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Wütend wegen Kleinigkeiten

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Auswanderin

Gast
Hallo liebes Forum

Ich muss mich an euch wenden, da ich leider alleine nicht weiterkomme.

Ich führe seit drei Jahren eine Beziehung mit meinem Freund, erst über 900km Distanz, seit 11 Monaten wohnen wir zusammen in seinem Land. Ich habe hier auch Arbeit und das nicht zu knapp, vermisse allerdings meine Freunde und Familie, mal mehr mal weniger. Soviel zur allgemeinen Situation.
Seit ca. 2-3 Monaten werde ich ab Kleinigkeiten total wütend auf meinen Freund. (Und früher konnte ich noch nicht mal wütend werden...) Das kann eine Bemerkung sein, das kann eine nicht weggeräumte Hose sein oder eine Handlung, die ich doof finde. Vorallem aber sind es Bemerkungen, über mich, über Allgemeines etc. Meist sind es aber Dinge, durch die ich mich persönlich angegriffen fühle oder von denen ich denke, dass ein Partner das nicht sagen darf. Oder Dinge, bei denen ich meinen Standpunkt, der von seinem abweicht, darlegen möchte (wobei beide Standpunkte "richtig" sind), was dann zum Streit führt, weil er meinen lächerlich findet. Das führt dann eigentlich immer zu Streit und am Schluss muss ich mich entschuldigen, auch wenn ich das Gefühl habe, anfangs eigentlich im Recht zu sein.
Er dreht alles immer so um, dass ich dann dumm dastehe. Ich fühle mich in fast allem durch ihn angegriffen, da wir sehr oft Gespräche führen, in denen er betont, dass etwas, das ich mache, lächerlich ist, nicht sein darf/kann etc. oder nicht normal ist. Auch wenn ich das Gespräch suche, weil etwas für mich nicht stimmt, dreht er es so um, dass ich am Schluss diejenige bin, die alles falsch macht. Ich spreche Dinge nicht mehr an, weil ich Angst vor den Streits habe. Ich fühle mich je länger je mehr so, als ob ich nicht mehr sein kann, wer ich eigentlich bin, weil ich Angst vor den Streits habe. Früher war diese Angst auch schon mal da, das hat sich aber wieder vollständig gelegt. Auch mein Freund ist total unzufrieden mit der Situation, sagt er. Ich habe das Gefühl, unsere Beziehung geht langsam "den Bach runter". Es ist zwar noch ein weiter Weg bis ganz nach unten, aber ich weiss einfach nicht weiter....
Vielleicht könnt ihr mir weiterhelfen?
- Was ich tun soll?
- Was die wahren Gründe für meine Wut sein könnten?

Danke für eure Inputs.
Auswanderin
 
Der Grund für Deine Wut ist vermutlich der, dass Dein Freund Dich nicht respektiert und nicht ernst nimmt.

Da Du den offenen Streit inzwischen scheust, kanalisiert sich das ganze dann, in dem Du wegen anderer Kleinigkeiten wütend wirst.

Aber eigentlich bist Du , vermutlich , einfach wütend darüber, dass Du immer als die Dumme da stehst und die Streits nicht mehr offen austrägst.

Ich würde mir Gedanken machen, ob die Beziehung nicht schon den Bach runter ist, wenn er Dich so behandelt und ob ich nicht vielleicht wieder nachhause gehen und dort leben würde.
 
Vielleicht bist du mit deiner Lebenssituation unzufrieden und unglücklich , fühlst dich unwohl im Ausland und willst zurück in dein Land zu deinen Leuten.
 
@ kasiopaja


Ja, ich denke auch, dass vieles dadurch kommt, dass ein (oder wahrscheinlich mehrere) Streit nicht ausdiskutiert wurde bzw. ich mich nicht verstanden fühle, weil für ihn meine Sicht der Dinge völlig abnormal ist.

Ich würde ihm das ganze gerne erklären, weiss aber nicht, wie, ohne dass ich mich gleich wieder angegriffen fühle. Ich würde unsere Beziehung gerne retten bzw. wieder besser machen. Manchmal fühle ich mich so ungerecht behandelt..Und ich weiss nicht mal wirklich, ob er nicht vielleicht doch recht hat und mein Verhalten manchmal nicht angebracht und gut ist. Manchmal hat er bestimmt recht, aber manchmal fühlt es sich so falsch an.

@ cucaracha

Ja, das stimmt. Nach meinem letzten Heimatbesuch war es besonders still, das hat sich dann allerdings wieder gelegt, nachdem ich ein schönes Erlebnis (für mich) hatte. Allenfalls würde es auch helfen, dass ich mir selbst versuche, mehr schöne Erlebnisse zu schaffen hier. Denkst du, dass dadurch die Wut auf meinen Freund abnehmen würde?

Evtl. fühle ich mich tatsächlich nur ungerecht behandelt und angegriffen, weil ich selbst unglücklich bin hier. Dann habe ich sozusagen einen "Grund", weshalb es mir nicht so gut geht, weil er ja "gemein" ist zu mir (mal kindlich ausgedrückt).
 
@ Trampelzwerg

Irgendwie ist es schwierig, dass so wörtlich wiederzugeben. Manchmal sind es nur ganz kleine, belanglose Sachen.
Er fragt mich beim Autofahren, "ob wir nicht wieder die falsche Ausfahrt genommen hätten". Oder weist mich darauf hin, dass ich anders schalten muss, wenn ich fahre. Das sind Beispiele aus dem Auto. Oder er macht einen Kommentar über etwas, dem ich dann etwas wiederspreche und er meint daraufhin, dass ich das nur mache, weil ich mit ihm streiten will.
Oder er führt irgendwelche Untersuchungen ein in Diskussionen, wodurch ich nichts mehr sagen kann, weil ich keine Untersuchungen gelesen habe über diese Themen. Schon nur wenn das Wort "Studien" oder "Untersuchung" fällt, spüre ich diese Ablehnung oder "Wut" in mir..

Oder es sind Dinge, die ich sage, ohne dass ich damit einen Streit provozieren will, und er wird wahnsinnig wütend, weil ich es zweimal sage oder weil er meint, es sei total unlogisch oder nicht angebracht. Er bezeichnet mein Verhalten dann als lächerlich, dass er keine Worte dafür hat, niemand das verstehen würde etc.

Irgendwie trifft es das aber nicht ganz. Es ist total schwierig, es in Worte zu fassen. Hilft es dir weiter?
 
@Trampelzwerg

Gute Frage. Eigentlich würde ich sagen, "Nein".Allerdings unterstellt er mir, dass alles immer so sein muss, wie ich es will oder kenne, aber mittlerweile habe ich das Gefühl, dass das bei ihm genauso ist bzw. wird. Vielleicht fühlt er sich durch "alles muss so sein wie du es willst" auch angegriffen und reagiert deshalb mit diesem Verhalten..?
Er liest einfach sehr viel, vor allem wissenschaftlich und erinnert sich auch an fast alles. Ich hingegen lese dann eher mal "Blödsinn" und erinnere mich auch nicht an jedes Detail.
 
Hallo Auswanderin,


manche Erkenntnisse sind zuweilen so "platt", dass man sie gar nicht mehr im Blick hat: von einer Fernbeziehung "umzusteigen" und dann zusammen zu wohnen, ist wie "Weihnachten mit der Familie". Erst dann fängt man an zu begreifen, wenn man vor sich hat. Die vielen "Kleinigkeiten", die das Wesen eines Menschen mit ausmachen, blendet man während der Verliebtheitsphase gerne aus und für die Dates einer Fernbeziehung strengt frau/man sich zumeist besonders an, weil die Zeit zu kurz und zu wertvoll ist. Aber im Alltag kann frau/man nicht mehr lange verstecken.

Die Folge: die kleinen "Marotten" und "Unzulänglichkeiten" bleiben einem verborgen. Und dann ist das noch dieses: "Wir müssen darüber reden"-Ding. Ja, es ist wichtig, sich auszutauschen und Dinge zu klären. Aber vor einigen Jahren sagte mir einmal jemand den Satz: "Willst Du recht haben, oder willst Du eine Beziehung?" Beides geht meistens nicht. Für mich, als leidenschaftlichem Vielquassler, war das eine Kröte, die ich nicht schlucken konnte. Seit wann soll Reden nichts bringen? Und wenn Reden nicht viel bringt, wie soll das dann gehen? Ich war völlig aufgebracht und fühlte mich elend und unverstanden. Nach diesen Jahren, in denen ich immer wieder auf dieser "Kröte" (Verzeih mir dieses eklige Bild, aber es transportiert meine innere Ablehnung) herumgekaut habe, musste ich folgendes erkennen:

1. Was gesagt wird, wird oft vom "wie es gesagt wird" überdeckt. Manchmal lehne ich den "Ton" ab und kann dann den Inhalt nicht mehr aufnehmen.
2. Hinter einigen "sachlichen Gesprächen" verbergen sich grundsätzliche Wünsche ("Lehne mich nicht ab. Lass mich wichtiger für Dich sein, als dieses blöde Thema. Verstecke Dich nicht vor mir.", etc.), die so nie zur Sprache kommen, weil man schon an "Kleinigkeiten" scheitert.
3. Einige Punkte muss man an seinem Partner einfach akzeptieren, ohne sie immer wieder in Frage zu stellen. Erst wenn man zu ihm ganz und gar Ja gesagt hat, verschieben sich die Relationen nicht mehr ständig (Bis auf gewisse Ausnahmen natürlich).
4. Wenn Du "recht hast", was ändert sich dadurch? Wenn ich recht habe und Du nicht, gibt es einen Verlierer und einen Gewinner. Manche Menschen verlieren einfach nicht gerne, egal, worum es geht. Also wird gekämpft. Aber bei einem Kampf gibt es Verwundete und Tote. Verlieren dadurch nicht alle? Was also gewinnt ein Gewinner?
5. Eine Diskussion zu gewinnen und einen gemeinsamen Standpunkt zu finden, können zwei völlig verschiedene Dinge sein. Ohne die wirkliche und eigentliche Intention seines Gesprächspartners zu kennen, ist eine Einigung nur Glückssache oder aus der Not geboren. "Was willst Du mir wirklich sagen?" Diese Frage ein paar Mal hintereinander gestellt, fördert Unglaubliches zutage.
6. Wer möchte schon gerne "schuld sein"? Ein schlechtes Gewissen ist wie ein verwundeter Tiger: gefährlich und unberechenbar.

Hat er vielleicht ein schlechtes Gewissen, weil Du "dieses Opfer" des Umzugs zu ihm gebracht hast? Die Gründe hinter den Gründen sind oft die interessantesten. Wie viel Wahrheit verträgt das Gegenüber? Wie wahr ist meine Wahrheit, da sie doch zumeist subjektiv ist?

Viele Männer werden sich erst IN einer Beziehung bewußt, wie wenig sie diese Beziehung "im Griff" haben, wie fragil dieser so Vieles bestimmende "Faktor" ist. Das macht ihnen Angst und sie suchen nach Möglichkeiten, wieder "Herr der Lage" zu werden, in dem sie Grenzen ziehen und "Stellschrauben" (Was passiert wann, wo und wie) einbauen, die diese Illusion nähren sollen. Der Nebeneffekt sind kopfgeborene Regeln, die als künstlich, willkürlich und einengend empfunden werden, also Widerstand hervorrufen und schon hat man ständig Streit wegen Kleinigkeiten.

"Was erwartest Du von mir?" Diese Frage bekommen die meisten Männer in einer Beziehung nicht mehr beantwortet, ist aber vielen Männern wichtig. "Ich liebe Dich, Du musst das doch fühlen und spüren, was ich denke". Na ja, mit einem Strauß Blumen läßt sich das nicht immer bewerkstelligen. Große und kleine Enttäuschungen auf beiden Seiten wirken wie Säure an den Fundamenten und machen mürbe.

Das "Anderssein" meines Partners entdecke ich erst, wenn Nähe und Alltag entstehen und die Wirklichkeit in Konkurrenz zu meinen Tagträumen und Hoffnungen tritt. Der Praxisschock ist da nicht immer eine Kleinigkeit, weil ich manche meiner Hoffnungen und Träume ganz weit hinten versteckt habe und sie auch mich zuweilen im unpassendsten Moment "überrollen". Ohne ein 100%-iges Ja zu meinem Partner führen dann ständige Standortbestimmungen ("Kann ich das noch akzeptieren, geht das nicht zu weit, wie finde ich das überhaupt, wo bleibe ich dabei auf der Strecke ...") in meinem Inneren zu einer Unsicherheit, die nach außen ausstrahlt und meinen Partner verunsichert. Und schon ist die Frage "Worum geht es gerade?" nicht mehr so einfach zu beantworten.

Wahrscheinlich sieht Dein Partner auch, dass Du nicht glücklich bist und will auch daran nicht schuld sein. Dieses "daran" wird dann unter Diskussionen begraben, denn Du hast ja eigentlich keinen Grund, unglücklich zu sein, wie man am Ausgang der Diskussion erkennen kann, denn er hatte ja recht. Eine etwas seltsame Logik, zugegeben.

Ich kenne keine gute Beziehung, in der die Partner sich nicht von Zeit zu Zeit milde lächelnd in den Arm nehmen und auf manche Diskussionen einfach verzichten. Die Kunst besteht nun darin, die Diskussionen und Gespräche zu führen, die geführt werden müssen und die anderen der Güte der Vergangenheit zu überlassen. Dafür gibt es nicht so viele Regeln.

Was Du tun sollst? Du und Dein Freund habt als Architekten ein gemeinsames Projekt: ihr baut eure Beziehung auf. Jede Beziehung ist wie der Kölner Dom. Der wird auch nie fertig und verschlingt Millionen. Also findet einen Weg, eure Substanz zu erhalten, lernt, was ihr noch nicht kennt, und baut auf, was eure Säureattacken zerfressen haben.

Was Deine Gründe für Deine Wut sein könnten? Manchmal ist Dein Partner ein Idiot und das kann einen schon wütend werden lassen. Und manchmal bist Du auch eine Idiotin und wenn diese beiden aufeinander treffen in der Hitze einer Beziehung, dann passiert das, was in unserer Sonne passiert: eine Fusion von Atomen und die freigesetzte Energie verstrahlt einem Hirn und Herz. Wir suchen uns instinktiv Partner, an denen wir wachsen können, mit denen wir die Verletzungen der Vergangenheit und unsere eigenen Defizite aufarbeiten können und müssen: der Faule trifft auf die Powerfrau, die Schüchterne auf den Hans-Dampf, die Passiv-Aggressive auf den Aggressiven, usw. Bis wir das begreifen, begraben wir manchmal eine Beziehung unter dem Müll des Alltages und der Kleinigkeiten und starten das gleiche Projekt auf einer anderen Baustelle. Manchmal macht auch wütend, das man eben ist, wer man ist und doch immer wieder mit sich selbst konfrontiert wird.

Verzeih, ein etwas langer Input. Ich bin eben ein Mann der vielen Worte und muss daran noch arbeiten.

Alles Gute
 
@ GrayBear

Hallo GrayBear,
vielen Dank für deine lange und ausführliche Antwort!

Ich gebe dir auf jeden Fall recht, dass die Umstellung von Fernbeziehung auf "gemeinsame Wohnung" einiges ans Tageslicht bringt, was man davor gut verstecken konnte. Dieser Gedanke ist mir auch schon gekommen, allerdings frage ich mich dann, weshalb es doch diese 8-10 Monate gedauert hat? Oder denkst du, dass sich alles aufsummiert hat nach dieser Zeit und ich deshalb wütend werde?

Es geht mir bei den Diskussionen nicht darum, recht zu haben. Natürlich, manchmal schon. Aber generell geht es mir vor allem darum, dass er sich auch anhört, was ich zu sagen habe, es wirklich in Betracht zieht und, wenn er anders darüber denkt, mir das irgendwie "nett" zu verstehen gibt. Es würde mir schon reichen, wenn er sagt "Ok, ich weiss nun, was du meinst, allerdings sehe ich das nicht so. Ich muss dich aber auch nicht von meinem Standpunkt überzeugen wollen." Vor allem, wenn es nicht um "grundlegende Beziehungsfragen oder ähnliches" geht.

Dein Punkt 1 ist wirklcih treffend, oft überschattet das Wie das Was.

Deine Frage "Was willst Du mir wirklich sagen?" werde ich mir zu Herzen nehmen und öfters stellen! Ich hoffe, dass sie uns weiterhilft.

Vor ein paar Wochen hat er mir erzählt, dass er sich sehr viele Gedanken macht über unseren nächsten Umzug in meine Heimat. Gerade, weil ich alles hier so gut geregelt habe und es mehr oder weniger "problemlos" verlief, weil ich vor dem Umzug schon eine Stelle hatte und all meine Versicherungen etc (bin Grenzgägnerin) geregelt sind. Ausserdem habe ich die Sprache gut gelernt und bekomme sehr viele Komplimente von allen Seiten, dass man mir meine Muttersprache nicht anhört. Ich habe Glück, schnell neue Sprachen zu lernen und dabei wenig Akzent zu haben.
Er befürchtet, dass das bei ihm alles weniger "smooth" geht und er auch die Sprache nie so schnell und problemlos lernt. Leider sprechen wir auch noch einen speziellen Dialekt, den er dann auch noch lernen müsste.

Auf jeden Fall, manchmal ist er der Idiot, manchmal bin ich die Idiotin. Ich sage nicht, dass ich keine Schuld daran habe, vielleicht habe ich sehr viel Schuld. Ich will einfach auch wieder eine sorgenlose Beziehung, dass ich mir keine Gedanken machen muss, was ich sage oder mache währenddem ich mit ihm zusammen bin.

Danke für deine Antwort.
 

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