Hallo Sisandra,
ich hatte für einige Jahre psychotische Schübe. Kannst also gerne fragen, was du wissen möchtest.
Wenn ja, wurde ihm irgendwann einmal bewusst, dass er Wahnvorstellungen hatte? Konnte er irgendwann im Rückblick unterscheiden, was Wahnvorstellungen und was Wirklichkeit war?
Ich hatte zwischendrin immer wieder klare Phasen, in denen mir dann auch bewusst war, dass ich zu anderen Zeiten nicht ganz klar war. Mir war nicht immer klar, was ich so in den psychotischen Zeiten von mir gegeben habe, aber wenn ich damit konfrontiert wurde, konnte ich zwischen Wahn und Wirklichkeit unterscheiden.
Ich lebte zu der Zeit in einer Partnerschaft. Das war oft nicht einfach für meinen Partner, weil ich ihn der merkwürdigsten Dinge verdächtigt habe. Das fängt ja auch oft ganz schleichend an, zum Beispiel mit einem einfachen, ich weiß, du liebst einen anderen. Auf diese Idee bin ich in den klaren Zeiten nie gekommen. Aber wie geht man mit sowas um? Ist ja ein berechtigter Verdacht, den jeder mal hat. Wir haben das dann nur kapiert, weil solche Äußerungen halt immer einem Schub voraus gingen. Das ging dann oft damit weiter, dass ich überzeugt war, er will mich vergiften und dann nichts mehr essen konnte. Irgendwann war ich dann völlig abgedreht und entwickelte eine überdimensionale Angst vor Kobolden.
Was ich sehr süss fand und was mir persönlich auch geholfen hat, mein Partner hat nie versucht mich vom Gegenteil zu überzeugen. Er hat immer versucht, mir Dinge an die Hand zu geben, mit denen ich mich schützen konnte. Ich hatte mal den Wahn, ich müsse alle Fenster mit Alufolie schützen, damit keine Kobolde in die Wohnung kommen. Das weiß ich noch, dass er mir da tatkräftig zur Seite gestanden hat.
Weiß ich aber nicht, ob das bei jedem funktioniert
😀.
Ich glaube, weil sie so peinlich und auch unangenehm für ihn selbst waren, dass er sie lieber nicht glauben wollte.
Das kann ich genauso nachvollziehen.
Die zweite Psychose hatte er auch selbst verschuldet, weil er die Medikation abgesetzt hatte: "Mir gehts doch gut".
Also bei mir hat es sowieso ewig gedauert, bis wir das richtige Medikament in der richtigen Dosierung hatten. Danach aber hatte ich nie wieder einen psychotischen Anfall, jetzt schon seit Jahren nicht mehr.
Aber in der Anfangszeit habe ich auch gerne mal auf das Medikament verzichtet, weil "mir geht es ja wieder gut".
Irgendwann hat mir dann mein Partner mal das große Indianerehrenwort abgenommen, dass ich das nie, nie, nie wieder tue. Und auch wenn ich heute oft denke, nee, komm, brauch ich nicht mehr, ich halt mich immer noch dran
😀.
Ich habe mich während dieser dann von ihm getrennt. Zum Glück lebten wir nicht zusammen. Es war eine sehr schlimme Zeit.
Ich glaube, für Angehörige muss das wirklich die Hölle sein. Und es gab auch ganz viele Leute, die meinem Partner damals geraten haben, mich in eine Klinik zu bringen und sich das zu ersparen.
Ich war in der Zeit ja auch völlig unberechenbar, was so weit ging, dass ich Fremde auf der Straße angegriffen habe. Wenn man dann für sowas die Verantwortung übernommen hat ...
wie lange hat es denn gedauert, bis dein Freund erkannt hat, was Wahn war und was Realität?
Das liegt daran, wie schnell und gut die Medikamente wirken. Und es hängt auch damit zusammen, ob es chronisch ist oder eine Episode, denke ich mir so.
Wenn ich unter Stress stehe, merke ich heute manchmal, dass es noch so leise kratzt. Ich bin immerhin so klar mittlerweile, dass ich dann auch am nächsten Tag bei meiner Ärztin bin. Da hat mir die Therapie viel geholfen, weil ich einfach besser einschätzen kann, was ich bin und was die Krankheit ist.
Ich weiß gar nicht, was ich dir raten kann. Echt nicht. Eins ist sicher, irgendwann kommt er da raus und dann braucht er Freunde. Und dann vertraut man den Menschen am meisten, die das mit einem durchgestanden haben. Das sage ich aus der Sicht eines Betroffenen. Als Angehöriger würde ich, denk ich mal, zusehen, dass ich meinen A**** aus der Schußlinie bekomme. Ganz ehrlich, ich könnte es nicht mittragen.
Tuesday