Anzeige(1)

  • Liebe Forenteilnehmer,

    Im Sinne einer respektvollen Forenkultur, werden die Moderatoren künftig noch stärker darauf achten, dass ein freundlicher Umgangston untereinander eingehalten wird. Unpassende Off-Topic Beiträge, Verunglimpfungen oder subtile bzw. direkte Provokationen und Unterstellungen oder abwertende Aussagen gegenüber Nutzern haben hier keinen Platz und werden nicht toleriert.

Sexueller und verbaler Missbrauch in der Kindheit wird geleugnet

mindful

Mitglied
Hallo,

ich weiß grad gar nicht, wie ich das Thema beginnen soll. Es geht darum, dass ich sehr bruchstückhafte Erinnerungen an sexuellen Missbrauch durch meinen Vater habe. Das alles fand in frühester Kindheit statt und endete als ich ungefähr 8 Jahre alt war. Das Verhältnis zu meinem Vater ist seit jeher sehr angespannt, was vor allem daran liegt, dass er mich von kleinauf (es begann nach dem der sexuelle Missbrauch aufhörte) immer wieder verbal erniedrigte und beleidigte.

Seitdem sind einige Jahre vergangen und ich bin mittlerweile erwachsen. Die Beziehung zu meinem Vater ist aber nach wie vor sehr gestört und belastend. Er verhält sich so, als wäre all das nie geschehen. Auf den sexuellen Missbrauch habe ich ihn noch nie angesprochen, dafür schäme ich mich zu sehr .... doch auf seine verbalen Aussetzer angesprochen, leugnet er immer alles und meint entweder, das hätte er so nie gesagt (ergo bilde ich es mir also nur ein) oder dass ich ihn schließlich durch mein Verhalten so provoziert hätte und es daher mit anderen Worten quasi selbst Schuld bin.

Ich möchte den Kontakt zu ihm am liebsten ganz abbrechen, man liest und hört ja immer wieder, dass man des eigenen Seelenfriedens Willen vergeben sollte, aber ich komme einfach nicht darüber hinweg, wie er mich früher behandelte und was er mir damit alles angetan hat. :(

In den vergangen Jahren habe ich mich mehr und mehr von ihm zurückgezogen und distanziert - dabei stellte ich fest: je weniger Kontakt ich zu ihm habe, desto besser geht es mir und desto wohler fühle ich mich.
Er hingegen macht mir deswegen Vorwürfe und erwartet allem Anschein nach, dass ich mich wie eine "normale" Tochter verhalte, sprich Zeit mit ihm verbringe, mich mit ihm unterhalte usw.

Das kann ich aber nicht. Ich fühle mich in seiner Gegenwart jedes Mal total unwohl und erstarre innerlich. Wie gesagt, den Kontakt habe ich auf ein Minimum reduziert, nur manchmal lässt es sich nicht vermeiden und in solchen Situationen kommt dann oft wieder alles hoch. Er geht auf die 80 zu, ist vom Verstand her aber noch sehr klar im Kopf. An mangelndem Erinnerungsvermögen liegt es also ganz sicher nicht, zumal man gerade sowas wohl auch nicht einfach so vergisst.

Ich weiß ehrlich gesagt gar nicht nicht, was ich mir von diesem Thread erhoffe, aber es tut gut, sich das mal alles von der Seele zu schreiben.

Vielleicht melde ich mich später nochmal zu Wort, habe jetzt auf die Schnelle erstmal nur ganz ungefiltert runtergeschrieben, was mir gerade so durch den Kopf geht.


Liebe Grüße
 

StürmischerTag

Aktives Mitglied
Hallo Mindful,

du hast jedes Recht der Welt dich vor dem Kontakt mit diesem Menschen zu schützen und die Entscheidung zu treffen, dass du das nicht willst und nicht kannst.

Dieser Vergebungsanspruch den man immer wieder um die Ohren gehauen bekommt, der steht erst mal gar nicht zur Debatte.
Vergeben kann man in schwerwiegenden Fällen wie diesen meistens erst, wenn auch eine Konfrontation stattgefunden hat. Für so eine Konfrontation muss man aber auch selbst innerlich an dem Punkt sein, dass man dem gewachsen ist.
Da dein Vater aber auch schon zu feige ist, sich mit seinen verbalen Unverschämtheiten konfrontieren zu lassen, wird er den Missbrauch noch viel mehr leugnen.
Für deine Schamgefühle, die ja eigentlich er haben sollte, würde ich dir empfehlen bei Wildwasser oder einer ähnlichen Einrichtung Unterstützung zu suchen.
Eigentlich hat dieser Mann es verdient, dass du ihm deine ganze Wut entgegenschleuderst, vor allem, wenn er auch noch die Dreistigkeit besitzt, dir Vorwürfe zu machen, wenn du seine Gegenwart meiden willst.
Aber an dem Punkt bist du einfach noch nicht und das allerwichtigste ist, dass du dich in deinen Gefühlen und Empfindungen ernst nimmst, dich unterstützt und unterstützen lässt.
Und wenn du entscheiden solltest, dass du ihn gar nicht mehr sehen willst, wäre das übrigens auch in Ordnung.
Er würde auf jeden Fall wissen weshalb das so ist, was auch immer er dir da vorschauspielert.

Wie ist denn deine Mutter mit dem Thema umgegangen? Wie geht der Rest der Familie damit um?
Wird das von allen geleugnet bzw. als Nichts-davon-gewusst getarnt?

LG
 

Nirtak

Mitglied
@ mindful

Ich befürchte er schauspielert noch nicht mal und mit Vergessen hat das auch nichts zu tun. Ich denke er empfindet wirklich nichts Unrechtes. Solche Menschen haben kein Schuldgefühl oder Gewissen, denn das würde sie doch daran hindern soetwas zu tun. Mit dem Vergeben, Vergessen und Verzeihen hab ich selbst die größten Schwierigkeiten mit, denn ich kann es nicht. Meine Wut war und ist für mich auch heilsam, um nicht daran kaputt zu gehen. Halt dich von ihm fern, soweit du kannst. Er wird dich zwar doch immer wieder einholen, aber du musst dir das nicht auch noch im persönlichen Gegenüber geben. Er wird sich und dir nichts eingestehen, sondern dich durch seine bloße Anwesenheit noch mehr malträtieren. Selbst sein Tod würde nichts ändern, glaub mir!!! Sorry für den letzten Satz, persönliche Erfahrung.
 

Mittendurch

Moderator
Teammitglied
Moin @mindful,
es ist gut den Abstand, die Distanz zu wahren, wenn es dir damit besser geht.
Auch wir brauchten seinerzeit den Abstand/ die Distanz, damit es uns besser ging und wir waren froh darüber, dass es uns auch noch leicht gemacht wurde. Denn direkt hatten sie sich nie gemeldet. Doch wir mussten mit den Beschwerden umgehen lernen, die durch andere an uns heran getragen wurden, was für ein schlechtes und undankbares Kind wir doch sind. Was uns einfällt....

Doch trotz allem oder auch gerade dadurch, dass ein Brief der geschrieben von uns wurde, weil es zu dem Zeitpunkt, als wir die Distanz brauchten, noch auf nur vorübergehend angedacht war, doch dieser wurde und Bruchstückweise und neu zusammen gesetzt, als bösartig, unverschämt, undankbar ...., durch andere vorgehalten.

Doch dies trug nur umso mehr dazu bei, dass es immer mehr erkennbar wurde, was eigentlich alles gewesen ist...

Wir waren sehr froh darum uns vor diesen Menschen zu schützen, in dem wir auf Abstand gingen und blieben, es verstärkte das Gefühl von Sicherheit und tun zu dürfen, was für uns gut ist....

Achte gut auf dich und deine Bedürfnisse. Schau das du Menschen um dich herum hast, die dich unterstützen.
Es ist besser für das eigene Wohlbefinden seinen Weg zu gehen, auch oder gerade auch ohne diese Menschen, die verantwortlich für das waren, die uns Schmerz.... zugefügt hatten.

Ja wir dürfen uns schützen und wir dürfen es uns gut gehen lassen und Rücksichtnahme und normales Verhalten, hätten diese Menschen uns zukommen lassen müssen, dann dürfen sie sich auch wünschen, das wir uns ihnen gegenüber "normal" Verhalten. Denn tun wir es so nicht, Abstand halten zum eigenen Schutz? Ist dies nicht ein normales Verhalten?

Wünschen dir viel Achtsamkeit und mögest du gut für dich Sorgen...

LG
Mittendurch
 
D

Deliverance

Gast
Hallo mindful,

das liest sich schrecklich :/

Ich kann dich gut verstehen - meine Mutter hat mich psychisch und physisch schwer misshandelt und sie hat es nie eingesehen, geschweige denn dafür entschuldigt.
In ihren Augen waren wir Kinder alles Schuld - wir waren böse und sie musste uns dafür bestrafen. Wir hätten das verdient und ich habe das auch jahrelang geglaubt.

Täter rechtfertigen sich vor sich selbst und vor ihren Opfern - dass wir selbst daran schuld sind, es so wollten, dass es normal ist, dass es ihr Recht Als Elternteil ist, dass es so sein muss.

Und dann wird geleugnet - wir erfinden die Vorfälle, weil wir Einrichtungen blühende Phantasie haben, verrückt sind und dem Täter schaden wollen :rolleyes:

Leider ist das ziemlich normal, was dein Vater da macht :( glaub dir selbst und nicht ihm - niemand hat sowas verdient!!!

Ich denke, du wirst nie die Entschuldigung bekommen, die du brauchst - vielleicht kurz vor seinem Tod, wer weiß, aber ansonsten ist es eher unwahrscheinlich.

Nimm dir deinen Frieden und brich den Kontakt weiter ab - dein Vater hat dir genug angetan, lass dich nicht weiter quälen. Du hast jetzt die Wahl!
Du bist jetzt erwachsen und unabhängig - du hast das alles überlebt und bist stark geworden, auch wenn du dich oft schwach und hilflos fühlst.

Ich wünsche dir alles Gute! :)
 

mindful

Mitglied
Hallo,

vielen Dank für eure Antworten.

Und wenn du entscheiden solltest, dass du ihn gar nicht mehr sehen willst, wäre das übrigens auch in Ordnung. Er würde auf jeden Fall wissen weshalb das so ist, was auch immer er dir da vorschauspielert.


Genau dasselbe sagt meine Mutter auch. Dass er sich noch an alles erinnern kann und nur so tut, als wüsste er nicht wovon ich spreche. Es fällt mir irgendwie schwer das zu glauben, wahrscheinlich weil ich insgeheim immer noch hoffe, dass er sich vielleicht wirklich nicht erinnern kann und es ihm, wenn er es denn könnte, bestimmt leid tun würde. Dagegen spricht, dass er ein wirklich ausgezeichnetes Gedächtnis hat und sich komischerweise nur an diese negativen Situationen, in die ich damals involviert war, nicht erinnert. Er hat nur ein paar Tage nach mir Geburtstag und meinen Geburtstag schon des Öfteren "vergessen". Dafür hat er sich spät abends oder einen Tag später zwar entschuldigt, aber früher (vor 10 Jahren) hat er mich an Geburtstagen auch schonmal den ganzen Tag über ignoriert (absichtlich), von daher weiß ich echt nicht, ob er es "immer noch" bewusst tut bzw. ich frage mich, was er davon hätte?

Wie ist denn deine Mutter mit dem Thema umgegangen? Wie geht der Rest der Familie damit um?
Wird das von allen geleugnet bzw. als Nichts-davon-gewusst getarnt?
Wir haben keine nennenswerte "Familienbande" und ich bin Einzelkind. Meine Mutter hat seine verbalen Ausraster mitbekommen, aber nie was dagegen unternommen oder sich für mich eingesetzt. Sie erzählte mir irgendwann mal, dass sie seit meiner Geburt keinen Sex mehr gehabt hätten und nachher nur noch meinetwillen zusammengeblieben sind. Ich habe schon überlegt, ob er vielleicht deswegen so einen Hass auf mich entwickelte .... Eine sehr große Rolle dürfte zudem die finanzielle Abhängigkeit meiner Mutter spielen. Mein Vater hat sehr gut verdient (und war was materielle Dinge anbelangt, immer ausgesprochen großzügig und spendabel), so dass sie sich seit meiner Geburt nur noch um den Haushalt usw. gekümmert hat und nicht mehr arbeiten ging. Sie kommt aus eher einfachen Verhältnissen und befürchtete wohl im Falle einer Scheidung mit nichts darzustehen.

Vom sexuellen Missbrauch weiß sie nichts. Unser Verhältnis ist heute besser als früher, aber sie ist auch kein einfacher Mensch: recht dominant (so wie mein Vater sie früher unterdrückte, unterdrückte sie mich, kontrollierte alles usw.) , herrisch und rechthaberisch. Sie sagt jetzt zwar, dass ihr ihr Verhalten von damals leid tue, aber ich weß nicht, ob sie es aufrichtig so meint oder nur aus Selbstgefälligkeit sagt, nach dem Motto "ich hab doch gesagt, es tut mir leid, was willst Du denn noch?".

Auf bestimmte Situationen angesprochen (an die ich mich noch sehr genau erinnere und zum Teil sogar aufgeschrieben habe) spielt sie ihr Verhalten gerne runter und stellt es ganz normal dar.


Ich bitte zu beachten, dass seitdem bald 10 Jahre vergangen sind, in der Zeit haben sich meine Eltern natürlich verändert (nur leider kaum einen völligen Sinneswandel durchzogen) , aber es macht mich immer noch wütend, wenn ich sehe, wie sie es jetzt in der Gegenwart verharmlosen.

Liebe Grüße
 
Zuletzt bearbeitet:

Rainer-JGS

Aktives Mitglied
Schütze Dich vor weiteren Verletzungen durch Deine Eltern!


Hallo, liebe Frau M.!

Du hast zwar ganz richtig mitbekommen, daß nur ein aufrichtiges Bemühen um Vergebung, letztlich derlei seelische Verletzungen wirklich heilen können, aber vorher bedarf es noch der ausführlichen Würdigung dieser Wunden! Vor allem aber solltest Du Vergebung nicht mit Versöhnung verwechseln und Dich vor weiteren Verletzung durch Deine Eltern schützen, indem Du z.B.:

1. Den Kontakt von der Häufigkeit und der Nähe immer nur so gestaltest, wie es für Dich zuträglich ist und Dich zu Deinen Verletzungen bekennst und aus Deinem Herzen keine Mördergrube machst!

2. Dein Herz bei einem Therapeuten, Lebensberater oder Seelsorger gründlich ausschüttest, um in einer Reihe von Gesprächen Deinem so wichtigen Seelenfrieden näher zu kommen!

3. Deiner Mutter sagst, daß Du zwar Ihre Entschuldigungsworte gehört, aber nicht ihr aufrichtige Reue gespürt hast!

4. Deine Mutter und Deinen Vater, mit Deinen Verletzungen konfrontierst, vielleicht erst einmal in schriftlich Form und Du vor allem Deinen Vater um eine Entschuldigung bittest, damit Du ihm verzeihen könnest!

5. Gehe sofort auf Abstand, wenn Du merkst, daß Deine Eltern - oder jemand anderes - Dich nicht in der nötigen Weise respektieren, achten und wertschätzen!

6. Nicht Du mußt Dich schämen sondern Dein Vater und stelle ihn vor die Entscheidung, Dir beim Vergebungsprozeß behilflich zu sein, oder nicht!

7. Dich mit Deiner Mutter über den Mißbrauch aussprichst!
 

StürmischerTag

Aktives Mitglied
Liebe Mindful,

was du da beschreibst, wie sich dein Vater verhält, das kenné ich nur zu gut von meinem Stiefvater er entstammt ungefähr der gleichen Generation wie dein Vater.
Dieses Leugnen und vehemente Abstreiten der eigenen Taten bis hin zu der ich-kann-mich-nicht-erinnern-Taktik das ist wie eine Wand. Nichts geht. Da ist so eine Verbohrtheit und so eine gigantische Feigheit, da kommst du vermutlich nicht mehr durch. Nie wird sich mal für etwas entschuldigt, auch wenn es noch so offensichtlich ist, dass es ein Fehlverhalten gab.
Diese Ignoranz deinem Geburtstag gegenüber spricht auch noch einmal eine ganz eigene Sprache. Indirekt ist es ja eine demonstrative Haltung gegen dich: Du existierst für mich nicht. Du bist für mich nicht geboren.

Ich kann dich nur darin bestärken, diesen Menschen ganz aus deinem Leben zu entlassen, gerade wenn du nicht zurecht kommst mit den Begegnungen. Wenn er schon nicht bereit ist, auch nur im Ansatz mal eine Entschuldigung zu formulieren, dann hat er sich dein Ignorieren ganz einfach verdient. Er hat es sich über Jahre hinweg "erarbeitet", dass du keinen Kontakt mehr zu ihm willst.
Von ihm auch noch dumme, ungerechtfertigte Vorwürfe zu erhalten ... ich kann nur den Kopf schütteln.
Ein einziges: "Du weißt genau, warum ich dich nicht mehr sehen will." wird es ihm glasklar erklären, was immer er dann auch dazu sagt. Das ist einfach verlogenes Geschwätz.
Vielleicht wäre es ja gerade ein Ignorieren, was ihn letztlich aushebeln könnte und was bei ihm etwas verändert. Das ist eine sehr vage Chance, evtl. wenigstens noch eine Entschuldigung zu erhalten.
Generell wäre es gut, ihm jedesmal wenn er diese Verlogenheitsspielchen spielt klar zu zeigen, dass er durchschaut ist. Aber das kann nicht deine Aufgabe sein. Deine Aufgabe ist es, dich selbst zu schützen, dich selbst in deinen Empfindungen wahrzunehmen, ernstzunehmen und anzunehmen.

Was deine Mutter betrifft, scheint sie auch nicht so vertrauenswürdig zu sein und letztlich spielt sie das Spiel ihres Mannes in abgeschwächter Form genauso, sie hat mehr oder weniger von ihm gelernt, dass man sich damit einer Menge unangenehmer Diskussionen entziehen kann.
Sie lässt dich auf ihre Art auflaufen sozusagen.
Und dieses Auflaufen lassen ist noch einmal eine ganz eigenständige Verletzung, es toppt das Ganze irgendwie, sticht in die eigentliche Wunde noch mal richtig rein.

Tu das, was dir gut tut, was dir hilft, was dich stärkt.

Die Besuche bei den Eltern sind ja im Grunde sehr demütigend, weil sie dir immer wieder signalisieren, wie unwichtig du bist, wie egal ihnen dein Verletztsein ist. Es gibt einfach keinen Grund, weshalb du dir das weiterhin antun solltest. Im Gegenteil.

Was die 10 Jahre betrifft, die vergangen sind, das hat gar nichts zu sagen. Das kann dich auch nach 30 Jahren noch wütend machen, ganz einfach deshalb, weil sie sich dir verweigern, dich im Regen stehen lassen und dir im Grunde mit ihrer Haltung auch verweigern, dass du vergeben kannst. Dass du darüber wütend bist ist mehr als verständlich und im Grunde haben sie genau dadurch ja auch immer noch Macht über dich.

LG
 
Zuletzt bearbeitet:

mindful

Mitglied
Hallo,


vielleicht überrascht es ihn, dass ich mich ausgerechnet jetzt nach all den Jahren, die zwischenzeitlich vergangen sind und in denen ich mehr oder weniger brav sein Spiel "das ist so nie passiert" mitgespielt habe, dagegen "auflehne".

Ich muss ehrlich zugeben, Angst zu haben, dass er irgendwann stirbt, ohne dass wir die Vergangenheit klären konnten. Dabei weiß ich nicht mal, was ich mir davon verspreche.

Er ist nun alt, hat keine Freunde mehr, die ihn besuchen und so sind meine Mutter und ich seine einzigen "Bezugspersonen". Da die Beziehung zwischen ihm und meiner Mutter (sie ist ein ganzes Stück jünger als er) auch recht gefühlskalt geworden ist, fühle ich mich irgendwie verantwortlich, ihm zumindest ein bisschen Ansprache zu schenken, da er ansonsten niemanden mehr hat. Gleichermaßen widert es mich aber auch an .... Er sagt mir oft, dass er nichts mehr kann, ein Krüppel sei, nicht ewig so weiterleben möchte usw. - wie soll man solche Worte nicht an sich ranlassen? Wem würde er denn da nicht leid tun?


Meine Mutter sprach ihn nach einem Gespräch zwischen uns gestern noch einmal darauf an (u.a auf die Beschimpfung mit "Du Missgeburt, dummes Stück Scheiße ...." usw.) und sein einziger Kommentar dazu war, dass er sich nicht mehr daran erinneren könne. Ich fühle mich dadurch jedes Mal vor den Kopf gestoßen. Warum fragt er denn nicht nach Einzelheiten, um seinem Gedächtnis auf die Sprünge zu helfen? Wenn ihm irgendwas daran liegen würde, wie ich mich fühle oder zumindest um mein Verhalten nachvollziehen zu können (wenn er sich denn tatsächlich nicht erinnert), sollte es ihm das denn nicht wert sein?

Diese Ignoranz deinem Geburtstag gegenüber spricht auch noch einmal eine ganz eigene Sprache. Indirekt ist es ja eine demonstrative Haltung gegen dich: Du existierst für mich nicht. Du bist für mich nicht geboren.
Ja, genau so habe ich mich damals auch gefühlt. Unerwünscht, ungeliebt, fehl am Platz, könnte die Liste beliebig fortsetzen. Einmal sprach er sogar zwei Wochen lang nicht mit mir (das war nach dem Vorfall, wo er mich so krass beschimpfte). Irgendwann fragte er mich dann "sprichst Du nicht mehr mit mir?", woraufhin ich nur sagte "Du hast mich doch ein dummes Stück Scheiße genannt, was soll ich dazu noch sagen?", darauf erwiderte er dann netterweise "ja und? Das bist Du doch auch!?".


Meine Eltern haben mich früher ständig für ihr Wohlbefinden verantwortlich gemacht, so als wäre es meine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass es ihnen gut geht. Meine Mutter klammerte z.B extrem und war sehr darum bemüht, alle Unabhängigkeitsbemühungen meinerseits bereits im Keim zu ersticken. Dieser frühe Rollentausch führte dazu, dass ich noch heute mit Schuldgefühlen kämpfe, wenn ich sehe wie unglücklich sie beide sind, obwohl ich vom Verstand her natürlich weiß, dass es nicht meine Aufgabe ist und sie stattdessen mal lieber selbst Verantwortung für sich und ihr Leben übernehmen sollten.

Habe schon zig Bücher von Alice Miller zu dem Thema verschlungen und lese aktuell einen Ratgeber, wie man dem inneren Kind hilft, Schuldgefühle loszulassen. Trotzdem weiß ich oft nicht, wo mir der Kopf steht oder wie ich mit alledem umgehen soll. Durch das Aufarbeiten kommen immer neue Gefühle und weitere Erinnerungen hoch. Anstatt das Gedanken- und Gefühlschaos zu beruhigen, öffnen sich zumindest gefühlt immer weitere Türen - teils zu Erinnerungen, teils zu Gefühlen, die ich lange versucht habe zu verdrängen.

Hoffe der Text ist nicht zu durcheinander geschrieben ....

Liebe Grüße
 
Zuletzt bearbeitet:

StürmischerTag

Aktives Mitglied
Hallo mindful,

also erstmal wirst du für dich selbst die Situation immer aufarbeiten können, ob er nun noch lebt oder nicht. Du setzt dich damit unnötig unter Druck, das vor seinem Tod klären zu wollen.
Das geht auch gar nicht, weil du gar nicht an dem Punkt bist, das zu können.

Es ist natürlich wichtig, sich der ganzen Situation bewusst zu werden, andererseits holst du aber durch das Lesen von Alice Miller soviel aus dem Unbewussten, wie du gar nicht bewältigen kannst.
Hast du denn noch zusätzliche Unterstützung inform von Gesprächen mit dafür kompetenten Personen?
Du überforderst dich gerade sehr mit deinen Ansprüchen, das alles zu bewältigen und aufzuarbeiten bevor dein Vater stirbt. Damit wirst du nicht weiter kommen, es belastet dich einfach zusätzlich.

Wichtig wäre, dass du das tust, was stimmig ist für dich. Wenn du denkst, es ist hilfreich für dich, mit ihm in Kontakt zu sein, dann ist es ok.
Ist doch gut, wenn deine Mutter ihn konfrontiert in deinem Beisein, so kannst du durch seine Reaktion immer klarer für dich werden.
Dass er nun so große körperliche Probleme hat ist eben so, sein Jammern darüber sollte dich aber nicht gefangen nehmen. Hilfestellung geben ist das eine, aber die körperliche Verfassung als Ausrede durchgehen zu lassen, dass er sich aus der Verantwortung für seine Taten dir gegenüber ziehen kann, das ist nicht sinnvoll.
Im Grunde lullt er dich noch immer ein in seine Lügen und seine Herzlosigkeit.
Du bist an ihn gebunden, solange du etwas von ihm erwartest. Du erwartest von ihm Ehrlichkeit, ein Schuldeingeständnis etc.
Wenn du zu ihm gehst um ihn zu helfen ist das eine Sache. Aber wenn du hingehst, weil du von ihm etwas erwartest, ist das die falsche Motivation, du wirst nur darunter leiden.

LG
 

Anzeige (6)

Ähnliche Themen

Anzeige (6)

Anzeige(8)

Regeln Hilfe Benutzer

Du bist keinem Raum beigetreten.

    Anzeige (2)

    Oben