Vermisst
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Ich habe heute etwas gelesen, was ich euch nicht vorenthalten möchte.
Ich finde die Erklärungen nicht mal schlecht, weis aber nicht, ob man die Tipps 1🤐 umsetzen kann.
Manches mache ich selbst auch so, andere Dinge mache ich so, wie man es wohl nicht machen sollte.
Zumindest empfiehl es Dr. Michael Winterhoff nicht. 😉
Ich finde die Erklärungen nicht mal schlecht, weis aber nicht, ob man die Tipps 1🤐 umsetzen kann.
Manches mache ich selbst auch so, andere Dinge mache ich so, wie man es wohl nicht machen sollte.
Zumindest empfiehl es Dr. Michael Winterhoff nicht. 😉
Mit Michael Winterhoff sprach Jana ZehWarum unsere Kinder Tyrannen werden: Eltern behindern psychische Reifung
Der Kinder- und Jugendpsychiater, Michael Winterhoff, warnt: Immer
mehr Eltern behandeln ihre Kinder nicht mehr wie Kinder. Der intuitive
Umgang sei vielfach verloren gegangen, die Kinder könnten psychisch
nicht mehr reifen. Selbst in Schulen würden Kinder oft durch
partnerschaftliche Konzepte total überfordert.....
Können Sie kurz erklären, was unsere Kinder zu
Tyrannen macht?
Michael Winterhoff: Erst einmal muss ich klar stellen, dass ich keinen
Erziehungsratgeber verfasst habe, sondern aus meiner Sicht als Kinder-
und Jugendpsychiater eine Analyse erstellt habe, die sich mit der
Ursachen beschäftigt, warum immer mehr Kindern psychisch unreif sind.
Um diese verständlich rüberzubringen, habe ich viele Beispiele aus
dem Alltag eingebaut. Meine Analyse hat ergeben, dass es derzeit
insgesamt vier Möglichkeiten gibt, mit Kindern umzugehen. Die vier
bezeichne ich als Erwachsenen-Kind-Konzept, als Konzept der
Partnerschaftlichkeit, der Projektion und der Symbiose. Beim ersten
Konzept handeln Sie als Erwachsener aus ihrer Intuition heraus. In
diesem Konzept kämen Sie gar nicht auf die Idee, einen
Erziehungsratgeber oder ähnliches zu lesen, weil ihre Handlungen aus
Ihnen heraus kommen. Dieses Konzept bietet Kindern tatsächlich die
Möglichkeit, ihre Psyche zu entwickeln.
Was ist mit den anderen drei Konzepten?
Die Kinder selbst können nicht aus ihrer Haut (Walk Water Balls).
Das Konzept der Partnerschaftlichkeit ist für die Entwicklung der
Psyche des Kindes unangebracht, aber in der Gegenwart sehr modern.
Dieses Konzept ist Anfang der 90er Jahre in wohlhabenden Familien
entstanden. In diesem Konzept herrscht die Meinung vor, dass man über
Reden und Erklären erziehen könnte. Sie setzen also etwas voraus,
was gar nicht geht. Außerdem befinden Sie sich als Erwachsener
andauernd im Kopf und sind somit von ihrer Intuition in Bezug auf das
Kind abgeschnitten. Eine Reifeentwicklung beim Kind ist mit diesem
Konzept nicht möglich. Oder können Sie Tennis spielen lernen,
indem es Ihnen erklärt wird? Ein anderes Beispiel dafür ist ein
Säugling, der schreit. Sie als Mutter können diesen in den ersten
Monaten nicht warten lassen, denn sonst bekommen Sie eine
Schweißattacke. Nach acht oder neun Monaten hingegen haben die
meisten Mütter das Gefühl, jetzt ist es gut, jetzt kann das Kind
auch mal warten. Aus diesem Gefühl heraus lässt die Mutter das
Kind einfach ein wenig warten. Die Mutter hingegen, die im Kopf ist,
denkt: "Der ist doch noch so klein, den wolltest Du doch haben", also
wird er sofort gestillt und bekommt die Befriedigung, nach der er
verlangt hat. Und genau da liegt das Problem. Das Kind wird daran
gehindert, sich psychisch zu entwickeln.
Wie verhält es sich bei der Projektion?
Die Projektion ist ein weiteres Konzept, bei dem das Kind die gesunde
Entwicklung der Psyche verwehrt wird. Dieses Konzept kann ich seit Mitte
der 90er beobachten. Mit Projektion ist gemeint, dass Eltern, aber auch
Lehrer oder Erzieher geliebt werden wollen. Kinder allerdings lieben
ihre Eltern automatisch. Das sehe ich selbst nach Misshandlungen. Das
Problem ist jedoch, dass bei diesem Konzept eine Abhängigkeit
entsteht. In dem Augenblick, in dem ich geliebt werden will, kann ich
nicht mehr Nein sagen.
Und was verstehen Sie unter Symbiose?
Seit 2002 ungefähr sehe ich die Symbiosen. Die Eltern, die in der
Symbiose stecken, verarbeiten psychisch ihre Kinder so, als seien diese
ein Teil ihrer selbst. Damit reagieren diese Erwachsenen, von außen
betrachtet, permanent falsch. Ein Beispiel dafür ist: Ich fordere
mein Kind auf, das Papier aufzuheben, das es gerade auf den Boden
geworfen hat. Das Kind antwortet mit einem Nein und macht es nicht. Im
Erwachsenen-Kind-Konzept werte ich das Verhalten des Kindes mir
gegenüber und empfinde das Verhalten als frech. Ich möchte nicht,
dass jemand zu mir frech ist, schicke deshalb das Kind auf sein Zimmer
und hebe selbst das Papier auf. In der Symbiose dagegen ist das aber ein
Teil von mir, zum Beispiel wie mein Arm, der den Auftrag jetzt nicht
erledigt. Nun versuchen Eltern, die in Symbiose mit ihren Kindern leben,
alles, um das Kind dazu zu bewegen, das Papier aufzuheben. Zunächst
fangen diese Eltern an zu reden. Da das meistens nicht viel hilft,
fangen sie an sich aufzuregen, dem Kind zu drohen, das Kind abzustrafen
und im schlimmsten Fall zu schlagen. Sie gehen damit in Machtkämpfe,
die sie nicht gewinnen können. Druck ist Zuwendung, sie produzieren
den Trotz und das Kind nimmt sie nicht für voll.
Wie kommen Eltern denn wieder in die Intuition?
Eine Entwicklung der Psyche des Kindes ist nur möglich im
Erwachsenen-Kind-Konzept, dafür benötigen sie die Intuition. Diese
ist bei allen drei anderen Konzepten nicht verloren gegangen, sondern
wird von anderen Dingen überlappt. In die Intuition kommen Eltern
dann, wenn sie sich bewusst machen, dass es Fehlkonzepte gibt, die nicht
zu einer gesunden Entwicklung der Kinder führen und ich diese
Konzepte verlassen muss.
Wie kann ich feststellen, dass ich im falschen Konzept bin?
Ein einfaches Beispiel kann Auskunft geben: Ich möchte als Elternteil
das Kinderzimmer staubsaugen und fordere mein achtjähriges Kind dazu
auf, vorher das Zimmer aufzuräumen und Platz zu schaffen. Wenn ich
das Kind als Kind sehe, ist ganz klar, dass ich diese Leistung immer
abverlange, weil das Kind ja etwas für mich macht. Wenn ich das Kind
als Partner sehe, erwarte ich, dass das Kind nach ungefähr zehn Mal
begriffen hat, dass es das Zimmer aufzuräumen hat, schon wenn ich mir
den Staubsauger hole. Wenn ich in der Projektion bin, sagt das Kind,
"ach Mama, ich habe heute keine Lust", dann sage ich, "ist in Ordnung,
kannst morgen aufräumen", weil ich Angst habe, dass es mich sonst
nicht mehr mag. Und wenn ich in einer Symbiose lebe, räume ich
entweder für das Kind auf oder versuche das Kind zu zwingen, wenn es
nicht aufräumt. Wenn ich selbst erkenne, ich bin im falschen Konzept,
muss ich bewusst dieses verlassen und zurück in die Intuition gehen.
Der Konzeptwechsel hört sich jetzt relativ einfach an. Ist es denn
wirklich so einfach, das vielleicht viele Jahre gelebte Konzept zu
verlassen?
Nein, ist es nicht. Aus der Partnerschaftlichkeit oder der Projektion zu
kommen, ist noch relativ einfach. Eltern, die sich mit dem Verhältnis
zu ihrem Kind beschäftigen, sehen schnell ein, dass sie mit ihrem
Konzept die psychische Reife ihrer Kinder gefährden und können
oftmals mit viel Übung ihr Konzept allmählich verlassen. Eltern
jedoch, die in der Symbiose feststecken, haben es schwerer, diese zu
verlassen.
Benötigen diese Eltern die Hilfe eines Experten?
Das wäre wünschenswert.
Sie schreiben in Ihrem Buch, dass die Elterngeneration, die heute das
falsche Konzept mit ihren Kindern lebt, psychisch gereift sei.
Was gibt
es für Gründe, dass diese Generation nicht mehr intuitiv mit ihren
Kindern umgeht?
Diese Eltern gehen ja nicht bewusst aus ihrer Intuition. Sie gehen
einfach in ein falsches Konzept. Sobald sie jedoch in einem dieser
Fehlkonzepte sind, sind sie nicht mehr in der Intuition und das Kind
kann psychisch nicht reifen. Einerseits ist der Wohlstand in der
Gesellschaft ein Aspekt, mit dem sich diese Veränderung erklären
lässt. Eltern können ihren Kindern einen viel größeren Freiraum
bieten und sich aus ökonomischen Gründen viel intensiver um ihre
Nachkommen kümmern als früher. Zudem ist das Konzept der
Partnerschaftlichkeit in bestimmten sozialen Schichten sehr angesagt,
weil es einen Aspekt von Großzügigkeit enthält. Allerdings
betreffen diese Veränderungen nicht nur die Eltern selbst. Die
Partnerschaftlichkeit greift auch in Kindergärten und Grundschulen.
In Nordrhein-Westfalen beispielsweise haben einige Lehrer die
Vorstellung, die Kinder arbeiten für sich. Der Lehrer agiert nur noch
als Mentor im Hintergrund und die Kinder sollen sich frei bedienen. In
so einer Situation sind Kinder total überfordert. Hinter solchen
Konzepten stehen Menschen, die die Kinder stark verpartnerschaftlichen
und, grob gesagt, keine Ahnung von Entwicklungspsychologie haben.
Was sollen Kinder denn lernen?
Das Kind soll mal so lebenstüchtig werden wie Sie und ich. Unsere
Psychen sind relativ gleich aufgebaut, das heißt, während ich mit
Ihnen telefoniere ist es egal, ob ich Hunger oder Durst habe, ob ich
Lust auf dieses Telefonat habe oder nicht. Es ist auch egal, was ich
gestern erlebt habe oder ob ich gut geschlafen habe. In diesem Interview
ist das, was ich sage, der geringste Teil. Dahinter verbirgt sich ein
riesiger Apparat, der mein Verhalten während des Gesprächs
steuert. Der Apparat ist die Psyche, die sich nicht automatisch bildet
oder vererbt wird. Diese Psyche kann sich nur entwickeln, wenn sich
Erwachsene dem Kind gegenüber richtig verhalten.
Was genau verbirgt sich denn hinter psychischer Reife?
Das Erste, was das Gehirn erkennt, sind Abläufe. Erst das, dann das,
dann das, usw. Das Wickeln oder das Baden zum Beispiel laufen im Prinzip
immer gleich ab. Auch das Anziehen mit drei bis vier Jahren hat immer
wiederkehrende Aspekte. Kleine Kinder brauchen immer gleiche Abläufe,
die mit einer gewissen Ruhe vonstatten gehen. Nur so kann das Gehirn
erkennen, dass es Folgen gibt. Das ist die Voraussetzung dafür, dass
Sie im Erwachsenenalter die Fähigkeit erlangen, schnelle Folgen im
Alltag zu bewältigen. Das bedeutet, Menschen mit gereiften Psychen
können Entscheidungen treffen und Prioritäten setzen. Die
Abläufe sind allerdings nur ein Baustein für die Entwicklung der
Psyche. Zuerst erkennt das Gehirn Abläufe, dann Gegenstände und
Menschen. Ein Mensch verhält sich ganz anders als ein Gegenstand.
Kinder müssen einfach erleben, dass sie nicht dran sind, wenn sich
Erwachsene in einem Gespräch befinden. Nur so hat ein Kind die
Möglichkeit zu erkennen, mein Elternteil ist ein Mensch und kein
Gegenstand, der sich steuern bzw. verschieben lässt. Solche Dinge
werden von Eltern geleistet, die sich in Bezug auf ihre Kinder in der
Intuition befinden.
Sie schreiben in ihrem Buch, dass eine fehlende Reifeentwicklung den Fortbestand einer ganzen Gesellschaft kosten könnte. Könne Sie das erklären?
Das ist richtig. Jeder zweite Schulabgänger in Deutschland
beispielsweise ist nicht ausbildungsreif. Dahinter steckt eine nicht
gebildete Psyche. Ich habe in einer Schreinerei Bewerber gesehen, die
nicht in der Lage waren auszurechnen, wie viel Quadratmeter eine
Tischplatte von 1 mal 2,50 Meter hat. Das war weder böser Wille noch
Unfähigkeit, denn alle Bewerber waren in der Schule und haben diese
Berechnungen irgendwann gelernt, aber weder abgespeichert noch
ausreichend geübt. Die Psyche der Bewerber ist ähnlich der eines
kleinen Kindes. Sie ist auf Lust und Spaß programmiert. So muss man
sich nicht wundern, dass die Bewerber die Anforderungen nicht
erfüllen können. Ausbilder klagen, dass es den meisten Bewerbern
und Auszubildenden an Arbeitshaltung, Erkennen von Strukturen,
Pünktlichkeit, etc. mangelt. Alles das liegt an der fehlenden
Reifeentwicklung, nicht an der fehlenden Erziehung.
Was wünschen Sie sich persönlich von den Eltern?
Dr. Michael Winterhoff ist Kinder- und Jugendpsychiater und
Psychotherapeut in Bonn. Auch ist er als Sozialpsychiater in der
Jugendhilfe tätig.
In unserer heutigen Zeit ist es immer schwerer Eltern zu sein. Dafür
gibt es zahlreiche Gründe. Ein wichtiger Grund ist die Gesellschaft,
in der wir leben. Wir werden permanent mit Negativnachrichten
überhäuft und einer Informationsflut, die uns unfähig macht,
herauszufinden, was gut und was schlecht ist. Ich wünsche mir, dass
Eltern einen Weg finden, zu sich und zur Ruhe zu kommen. Erst dann
können sie auch wieder sehen, dass es ein Geschenk ist, Kinder zu
haben. Eltern sollen sich frei machen von dem inneren Stress, noch dies
und jenes machen zu müssen. Sie sollten sich ganz bewusst Zeit nehmen
und diese mit ihren Kindern verbringen. Sie sollten sich auch ganz
bewusst vor Aktionismus schützen und vor Elektronik. Eltern sollten
sich einfach entscheiden, am Abend weder mit dem Telefon noch mit
Fernseher oder Computer zu hantieren. Sie sollten eine innere
Stabilität und einen Sinn finden, um sagen zu können, "ich
kümmere mich jetzt ganz bewusst um meine Kinder", damit diese die
Möglichkeit haben, sich gesund zu entwickeln.