Liebe Menschen,
im Folgenden möchte ich die Situation einer Familie beschreiben, für die ich seit kurzem arbeite. In den wenigen Wochen hat sich eine Flut von Gedanken gehäuft, die ich leider mit niemanden so recht ausdiskutieren, geschweige denn abschütteln kann.
Ich bin also Einzelfallhelferin einer jungen Frau (sie und ich Mitte 20), die an spastischer Spinalparalyse leidet. Ihre aktiven Körperfunktionen sind, bis auf sehr minimale Ausnahmen, wie Mund öffnen, schlucken, oder blinzeln nicht (mehr) vorhanden. Das bedeutet, dass Leben für Sie ohne 24/24- Betreuung nicht möglich ist. Die Eltern sind mit der Situation verständlicherweise überfordert. Die Pflegebedürftigkeit samt Bürokratie und medizinischen/behördlichen Terminen rund um die junge Frau ist sehr intensiv, die 10-jährige, kleine Schwester fordert Ihrerseits volle Aufmerksamkeit, darüber hinaus haben die Eltern den Tod eines weiteren Jungen zu beklagen, der aufgrund geistiger Behinderung vor rund 10 Jahren verstarb.
Dass die Eltern nur gebrochen Deutsch sprechen, verstärkt ihre soziale Zwangslage enorm, so sind sie persönlich und gesellschaftlich eingeschränkt, aber auch, wenn es um wichtige Besprechungen mit Ärzten und Behörden geht. Bislang wurde Hilfe von außen verweigert. Die einzige Ausnahme stellte die Einzelfallhilfe dar, die schon seit dem Jugendalter vorhanden ist, jedoch mit max. 10 Stunden pro Woche. Die letzte Einzelfallhelferin schaffte es, ganz allmählich die alten Strukturen aufzubrechen und sowohl eine Pflege als auch eine gesetzliche Betreuung zu beantragen. Eigentlich ist die Einzelfallhilfe für de soziale Reintegration gedacht, also für Freizeitbetreuung und dem Erreichen von Zukunftsperspektiven rund um Beruf, Freunde, etc.
Leider fallen im Rahmen dieser 10 Stunden ihre persönlichen Bedürfnisse ganz flach. Die letzte Einzelfallhelferin war diejenige Person, die ALLE bürokratischen Angelegenheiten regelte, manchmal auch jene, die mit der Klientin per se nicht zu tun hatten. Zwar gab sie wirklich ihr Bestes und erreichte sehr viel, aber dennoch ist sie genau wie ich eine junge Studentin, die sich völlig laienhaft an etwas abkämpft, was normalerweise ein erfahrener Jurist bewerkstelligen müsste! Ihr könnt euch sicher vorstellen, wie viel da zusammenkommt. Sie leistete im vollen Umfang die Arbeit eines gesetzlichen Betreuers. Wenn da überhaupt noch Zeit übrig blieb, wurde sie für Pflege benutzt: Windeln wechseln, Haarpflege, Essen und Trinken verabreichern (dauert bis zu einer Stunde), Zähneputzen, etc. Was das letztere angeht, verriet mir die Klientin im Stillen, dass es einzig zwei Mal die Woche geschieht, wenn eben die Einzelfallhilfe da ist, ansonsten nicht. Es käme auch schon mal vor, dass sie 3 Wochen lang nicht geduscht würde. Da bin ich natürlich vom Hocker gefallen. Wie ich bereits sagte: Die Eltern sind überfordert.
Nun soll der Vater als gesetzlicher Betreuer eingetragen werden, sobald das Amt die Finanzierung bewilligt. Ich weiß dann aber ganz genau, dass ich alles machen müsste, denn die Eltern können nicht mal ein Formular ausfüllen. Auch wollen sie nicht, dass die Tochter auszieht und eine ganztätige Betreuung bekommt. Ich vermute, das hängt einfach damit zusammen, dass sie nicht arbeiten und ihnen dann das Arbeitslosengeld nicht reichen würde.
Wie soll ich mich verhalten? Ich möchte, dass die junge Frau ein würdiges Leben lebt. Das ist zu Hause nicht möglich. Sie ist körperlich zwar fast komplett behindert, aber geistig 100%ig zu Kräften. (sie kommuniziert mit der Außenwelt durch Gelenkrotation und schreibt damit Buchstaben für Buchstaben, aus denen der Gegenpart letztlich ganze Sätze erschließt)
Außerdem möchte ich einfach den Bürokratiekram nicht machen, das ist gar nicht meine Arbeit. Während die eigentlich bezahlte Person nebenan auf der Couch sitzt – für mich absolut inakzeptabel. Außerdem sind die Papiere eh überall zerstreut und ich muss alle 5 Min nach irgendetwas fragen – so kann man definitiv nicht arbeiten. Es ist ungerecht genug, dass die Krankheit so schlimm (und fortschreitend!) ist, aber man auch noch als Eltern aktiv das Leben dieser Frau erschwert….das zerfrisst mich irgendwie. Ich kann das so nicht akzeptieren!!! Gibt es irgendetwas, was ich tun kann? Oder muss ich den Mund halten, weil ich nur alles schlimmer machen würde?
Lieben Dank für das Durchhaltevermögen.
Aluna
im Folgenden möchte ich die Situation einer Familie beschreiben, für die ich seit kurzem arbeite. In den wenigen Wochen hat sich eine Flut von Gedanken gehäuft, die ich leider mit niemanden so recht ausdiskutieren, geschweige denn abschütteln kann.
Ich bin also Einzelfallhelferin einer jungen Frau (sie und ich Mitte 20), die an spastischer Spinalparalyse leidet. Ihre aktiven Körperfunktionen sind, bis auf sehr minimale Ausnahmen, wie Mund öffnen, schlucken, oder blinzeln nicht (mehr) vorhanden. Das bedeutet, dass Leben für Sie ohne 24/24- Betreuung nicht möglich ist. Die Eltern sind mit der Situation verständlicherweise überfordert. Die Pflegebedürftigkeit samt Bürokratie und medizinischen/behördlichen Terminen rund um die junge Frau ist sehr intensiv, die 10-jährige, kleine Schwester fordert Ihrerseits volle Aufmerksamkeit, darüber hinaus haben die Eltern den Tod eines weiteren Jungen zu beklagen, der aufgrund geistiger Behinderung vor rund 10 Jahren verstarb.
Dass die Eltern nur gebrochen Deutsch sprechen, verstärkt ihre soziale Zwangslage enorm, so sind sie persönlich und gesellschaftlich eingeschränkt, aber auch, wenn es um wichtige Besprechungen mit Ärzten und Behörden geht. Bislang wurde Hilfe von außen verweigert. Die einzige Ausnahme stellte die Einzelfallhilfe dar, die schon seit dem Jugendalter vorhanden ist, jedoch mit max. 10 Stunden pro Woche. Die letzte Einzelfallhelferin schaffte es, ganz allmählich die alten Strukturen aufzubrechen und sowohl eine Pflege als auch eine gesetzliche Betreuung zu beantragen. Eigentlich ist die Einzelfallhilfe für de soziale Reintegration gedacht, also für Freizeitbetreuung und dem Erreichen von Zukunftsperspektiven rund um Beruf, Freunde, etc.
Leider fallen im Rahmen dieser 10 Stunden ihre persönlichen Bedürfnisse ganz flach. Die letzte Einzelfallhelferin war diejenige Person, die ALLE bürokratischen Angelegenheiten regelte, manchmal auch jene, die mit der Klientin per se nicht zu tun hatten. Zwar gab sie wirklich ihr Bestes und erreichte sehr viel, aber dennoch ist sie genau wie ich eine junge Studentin, die sich völlig laienhaft an etwas abkämpft, was normalerweise ein erfahrener Jurist bewerkstelligen müsste! Ihr könnt euch sicher vorstellen, wie viel da zusammenkommt. Sie leistete im vollen Umfang die Arbeit eines gesetzlichen Betreuers. Wenn da überhaupt noch Zeit übrig blieb, wurde sie für Pflege benutzt: Windeln wechseln, Haarpflege, Essen und Trinken verabreichern (dauert bis zu einer Stunde), Zähneputzen, etc. Was das letztere angeht, verriet mir die Klientin im Stillen, dass es einzig zwei Mal die Woche geschieht, wenn eben die Einzelfallhilfe da ist, ansonsten nicht. Es käme auch schon mal vor, dass sie 3 Wochen lang nicht geduscht würde. Da bin ich natürlich vom Hocker gefallen. Wie ich bereits sagte: Die Eltern sind überfordert.
Nun soll der Vater als gesetzlicher Betreuer eingetragen werden, sobald das Amt die Finanzierung bewilligt. Ich weiß dann aber ganz genau, dass ich alles machen müsste, denn die Eltern können nicht mal ein Formular ausfüllen. Auch wollen sie nicht, dass die Tochter auszieht und eine ganztätige Betreuung bekommt. Ich vermute, das hängt einfach damit zusammen, dass sie nicht arbeiten und ihnen dann das Arbeitslosengeld nicht reichen würde.
Wie soll ich mich verhalten? Ich möchte, dass die junge Frau ein würdiges Leben lebt. Das ist zu Hause nicht möglich. Sie ist körperlich zwar fast komplett behindert, aber geistig 100%ig zu Kräften. (sie kommuniziert mit der Außenwelt durch Gelenkrotation und schreibt damit Buchstaben für Buchstaben, aus denen der Gegenpart letztlich ganze Sätze erschließt)
Außerdem möchte ich einfach den Bürokratiekram nicht machen, das ist gar nicht meine Arbeit. Während die eigentlich bezahlte Person nebenan auf der Couch sitzt – für mich absolut inakzeptabel. Außerdem sind die Papiere eh überall zerstreut und ich muss alle 5 Min nach irgendetwas fragen – so kann man definitiv nicht arbeiten. Es ist ungerecht genug, dass die Krankheit so schlimm (und fortschreitend!) ist, aber man auch noch als Eltern aktiv das Leben dieser Frau erschwert….das zerfrisst mich irgendwie. Ich kann das so nicht akzeptieren!!! Gibt es irgendetwas, was ich tun kann? Oder muss ich den Mund halten, weil ich nur alles schlimmer machen würde?
Lieben Dank für das Durchhaltevermögen.
Aluna