Meine Oma ist gestorben und ich konnte nicht für sie da sein

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Gast

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Sie war 88, hatte am Sonntag einen Schlaganfall, bei dem so aber zu spät gefunden wurde. Kam im KH auf intensiv, am Diesntag hat sich ihre Situation dramatisch verschlechtert. Ich hab sie noch einmal besucht. Sie war nur am japsen und stöhnen. Ihr Mund war gelähmt offen, und sie war im Todeskampf. Ich bin ein wenig bei ihr geblieben, hab es aber nach ner Weile einfach nicht mehr ausgehalten, sie so zu sehen, und musste an die frische Luft für ne Stunde. In der Zeit ist sie gestorben.
 
Da musst Du Dir keine Vorwürfe machen.

Du kannst und konntest nichts daran ändern.

Uns hat eine Krankenschwester erzählt, dass es ganz oft so ist, dass oft so ist, dass die Sterbenden fast darauf warten würden, dass man sie alleine lässt zum Sterben.

Sagte, dass fast zu 90 % so ist, dass die Angehörigen, am Bett der Sterbenden warten und sie begleiten möchten und die Patienten genau dann sterben, wenn die Angehörigen für 5 Minuten auf die Toilette gingen.

Sie sagte es wäre ganz komisch, es wäre fast so als würden die Patienten darauf warten, dass die Angehörigen den Raum verlassen.
 
Du warst für sie da. Im Moment des vollkommenen Loslassens wollte und musste sie alleine sein. Die Vorstellung, dass jeder im Kreise seiner Lieben den letzten Hauch tun will, ist nur eine Vorstellung.

Ich möchte dir mein Mitgefühl aussprechen. Wenn du sehr traurig bist, denke daran, dass sie jetzt keine Schmerzen mehr hat und hoffentlich ein erfülltes Leben lebte.
 
Hallo 🙂

Erstmal mein herzliches Beileid zum Tod deiner Oma.
Meine Mutter ist vor kurzem ebenfalls an einem Schlaganfall verstorben. Als wir ankamen lag sie aufgerund irreversibler Hirnschäden bereits im Koma. Wir haben es unseren Kindern und natürlich anderen nahen Verwandten frei gelassen ob sie den Sterbeprozess begleiten möchten oder nicht. Man sollte dies nur tun, wenn man es wirklich auch kann. Alles andere wäre eine zum Tod zusätzliche emotionale Belastung. Mach dir daher keine Gedanken. Deine Oma wusste sicher, dass du sie liebst.
 
Du warst für deine Oma da; denn du hast sie im Krankenhaus besucht. Ich weiß nicht, warum so viele Leute immer meinen, man müsse unbedingt im Moment des Todes anwesend sein, dann sei man ein besserer Mensch. Ich sehe das nicht so. Wenn man einen Schwerkranken immer wieder im Krankenhaus besucht hat, hat man sich doch auch um ihn gekümmert. Man kann nicht auf die Minute genau wissen, wann jemand stirbt, und was nützt es dem Sterbenden, wenn du es nicht verkraften kannst, stundenlang dabei zuzusehen?

Als mein Vater vor über 23 Jahren im Krankenhaus im Sterben lag (Lungenkrebs), war ich 30, Dauersingle, steckte mitten im 2. juristischen Staatsexamen und musste auch mal für längere Zeit das Sterbezimmer verlassen, weil ich es einfach nicht mehr mitansehen konnte. Mangels Partner hatte ich in der Zeit auch keinen sonstigen Rückhalt, wie andere in dem Alter ihn in einer solchen Situation gehabt hätten. Ich hatte das Gefühl, ich wäre umgekippt, wenn ich noch länger in dem Zimmer geblieben wäre. Man hat uns (meine Mutter, meine Schwester und mich) dann spätabends nach Hause geschickt (ich hätte mir damals aber auch noch nicht zugetraut, allein oder nur mit meiner Schwester dazubleiben), und am nächsten Morgen kam der Anruf, dass er frühmorgens gestorben war. Er hat die Höchstdosis Morphium bekommen, die medizinisch und strafrechtlich noch vertretbar war, und ist dann, als wir gingen, wohl auch nicht mehr zu sich gekommen (er schlief bereits, als wir gegangen sind). Als ich die Todesnachricht erhielt, war ich nicht traurig, sondern erleichtert darüber, dass ich mir die Qualen nicht noch länger ansehen musste. Total geschockt und traurig war ich 15 Monate vorher gewesen, als herauskam, dass er unheilbar an Lungenkrebs erkrankt war und nicht mehr lange zu leben hatte.

Bei meiner Mutter, die vier Monate nach einem sehr schweren Schlaganfall als Schwerstpflegefall mit nachfolgendem Dauerkrankenhaus- und -pflegeheimaufenthalt gestorben ist, war ich auch am Tag vor ihrem Tod (2011) noch stundenlang im Krankenhaus. Abends schickte man uns (meine Schwester und mich) ebenfalls nach Hause, weil sie auf der Intensivstation lag und wir da nicht über Nacht bleiben konnten. Am nächsten Morgen hieß es, als ich anrief, Zustand unverändert, man werde mich aber anrufen, wenn er sich verschlechtern würde. Ich bin dann zur Arbeit gefahren (erster Arbeitstag nach dreiwöchigem Urlaub), um meinem Chef und den Kollegen wenigstens Bescheid zu geben, dass meine Mutter innerhalb der nächsten Tage sterben würde und ich zumindest jeden Nachmittag zu ihr ins Krankenhaus (60 km vom Arbeitsort und 75 km von meinem Wohnort entfernt) fahren wollte. Wenig später rief die Ärztin aus dem Krankenhaus an, dass meine Mutter an dem besagten Vormittag eine halbe Stunde zuvor bereits verstorben war. Sie sagte aber auch, dass sie und eine Krankenschwester in dem Moment bei meiner Mutter gewesen wären, sie also nicht ohne Begleitung gestorben ist. Ich kann nichts dafür, dass man mich entgegen der Zusage erst angerufen hat, als meine Mutter schon tot war. Hätte man vorher angerufen, als sich der Zustand noch weiter verschlechterte, wäre ich sofort gekommen. Auch meine Schwester war in dem Moment nicht bei unserer Mutter, obwohl sie im Nachbarort des Krankenhauses wohnt, in dem meine Mutter gestorben ist, und mit einem Taxi viel schneller hätte dort sein können.

Ich verstehe wirklich nicht, warum immer so getan wird, als ob man unbedingt im Moment des Todes dabei sein müsse. Manche Leute prahlen regelrecht damit, dass sie in dem Moment bei ihren sterbenden Eltern oder sonstigen Angehörigen waren. Wenn ich Angehörige hätte, würde ich das nicht von ihnen erwarten, schon gar nicht, wenn ich wüsste, dass sie es nicht verkraften können, mich leiden zu sehen. Bei der Beerdigung meiner Mutter brüsteten sich einige Verwandte, die sie in den Wochen zuvor nie besucht hatten, auch damit, dass sie beim Tod ihrer Eltern aber die ganze Zeit dabei geblieben wären. Nun, wenn man diese Art von Konkurrenzkampf selbst im Angesicht des Todes noch nötig hat, dann lässt das auch tief genug blicken...

Du solltest dir keine Vorwürfe machen; denn du warst noch bei deiner Oma im Krankenhaus, als es ihr schon sehr schlecht ging, und wirst dich auch zu Lebzeiten genug um sie gekümmert haben.

Wirklich begleiten kannst du einen Menschen im Moment des Todes sowieso nicht mehr, durch dieses Tor muss jeder ganz allein hindurch.
 
Zuletzt bearbeitet:
Vielleicht ist es ratsam, sich zu vergegenwärtigen, dass jeder einmal sterben wird und dass es deshalb angesagt ist, die begrenzte gemeinsame Zeit, die man im Leben miteinander hat, möglichst bewußt und sinnerfüllt zu nutzen, hinzuschauen, aufmerksam und respektvoll zu sein.

Wenn man hier ein gutes Gewissen hat, kann man jemanden auch in Frieden gehen lassen, ob man nun zur Todesstunde anwesend war oder nicht. Ab einem gewissen Punkt kann man einen anderen Menschen ohnehin nicht mehr begleiten, da reißt dann das Band so oder so. Irgendwann muss man loslassen.
 

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