, weil ich angeblich ihr Make-up verschmieren würde. Sie war damals sehr hübsch und wirkte auf mich "zu perfekt" zum Anfassen. Manchmal, wenn sie gute Laune hatte, tanzte sie mit mir im Wohnzimmer zu der Disco-Musik ihrer Platten. Sie fasste mich bei dieser Gelegenheit häufig an den Armen und Beinen, um "Hebeübungen" auszuprobieren. Häufig hatten diese Übungen zur Folge, dass ich mir weh tat, weil sie mich so unachtsam und heftig durch die Luft warf, dass ich mir den Kopf an Wänden und Möbelstücken stiess. Sie mir mal erzählt, dass sie kurz nach meiner Geburt geglaubt hat, man hätte ihr das falsche Baby gegeben, weil ich blond bin und blaue Augen habe.
Wenn ich als kleines Mädchen darüber geweint habe, dass sie mich nicht berühren konnte, hat sie mir gesagt, ich würde später einen Mann kennenlernen, der mich in den Arm nimmt und mit mir kuschelt. Damals war ich noch zu klein, um in den Kindergarten zu gehen. Die Aussicht auf spätere Umarmungen durch irgendeinen Mann konnten mich nicht trösten.
Meine Eltern trennten sich.
Zur Zeit der Scheidung meiner Eltern war ich drei Jahre alt. Damals hat mein Vater das Besuchsrecht für mich zugesprochen bekommen.
Während der Besuchstermine hat mein Vater sich dann nicht für mich interessiert, sondern ausschließlich mit meiner Mutter unterhalten.
Irgendwann sind wir in eine ländliche Gegend gefahren und zu dritt über ein abgemähtes Maisfeld gelaufen. Meine Mutter hatte aufgehört mit meinem Vater zu reden. Mein Vater hat dann, möglicherweise aus Langeweile, angefangen, mir von hinten "Beinchen zu stellen". Er hat früher Fußball gespielt und hatte eine sehr routinierte Art, mir von hinten mit den Fuß die Beine wegzuziehen, bis ich hinfiel. Zuerst habe ich noch so getan, als ob es mir Spass macht. Als ich stürzte, habe ich mir die Beine ziemlich übel an den scharfen Maisstoppeln aufgeschrammt. Danach hatte ich Angst und habe angefangen, zu weinen, Trotzdem hörte er nicht damit auf. Einige Male tat er so, als ob er das Interesse an mir verloren hätte und wartete darauf, dass ich wieder nach vorn schaute, anstatt mich ängstlich nach ihm umzusehen, bis er mir wieder die Füße wegzog. Meine Mutter beobachtete das Ganze aus der Entfernung und lachte. - Das war meine erste Erfahrung darin, das Opfer eines (zweier) Sadisten zu sein.
Nachdem sich das "Beinchen-Stellen" bei den nächsten Besuchsterminen wiederholte, wurden meine Großeltern wütend und haben von meiner Mutter verlangt, dass sie dafür Sorge trägt, dass (notfalls auf dem Klageweg) die Besuchstermine eingestellt werden. Meine Mutter klagte und gewann. Danach habe ich meinen Vater fünf Jahre lang nicht gesehen.
Gelegentlich bemühte sich meine Mutter darum, sich um mich zu "kümmern". Schon damals konnte ich deutlich spüren, dass ihre Bemühungen (Kuchen-backen, wiederwillige Umarmungen, das Vorlesen aus einem Märchenbuch) purer Aktionismus waren und sie eine Rolle spielte.
Als ich sechs Jahre alt war lernte meine Mutter ihren zweiten Ehemann kennen. Mein Bruder wurde geboren, als ich sieben Jahre alt war. Während sie schwanger war, strickte sie einen Bären aus Wolle für mich. Als der Bär fertiggestellt war, wurde mir mein "Geschenk" mit den Worten, dass sie von nun an nicht mehr "so viel" Zeit für mich haben würde, weil mein Brüderchen ihre gesammte Liebe und Aufmerksamkeit brauche. überreicht. Dieser Bär sollte der Ersatz für ihre "Zuwendung" sein. Ich habe den Bären erst im vergangenen Jahr wegschmeissen können.
In den zwei Jahren ihrer zweiten Ehe habe ich wenig von meiner Mutter gesehen.
Nach der Trennung von ihrem zweiten Mann holte mich meine Mutter an den Wochenenden zu sich. Obwohl ich sie damals sehr liebte, sah ich häufig dem Besuch bei ihr mit gemischten Gefühlen entgegen. Die Regeln unseres Zusammenlebens änderten sich ständig. Es war sehr schwer für mich, herauszufínden innerhalb welcher Grenzen ich mich bewegen durfte. Ein falsches Wort oder auch nur ein Blick konnten der Auslöser für einen Jähzornsanfall von ihr sein. Damals begrenzten sich ihre Strafen noch darauf, mich in einem fensterlosen Raum einzusperren und/oder an meinen Haaren zu ziehen.
Als ich neun Jahre alt war lernte meine Mutter ihren Ehemann Nr. 3 kennen. Da diese Ehe am Anfang wohl besser als die beiden vorangegangenen funktionierte, plante meine Mutter eine Zeit lang, mich nach meinem Wechsel auf eine weiterführende Schule ganz zu sich zu nehmen. Ich war in dieser Zeit an fast allen Wochenenden und in den Ferien bei ihr. Zu dieser Zeit begannen die körperlichen Misshandlungen. Zuerst katte sie nur eine lockere Hand und verteilte häufig Ohrfeigen. Die Schläge waren oft ungerechtfertigt, bzw. stand mein "Vergehen" in keinem Verhältnis zu der "Bestrafung". Sie begann mir gegenüber zu betonen, dass mein Bruder ihr "Wunschkind" sei und ihr "Liebstes auf der Welt". Gleichzeitig ergingen häufig ohne jeden Anlass die wiederlichsten Schimpftiraden über mich.
Als ich dann umgeschult wurde, begann auch die dritte Ehe bereits zu krieseln. Es kam zu dieser Zeit noch nicht dazu, dass ich bei ihr einzog.
Als ich zwölf Jahre alt war, starb mein Opa. Da meine Oma mich als unnötige Belastung ansah, wurde entschieden, dass ich bei meiner Mutter einziehe.
Obwohl meinen Mutter mich zuvor schon geschlagen hatte, traf es mich überraschend, als sie mich das erste mal zusammenschlug. Ich hatte damals keine Kenntnis von Persönlichkeitsstörungen. Der verwahrloste Zustand ihrer Wohnung war für mich "normal".
Meine "Mutter" war und ist phasenweise durch ihre psychische Erkrankung antriebsschwach. In diesen Phasen, die manchmal Monate andauerten, hat sie ihre Rechnungen nicht mehr bezahlt, die Post nicht geöffnet, ließ die Wohnung verdrecken und "vergaß", den Müll rauszubringen. Essensreste, wie geöffnete Johurtbecher und angebissene Butterbrote wurden einfach in die Schubladen vom Wohnzimmerschrank geworfen.Manchmal hatte ich, wenn ich von der Schule nach Hause kam, ein bis zwei Stunden Zeit, um aufzuräumen und sauber zu machen. Sie war in dieser Zeit einkaufen oder machte, wenn sie kein Geld hatte, einen Spaziergang. Ich verrichtete dann einen Teil der Hausarbeit wie in Zeitlupe, da ich mich die ganze Zeit über wie gelähmt fühlte. Jeder einzelne Griff fiel mir so schwer, als ob tonnenschwere Gewichte an meinen Armen hängen würden. Wenn sie nach Hause kam, um meine Arbeit zu inspizieren, fühlte ich mich, in Erwartung der unmittelbar bevorstehenden Misshandlungen, wie erstarrt. Sie beschimpfte mich den ganzen Tag über als faul und phlegmatisch.
In der Zeit, die ich bei ihr verbracht habe, wurde uns der Strom und das Telefon gesperrt, da sie die Rechnungen nicht mehr bezahlte. In einem Monat mussten wir uns drei Wochen lang nur von Toastbrot, Kartoffelbrei aus der Tüte und Mineralwasser ernähren. Bei jedem Klingeln der Türglocke, wies sie meinen Bruder und mich an, leise zu sein. Wir stellten uns "tot", um dem vermeintlichen Gerichtsvollzieher vorzugaukeln, es wäre niemand daheim. In der Schule habe ich mich zu sehr geschämt, zuzugeben, dass sie mir keine Schulbücher kaufen wollte. Ich habe immer behauptet, dass ich meine Bücher zuhause vergessen hätte.
In dieser Zeit kam es zu täglichen, körperlichen Misshandlungen (schlagen, treten, beissen, würgen, Haare ausreissen, mir ins Gesicht spucken). Vor den Misshandlungen hat sie mich häufig gezwungen, mich nackt auszuziehen oder mir die Kleidung heruntergerissen, um die Erniedrigung zu vergrössern.
Während sie bei den Misshandlungen völlig unkontrolliert wirkte, mich blindlings schlug, wirkten die Vorbereitungen meiner Bestrafung (die Befragung nach meinen "Vergehen" durch sie, das Schliessen der Jalousie, um den Raum zu verdunkeln) immer methodisch. Da sie große Angst davor hatte, dass andere Leute auf die Zustände in ihrem Haushalt aufmerksam werden, hat sie mir mehrmals ein Messer gezeigt, mit dem sie mich erstechen wollte, falls ich mit fremden Leuten über die Misshandlungen spreche. Sie hat mir beschrieben, wie sie mich in einen Müllsack einpacken und in dem Kofferraum ihres Wagens in ein abgelegenes Waldstück transportieren wird, um mich dort zu begraben. Nachdem sie mir dies in Aussicht stellte, beschloss ich, von ihr fortzulaufen.
Nach meiner Flucht wurde meine Oma vom Jugendamt gebeten, die Pflegschaft für mich zu übernehmen. Nachdem sie erfuhr, dass sie neben dem Unterhalt und Kindergeld noch Anspruch auf Erziehungsgeld hatte, willigte sie ein. Es wurde mir ständig vor Augen gehalten, dass ich bei ihr nur geduldet werden und ein Heimaufenthalt in Aussicht gestellt, wenn ich zu hohe Kosten verursachen oder nicht nach ihren Vorstellungen funktionieren sollte.
Ich zog mit 19 Jahren aus und verlor eine Zeit lang die Orientierung. In den nächsten vier Jahren war ich depressiv, lebte, unfähig eine richtige Bindung einzugehen, allein, hielt mich mit Gelegenheitsjobs über Wasser und hatte Umgang mit Menschen, die mich immer tiefer herunterrissen. Mit 25, als ich vor dem nichts stand und mit extremen Existenzängsten zu kämpfen hatte, brach ich alle Brücken hinter mir ab. Ich konnte mit ein wenig Glück und einer Menge harter Arbeit beruflich wieder Fuß fassen. Es gelang mir, mich weiterzuqualifizieren, neue Kontakte zu knüpfen, Freunde zu gewinnen, die bis heute geblieben sind.
Bis heute ertappe ich mich immer wieder dabei, die Nähe zu einem liebgewonnenen Menschen manchmal nicht aushalten zu können. Manchmal glaube ich, nur dann glücklich zu sein, wenn ich etwas (jemanden) habe, um das/den ich kämpfen kann. Die härtesten Kämpfe fechte ich mit mir selbst aus.
LG
Maliza