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Unterschiede Beruf und Privat

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E

Egerton

Gast
Kennt Ihr das auch? Das in einem 2 verschiedene Seelen schlummern. Das was man ist und was man darstellt so Grund verschieden ist.

Ich bin beruflich und privat völlig anders. Beruflich bin ich extrem extrovertiert. Ich gehe auf die Menschen zu, bin nett, extrem witzig, hilfsbereit. Im Beruf mögen mich die Frauen aller Altersgruppen. Die Kolleginnen freuen sich, wenn ich mich neben sie sitze, weil sie wissen, daß es dann wahrscheinlich ein kurzweiliger, lustiger Arbeitstag wird. Ich arbeite im Call-Center. Die Frauen, die ich anwähle, lassen in ihrer Stimme keinen Zweifel, daß sie sich freuen, meine Stimme zu hören oder sich beschweren, daß ich mich lange nicht bemeldet habe. Die flirten am Telefon, was die Stimme hergibt. Die Mädels, ob jetzt am Telefon oder neben mir, lachen sich halb schlapp, wenn ich was erzähle. Ich kann auch gut zuhören. Die Menschen vertrauen sich mir an. Ich fühle mich wie ein Held. Mein Selbstvertrauen ist gigantisch.

Privat bin ich völlig anders. Ich bin einsam, kontaktunfreudig, schüchtern und mein Selbstvertrauen tendiert gegen null. Ich habe keine echten Freunde und bin nicht in der Lage, aus eigener Kraft wirklich zufrieden zu sein. Die Menschen verlieren schnell das Interesse an mir. Ich gehe nicht zu Geburtstagen, Hochzeiten oder Partys. Ich schaue meist fern, oder surfe im Internet oder lese. Ich kann mich nicht aufraffen und jeder Fehlschlag oder Enttäuschung zieht mich richtig nach unten. Die Frauen, die mich beruflich interessant finden und die mich auch privat kennen lernen wollen, verlieren schnell das Interesse und brechen den Kontakt schnell ab, weil ich das, was ich beruflich verspreche, privat nicht mal in Ansätzen halten kann.

Ich kann mir und anderen dieses Verhalten nur teilweise erklären, es ist auch schwer anderen zu vermitteln. Und dieses zweigeteilte Leben ist wirklich anstrengend, vor allen Dingen mental schwierig und das ist im Grunde schon mein ganzes Leben so. Früher habe ich das nicht in Frage gestellt, aber jetzt tue ich es.

Also gibt es Leute mit ähnlichen Erfahrungen? Woran liegt es, daß ich so bin? Wie kann ich das vielleicht ändern?
 
Hallo du,

ich kann mir gut vorstellen, dass dein Arbeits-Helden-Ich nicht dein wirkliches Ich ist und es deshalb eine Menge Kraft kostet (vielleicht merkst du das auch gar nicht), diese Rolle jeden Tag aufrecht zu erhalten und den Erwartungen der Kollegen, Kunden, Vorgesetzten zu entsprechen.

Du hast die Pflicht, immer freundlich, charmant, witzig, mit nem flotten Spruch auf den Lippen zu sein - deine Worte sind dein Kapital - und du bist jetzt in dieser Rolle, die alle Kollegen erwarten, die du auch durchziehen musst.

Ich hab mal ne Studie gelesen, dass Menschen, die den ganzen Tag zwanghaft freundlich sein müssen (es wurde dort besonders auf Berufe im Einzelhandel hingewiesen), ein besonders hohes Risiko haben, an Depressionen zu erkranken.

Vor, neben und nach meinen Studiengängen, also seit knapp 10 Jahren arbeite ich im Einzelhandel - nur jetzt gottseidank im Büro seit zwei Monaten, wo ich meine Ruhe habe.

Da kann ich dir absolut bestätigen, mir gings genauso, wie dir.
Das Callcenter wird sich da nicht groß unterscheiden.
Den ganzen Tag labern, labern, labern...immer freundlich, witzig, nett, gewieft sein. Das bloß-nix-falsches-sagen hat sich schon eingebrannt....

Du, da bin ich heimgekommen nach 8-10 Stunden und wollte erst mal meine Ruhe. Und nix reden. Keine Menschen. Meinen Gedanken nachhängen. Keine krasse Geräuschkulisse. Kein allzeit-zur-Freundlichkeit-bereitstehen-Drill.
Bock, groß noch was zu unternehmen, neee danke.
Hab schon den ganzen Tag rumlabern müssen.
Will meine Ruhe, nicht schon wieder Menschen.

So gings nicht nur mir, sondern vielen Kollegen.
Kinobesuche waren noch drin zusammen, da muss man nicht quatschen oder mal ein paar Bier auf die Schnelle runterkippen, aber danach sind auch alle heim und man hat sehr deutlich gemerkt, dass die Leute ihre Ruhe wollen und brauchen, vom Online-Modus erst mal auf Offline schalten wollten....

Ich denke, manche Menschen können nicht den ganzen Tag witzig, nett und humorvoll sein, wenn sie nicht schon dazu geboren wurden.

Vielleicht solltest du mal Urlaub beantragen, um herauszufinden, inwieweit sich dein Privatleben ändert, wenn du das berufliche Ich mal aussen vor lassen kannst. Wenn du merkst, dass es besser wird, hättest du auch Zeit, über berufliche Alternativen nachzudenken.

Also für mich hat sich viel geändert. Jetzt darf ich auch mal böse schaun, unterbricht mich jemand bei der Arbeit, redet mich dumm von der Seite an oder quatscht mir dazwischen.
Und ich muss selber nicht mehr dauernd quatschen.
Und werd ich bös, na und "Im Büro hocken eh nur Zicken."
Das war eine so gute Entscheidung.
Abends geh ich meist gut gelaunt nach Hause, hab noch Energie und durch die ruhige Tätigkeit auch noch Motivation, was zu unternehmen, mich auszutauschen usw.
Das hat sich sehr zum positiven geändert, mein Leben gibts jetzt auch nach Feierabend. 😀

LG und versuch das mal mit dem Urlaub - so lange wie möglich.
vanDark
 
Oh, ich kann dich gut verstehen. Bei mir ist es ähnlich. Ich bin zwar auf der Arbeit nicht ganz so die Heldin, aber in meinem Job muss ich auch den ganzen Tag quassen, möglichst freundlich natürlich, werde oft mit persönlichen Schicksalen konfrontiert. Auf der Arbeit wirke ich, als ginge mir das am A**** vorbei und als sei ich hart im Nehmen. Ich habe quasi den Ruf eines Misanthropen. Damit kann man sich auf der Arbeit gut durchschlagen. Leider gibt es keinen Job, in dem ich wirklich ICH sein könnte. Ich bin kontaktunfreudig, rede überhaupt nicht gern mit Fremden. Bei Leuten, die ich gut kenne sieht das anders aus, da kann ich manchmal labern wie ein Wasserfall. Geburtstage, Feiertage und ähnliches meide ich auch. Feiere auch meinen eigenen Geburtstag nicht. Ich mag meine Familie und würde sie auch gern öfter sehen, aber die "geballte Ladung" auf einer Party verkrafte ich einfach nicht. Und da ich ziemlich unter meinem Single-Dasein leide, kann ich es noch weniger ertragen dort glückliche Päärchen zu sehen. Mit diesem richtigen ICH hätte ich auf der Arbeit keine Chance. Und da es ohne Arbeit nunmal nicht geht, muss ich zweigleisig fahren.
Wenn du mal eine Lösung für dieses Problem findest, teile sie mir bitte auch mit 🙂
 
Also, Gewittersuse und vanDark, Ihr habt mich nicht so ganz verstanden. Ich wäre gerne privat so wie ich beruflich bin. Beruflich strengt es mich nicht an, freundlich und witzig zu sein. Ich mag es, wenn die Frauen mich anhimmeln und die sich freuen, wenn ich neben ihnen sitze oder mit Ihnen telefoniere.
Ich bin beruflich von Natur aus. Und das in jedem Job, den ich bisher hatte. In dem Zimmer, wo ich sitze, geht es den Menschen gut, weil ich ständig einen Witz auf den Lippen habe und dafür Sorge trage, daß es meinem Umfeld gut geht.
Ich frage mich einfach, warum ich das privat nicht transportieren kann. Weshalb bin ich nicht in der Lage, so auch privat mit anderen Menschen umzugehen? Aus welchem Grunde ist dies nicht möglich? Warum bin ich soviel alleine? Warum ist jede Enttäuschung eine psychologische Katastrophe für mich?

Und zu Gloria: Stimmt, die Resourcen(wird glaube ich so geschrieben) sind wirklich vorhanden. Warum ist die Umsetzung so schwer? Macht Deine Therapie denn Fortschritte? Merkst Du schon einen Unterschied? Was genau sind denn die Ansätze, die Du Dir vornimmst, um dies ändern? Im übrigen besteht eine realistische Chance, daß wir schonmal telefoniert haben, falls Du in einer Arztpraxis arbeitest!!😀
 
Ist es nicht anstrengend, gegen sein eigenes Ich zu kämpfen und welche leichten Erfolge zeichnen sich den ab?

Und vor allen Dingen, welches ist denn z.b. ein typsiches Verhalten, in welches Du immer abrutscht?

Tut es gut, mit jemanden vis a vis die Probleme zu diskutieren? Ich hatte auch mal eine Therapie(ging um was anderes), das war auch nicht schlecht, aber wirklich geöffnet habe ich mich nicht.

Sorry, wenn ich zu neugierig sein sollte.
 
Tja... wenn ich mich so anschaue... bin beruflich auch anders als privat.

Im Beruf (Altenpflege mit Staatsexamen) stelle ich mich so ziemlich jeder Herausforderung (Sterbebegleitung bei Sterbenden und deren Angehörigen, Absaugen, alle möglichen Verbandswechsel, Validation nach Feil, Dementenbetreuung, Beratung von Bewohnern und Angehörigen) und handle selbst in kritischen Situationen (Notfällen) instinktiv richtig und trete ruhig, sicher und vertrauenswürdig den Klienten gegenüber auf und bringe damit zusammen noch eine Geborgenheit mit, wofür ich sowohl von den Klienten, deren Angehörigen, den Kolleginnen und Vorgesetzten schon häufig gelobt wurde. Bin im Team ebenfalls beliebt, auch weil ich offen der Ansicht bin "Titel sind doch egal. Wir sind ein Team und ziehen am gleichen Stran" und mir auf für sog. "niederen Tätigkeiten" wie die Abfallentsorgung von Station, dem Aufwischen diverser Dinge, die den Klienten auf den Boden fielen und weitere Dinge, die bei vielen schon über der Ekelgrenze sind.

Privat hingegen igle ich mich ein, scheue förmlich den Kontakt mit anderen Menschen und würde mich da fast wie eine Art Eremit bezeichnen, der sich von allem Abschottet. Wo die Gründe für dieses Verhalten liegen... das ist mir schon klar, nur eben daran was zu ändern fällt eben wahnsinnig schwer. Ich wär privat auch gern so, wie ich beruflich bin...
Jemand, der lebensbejaend und so weiter ist, allerdings ist mehr das Gegenteil der Fall, wenn ich außerhalb des Berufslebens unterwegs bin. Ist nicht mal wirklich einfach, das zu erklären irgendwie...
 
Es kommt drauf an, wir machen Ende Juni einen Kinobesuch mit ein paar Mädels aus unserem Call-Center. Ich werde dort hingehen und wahrscheinlich werde ich dort auch gute Laune haben, die Kollegen werden den Unterschied nicht merken. Aber ich hatte jetzt auch eine Einladung für ein Klassentreffen. Die Leute habe ich jahrelang nicht gesehen und manche, die dort kommen wollten, mochte ich nicht wirklich. Also bin ich nicht hingegangen, obwohl mich mit dem Organisator vorher getroffen habe d.h. je größer die Gruppe, je weniger Leute ich kenne und je mehr Leute da sind, die ich nicht mag, desto unwohler fühle ich mich und desto unwahrscheinlicher ist es, daß ich mich dort blicken lasse.

Und wenn man auf Geburtstag oder ähnliches eingeladen ist und nie oder sehr selten kommt, dann wird man eben nicht mehr eingeladen. Wenn man will, Gloria, ist es auch eine Art von Sozialphobie. Und wenn ich mal so was mache, bin ich auch schnell wieder weg, weil ich mich einfach nicht wohl fühle. Ich trinke auch leider keinen Alkohol, um zu diesem Mittel zu greifen. Hilft Dir das denn zu dem Zeitpunkt weiter, Gloria, oder macht es die Sache noch schlimmer?

Das zusätzliche Problem ist, das mich das lange Zeit gar nicht so gestört hat, weil irgendetwas zumindest immer funktioniert hat und ich mir den Alleinseins nicht so bewusst geworden bin. Aber jetzt ist es anders. Ich möchte es ändern, aber mein Leben und meine Hobbys, selbst meine Wohnung ist auf das Alleinsein ausgerichtet.

Ich habe lange Zeit einfach aufgegeben. Ich hatte durch die diversen Jobs schon diverse Blind Dates mit Arbeitskolleginnen, die ich nur durch E-Mail oder Telefon kannte. Die haben sich danach nie wieder gemeldet. Ich bin nicht in der Lage, daß was ich fernmündlich oder schriftlich vorspreche, persönlich zu halten.
Dann fehlt Dir irgendwann das Selbstvertrauen, weiter auf Menschen zuzugehen.

Und Sylvain, es ist anderen schwer zu vermitteln und noch schwerer aus dieser Situation rauszukommen, aber mir hilft es zumindest, darüber zu schreiben und zu sehen, daß ich nicht alleine bin.

Und Gloria, ich bewundere es wirklich, daß Du versuchst, dagegen anzukämpfen. Meinen Glückwunsch. Die Therapie ist wirklich Arbeit, das glaube ich Dir aufs Wort.
 
Hallo Egerton, mir gehts genauso wie dir. Ich kann morgens um 5.00Uhr auf Arbeit schon singen pfeifen , bin immer gut drauf, immer nett und freundlich, aufgeschlossen und privat bin ich das komplette Gegenteil.
Nur das schlimme es glaubt keiner so recht. Ich ziehe mich zurück, , bin nur schüchtern und will viel allein sein. Woran es liegt weis ich auch nicht . Ist halt so. Mnachmal tut es mir weh, das ich privat so bin, denn ich würde viel lieber unter die Leute gehen und auch schwätzen , lachen usw, aber ich traue mich einfach nicht bzw. will machmal auch nur noch meine Ruhe. 🙁
 
Es ist wirklich tröstlich, zu wissen, daß man nicht alleine ist🙂

Außerdem, Gloria, gehst du immerhin zu Partys. Du versuchst es wenigstens und wirst auch weiterhin eingeladen. Vielleicht auch deshalb, weil Du unter Alkoholeinfluss eine echte Bereicherung für jede Party bist😀. Aber Du tust was, Du scheinst nicht so alleine zu sein, wie Du glaubst. Ich weiss ja nicht wirklich wie es mündlich bei Dir aussieht, aber schriftlich es wirklich gut.

Da fällt mir ein, daß es eigentlich mein Thema ist und ich Hilfe benötige und Anregungen brauche😎

Ich werde eben nicht zu Partys eingeladen, meine Party findet jeden Tag in der Firma statt und ich bin jedes mal der Gastgeber. Ich bin dort zu Dingen fähig, die privat undenkbar sind. Ich kriege es hin, jedem noch so depressiven und lustlosen Menschen ein Lächeln abzuringen.

Und, Kathrinchen, Du hast den Kern der Sache wirklich getroffen.
Nur was tut man dagegen? Vielleicht sollten wir alle zusammen uns mal treffen. Mann, wäre das eine traurige Veranstaltung.😀 Aber wenn Gloria den ersten Ramazotty bestellt, geht die Party richtig los.🙂

Aber ihr merkt schon, meine Laune steigt.
 
Hallo,
Endlich finde ich mal Leute denen es genauso geht wie mir.
Egerton, jedes Wort das du schreibst könnte 1🤐 ich sein! Ich weiß seit deinen Einträgen ist viel Zeit vergangen, aber vielleicht bist du noch hier? Konntest du dieses Problem mittlerweile lösen oder besteht es noch immer?
Ich würde mich auch sehr über eine /pn freuen.
Gruß
Oms
 

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