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Sollte man Essstörungen mit (anderen) Suchterkrankungen gleichstellen?

Gretchen Wieners

Aktives Mitglied
hi,
wollte mal eure meinung zu dem thema wissen.
ich finde, dass essstörungen (mitunter) genauso schwerwiegende erkrankungen sind wie andere suchterkrankungen, z.b. alkoholsucht, kaufsucht, drogensucht usw.
dabei denke ich einerseits in richtung der persönlichen/körperlichen folgen für den jeweils süchtigen (man denke nur mal an abmagerung, nährstoffmangel, zahnausfall, kaputte speiseröhre, herz-kreislauf-probleme, erkrankungen der inneren organe, der blutgefäße, sozialer rückzug, depressionen, alles dreht sich nur noch um den stoff=das essen => stagnation der persönlichen entwicklung, da für anderes keine zeit mehr bleibt/kein interesse mehr da ist....)

andererseits auch an die folgen für das umfeld/die familie. z.b. vernachlässigung der kinder, des partners, durch z.b. depressionen evt. erhöhte gewaltbereitschaft wenn nicht sowieso schon latent vorhanden.

ich denke so, weil ich das von mir selber, aber auch aus erfahrung mit meiner leiblichen mutter kenne. sie selber war schwer essgestört (wir beide waren und sind es). ich erinnere mich noch gut an momente wenn ende des monats das geld aus war und sie sich dann von allen möglichen leuten geld gschnorrt hat oder mehrmals pro stunde ihren kontostand via telefonhotline abgefragt hat, wann endlich die sozialhilfe überwiesen worden ist, damit wir dann ruck zuck zum nächsten mc donalds fahren konnten, um uns ziemlich riesige portionen einzuverleiben. das hatte total den suchtcharakter. wir lauerten stunden in der wohnung rum, schlichen ums telefon, redeten immer nur vom geld, bis es dann endlich da war oder eben nich. wir waren beide gehetzt und oft aggressiv während des wartens oder haben uns immer wieder ausgemalt wie toll es dann wäre wenn das geld endlich da ist.
oder z.b. wenn wir uns dann vollgestopft hatten, dann war uns alles noch egaler als es uns sonst eh schon war, wir lagen oder saßen nur faul und voll herum, meine mutter zockte dann wieder ihre computerspiele, ich war mir selbst überlassen, es lief nicht mehr viel, beide befriedigt, aber lethargisch und desinteressiert an der umwelt. und später mitunter wieder gegenseitiges fertigmachen, wer verfressener, dem essen verfallener, wer davon schon fetter und kaputter ist usw.

das erinnert mich 1:1 an andere suchtkreisläufe. probleme werden mit dem suchtmittel versucht zu regulieren, dieses craving/der suchtdruck vor dem nächsten mal, der kurze kick beim konsum, das schlechte gefühl oftmals schon kurz danach, dass sich gegenseitig fertig machen wer schon tiefer in der scheiße sitzt, ein großteil des gelds wird nur noch in das suchtmittel investiert (wir sind z.b. auch oft teurer essen gegangen, nich nur zu mc doof, obwohl wir uns das als sozialhilfeempfänger eigentlich gar nicht wirklich leisten hätten können, aber alles andere war eh egal, hauptsache essen)

und strukturen, die oftmals auch bei anderen suchterkrankungen in familien auftauchen wie vernachlässigung, missbrauch, misshandlung/gewalt allgemein, isolation, prekäre lebensumstände usw. gab es auch.

nicht zuletzt spricht man ja auch häufig von magerSUCHT, ess-brech-SUCHT, fress-SUCHT,...usw.

was meint ihr?
 
A

Anythingbutme

Gast
Ich denke natürlich, dass du recht hast.

Essstörungen sind ja genauso wie Alkoholabhängigkeit, Drogensucht usw. ernst zu nehmende Erkrankungen. Wie auch ein Drogenabhängiger braucht auch jemand mit einer Esstörung wie z.B Magersucht Beratung und Therapie.

lg
anythingbutme
 

hilfe-schlumpf

Aktives Mitglied
Sucht ist ein allgemeiner Oberbegriff. Somit kann er auch auf alle, gleich gelagerten Situationen angewendet werden.

Ich überlege gerade nur. Bei essgestörten Menschen ( zumindest bei den Magersüchtigen, bei den fresssüchtigen aber wohl auch ) ist ja sofort jeder dabei, die Leute als psychisch krank abzustempeln ( passiert auch hier im Forum laufend ). Wenn jemand aber jeden Tag ne halbe Schachtel Zigaretten raucht, kommt doch niemand auf die Idee, dieses Person sofort und pauschal als geisteskrank zu bezeichnen. Nur mal so zum drüber nachdenken......:rolleyes:

Schlumpf

P.S. : Wer mich kennt weiß, dass ich im Zweifel dafür plädiere, beide für "nicht geisteskrank" zu erklären. :)
 
A

Anythingbutme

Gast
Zigarettenrauchen an sich ist ja auch keine Krankheit oder Störung. Nur die Folgen können eben extrem schlimm sein. Aber Rauchen an sich hat wohl keine tiefliegendne Ursachen, die meisten greifen zu einer Zigarette, wenn sie nervös sind , weil sie es mit Entspannung gleichsetzen und Ähnliches. Und Rauchen an sich beeinträchtigt die Person ja auch nicht im Alltag.

Bei Essstörungen hingegen ist es meiner Ansicht nach so, dass die Person eben ein ziemlich gestörtes Selbstbild hat, oder Probleme, mit denen sie nicht alleine klarkommt. Zu dem Thema gibt es ja auch schon zahlreiche Bücher, die genau aufzeigen, wie schlimm so eine Essstörung für den Betroffenen eben ist - z.B "Das schwere Los der Leichtigkeit" von Portia de Rossi.
 

hilfe-schlumpf

Aktives Mitglied
Tja, genau das ist es ja was ich meinte.

Rauchen ? Nur so ne Marotte.

Dünn sein ? Total psycho. Da muss was ganz großes dahinterstecken.

Ich meine, eine der Definitionen von Sucht ist, dass man "ohne" nicht sein kann, zumindest nicht aus eigener Kraft. Da ist es dann egal ob das Alkohol, Nikotin , Heroin oder "nix essen" ist.

Wer macht denn das Selbstbild des Rauchers richtig und das des Fresssüchtigen ( oder Magersüchtigen ) falsch ? Die anderen !! Die Anderen definieren doch, was gut und was böse ist. Und ist leider so, dass alles was anders ist als man selbst, sofort in den Verdacht gerät, in irgendeiner Weise falsch oder "gestört" zu sein.

Mit geht das halt zu sehr in die Ecke "ich bin ok, Du bist anders, also bist Du sicher nicht ok". :mad:
 

Kannja

Aktives Mitglied
Essstörungen sind zweifellos sehr schwerwiegende Suchterkrankungen - allerdings welche die mit fast noch höheren Vorurteilen belastet sind als andere Süchte...

Beispiel: Unter "ernsthaft" essgestört, im Sinne von Mitleids-/Hilfs-/Therapiebedürftig versteht unsere Gesellschaft in der Regel die bereits sichtbaren Magersüchtigen. Erste Frage wenn ich erzähle wie schlimm meine Esstörung früher war "Wie wenig hast Du denn an Deinem tiefsten Punkt gewogen?"... ich habe nicht selten den Eindruck, dass da auch eine Art Bewunderung hintersteht. Denn in unserer Gesellschaft ist dünn sein ja eigentlich äußerst erstrebenswert. Wer sich also auf ein lebensgefährlich niedriges Gewicht gehungert hat, der wird eher als übertrieben selbstdiszipliniert gesehen. Nimmt er/sie nach einer Therapie dann bis zu einem (fast) normalen Gewicht zu, kann er ohne weiteres im Nachhinein von seiner ehemaligen Erkrankung erzählen und voll akzeptiertes, "normales" mitglied dieser Gesellschaft sein.

Was jedoch Bulimie angeht gibt es mehr abwertende, böse Witze, Hohn, Spott und Ekel als gegen jede andere Suchterkrankung. Bulimiker werden in Medienberichten als rücksichtslose Ekelpakete dargestellt die ihrer Familie alle Vorräte "wegfressen" und dann hemmungslos, und eigentlich den halben Tag lang, über der Kloschüssel hängen. Die Fressattacken werden nur als undiszipliniertes "Sich alles erlauben" gesehen, das Kotzen nur als billiger Ausweg diese vergnüglich gefutterten Kalorien nicht auf die Figur gehen zu lassen. Also alles eine Frage von Faulheit, ekelig sein und mangelnder Disziplin. Betroffene könnten auch im Nachhinein niemals offen über ihre Erkrankung reden ohne dafür abgestempelt zu werden und als psychisch gestört zu gelten.

Beim Binge-Eating hingegen hat keiner Verständnis. Diese Menschen gelten einfach als fett, faul und undiszipliniert. Man ekelt sich vor ihnen, macht fiese Sprüche, möchte sie als "Beleidigung der Augen" am liebsten aus dem öffentlichen leben verbannen und gönnt ihnen auch keine Therapie. "Die sollen sich einfach mal selbst in ihren A**** treten, Sport machen und nicht die ganze Zeit fressen" Kurz: Diese Art Essstörung ist überhaupt nicht anerkannt und wird von der Allgemeinheit als nicht wirklich existent gesehen.


Zusammengefasst kann man also folgendes sagen: Menschen reagieren nur auf Krankheiten die sie äußerlich eindeutig sehen und demnach ganz einfach zuordnen und identifizieren können verständnisvoll bis positiv. Also ist die Magersucht die einzige unter den Essstörungen die gesellschaftlich Akzeptanz und Aufmerksamkeit bekommt. Vielleicht auch, weil man die psychisch-erkrankte Komponente hierbei so schön verdrängen kann, bzw. als Außenstehender nicht unbedingt sehen MUSS. Wie gesagt, dünn sein ist ja eigentlich gewollt, gilt als schön, zeugt von toller Disziplin... wenn da jemand also äußerlich bloß zu streng mit sich selbst war, ist das irgendwo immer noch positiv zu bewerten. Zumal dünne Menschen ja auch zerbrechlich wirken und bei vielen durch diesen rein oberflächlichen Eindruck Schutz- und Hilfsbedürftigkeit ausstrahlen. Eine normalgewichtige Bulimikerin die ÄUßERLICH ja gesund wirkt, tut das nicht. Und schon gar nicht die ach so kräftig aussehenden Binge-Eating Erkrankten.
 

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