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Mutter hat absolutes Misstrauen und Angst

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MaverickMUC

Neues Mitglied
Hi zusammen,
wie würdet ihr mit extremen Misstrauen gegenüber allen Menschen (innerhalb und ausserhalb der Familie) und fremden Dingen der Mutter umgehen? Meine Mum ist 73, ich 38m, meine Geschwister 41f und 43m sind im Grunde mit diesem Misstrauen und Angsttrieb der Mutter aufgewachsen was sehr sehr grosse Auswirkungen auf unser Leben hatte. Im Grunde sind all unsere Beziehungen und Freundschaften von mir und meinen Geschwister nicht sehr tiefgründig und größtenteils sehr oberflächlich. Mein Bruder, der älteste, hatte nie auch nur irgendeine Form von Selbstbewusstsein. Es ist so schlimm, dass er sich gar nicht traut bzw. Schwierigkeiten hat ein Bankkonto zu eröffnen. Simpelste Dinge sind richtig schwer für ihn aufgrund purer Unsicherheit. Meine Schwester hatte nie einen Freund und auch sonst nur sehr wenige Freunde. Nun, da sie nie einen Freund hatte hat sie sich künstlich Befruchten lassen. Meine Beziehungen waren auch immer nur von sehr kurzer (3-6 Monate) Dauer.

Durch das Verhalten unserer Mutter wurde uns immer nur gezeigt, dass Menschen einen über den Tisch hauen wollen. Insbesondere was andere Frauen und unser Erbe angeht. Es wurde auch nie wirklich viel gelacht bei uns im Haushalt. Beide sowohl mein Vater als auch meine Mutter sind recht kalt und waren immer sehr distanziert. Bei meiner Mutter geht es gar soweit, dass sie vor lauter Spannung kein Fußballspiel sehen kann. Beim Autofahren wird jedes einzelne Verkehrsschild bzw. vorausfahrende Fahrzeug erwähnt ("Achtung, der bremst", "Achtung hier ist fünfzig") . Technische Einstellungen am Computer oder Handy werden permanent in Frage gestellt. ("Sie: Stell mir diese App auf dem iPhone ein, aber nein ich will nicht zahlen". Ich: "Die App ist kostenlos." Sie: "Da steht aber In-App käufe".). Des Weiteren weiß sie angeblich alles besser und somit sind alle anderen die dummen.

Ich bin diese extreme Form des Misstrauens gegenüber den eigenen Kinder (uns), dieser permanenten Angst und Besserwisserei sowas von Leid. Ich habe schon mehrmals gesagt, dass ich keine Unterstützung mehr gebe, wenn alles hinterfragt und in Zweifel gezogen wird. Dann lass ich sie es einfach selber machen und verlasse einfach den Raum.

Was würdet ihr machen?
 

Styx.85

Aktives Mitglied
Du beschreibst eine Familiensituation, die mir sehr sehr bekannt vorkommt.

Ich möchte jetzt hier nicht ins Detail gehen, aber das beschriebene Misstrauen gegen alles und jeden, das Hochhalten des heiligen Erbes könnte ich 1 : 1 ebenfalls berichten.

Dir ist vielleicht nicht entgangen, dass deine Eltern bzw. deine Mutter selbst enorm unter ihrer Weltabgewandtheit leiden. Dass sie Zwängen unterliegen, nicht existenten Zwängen, die ihr Leben an Reizen massiv verarmen lässt.

So eine Einstellung färbt zwangsläufig auf Kinder ab. Ihr drei habt jeweils volle Breitseiten davon abbekommen, am schwersten scheint es deinen Bruder getroffen zu haben.

Für deine Eltern kannst du leider nichts mehr tun. Mit Ü70 ist dieser Lebensstil bei deiner Mutter verfestigt bis ins Mark. Klar kannst du mit ihr sprechen, doch erhoffe dir nicht mehr allzuviel davon. In diesem Alter ist die Sozialisation und das Weltbild weitgehend gefestigt. Interessant wäre eventuell, wie es dazu kommen konnte bzw. was die Auslöser für diese Betrachtungen waren.

Wichtig für dich und deine Geschwister wäre Distanz, Distanz und nochmal Distanz. Ihr müsst euch ein eigenes Weltbild bilden fernab von dem verzerrten eurer Mutter. Auch ihr seit bereits in einem "fortgeschrittenen" Alter, aber ich denke zu spät dafür ist es nie, vor allem wenn auf rationaler Ebene bereits die richtige Erkenntnis vorliegt, die du hast. Lieber spätes Glück als gar kein Glück.

Wichtig ist aber auch, dass man nicht in das komplette Gegenteil verfällt, sprich alles und jeden ungefiltert an sich ran lässt. Die Welt hat ihre Tücken, ihre Stolperfallen, doch deine Mutter übertreibt, das hast du schonmal richtig erkannt.

Meine Eltern hätten mir am liebsten vorgeschrieben, wen ich zu heiraten, welchen Beruf ich zu lernen, insgesamt welches Leben ich zu führen habe. Ich habe dann mit 19 nach dem Abi die Reißleine gezogen, bin daheim ausgezogen und habe ein Studienfach meiner Wahl ergriffen und musste mich selber durchschlagen.
Seitdem ist der Kontakt mit ihnen, speziell meiner Mutter schwer gestört. Ich bin quasi daheim "persona non grata". Meine Mutter "erträgt" meine Anwesenheit nervlich nicht. Zuviel andere Meinung, zuviel Widerworte, zuviel Risikobereitschaft und so...

Wenn du darüber nachdenkst, dich von deiner Mutter zu distanzieren, rechne mit ähnlichen Reaktionen, es muss jedoch nicht so ausgehen.
Eventuell wird das Erbe als Druckmittel verwendet, du hast es selber angedeutet.
Ich würde mich jedoch nicht der Hoffnung hingeben, meine Ü70 Eltern von einem anderen Lebensstil überzeugen zu können, dieser Zug ist abgefahren. Der Fokus sollte von nun an auf dir selber liegen. Du (und deine Geschwister) haben bereits jetzt einen guten Teil ihres Lebens "verpasst". Du hast das schön beschrieben.
Lasse nicht zu, dass sich dieser Zyklus fortsetzt. Solltest du, wie auch deine Schwester, über Kinder nachdenken, setze dich ausführlich mit deren Erziehung auseinander und welche Werte du vermitteln möchtest.

Die Alternative dazu ist, es weiter zu ertragen und Jahr für Jahr mehr in sich selber aufzunehmen. Der Zyklus setzt sich fort bei eventuell eigenen Kindern.

Das Bestehen auf Distanz und eigener Weltanschauung muss übrigens nicht zwangsläufig in einem lebenslangen Bruch mit den Eltern enden. Mein Vater und ich haben uns über die Zeit wieder etwas angenähert, pflegen ein freundschaftliches Verhältnis auf Augenhöhe.
Das hängt stark von der Persönlichkeit des Gegenübers ab. Bei meiner Mutter, die immer schon der krassere Part in dieser Sache war, war dies bislang nicht möglich.

Ich wünsche dir alles Gute in dieser schwierigen Position und ich hoffe, meine Schilderung konnten dir ein wenig helfen.
 
Zuletzt bearbeitet:
G

Gelöscht 79650

Gast
Wohnst du bei deinen Eltern?
Ansonsten: Es ist die Generation, die noch unter dem Krieg gelitten hat. Die sind nicht aus Spaß so misstrauisch oder um ihre Kinder zu ärgern.
Mit Ende 30 solltest DU dein Leben in DEINE Hand nehmen und nicht den Eltern die Schuld an Erfolglosigkeiten geben, weil sie ängstlich und misstrauisch sind.
 

MaverickMUC

Neues Mitglied
@Styx.85:

Vielen Dank für deine Gedankengänge. Ich gebe dir zu vielen Aspekten vollkommen Recht.

Was ich Eingang nicht erwähnt habe, ist dass meine Mutter (Jahrgang 1948) zusätzlich auch einen recht narzisstischen und kontrollsüchtigen Charakter hat. Mein Vater (Jahrgang 1943) dagegen ist Recht schwach und hat zu einem gewisse Grad eine sozial Phobie. Mein Vater war zwar niedergelassener Arzt aber hat im Grunde nur gearbeitet und das Geld besorgt und sonst nicht viel. Meine Mutter war auch Ärztin in der gleichen Praxis (anderer Fachbereich) hat aber alles andere organisiert, bestimmt und größtenteils die Entscheidungen getroffen.
Ich weiß, dass es von ihren eigenen Eltern kommt die die Kriegserfahrungen machen mussten. Mein Vater wurde quasi von seinen Eltern verstossen und musste sich um sich selbst kümmern. Daher hat er auch keine positiven Erfahrungen bzw. Verhältnis zu Frauen meiner Meinung nach. Meine Mutter wurde von ihrer Mutter fast so erzogen, dass Männer schlecht sind und sie immer selbstständig und unabhängig sein muss. Ich kann mich als Kleinkind daran erinnern, dass meine Großmutter erzählt hat, dass sie wohl von ihrem Mann, also meinem Großvater, vergewaltigt wurde. Ob es stimmt können wir nicht sagen und als 10 Jähriger habe ich es nicht verstanden.

Wie ich Eingangs schon erwähnt habe wurde bei uns selten gelacht, Komödien geschaut oder auch nur schöne, positive Musik gehört. Dies wurde immer nur als Quatsch oder Lärm abgetan.
Bei meinen Geschwistern sage ich manchmal das unsere Familie eine Petrischale für Depressionen ist.

Ich bin mir dessen all rational bewusst, aber trotzdem fühle auch mich oft recht leer und weiß nicht so Recht wie ich daraus rauskommen soll bzw. kann. Aktuell lese ich viel über Cognitive Behavioral Therapy.
Das schlimmste was ich momentan zu verarbeiten habe ich meine letzte Beziehung, die meiner Meinung nach einfach nur Perfekt war und der ich immer noch nachtrauere nach fast 2 Jahren, aufgrund genau diesen Denk,- und Verhaltensweisen, sowie aufgrund von Corona gescheitert ist.
 

MaverickMUC

Neues Mitglied
@Schroti:
nein ich wohne nicht mehr zuhause. Schon seit ca. 16 Jahren nicht mehr. Ich habe auch einige Zeit im Ausland verbraucht. Auch dir gebe ich dir Recht, jedoch ist es schwer von Klein auf indoktrinierte Denk,- und Verhaltensweisen auch tatsächlich Tag zu Tag abzulegen. Aber ich arbeite dran.
 

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Neues Mitglied
Danke für Eure offenen und interessanten Beiträge. Ich habe sie vor ein paar Tagen gefunden, als ich wieder einmal von meiner Familie heimgekehrt bin... in schlechter Stimmung und ein wenig verstört, wie es eigentlich so üblich ist. Ich kann mich nicht erinnern, wann eine Zusammenkunft das letzte Mal quality time gewesen wäre... wann mal locker und entspannt gelacht, die Zeit genossen, etwas Nettes zusammen gemacht wurde.

Ich habe schon mit 18 festgestellt, dass ich mir mit sehr vielen Menschen mehr zu erzählen habe, als mit meiner Mutter. Damals konnte ich das nicht viel genauer verorten, es ist eine Mischung aus Vertrauensverlust, Enttäuschung, Mitleid, Wut und maximalen Bemühungen, sie auf Distanz zu halten.
Meine Mutter hat ihre Kinder durchgehend krankhaft kontrolliert und möchte das auch im Erwachsenenalter gerne fortsetzen. Wenn ich von ihr höre, hat sie quasi nie etwas zu erzählen und möchte eigentlich immer nur in Erfahrung bringen, wo ich mich aufhalte und was ich so treibe. Natürlich auch, um mir ungefragt ihre nutzlosen Ratschläge aufzudrängen, denn ihr ist nicht klar, dass sie mit ihren Einschätzungen ständig falsch liegt und auch bei völliger Ahnungslosigkeit ihre Expertensicht kundtun muss - denn, wenn Sie mal zufällig vor 15 Jahren in irgendeinem Laden Rabatt auf ihre Schuhe bekommen hat, dann sollte ich natürlich auch unabhängig von meinen Wünschen lebenslang immer nur dort einkaufen... dass die von mir gewünschte Marke nicht im Sortiment ist, Nebensache. :D

In meiner Jugendzeit hat meine Mutter meine Telefonate am Nebenapparat belauscht, die Briefe meiner ersten Freundin und meiner besten Freunde geöffnet... natürlich immer nur aus Versehen - genau so scheinheilig, wie sie nur kurz den Wäschekorb in meinem Zimmer abstellen wollte und dabei ganz zufällig in der hintersten Ecke in der untersten Schublade am anderen Ende des Raums sehr regelmäßig die Dinge gefunden hat, die mir wichtig waren und von denen ich nicht wollte, dass sie gefunden werden. Sie hat keinerlei Respekt vor derlei Grenzen, schaut in jeden Winkel meiner Wohnung und inspiziert alles, was ihr in die Finger kommt. Hätte sie Zugriff auf meine Mails, Briefe, Konten... sie würde sich alles vollständig reinziehen, immer wieder.
Vor Kurzem habe ich einen alten Ordner mit Briefen aus der Jugendzeit wiederentdeckt: Der Ordner hatte Löcher, denn ich habe damals versucht, meine Privatsphäre mit einem Vorhängeschloss zu schützen - vermutlich war auch dieser verzweifelte Akt nutzlos, denn sicher wusste sie auch, wo der Schlüssel zu finden war.

Hatte ich Freunde zu Besuch, schlich sie sich auf der Treppe an, um uns heimlich zuzuhören und plötzlich einzugreifen, wenn ihr etwas nicht passte. Ihr könnt Euch vorstellen, wie man erschrickt, wenn die Stimme plötzlich so unerwartet nah ertönt und so schnell vergisst man das auch nicht.
Als ich mit Freunden über CB-Funk sprach, fand sie auch hier Möglichkeiten, die Gespräche zu verfolgen und wenn sich heute nochmal gelegentlich ein Brief für mich an die Anschrift meiner Eltern verirrt, übergibt sie ihn mir geöffnet. Versehentlich hat sie reingeschaut - es ist alles noch so, wie damals.

Drinnen in der spaßbefreiten Zone flogen ständig die Fetzen und wenn mal ein Nachbar klingelte, dann ging an der Tür förmlich die Sonne auf und die liebste und netteste Mutter des Universums und aller Zeiten flötete ihnen an der Pforte entgegen, während ich oben vor Freude kotzte.
Ein einziges Mal in meiner Jugendzeit hatte ich zu Hause ein Wochenende sturmfreie Bude und nutzte das, um mit zwei Freunden im Garten zu sitzen, ein paar Biere zu trinken und herumzualbern - meine Schwester hatte eine Freundin zu Besuch und machte ihr eigenes Ding. Als meine Eltern sonntags zurückkamen und die leeren Bierdosen in der Mülltonne fanden, musste ich mich tagelang immer wieder für mein krass schlimmes Verhalten rechtfertigen, denn wenn ich mit langjährigen Freunden im Garten sitze und ein paar Biere zische, dann sind die beiden Mädchen im Haus sicher nur knapp einer Vergewaltigung entgangen.

Viel hat sich nicht geändert am Kontrollverhalten. Als mein Bruder neulich nach Monaten mal wieder zu Besuch war, öffnete sie ihm die Tür mit den Worten "Ist die xxx Deine Freundin?", weil diese fehlende Information ihr keine Ruhe ließ und sie deshalb für eine Begrüßung keine Zeit hatte.
Ein anderes Mal sinnierte sie in meinem Beisein und seiner Abwesenheit über den Beziehungsstatus meines Bruders, tat es dann beiläufig ab, das müsste sie ja nicht abfragen, um es dann eine Minute später bei mir zu tun. Sie merkt es nicht. Und sie hat auch sonst nichts, Unternehmungen finden nicht statt, der letzte Urlaub liegt ca. 20 Jahre zurück, die Hauptbeschäftigung ist zu Hause sitzen und das bereits seit Jahrzehnten. Geld für Urlaub wäre durchaus vorhanden.

Die Facebook-Profile ihrer Kinder werden ständig nach Hinweisen abgesucht, aus denen sie sich dann irgendwelche Pseudo-Erkenntnisse zusammenreimt, die mit der Realität wenig zu tun haben.
Wenn ich heute 'zu Hause' bin, ist es kaum möglich, einen Satz zu Ende zu sprechen. Sie fällt mir ständig ins Wort, kommentiert, gibt nutzlose Ratschläge, egal, wie wenig Ahnung sie von einem Thema hat.
Grundhaltung ist stets: Das war dumm, das hast Du falsch gemacht, ich weiß aber, wie es geht. Berufliche Tipps einer Person mit Volksschulabschluss, die ihr Leben lang keinen Beruf erlernt bzw. ergriffen hat, weltfremde Züge aufweist und ihren studierten Kindern aber die Welt erklärt, die sie selbst im Gegensatz zu uns auch nie bereits hat.

Sind wir nicht dort, beobachtet sie die Nachbarn und bekommt jeden noch so uninteressanten Schmutz mit, weil sie ganz zufällig immer genau in dem Moment am gekippten Fenster vorbeigekommen ist und es daher miterlebt hat. Gezwungenermaßen. :D
Für sehr lange Zeit war ich dennoch weiterhin der Sohn, der aus Pflichtgefühl immer mal wieder vorbeischaut und gelegentlich auch unterstützt. Da mich die Besuche aber konstant nur runterziehen und sehr anstrengend sind, werden die Intervalle immer länger und ich verspüre auch recht wenig Lust, auf irgendwelche Kontrollnachrichten über WhatsApp zu antworten.

Vor ein paar Tagen fuhr ich ratlos nach Hause, nachdem ich drei Stunden lang ihr unzufriedenes Genörgele und Gegeifer anhören durfte. Der Nachbar ist arrogant, das ist ein Schnösel, die Leute sind ätzend, dann die üblichen vollkommen uninteressanten Geschichten, die ich schon etwa 30 Mal gehört habe und bald auswendig mitsprechen kann. Gerne beschwert sie sich auch über ihre Schwester, die ja so viel redet, alles immer besser weiß und nie zuhört. So eine Überraschung, das muss ja wirklich unangenehm sein. :)

Mein persönliches Highlight war dann, dass sie leise hinter meinem Rücken eine meiner Erzählungen anzweifelte und meinem Vater erklärte, ich hätte ja gar keine Tasche dabei und das sei aber sehr seltsam, wenn ich wirklich gleich mit Freunden zum Wandern verabredet sei. Sie traut also quasi niemandem mehr und ist innerlich dermaßen leer und giftig, dass Anwesenheit zur Qual wird.

Warum erzähle ich das? Weil ich 24/7 mit den Altlasten zu kämpfen habe. Manchmal komme ich mir vor, wie ein Hund, den man so konditioniert hat, dass er jederzeit damit rechnet, zurückgepfiffen zu werden, weil er minutiös überwacht wird und sicher wieder etwas Böses gemacht hat.
Ruft mein Chef mich an, ist mein Reflex: Was habe ich falsch gemacht? Dabei leiste ich überdurchschnittliche Arbeit und verausgabe mich leider auch zu oft, weil es ja früher nie gereicht hat.
Unterhalten sich Kollegen plötzlich leise, habe ich Angst, es könnte gerade um mich gehen. Biete ich einem Kollegen etwas Süßes an und er lehnt es ab, ist das vollkommen belanglos - trifft mich aber trotzdem, weil diese Reflexe mit der Sorge vor Ablehnung so tief sitzen. Immer. Auch bei langjährigen Freunden und wie es um Vertrauen in Beziehungen bestellt ist, könnt Ihr Euch vermutlich denken.
Im Büro höre ich drei Gesprächen parallel zu, aus Sorge, es könnte um mich gehen und jemand etwas Negatives sagen. Lacht jemand, erschrecke ich innerlich, denn er könnte ja über mich lachen. Und leider bin ich unglaublich routiniert darin, das alles zu kaschieren und mir nichts anmerken zu lassen, während ich nach fünfminütigen Gesprächen mit den Nachbarn mit zitternden Mundwinkeln völlig erschöpft auf die Couch sinke. Ansonsten gehe ich aber immer seltener vor die Türe und vermeide soziale Kontakte, weil sie mir zu kräftezehrend sind.

Von den Kindern bin ich offenbar noch der Selbstbewussteste und hatte auch einige Beziehungen - während meine Schwester über drei Jahrzehnte lang single geblieben ist. Nach 15 Jahren Therapie habe ich zwar Vieles verstanden und reflektiert, aber die Erfolgsbilanz ist überschaubar und all zu viel Lust habe ich auch nicht mehr, beim Therapeuten Schleifen zu drehen und mir Dinge vorzunehmen, die dann im Alltag scheitern, oder erfolglos versanden.
Mit meinem Roman hier möchte ich auch eigentlich nicht jammern, oder mich beschweren... sicher hört es sich so an. Tatsächlich haben mich aber Eure Eindrücke vor ein paar Tagen so gepackt und nachdenklich gemacht, dass ich einfach mal schreiben wollte... und sagen: Ich kenne das, ich verstehe Euch. Und es tut mir leid, dass Ihr keine schönen Geschichten von 'zu Hause' erzählen könnt. Ich hoffe, das ändert sich. Alles Gute! :)
 
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