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Von Grenzen und wie ich wieder lernen kann, Brücken zu bauen (Achtung:Vergewaltigung)

Buntstaub

Neues Mitglied
Hallo!


Mein Name ist Buntstaub und ich schreibe zum ersten Mal in einem Forum dieser Art. Ich würde mich als sehr schweigsamen Menschen beschreiben, wage mich mit diesem Post aber doch einmal hervor, weil ich momentan das Gefühl habe, mich mental immer mehr zu verheddern. Ich hoffe der Text wird nicht zulang, ich versuche das Wichtigste zusammenzufassen, meine Situation wirkt selbst für mich etwas komplex. Vielleicht könnt ihr einen objektiven Blick darauf werfen und mir einen Rat geben. Vorweg ein großes Danke!


Ich bin weiblich, 24 Jahre alt und Studentin in Wien. Meine Mutter litt ab meinem 4. Lebensjahr an paranoider Schizophrenie. Sie erlitt mehrere Zusammenbrüche, verlor ihre Arbeit über Jahre und wurde nur kurzzeitig psychiatrisch behandelt. Sie und mein Vater verweigerten weitere Behandlungsschritte. Verbale und physische Gewalt, vor allem starke Kontrolle, zogen sich über Jahre und wurden von der Familie (vor allem meinem Vater) toleriert. Dazu kamen große finanzielle Schwierigkeiten und ständige Existenzbedrohung.


Mit 16 Jahren lernte ich meinen ersten Freund kennen, der mich leider sexuell immer wieder anging und verbal manipulierte. Durch diese Situation und großem familiären Stress isolierte ich mich zunehmend. Mein Befreiungsversuch endete einige Zeit später in einem massiven Konflikt und meinem Auszug zu einer Verwandten (gleiche Stadt). Meine Familie gab mir große Schuld, mein Vater warf mir Lügen vor.


Die Situation war überspannt, ließ mich schal und emotionslos zurück. Mit einem Rest an Energie schaffte ich mein Abitur mit guter Note. Ich flüchtete mich zum Studieren in eine möglichst weit entfernte Stadt, dort brach aber alles über mich herein. Ich ging nicht mehr aus meiner Wohnung, war mit jeder Kleinigkeit massiv überfordert und komplett isoliert. Ich sprach dort über 1 Jahr lang mit niemandem, hatte keinen Kontakt mehr zu früheren Freunden und meiner Familie. Mittlerweile haben wir wieder ein gutes Verhältnis, sprechen aber kaum über die Vergangenheit.


Um mich wieder zu fangen und aus meiner Apathie zu befreien, zog ich ins Nachbarland Österreich. Ich begann ein neues Studium, das ich gerade beende und fand vereinzelt wieder Freunde. Ich hatte die Mission wieder glücklich zu werden und aufmeinen Weg zurückzufinden und es funktioniert langsam, wenn auch mit Tiefschlägen. Denn leider traf mich dort das nächste Schicksal. Ich wurde noch im Jahr meines Umzugs von einem Fremden vergewaltigt, als ich auf der Suche nach neuen Kontakt in eine Bar ging und anschließend mit dieser Person nach Hause .... Ich habe nichts davon realisiert, bis zum Anfang diesen Jahres. Dann kamen die ersten Flashbacks, die mich stark überrumpelten... mittlerweile habe ich sie im Griff, nachdem ich mir sehr viel Zeit für mich selbst und meinen Erinnerungen genommen habe. Habe mir vieles „von der Seele geschrieben“, wie es so schön heißt.


Mein Problem ist nun, dass ich mich eigentlich wieder gut fühle. „Eigentlich“. War ich noch vor 1-2 Jahren mental und emotional ziemlich aus der Bahn, habe ich mir mein Leben und Glück schrittweise zurück erkämpft. Das Studium läuft gut, wenn ich mir auch einen Fachwechsel zum Master wünsche, und ich leite gerade mein zweites Projekt im Kulturmanagement. Für meinen Körper mache ich Sport und Yoga, ich spüre ihn wieder und bin sehr froh, die meiste Zeit in ihm fest verankert zu sein.


Trotzdem belasten mich noch heute viele Dinge. Mir fällt es extrem schwer, neue Leute kennen zu lernen. Als junger Mensch traue ich mich nicht mehr allein in ein Lokal. Ich lebe allein in einer Wohnung und fühle mich täglich einsamer. Ich wünsche mir körperliche Nähe, traue mich aber kein Stück, mich zuöffnen. Von der Vergewaltigung wissen nur zwei Freunde. Meiner Familie kann ich mich auch nicht öffnen. Mich plagen große Schuld,Scham und vor allem der Selbstvorwurf, als intelligenter Mensch nicht klug genug gewesen zu sein, die Dinge besser vorherzusehen. Dazukommt, dass ich beim Kennenlernen neuer Männer immer wieder in Verhältnisse rutsche, die mich verletzt zurücklassen. Selbst kleine Kommentare und minimale Vorwürfe treffen mich hart. Mittlerweile mache ich um intime Situationen einen riesigen Bogen. Gehe kaum zu irgendwelchen Veranstaltungen, Workshops, gehe nicht auf Reisen etc.und gefährde damit auch meine berufliche Zukunft.


Ich möchte aber eigentlich offen bleiben, mich selbst heilen können und hatte immer Hoffnung darin.Mit 24 bemerke ich aber, dass ich kaum Dinge tue oder in den vergangenen Jahren getan habe, die ich mit meinen Kommilitoninnen teilen könnte. Ich bekomme zwar das meiste gut allein hin, habe aber das Gefühl, kaum etwas mit ihnen gemeinsam zu haben.


Ich arbeite daneben extrem viel und muss für meine Position belastbar bleiben. Ich stecke dabei noch immer im Studium und versuche zwei Dinge Vollzeit zu händeln. Beides macht mir Spaß, fordert mich heraus und baut mich selbst wieder auf,gleichzeitig habe ich aber keine Zeit für private Dinge und fühle mich von Zeit zu Zeit überfordert, wenn die Erinnerung hereinbrechen. Dazu kommen finanzielle Schwierigkeiten trotz der vielen Arbeit.


Ich habe erst vor kurzem gemerkt, dass mein Gefühl von Grenze sehr schwammig ist. Ich spüre in keinem gesunden Rahmen, wann etwas für mich zu viel wird und kann für mich kaum Grenzen ziehen. Erst kurz vor einer Überarbeitung bzw. einer persönlichen Überschreitung, merke ich, dass es wohl zu viel war.Nach einem Tag voller Arbeit frage ich mich, was ich eigentlich den ganzen Tag getan habe. Gleichzeitig gehe ich oft Konfliktsituationen aus dem Weg. Ich fühle mich, als hätte ich Jahrelang in einem Loch gesteckt und müsste alles von vorn erlernen. Das stimmt natürlich nicht, nur bin ich extrem hart zu mir und verliere den Überblick über die Verhältnismäßigkeit. Ich fühle mich wie ein Rennpferd,das laufen will und nicht einsehen, dass zwei gebrochene Beine nur langsam heilen..


Was ich einfach möchte sind meine Chancen, die mir im Leben gegeben worden sind zu nutzen und zu einem gesunden Leben zurückzufinden. Ich habe nie irgendeine Form psychologischer oder anderweitig therapeutischer Hilfe in Anspruch genommen und gehe selbst zum Hausarzt sehr ungern.


Was würdet ihr in meiner Situation tun? Wo fange ich am besten an?

Ich danke euch, für eure Hilfe!
 
Zuletzt bearbeitet:

Nordrheiner

Sehr aktives Mitglied
Hallo Buntstaub,

Du bist eine bemerkenswerte Person. Eine kluge Kämpferin. Du hast meinen vollen Respekt!

Zunächst einmal: Herzlich willkommen im Forum.
Kleiner Tipp: Frag bei der Moderation nach, das Dein Beitrag in ein anderes Unterforum verschoben wird, so erhältst Du mehr Aufmerksamkeit und damit mehr - hoffentlich gute - Empfehlungen und Gedankenanstöße.

Aus meiner Sicht bist Du auf dem richtigen Weg, denn der Weg in eine gute Zukunft geht über die Bildung. Dabei meine ich nicht nur berufliche Bildung, sondern auch die Bildung des Charakters sowie des Herzens. Mir scheint, dass Du genau auf diesem Wege bist und Dich auf allen Gebieten umsiehst, wo Du Nützliches lernen kannst.

Zu Deinem wichtigen Punkt: Grenzen erkennen
Es gibt zwar Pflichten, die wir zu erfüllen haben, jedoch sollte ein Weg, den wir gehen, z.B. eine berufliche Ausrichtung, viel mit Freude zu tun haben. Wenn die Freude auf der Strecke bleibt und nur noch Pflichten um uns herum sind, dann ist es Zeit, Änderungen herbeizuführen.

Sind wir kraftlos, fehlt es an Ruhe, Schlaf.
Es gibt keine Wirkung ohne Ursache.

Menschen:
Was Dir möglicherweise fehlt, sind gute Menschenkenntnisse. Dazu gibt es viele Bücher. Eines der für mich wichtigsten Bücher möchte ich Dir dringend empfehlen: Die Kunst des Liebens von Erich Fromm.
Dort geht es nicht nur um Liebe, schon gar nicht steht die erotische Liebe im Mittelpunkt, sondern es geht auch um die Bedingungen, die es uns erlauben, Menschen in ihrer Liebesfähigkeit besser einzuschätzen.

Liebe ist nicht nur der angenehme körperliche sexuelle Kontakt, sondern das Interesse am anderen Menschen und sein Wohl zu fördern, je nach Kompetenz.

Regel: Wer in diesem Sinne lieb mit allen Menschen umgeht, geht auch mit Dir lieb um. Keine Gefahr, missbraucht zu werden. Wer nur mit Dir lieb umgeht, ist ein Schauspieler.

Es geht auch um Authentizität. Die Einstellung prägt die Gedanken, diese die Worte und das Handeln. Driften Worte und Handlungen auseinander, erkenne ich daraus die jeweilige Einstellung und halte ggf. Distanz. Die Einstellung des Menschen vor mir erkenne ich nicht immer sofort. Es gibt zu viele Schauspieler. Also lasse ich mir Zeit für meine Beobachtungen. Mein Vertrauen muß sich jemand durch authentisches und gutes Handeln verdienen.

Von daher meine Empfehlung: Schärfe Deine Beobachtung. Erkenne den Grad an Authentizität, der Dir signalisiert, dass ein Mensch vertrauenswürdig ist.


Zum Beobachten und zum Erkennen braucht es eine gewisse Nähe. Aus 1 KM Entfernung kannst Du kaum etwas erkennen. Also suche ruhig eine gewisse Nähe, geh so nah ran, dass Du die Menschen in ihrem Tun gut beobachten kannst. Geh in einigen Situationen so nah ran, dass Du ihre Worte hören kannst, um sie mit den Taten zu vergleichen. Beobachten und Erkennen funktioniert nicht in der Theorie, nur in der Praxis.

In allen Versuchen hilft Dir Dein Verstand, den Du weiter schulen kannst. Dein Auge sieht ggf. die Fürsorge und Dein Herz fühlt die Wärme eines Menschen. Und Dein Verstand prüft die Authentizität und damit die Dauerhaftigkeit eines Verhaltens.

So machst Du auch gute Erfahrungen mit Menschen und meidest rechtzeitig die Menschen, die andere täuschen und Dir nicht gut tun.

Für Fragen bin ich immer offen.

LG; Nordrheiner
 

Nordrheiner

Sehr aktives Mitglied
Was würdet ihr in meiner Situationtun? Wo fange ich am besten an?

Ich danke euch, für eure Hilfe!
Gehe strukturiert vor. Mache Dir z.B. eine Kartei (in Papierform sowie auf dem PC), eine Art Wissensdatenbank, in der Du zu jedem Stichwort, welches für Dich wichtig ist, Informationen sammelst. Kopiere gute Texte dort rein, so kannst Du immer wieder nachlesen, was Dir wichtig ist und finden, weil Du nach Stichworten geordnet und gesammelt hast.

LG, Nordrheiner
 

Nordrheiner

Sehr aktives Mitglied
Ichwurde noch im Jahr meines Umzugs von einem Fremden vergewaltigt, alsich auf der Suche nach neuen Kontakt in eine Bar ging undanschließend mit dieser Person nach Hause .... Ich habe nichts davonrealisiert, bis zum Anfang diesen Jahres. Dann kamen die erstenFlashbacks, die mich stark überrumpelten... mittlerweile habe ichsie im Griff, nachdem ich mir sehr viel Zeit für mich selbst undmeinen Erinnerungen genommen habe. Habe mir vieles „von der Seelegeschrieben“, wie es so schön heißt.


Mein Problem ist nun, dass ich micheigentlich wieder gut fühle. „Eigentlich“. War ich noch vor 1-2Jahren mental und emotional ziemlich aus der Bahn, habe ich mir meinLeben und Glück schrittweise zurück erkämpft. Das Studium läuftgut, wenn ich mir auch einen Fachwechsel zum Master wünsche, und ichleite gerade mein zweites Projekt im Kulturmanagement. Für meinenKörper mache ich Sport und Yoga, ich spüre ihn wieder und bin sehrfroh, die meiste Zeit in ihm fest verankert zu sein.


Trotzdem belasten mich noch heute vieleDinge. Mir fällt es extrem schwer, neue Leute kennenzulernen. Alsjunger Mensch traue ich mich nicht mehr allein in ein Lokal. Ich lebeallein in einer Wohnung und fühle mich täglich einsamer. Ichwünsche mir körperliche Nähe, traue mich aber kein Stück, mich zuöffnen. Von der Vergewaltigung wissen nur zwei Freunde. MeinerFamilie kann ich mich auch nicht öffnen. Mich plagen große Schuld,Scham und vor allem der Selbstvorwurf, als intelligenter Mensch nichtklug genug gewesen zu sein, die Dinge besser vorherzusehen. Dazukommt, dass ich beim Kennenlernen neuer Männer immer wieder inVerhältnisse rutsche, die mich verletzt zurücklassen. Selbst kleineKommentare und minimale Vorwürfe treffen mich hart. Mittlerweilemache ich um intime Situationen einen riesigen Bogen. Gehe kaum zuirgendwelchen Veranstaltungen, Workshops, gehe nicht auf Reisen etc.und gefährde damit auch meine berufliche Zukunft.
Es gibt kein Leben ohne Niederlagen und ohne schlimme Erlebnisse. Diese sollten wir verarbeiten, damit die Nachwirkungen nicht zu einem dauerhaften Schaden führen. Einer der Schäden ist der Rückzug und die Selbstisolierung.

Gerade bei einer erlittenen Vergewaltigung empfiehlt es sich mit Frauen zu sprechen, die eine ähnliche Erfahrung machten und die eine gute Verarbeitung geleistet haben.
Dazu gibt es in Deutschland Selbsthilfegruppen, evt. auch in Österreich? Schau Dich um. Frage ggf. bei sozialen Trägern nach Selbsthilfegruppen o.ä. Bleibe damit nicht allein!

Ein üblicher Schaden bei vergewaltigten Menschen ist neben der Selbstisolierung auch das Empfinden von Schuld und Scham. Dein Schamgefühl wurde aufs Gröbste verletzt. Die Schuld suchst Du bei Dir, was falsch, aber nicht ungewöhnlich ist. Du hast keine Schuld! Der Mann ist ein Verbrecher an Deinem Körper und an Deiner Seele. Du darfst wütend auf ihn sein. Vergewaltigte Menschen, die sich eine Mitschuld geben, verhalten sich wie ein Ladeninhaber, der bestohlen wurde und der sich selbst anklagt, weil er einen Laden führt. Wäre er Maurer geworden, wie der Vater es geraten hat, wäre ihm das nicht passiert.

Ich schätze, dass dieses schlimme Erlebnis auch ein Grund dafür ist, dass Du verletzlich bist und Konflikten aus dem Weg gehst. Es ist das Gefühl der erlittenen Hilflosigkeit, welches Dir den Eindruck weckt, Du seiest grundsätzlich hilflos. Jedoch kann man gut lernen, sich zu helfen... und so die Opferrolle vermeiden. Du entscheidest, ob Du Opfer sein und bleiben möchtest oder nicht.

Meine Empfehlungen:
1) Geh zu einer Selbsthilfegruppe
2) Melde Dich in einem Kampfsportclub an, z.B. für Karate oder Jiu-Jitus etc. Das tut nicht nur allgemein Deinem Körper gut, sondern vor allem stärkt es Dein Selbstbewusstsein. Du bist nicht mehr hilflos.

LG, Nordrheiner
 

Buntstaub

Neues Mitglied
Hallo Nordrheiner,

vielen Dank für deine wunderbar hilfreichen, ausführlichen Antworten und dass du dir Zeit für meine Geschichte genommen hast. Das ist sehr aufbauend!

Die Menschenkenntnis ist wohl ein lebenslanges Forschungsprojekt. Früher war ich aufs genaueste beobachtend. Als Kind habe ich meine Mutter ständig beobachtet, um ihre willkürlichen Ausbrüchen absehen zu können - mehr oder minder erfolglos. Als Ergebnis habe ich mich wohl mehr geflüchtet, als mich mit bestärkenden Menschen zu umgeben.

Trauma wiederholt sich ja leider und es ist erstaunlich, wie wenig man es merkt, wenn man noch mittendrin steckt. Noch weniger, wenn man dabei noch sehr jung ist. Glücklicherweise gewinne ich mehr und mehr an Distanz und ja, ich sollte wieder das beobachten lernen. Das Buch werde ich mir besorgen, danke für die Empfehlung!

In der Opferrolle möchte ich natürlich nicht sein, ich neige eher dazu, meine Grenzen zu übersehen. Mein Kopf und Wille ist da manchmal schneller als der Rest, sehe aber seit einigen Wochen, dass ich entschleunigen sollte. Ich werde das Pensum in Arbeit und Studium etwas reduzieren. Es tut mir so einfach besser. Die heutige Gesellschaft pulsiert sehr schnell und fordert scheinbar eine Dynamik (vor allem beruflich), die ich selbst immer wieder geneigt bin mitzurennen, auch wenn ich selbst weiß, dass jede Person in ihrer eigenen Geschwindigkeit gehen sollte. Da ist so etwas wie eine Datenbank wohl sehr sinnvoll, um einen Überblick darüber zu gewinnen, was man bisher eigentlich schon getan und erreicht hat! Und das ist gar nicht wenig und es gibt überhaupt keinen Grund sich zu verurteilen. In diese Gedankenfalle tappe ich zum Glück immer weniger.

Vor allem zwischenmenschlich scheinen die meisten Menschen aber leider keine Geduld mehr zu haben. Ich erwarte von niemandem, dass er meine Geschichte und alle Probleme, die damit in Verbindung stehen, mittragen sollte. Ich freue mich natürlich, wenn mir jemand zur Seite steht und ich habe eine gute Freundin, die das tut und ich bin sehr dankbar. Trotzdem enttäuscht mich oft die Austauschbarkeit und Ungeduld der Menschen. Vor allem Männern, die an mir Interesse hatten, habe ich vorher von meiner Situation erzählt. Aus Fairness und auch aus Eigenschutz. Ich bin nicht gekränkt, wenn von intelligenten Personen aus diesem Grund eine sachlich kommunizierte Ablehnung kommt. Wie gesagt, muss das niemand mittragen und sollte auch darüber die Wahl bekommen. Die Reaktionen waren aber bisher überwiegend verletzend. Von achtlosen Kommentare, plötzlichen Abwendungen, über das Ausnutzen der schnellen Gelegenheit bis hin zur beziehungsähnlichen Konstellation, die plötzlich und wortkarg Fallen gelassen wird, wenn sich eine bessere Gelegenheit bietet. Das alles kann ich sogar hinnehmen, wenn es offen kommuniziert wird. Die meisten Personen haben wohl aber das Reden verlernt und möchten sich nicht mit den folgen ihres Handelns auseinandersetzen.

Natürlich ist das von außen schwer nachvollziehbar, wenn man gewisse Situationen nicht selbst erlebt hat. Ich möchte auch nicht undankbar sein, für alles positive, das mir gegeben wird. Allerdings versuche ich immer zu zeigen, dass ich offen bin, lernen will und ich ein Mensch bin, mit dem man alle Konflikte besprechen kann. Ich finde auch gerne Lösungen für andere Menschen, über alles kann man reden. Soviel Distanz kann ich zu mir und meinen eigenen Problemen aufbauen und explodiere bei Verletzung auch nicht in Vorwürfen. Nur ist es schade, wenn von intelligenten, auch lebenserfahreneren und eigentlich humanistisch eingestellten Menschen solche und ähnliche Reaktionen kommen. Es lässt mich oft schweigender zurück als vorher und ich wünschte, ich könnte meine Lage einfach besser verständlich machen und auch andere Menschen für das Verständnis öffnen. Das ist wohl eine kleine Verknüpfung zur Wegwerfgesellschaft, die sich über zwischenmenschliche Beziehungen legt. Aber da ist sie wohl genauso wieder, die Menschenkenntnis. Am Ende umgebe ich mich mit den falschen Kreisen und suche an den falschen Orten. Ich werde mich einmal in die Bibliothek begeben!

Mein Ziel ist es nicht, mich möglichst in Watte zu packen, aber alles stillschweigend in mir behalten und im Alltag über meine Grenzen zu handeln, kann auch keine Lösung sein. Wahrscheinlich kommt es auf das richtige Maß an, auch wenn es nicht einfach ist, das zu finden. Momentan pendle ich noch recht schwankend hin und her. Die Idee mit den Selbsthilfegruppen ist allerdings super! Ich habe gar nicht gewusst, dass sie gemeinnützig und daher kostenlos sind. In Wien habe ich mich heute einmal umgesehen, aber noch keine passende gefunden. Ich werde mich einmal näher auf die Suche begeben.

Nochmal ein großes Danke für die viele Hilfe, ich weiß jeden Rat sehr zu schätzen!

PS: Auch wenn mir deine Antworten schon sehr viel weitergeholfen haben, in welches Unterforum sollte das Thema denn am besten verschoben werden?


Ich danke allen für die Hilfe und vielleicht hat der/die ein oder andere noch einen Rat für mich!
 

Nordrheiner

Sehr aktives Mitglied
Trotzdem enttäuscht mich oft die Austauschbarkeit und Ungeduld der Menschen. Vor allem Männern, die an mir Interesse hatten, habe ich vorher von meiner Situation erzählt. Aus Fairness und auch aus Eigenschutz. Ich bin nicht gekränkt, wenn von intelligenten Personen aus diesem Grund eine sachlich kommunizierte Ablehnung kommt. Wie gesagt, muss das niemand mittragen und sollte auch darüber die Wahl bekommen. Die Reaktionen waren aber bisher überwiegend verletzend. Von achtlosen Kommentare, plötzlichen Abwendungen, über das Ausnutzen der schnellen Gelegenheit bis hin zur beziehungsähnlichen Konstellation, die plötzlich und wortkarg Fallen gelassen wird, wenn sich eine bessere Gelegenheit bietet. Das alles kann ich sogar hinnehmen, wenn es offen kommuniziert wird. Die meisten Personen haben wohl aber das Reden verlernt und möchten sich nicht mit den folgen ihres Handelns auseinandersetzen.

..... Nur ist es schade, wenn von intelligenten, auch lebenserfahreneren und eigentlich humanistisch eingestellten Menschen solche und ähnliche Reaktionen kommen. Es lässt mich oft schweigender zurück als vorher und ich wünschte, ich könnte meine Lage einfach besser verständlich machen und auch andere Menschen für das Verständnis öffnen. Das ist wohl eine kleine Verknüpfung zur Wegwerfgesellschaft, die sich über zwischenmenschliche Beziehungen legt. Aber da ist sie wohl genauso wieder, die Menschenkenntnis. Am Ende umgebe ich mich mit den falschen Kreisen und suche an den falschen Orten. Ich werde mich einmal in die Bibliothek begeben!
Hallo Buntstaub,

mit meiner fett schwarzen Markierung verdeutliche ich, wo ich Dir zustimme.

Auch würde ich an Deiner Stelle niemandem mehr von meiner Vergangenheit erzählen, wenn das Vertrauen noch nicht da ist, dass diese Person angemessen damit umgehen kann. Du kannst da leicht Menschen überschätzen und ggf. auch überfordern.

Die Frage, die mich seit Jahrzehnten begleitet, lautet: Warum tut der Mensch was er tut?
Oder auch: warum unterlässt er zu tun, was er eigentlich tun sollte?

Diese Frage richte ich auch an mich selbst. So frage ich, bevor ich jemandem von mir erzähle: Warum will oder sollte ich ihm/ihr von mir erzählen? Was will ich damit erreichen? Hilft das ihm/ihr oder wenigstens mir? So gehe ich auch mit mir bewusst um. So lerne ich mich selbst auch immer besser kennen.

Es folgen für mich Fragen nach dem Sinn meines Lebens sowie die Frage, welche immateriellen Ziele ich verfolgen möchte. Da fallen ganz schnell Menschen aus dem Suchraster, die eher oberflächlich leben oder andere Ziele für wichtiger halten, als ich es tue.

Und ja, Dein Stichwort "entschleunigen" ist ein gutes. Langsam gehen unterstützt das Denken.
(Wobei ich nicht grübeln meine). Die Freude nicht vergessen....

LG, Nordrheiner
 

Buntstaub

Neues Mitglied
Danke noch einmal, Nordrheiner

Das scheint ein weiser Plan zu sein. Mittlerweile beginnt auch das Gesetz der positiven Anziehung etwas zu wirken. Ich lächle im Alltag sehr viel mehr und Spaß ist natürlich auch dabei. Ich möchte niemanden überfordern oder irritieren. In der Zeit meiner Flashbacks war das leider nicht zu vermeiden, aber die sind glücklicherweise nicht mehr drastisch und auch nicht mehr sichtbar. Sie spielen sich mehr in Gedanken ab und ich komme mit ihnen mehr oder minder gut aus. Von Zeit zu Zeit überrumpeln sie mich, das ist okay. Etwas irritierend für mich allerdings schon, einen tiefen Seegraben an Erinnerungen zu haben, aber nur einen Kiel weit einzutauchen. Aber damit muss ich umgehen lernen und vielleicht holt es mich mit der Zeit auch an die Oberfläche. Vllt finde ich eine Selbsthilfegruppe, traue mich hinein und kann mehr von mir erzählen.

Dadurch, dass ich jahrelang eher im Inneren als aktiv nach Außen gewachsen bin und wachsen musste, war ein großes Bedürfnis da, all das "Versäumte" nachzuholen. Da war ich dann etwas vorschnell und habe mich überladen. Das Projekt, dem mir die Leitung anvertraut wurde, kann ich nicht mehr ablegen. Auch wenn es neben dem Studium sehr viel ist, macht es Spaß. Arbeitszeiten will ich sinnvoller einteilen und nach Beendigung vorerst etwas ruhiger machen.

Auch ein Wechsel des Fachs zum Master werde ich durchziehen (beide im Kulturbereich / Interessenverlagerung). Momentan beende ich den Bachelor an der Massenuniversität Wien. Die Seminare werden über die ganze Stadt verstreut unterrichtet, in jedem Raum sehe ich neue Gesichter. Ständig wechseln auch die Räume und in den vergangenen 3 Jahren habe ich kaum jemanden näher kennen gelernt. Die neue Fakultät wird klein sein, mit festem Sitz in einem schönen Gebäude. Ich denke das wird dann für mich einfacher sein.

Interessen habe ich eigentlich sehr viele, mein Tag könnte auch mehr als 24h haben. Statt zu arbeiten, könnte ich auch wochenlang in einer Bibliothek verbringen, lesen und nachdenken. Gern auch in einer Hütte im Wald. Zum Reisen fehlt mir leider das Geld, aber das ist definitiv ein großer Wunsch in meinem Leben (wenn auch alles in Maßen). Ich traue mich auch noch nicht allein, denke aber oft darüber nach.

Am wichtigsten ist es wohl für mich, nicht alles allein zu tun, sondern unter Menschen zu gehen. Auch wenn die Verlockung groß ist. Irgendwie habe ich immer das Bild einer alten Katzendame vor Augen, die mit ihrer Umwelt nicht mehr viel anfangen kann, allein und zurückgezogen mit ihren Tieren lebt. Ein solches Leben möchte ich nicht verurteilen, aber ich möchte der Gesellschaft etwas von mir geben können, sie bereichern und mich auch bereichern lassen. Ich hoffe, den Zwiespalt kann irgendwann überspringen.
 

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