Tod meines Vaters erscheint mir stellenweise nicht real - normal?

MaryInASea

Mitglied
Liebe Leute,

ich weiß, dass Trauer ein sehr individueller Prozess ist und es keine Pauschalantworten gibt, aber ich würde mich trotzdem über eure Erfahrungen freuen.

Kurz nachdem mein Vater starb (es war genau heute vor zwei Monaten) war ich erst einmal total verwirrt und es fühlte sich alles nicht real an. Nur für zwei-drei kurze Momente am Tag habe ich es wirklich verstanden und dann hat es auch sehr wehgetan, aber dann legte sich wieder dieser Schleier um mich und es fühlte sich unwirklich an. Kurz vor, während und nach der Beisetzung der Urne kam dann alles hoch; ich habe verstanden und bin vor Schmerz fast verrückt geworden. Diese Phase hielt bis letzte Woche an.
Jetzt ist es wieder so, dass ich es nicht glauben kann. Ich bin gerade nicht mal sehr traurig, weil es mir einfach völlig abstrus vorkommt, dass das passiert sein soll. Ich habe all die Erinnerungen, ich war die letzten 3.5 Wochen jeden Tag bei ihm im Krankenhaus/Hospiz, aber es fühlt sich einfach nicht wirklich an. Es kommt irgendwie nicht in meinem Herzen und meinem Kopf an. Ich fühle mich fast wieder so wie ganz am Anfang. Dabei tat mir die Trauer, auch wenn sie mich manchmal in die absolute Verzweiflung getrieben hat, irgendwie auch gut, denn irgendwie war ich meinem Papa dadurch sehr nah. Jetzt ist es genau andersherum, jetzt kommt mir mein Papa total weit entfernt vor und das ist für mich kein schönes Gefühl...

War es bei euch auch so, dass ihr Phasen hattet, in denen ihr das einfach nicht glauben konntet und dass diese Phasen nicht nur am Anfang auftraten? Ist es vielleicht "normal" und die verschiedenen Phasen wechseln sich einfach ab? Ich fühle mich so unglaublich komisch...
 
Herzliches Beileid.

Ich glaube, dass es bei Trauer kein "normal" oder "anormal" gibt. Es ist völlig individuell, mal ist man phasenweise sehr traurig, die Trauer überfällt einen wie eine riesige Welle, mal lacht man und ist fröhlich und fragt sich, wie man lachen kann, wenn der Vater gestorben ist.

Bei mir war es so, dass wir meinen Vater begleitet haben und dass der Krankheits- und Sterbeprozess ein paar Monate ging und ich gegen Ende auch Psychopharmaka genommen habe, weil ich es nicht ertragen habe und nur am Weinen war und meinen Vater dadurch auch nicht noch mehr verängstigen wollte.

Von daher war dann erstmal eine Erleichterung da, als er gestorben war, dass das Leiden und die Angst ein Ende hatten und wir aufatmen konnten, weil das Mitleiden und nicht Helfen können empfand ich als sehr schlimm. Die Trauer war durch die Medikamente auch gedämpft, ich fühle mich wie in einem Wattebausch gehüllt und ich empfand es auch als unwirklich.

Später dann, als ich keine Medikamente mehr genommen habe, kam und ging die Trauer - manchmal brandet sie dann hoch, wenn man an die Person denkt. Ich denke, dass manchmal der Schmerz so groß ist, dass irgendein Schutzmechanismus in uns uns davor bewahrt, den ganzen Schmerz auf einmal zu fühlen.

Ich hoffe, dass Du Beistand hast und Dich Menschen trösten können. Lass einfach alles zu, was kommt, es gibt da kein Richtig und Falsch.
 
Liebe Mary
Dieses nicht- wahrhaben-wollen kenne ich auch. Als mein Vater vor 3.5 Jahren starb, hatte ich danach oft das Bedürfnis, ihn zu suchen. Obwohl ich seinen Tod und die Beerdigung miterlebt habe, dachte ich manchmal ein Jahr oder länger, irgendwo müsse er (lebendig) sein.
Ich wünsche dir alles Liebe!
 
Ich denke, dass manchmal der Schmerz so groß ist, dass irgendein Schutzmechanismus in uns uns davor bewahrt, den ganzen Schmerz auf einmal zu fühlen.
Danke dir, Binchy.
Ja, das hab ich auch schon gedacht. Ich mein, wenn die Verzweiflung durchgängig da wäre, dann würde ich vermutlich wirklich verrückt werden, weil das ja eigentlich gar nicht auszuhalten ist...

Liebe Mary
Dieses nicht- wahrhaben-wollen kenne ich auch. Als mein Vater vor 3.5 Jahren starb, hatte ich danach oft das Bedürfnis, ihn zu suchen. Obwohl ich seinen Tod und die Beerdigung miterlebt habe, dachte ich manchmal ein Jahr oder länger, irgendwo müsse er (lebendig) sein.
Ich wünsche dir alles Liebe!

Danke dir.
Ja, so ähnlich ist es bei mir auch. Ich wohne nicht in der Stadt, in der mein Papa gelebt hat und jetzt auch verstorben ist, deswegen kann ich ihn nicht an einem bestimmten Ort oder so suchen, aber ich schaue dauernd seine Bilder an und stelle mir in meinem Kopf oft - wortwörtlich - die Frage "Wo bist du, Papa?". Als müsse er irgendwo sein. Es ist alles so unbegreiflich... vor 6,5 Wochen saß ich noch neben ihm, da war seine Seele noch in seinem Körper. Er war für mich erreichbar. Und jetzt ist er einfach weg und auf keinem Weg mehr zu erreichen. Vielleicht ist das auch einfach zu viel, um es wirklich zu begreifen, weil es einfach so unvorstellbar ist...
 
Ich denke, dass man den Tod nie wirklich begreifen kann. Ich hoffe, dass du liebe Menschen an deiner seite hast.
Theoretisch habe ich viele liebe Leute, die für mich da sind, rein praktisch wohnt keiner von diesen Menschen in der Stadt, in der ich wohne. Das erweist sich gerade nicht unbedingt als Vorteil, aber ich videochatte viel mit meiner besten Freundin und habe auch einen Therapieplatz bekommen... nächste Woche fahre ich meine Mutter besuchen (die ersten 6 Wochen nach dem Tod meines Papas war ich auch bei ihr, da konnte ich nicht alleine sein).
 
Das ist gut, dass Du nicht so alleine bist. Man möchte oft ja auch alleine sein und erträgt auch nicht immer Menschen. Das Schlimme ist das Gefühl, dass man diesen Menschen nie wieder sehen wird, wenn man nicht an ein Leben nach dem Tode glaubt.

Damit klarzukommen dauert wirklich. Aber wenn Du denkst, dass wir uns alle nach dem Tode wiedersehen, dann kann Dir das Hoffnung geben. Das ist ja Ansichtssache.

Manchmal, wenn es einem sehr schlecht geht, ist es einfach nur gut, wenn man es schafft, die nächste Viertelstunde irgendwie rumzukriegen, zu füllen. Mal rausgehen, wenn man die Wohnung nicht erträgt, mal weinen, mal sich ablenken. Und jeder Tag bringt einen etwas weiter, dass das man irgendwann diese Trauer und den Schmerz abmildern kann und es akzeptieren kann.
 
Aber wenn Du denkst, dass wir uns alle nach dem Tode wiedersehen, dann kann Dir das Hoffnung geben. Das ist ja Ansichtssache.

Manchmal, wenn es einem sehr schlecht geht, ist es einfach nur gut, wenn man es schafft, die nächste Viertelstunde irgendwie rumzukriegen, zu füllen. Mal rausgehen, wenn man die Wohnung nicht erträgt, mal weinen, mal sich ablenken. Und jeder Tag bringt einen etwas weiter, dass das man irgendwann diese Trauer und den Schmerz abmildern kann und es akzeptieren kann.

Leider glaube ich nicht an ein Leben nach dem Tod und an ein Wiedersehen mit meinem Papa, wenn ich irgendwann tot bin. Ich wünschte, ich täte es, dann wäre vermutlich alles ein wenig einfacher... :'(

Ja, aktuell ist es wirklich ein Sich-von-Tag-zu-Tag-hangeln... es fühlt sich bloß so an, als könnte ich nie wieder glücklich sein... mein Papa und ich standen einander so nah; er fehlt mir so. Ich würde alles tun, um noch mal mit ihm sprechen und lachen zu können... Ich kann einfach nicht fassen, dass das nie wieder möglich ist... Ich hatte gehofft, dass mir das nicht schon in den 30ern passieren muss... ich habe noch so viel Leben vor mir; so viel Leben ohne meinen Papa... das geht mir irgendwie nicht in den Kopf...
 
Auch wenn es wie eine Platitüde klingt: es wird besser werden, man glaubt dass in dem Moment, wo man so leidet kaum, aber nach einiger Zeit wird der Schmerz nicht mehr so heftig sein, man wird mit ihm leben können und man denkt dann auch nicht mehr täglich an seinen Vater.

Aber es ist natürlich besonders schlimm, wenn man noch recht jung ist, das ist klar.
 
mein Vater und ich waren eng verbunden auch ohne viel Worte
er war immer am Arbeiten als allein Verdiener einer 7Köpfigen Familie
mit 56 Jahren starb er plötzlich nach einem Herzinfarkt
ich war damals Mitte 20 und es tat verdammt weh-auch heute manchmal noch
es dauerte über ein Jahr bis es mir wieder einigermaßen besser ging irgendwie hatte ich immer das Gefühl Vater ist noch da und hat den Weg in die Endlichkeit nicht geschafft
ich verspürte seine Schmerzen und leiden an mir in diesem Jahr und die Ärzte fanden nichts
es war meine Seele die gelitten hat
ich bin den Weg der Trauer alleine gegangen und kam auch alleine aus diesen "Loch"wieder raus
Jahre später erschien mir Vater im Traum er sagte nichts wir liefen nur nebeneinander her bis er mir die Hand reichte
dann wachte ich auf und dachte die zeit war noch nicht da ihm zu folgen
lass Dir Zeit den es braucht viel Zeit das zu Verarbeiten,
weh wird es auch nach zig Jahren noch tun
 

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