Anzeige(1)

  • Liebe Forenteilnehmer,

    Im Sinne einer respektvollen Forenkultur, werden die Moderatoren künftig noch stärker darauf achten, dass ein freundlicher Umgangston untereinander eingehalten wird. Unpassende Off-Topic Beiträge, Verunglimpfungen oder subtile bzw. direkte Provokationen und Unterstellungen oder abwertende Aussagen gegenüber Nutzern haben hier keinen Platz und werden nicht toleriert.

Selbstzweifel und so...

I

I-C-H

Gast
Tja, schwierig, wo soll ich denn anfangen?
Es zieht sich wie ein roter Faden durch mein Leben, dass ich für "gute Dinge", die ich getan habe, "belohnt" und für "schlechte Dinge" bestraft worden bin. Konkret meine ich damit, dass es Anerkennung gab für gute schulische Leistungen, bestandene Prüfungen, wenn ich jemandem bei etwas geholfen habe etc. Und wenn ich nicht "funktioniert" habe, dann fand man - bzw. meine Eltern- das nicht gut. "Mach nur keinen Ärger!" war wohl ihr Leit- und mein Leidspruch.

So. Nun bin ich 33, fast 34 Jahre alt und fühle mich in diesem Verhaltensmuster gefangen. Ich versuche, die Erwartungen meines Umfeldes zu erfüllen. Bittet man mich um etwas, bin ich um schnellstmögliche Erledigung bemüht. Gibt es Dinge, die ich anderen abnehmen kann, bin ich sofort dabei. Um gemocht zu werden, nicht anzuecken.

Die Kehrseite der Medaille ist, dass ich selbst dabei mehr und mehr auf der Strecke bleibe. Meine Bedürfnisse bleiben oft unberücksichtigt, wenn ich für andere da sein muss. Zudem habe ich auch häufiger das Gefühl, ausgenutzt zu werden. Und schlimmer noch: Verletzt mich jemand, kann ich es ihm nicht sagen. Weil, dann wäre ich ja "unbequem". Auch meine "dunkle Seite" mag ich nicht nach außen kehren. Ich wüsste nicht, was ansonsten liebenswertes von mir übrig bliebem würde ich nicht mehr helfen, mich gegen Verletzungen wehren, etc.

Man ist gewohnt, mich als fröhlichen, positiven, anpackenden Menschen zu sehen. Ja, sicher, das ist ja auch der Eindruck, den ich immer vermittle. Aber in mir sieht es oft anders aus. Ich zweifele an mir, sitze (derzeit häufiger) heulend zu Hause und frage mich, was andere (meine Freunde) an mir finden. Habe ich das Gefühl, dass sich jemand von mir zurückzieht, löst das natürlich richtige Dramen aus: Ich suche nach Indizien, die meinen Verdacht erhärten, dass es etwas mit mir zu tun hat. Und davon lasse ich mich dann auch von der Person, die sich offenbar von mir distanziert, nicht abbringen. Oder nur schwer. Es ist so, als würden Filme in mir stattfinden: Einmal der Film, in dem sich alles summiert, was dafür spricht, dass es Gründe gibt, sich von mir zu distanzieren. Der andere Film zeigt mir dann, dass alles in Ordnung und der erste Film völliger Blödsinn ist. In der Folge tendiere ich dann mit Leidenschaft dazu, meine Zweifel auszudiskutieren und glaube, dass ich spätestens damit in der Lage bin, die andere Person wirklich zu vergraulen...

Ich hoffe, ich habe mich einigermaßen nachvollziehbar ausgedrückt...

Kennt so etwas noch jemand? Wie geht Ihr damit um?

LG

I-C-H
 
A

annakatharina

Gast
Guten Morgen,

ja, das kenne ich auch; oder besser: das kannte ich auch!

Bin ähnlich erzogen worden; wobei die Anerkennung bei uns eher auf der Strecke blieb; gute Leistungen waren "selbstverständlich". Auch bin ich von klein auf gewohnt, mich um die Familie zu kümmern. Meine Eltern haben zwar materiell für uns Kinder gesorgt, aber wenn es Streitigkeiten oder Meinungsverschiedenheiten gab, ob unter den Eltern, zwischen Eltern und Kindern oder unter den Kindern, mußte ich dafür Sorge tragen, daß es zu einer Einigung kam.

Dieses Verhalten habe ich auch "erwachsen" eine lange Zeit mit mir herumgetragen. War immer für alle da, erledigte immer alles, was den anderen unangenehm war - sehr bequem für diese übrigens.

Als ich endlich merkte, daß ich selbst dabei auf der Strecke bleibe, mich aber aus diesem Verhalten nicht lösen konnte, hat mir mal jemand gesagt, ich solle mich selbst doch zumindest genau so gut behandeln wie mein Umfeld. Wenn ich meinem Gegenüber "ja" sage, sage ich vll. mir selbst gegenüber in dieser Situation "nein". Mich selbst gut zu behandeln, bedeutet aber, zuerst zu fragen "was will ich jetzt?" und dann "ja" zu mir selbst sagen, auch wenn das ein "nein" für den anderen bedeutet.
Das habe ich geübt, weil ich es einleuchtend fand; erst in kleinen Schritten, dann in immer größeren Schritten. Und siehe da, niemand hat sich von mir abgewandt! Es war noch nicht einmal jemand erstaunt über ein von mir ungewohntes "nein".

Du siehst, es kann auch anders gehen! Sag in erster Linie "ja" zu Dir selbst und Deinen Bedürfnissen. Die anderen nehmen Dich so, wie Du bist, oder sie sind Dich nicht wert. So einfach kann das sein.

Übe doch vll. einmal in kleinen Schritten, wie ich auch! Sei nicht traurig, kümmere Dich um Dich!

Vll. gibst Du mir ein feedback, ob Du mit meiner Antwort etwas anfangen kannst.

Einen schönen Tag wünscht Dir

annakatharina
 

tortelini

Aktives Mitglied
ich kenn das ganze auch nur zu gut wobei ich eher so wie annakatharina aufgewachsen bin, dass gute leistungen selbstverständlich waren.

ich habe es mit dem ganzen ziemlich weit getrieben. ich habe irgendwann nicht nur geweint, sondern regelrecht nervenzusammenbrüche bekommen. das ganze ging schließlich soweit, dass ich sogar das essen vernachlässigt hatte. unbewusst. weil alles vor meinen bedürfnissen stand. arbeit, freunde, haushalt etc etc. vorallem in der arbeit war es total schlimm, weil ich immer 1000% geben wollte und alles perfekt und richtig machen wollte. irgendwann hab ich total abgenommen und da ich schon immer ein zierlicher mensch war, waren die folgen fatal. als ich das bemerkte, wollte ich schnell wieder zunehmen aber mein magen war schon so verkleinert, dass ich an einer semmel ewig rumnagte. ich nahm dann ärztliche hilfe in anspruch und nahm dann auch zum glück wieder zu. aber es dauerte ewig und war anstrengend, weil ich schon immer ganz schlecht zugenommen habe obwohl ich sonst immer gefressen habe wie ein scheunendrescher.

aber der drang es allen recht zu machen, niemanden um hilfe zu bitten, weil man möchte ja schließlich niemanden zur last fallen, war noch immer sehr groß. da ich noch ettliche andere probleme zu der zeit hatte, habe ich dann einen psychologen aufgesucht und eine therapie gemacht.

dass ich meinen bedürfnissen auch gerecht werden muss etc. wusste ich, aber ich hatte große probleme damit, weil immer wenn es eine situation gab, in der ich mal an mich hätte denken sollen, traute ich mich nicht, weil ich angst hatte, dass es egoistisch von mir wäre. ich konnte in keiner situation entscheiden, ob das "mal an mich denken" nun zu meinem selbstschutz dient oder ob es egoistisch ist. mir wärs am liebsten gewesen, ich hätte immer jemanden an meiner seite gehabt, der mir sagt, in welchen situation ich "nein" sagen kann und in welchen es egoistisch wäre. wo andere über eine entscheidung nicht mal nachdenken mussten, fragte ich mich stundenlang ob es egoistisch ist, wenn ich jetzt "nein" sage. diese grenze zwischen selbstschutz und egoismus die kannte ich nicht und ich brauchte lange bis ich sie gefunden habe.

dazu muss ich sagen, dass umso größer mein selbstwertgefühl wurde, desto mehr fand ich diese grenze. weil ich erst mal lernen musste, dass ich genauso viel wert bin wie andere menschen.
 
K

Karsten

Gast
Hallo I-C-H,

Ja, ich mein, das was du beschreibst, das kenn ich auch. Entspricht meiner Meinung nach dem meinem Hauptproblem.

Dazu habe ich mir deshalb auch schon viele Gedanken gemacht:

Zuerst hat das Problem natürlich meine Neugier geweckt: Warum ist das so? Das war meine erste Frage. Ich bin durch Gespräche mit anderen zu dem Schluss gekommen, das ich einfach +nur+ nicht anecken will. Konfliktscheu. Um das zu erreichen bin ich eben nett, toll usw.... Toll für andere, aber nicht für mich. Schön wenn sie dann nett sind, aber wenn nicht, geht die Sache a nach hinten los, und b geht die Sache immer nach hinten los, wenns mal Phasen meines Alleinseins gibt, in denen ich mal die Zeit und Ruhe habe darüber nachzudenken.
Der Abwehrmechsnismus gegen dieses Nachdenken, was eher unschön ist, ist dann meist weiteres nett sein, sodas ein großer Bekannten dieses Problem noch zu verstärken und zu verschleichern scheint. Ich belade mich einfach solange mit Problemen, meist welche die gar nicht meine sind, bis ich nicht mehr weis wo mir der Kopf steht.....Da zu wissen warum ich etwas mache nichts daran ändert, das ich es tue, kam ich zur nächsten Frage:
Wie komm ich da raus? Ich will das ja nicht, weil ich das nicht will. Weil mich dieses Verhalten nicht glücklich machen wird.
Das wichtigste, was ich nun lernte, war und ist immer noch NEIN zu sagen. Die Welt geht einfach nicht unter, wenn ich mal kein Stück nett bin. Tut sie nicht. So wichtig bin ich nicht. Und nun entdecke ich Lust daran nach Herzenlust Fehler zu machen. Meine Fehler. Und das finde ich auch gut so. Ich merke immer besser was ich will, und was nicht.

Ich hoffe das war deckungsgleich mit Gedankengängen von dir und hilft dir irgendwie.

Grüßle
Karsten
:)
 
I

I-C-H

Gast
Hey...
Vielen Dank für Eure zahlreichen und langen (!!) Antworten!
Es ist ja immer schön, wenn man feststellt, dass es anderen auch so geht wie einem selbst.

Klar, daran arbeiten ist wohl das A & O... Aber es ist schwierig, wenn... Es fängt z.B. da an, wo ich versuche, meine Gefühle zum Ausdruck zu bringen. Nicht nur Freude zeigen oder wenn ich mich über etwas aufrege, sondern tatsächlich die intimen Dinge, die tief in mir sind. In dem Moment, wo ich mich dann öffne und darüber - über mich - geredet wird, habe ich das Gefühl, dass das alles irgendwie künstlich "aufgebauscht" wird. Ja, ich bin dann traurig, aber durch das viele Reden darüber fühlt es sich dann nicht mehr angemessen an. Es wird zu viel und ich denke dann: So schlecht geht's mir doch gar nicht, dass da jetzt so ein Theater davon gemacht wird?!

Es ist ein schwieriger Prozess... Nein zu sagen, sich durchzusetzen und dann die richtigen Momente dafür abzupassen. Man kann ja auch nicht immer nein sagen.

Schwierig, alles...;-)
 

Anzeige (6)

Anzeige (6)

Anzeige(8)

Regeln Hilfe Benutzer

Du bist keinem Raum beigetreten.

    Anzeige (2)

    Oben