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Wie ich mir meinen Beruf schaffe (Inspiration an andere)

Nightosphere

Mitglied
Hallo zusammen,

vor einiger Zeit habe ich den Thread mit dem schönen Titel Muss Arbeit kacke sein? verfasst. Darin ging es um meine Berufsfindungs-Krise und dem Problem, dass ich einfach nicht den richtigen Beruf finde. Es ist so, dass ich schon zwei abgebrochene Studien habe. Nachdem ich zuerst Informatik und dann Geografie angefangen habe, habe ich dann eine Ausbildung zum Fachinformatiker gemacht. Als ich dann fertig mit der Ausbildung war und ganz normal 40 Stunden die Woche arbeiten musste, ging es mir immer schlechter. Ich wurde sehr depressiv, habe zu Hause nur noch geheult, konnte an manchen Tagen gar nicht alleine zu Hause sein, sondern musste bei Freunden schlafen, weil ich mir wenn ich alleine war, zu viele schlimme Gedanken gemacht habe.

Ich dachte mir, was ist nur mit mir los. Warum finde ich nicht den richtigen Beruf? Ich konnte den Druck und den Stress nicht aushalten. Aber vor allen Dingen konnte ich nicht 40 Stunden im Büro sitzen. Ich hasse Büros. Die Arbeit als Softwareentwickler ist aber auch nicht so richtig mein Ding. Ich kann einfach nicht gut programmieren und es macht mir auch nicht so viel Spaß, als dass sich mein ganzes Leben darum drehen könnte. Und so ist das als Softwareentwickler. Man muss sich neben der Arbeit auch noch ständig weiterbilden. Ich bin einfach nicht so ein "Nerd" der sich daran erfreut, den ganzen Tag zu Coden und der sein Hobby zum Beruf gemacht hat. Ich hab es einfach gemacht, weil ich nicht wusste, was ich sonst machen soll.

Vor ein paar Monaten wurde die IT-Abteilung bei uns aufgelöst und ich wurde mit meiner geringen Berufserfahrung gekündigt. Ich war wirklich froh drüber. Während die meisten Menschen es fertig macht, gekündigt zu werden, habe ich mich wie befreit gefühlt. Ich habe Luftsprünge gemacht (innerlich). Als der Chef mir die Kündigung überreicht hat, hab ich ein richtiges Grinsen auf dem Gesicht gehabt. Es hat perfekt gepasst, weil ich einfach total zerstört war und unglücklich - zu dem Zeitpunkt war ich schon in Therapie, aber mir ging es immer noch schlecht und das hing unter anderem mit meinem Job zusammen. Natürlich nicht nur. Sondern eben auch mit mir. Ich habe psychische Probleme und fühle mich deshalb in nem 40 Stunden Bürojob wie in einem Gefängnis. Zwar versuche ich das mit meiner Therapeutin aufzulösen, doch bisher ohne Erfolg. Und dieses Gefangenheitsgefühl führt bei mir zu Depressionen.

Als anständiger Mensch habe ich natürlich zuerst versucht, mir eine neue Stelle zu suchen. Ich wurde auch öfters eingeladen, da ich wohl eine optisch sehr ansprechende und kreative Bewerbungsmappe geschaffen habe. Ich war auch auf mehreren Probearbeitstagen, aber habe immer sofort gemerkt, dass es das einfach nicht ist. Die Aufgaben haben mich sofort überfordert und ich dachte mir nur, dass ich direkt wieder in meine Depression verfallen würde, wenn ich hier 40 Stunden die Woche sitzen müsste. Unter diesem Stress und Zeitdruck. Während sich draußen das Leben abspielt.

Ich habe mich jetzt schon ne Weile mit dem Gedanken beschäftigt, was denn eigentlich los ist mit mir. Warum bin ich nicht normal. Warum kann ich es nicht aushalten, 40 Stunden im Büro zu sitzen. All die Anderen schaffen es doch auch. Aber ich glaube ich habe jetzt wirklich eine Lösung gefunden: Ich BIN einfach nicht wie die Andern. Für mich ist das 9to5 im Büro sitzen einfach nicht das richtige. Und was ich jetzt mit meiner Therapie immer mehr erreiche ist, den Mut zu bekommen, mein Ding zu machen. Es zu akzeptieren, dass für mich der Standard-Karriere Weg nicht der richtige ist. Man kann seine psychischen Probleme angehen mit einer Therapie, aber manche Dinge sind einfach angeboren. Und so kann man auch lernen, es zu akzeptieren. Mich hat es fertig gemacht, nicht die Erwartungen zu erfüllen, von denen ich dachte, dass es meine eigenen wären. Mit Ende 20 immer noch nicht das richtige gefunden zu haben, keinen Job zu haben, weil ich 40 Stunden im Büro nicht aushalte. Nicht das große Geld zu verdienen. Ein anderer Weg kam für mich bisher nicht in Frage, weil ich auch einfach nicht das Selbstvertrauen und den Mut hatte, aus dem Standardweg den alle gehen auszubrechen. Was würden andere Leute über einen denken, der nicht Vollzeit im Büro arbeitet. Was würde denn eine Frau von einem Mann denken, der sich irgendwie so durchs Leben wurschtelt und sich viele Dinge nicht leisten kann, anstatt nen anständigen Job zu haben. Doch das tolle ist - und ich glaube das hab ich teilweise auch meiner Therapie zu verdanken - darauf kann ich jetzt sch***en! :)

Ich war schon immer ein minimalistischer Mensch, der nicht viel braucht im Leben. Auf das meiste kann und will ich verzichten (auch aus ideellen Gründen), aber Zeit finde ich verdammt wichtig, genau so wie Freiheit. Zumindest ist es momentan so. Mein Ziel ist daher, die Selbstständigkeit mit den Dingen die ich kann und die mich begeistern und dabei frei zu sein. Und so lange kann ich mich ohne weiteres mit Aushilfsjobs über Wasser halten, wenn es sein muss. Mein Geographie Studium hat mir damals sehr viel Spaß gemacht, nur wusste ich nicht, was ich damit mache. Ich schreibe mich jetzt trotzdem wieder ein und studiere es nebenher weiter im eigenen Tempo. Das hat den tollen Nebeneffekt, dass ich meine Selbstständigkeit ganz in Ruhe aufbauen kann, das ich es als Nebentätigkeit neben dem Studium machen kann und sehr einfach einen Nebenjob als studentische Hilfskraft finde. Da ich langfristig an passivem Einkommen arbeite, kann ich auch nicht "zu viel" neben dem Studium arbeiten, weil ich ja keine Stunden abrechne :)
Warum passives Einkommen? Weil ich so keinen Termin- und Zeitdruck habe. Diese Dinge machen mich total fertig. Wenn ich in Ruhe arbeiten kann, leiste ich auch viel mehr, als wenn ich unter Druck stehe. Diese Angst es nicht zu schaffen, blockiert mich einfach total.

Und was mache ich nun? Ich mache mich mit einem Freund als Reiseblogger, Youtuber und Social Media Manager Selbstständig und baue nebenbei einen Online-Shop auf. Unsere Reisen finanzieren wir uns als Freelancer und können von unterwegs arbeiten - immerhin beherrsche ich meinen Beruf so gut, dass ich Blogs aufsetzen kann und einfache Programmiertätigkeiten ausführen kann und habe nebenbei sehr gute gestalterische Fähigkeiten. Und wenn es sich ergibt, mache ich auch Übersetzungstätigkeiten. Ich habe zu meinem Glück längere Zeit in den USA gelebt und habe ein C2 Zertifikat in fachlichem Englisch für IT-Berufe :D

Wir reisen in Länder, in denen man teilweise günstiger Reisen kann, als man in Deutschland lebt (wenn man auf Hotels verzichten kann). Und wenn alles gut läuft, können wir irgendwann sehr gut von dem ganzen leben. Das macht mir einfach Spaß - als Geograph ist das auch nicht abwegig - über andere Länder und Kulturen zu berichten, mein Leben zu dokumentieren, zu schreiben, Videos zu schneiden und zu bearbeiten und jeden Tag etwas Neues zu erleben. Wenn ich Glück habe, bekomme ich sogar einen remote Job als Student (hab da gerade etwas an der Angel), dann wäre das Reisen nebenbei wirklich gar kein Problem.

Ich denke mir, wenn man seiner Leidenschaft folgt, wird man damit erfolgreich und sei es auch noch so verrückt. Ich fange endlich an, auf mein Gefühl zu hören und höre auf, mich an anderen Menschen zu orientieren. Mir ist es egal, was Andere über mich denken. Ich weiß, dass das ein unsicherer Weg ist und man damit auch auf die Nase fallen kann, aber das Leben ist ja zum Leben da und das gehört dazu! Think out of the box!

Ich schreibe das hier auch, um Andere zu inspirieren, die ähnliche Probleme haben wie ich. Ich habe hier schon etliche Threads gelesen von Menschen, die mit ihrem Beruf nicht klar kommen. Aber lasst euch gesagt sein: Die Möglichkeiten sind viel größer, als das was einem andere Menschen vorleben. Man muss es nicht so machen, wie alle Anderen. Hört darauf, was euer Gefühl euch sagt und ihr macht das richtige! Selbst wenn es total verrückt ist und ihr vielleicht denkt, dass ihr es nicht könnt. Das war auch immer mein Problem, dass ich dachte, dass das was ich wirklich machen will, zu verrückt ist und ich das nicht machen könnte. Es lag einfach nur am Selbstvertrauen :)

Die Lösung muss nicht so aussehen wie bei mir - wenn man z. B. schon eine Familie hat - aber es gibt immer ungewöhnliche Lösungswege, man muss nur etwas kreativ sein und darf sich nicht von Anderen beirren lassen ;)
 

Jaz the Kaz

Neues Mitglied
Ich möchte mich kurz fassen:
Dein Text ist sehr inspirierend und macht Mut, denn ist meine Situation nicht ganz unähnlich. Besten Dank für die Ausführung und viel Erfolg mit deinem zweiten (und richtigen) Leben :)
 

Floralys3

Neues Mitglied
Hello!

Ich kann dir absolut nur beipflichten und verstehe dich soo sehr.
Hut ab, dass du den Schritt gewagt hast! Ich beneide dich :D

Auch ich habe das Gefühl in einem 40h/Woche Job gefangen zu sein. Das Gefühl, um Lebenszeit beraubt zu werden lässt mich einfach nicht los.
Tag ein, Tag aus 9h auf der Arbeit zu verbingen, um dann nur noch wenige Stunden des Tages "genießen" zu können, ist einfach nur schrecklich.
Die wenige freie Zeit kann ich auch gar nicht emhr wirklich genießen. Bereits Samstag grault es mir vor dem anstehenden Montag..

Zudem bereitet mir mein derzeitiger Job wenig Freude. Ich werde allerdings bald einen anderen Job annehmen. Allerdings bleibt auch hier die große Panik weiterhin das unerträgliche Gefühl des "Zeitraubs" zu empfinden.

Den Gedanken Selbstständigkeit (sogar auch in Form eines Blogs oder Social Media Beratung) hege ich auch schon etwas länger.. Dafür benötige ich aber doch noch mehr Arbeitserfahrung (bin derzeit im Online Marketing tätig).
Zudem fühle ich mich auch wenig fähig.. Selbstzweifel und Versagensängste zählen zu meinen ständigen Begleitern..

Nunja, nochmal: ich find's klasse von dir, dass du dich diesen mutigen Schritt gewagt und scheinbar auch dabei gewonnen hast!:):)

LG
 

Nightosphere

Mitglied
@Jaz the Kaz
Danke, freut mich dass ich dich inspirieren konnte :)


@Floralys3
Deine Situation klingt in der Tat sehr ähnlich zu meiner. Vor allen Dingen auch das mit den Selbstzweifeln und den Versagensängsten. Das ist genau das, was mich bisher daran gehindert hat, einfach meinen unkonventionellen Weg zu gehen. Und für manche Menschen passen einfach die klassischen ausgetrampelten Pfade nicht. Ich muss dir auch ganz ehrlich sagen, dass ich in meinem bisherigen Beruf auch sehr wenig Berufserfahrung habe und nicht finde, dass ich darin gut bin. Vielleicht bin ich auch nicht ganz im richtigen Beruf. Ich wurde in meiner Firma aber auch sehr schlecht bis gar nicht ausgebildet und musste mir vieles einfach selbst beibringen. Glücklicherweise macht mein Kumpel mit dem ich das ganze zusammen mache etwas sehr ähnliches und kann mir bei der ein oder anderen Wissenslücke gut aushelfen, so wie ich ihm auch bei vielem Sachen, besonders Übersetzungen, helfe. Und ich konzentriere mich jetzt einfach auf das, was ich gut kann.

Schlussendlich habe ich aufgehört an mir zu zweifeln, obwohl mich auch jetzt oft noch Zweifel und Ängste plagen. Aber ich habe gelernt, damit umzugehen, weil ich weiß, dass sie meist übertrieben und unbegründet sind. Man kann viel mehr als man glaubt und es geht viel mehr als man denkt.
Und am besten lernt man doch, wenn man ins kalte Wasser springt. In meinem letzten Job habe ich leider auch nichts vernünftiges mehr dazu gelernt. Ich habe dort eigentlich nur noch Idiotenarbeit gemacht, die mir absolut nichts gebracht hat. Und Spaß hat mir das ganze erst recht nicht gemacht, ich war im Gegenteil damit totunglücklich. Und dann hat die Bezahlung gerade so für Miete und Strom ausgereicht (wohne in einer Stadt in der die Mieten explodieren). Das ganze kommt einem dann einfach wie Sklavenarbeit vor und da ist die Depression vorprogrammiert. Ich habe das Gefühl, dass viele Jobs so sind, dass man sich dort nicht frei entfalten kann. Es muss aber natürlich jeder in seiner individuellen Situation schauen, was das beste für ihn ist. Man darf sich nur nicht von zu vielen Zweifeln plagen lassen ;)

Letztendlich war es gut, dass ich diesen furchtbaren Job hatte, das hat mir den letzten Schubser gegeben, den ich gebraucht habe und auch ein bisschen diese Scheißegal-Einstellung. Ich dachte mir, "Schlimmer kann es eh nicht mehr werden, ich hab ja echt nichts zu verlieren" und so ist es auch ;)
 
Zuletzt bearbeitet:

Tippgeber

Neues Mitglied
Prima, wie Du Leuten hier durch Dein Beispiel Mut machst, ihren eigenen Weg zu gehen.

Und für die, die sich den Sprung ins kalte Wasser nicht zutrauen: oft gibt es auch die Möglichkeit, nebenberuflich mit den eigenen Projekten zu starten. So kann man erst mal ausprobieren, ob das überhaupt funktioniert, ohne gleich Existenzdruck zu haben.

Woher die Zeit nehmen? Vielleicht so:
Ich habe meinen Chef davon überzeugt, meine Arbeitszeit auf 80 Prozent zu reduzieren. Somit habe ich einen Tag pro Woche allein für meine Selbstständigkeit. Natürlich habe ich meinem Chef damals nicht gesagt, dass ich meine Arbeitskraft lieber in eigene Projekte stecke als in seine. Ich habe ihm erzählt, dass ich mich aus persönlichem Interese im Rahmen eines Fernstudiums weiterbilden will. Allerdings in einem Fach, das nicht zu sehr mit der Firma zu tun hat (nicht, dass er auf Ergebnise hofft).

Das fand er gut und schon hat's geklappt. Da meine Selbstständigkeit auch in einem völlig anderen Bereich stattfindet, musste ich mir die Nebentätigkeit zum Glück nicht genehmigen lassen. Im Zweifel gibt der Arbeitsvertrag Auskunft....

Grüße
Manfred
 

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