Für mich war entscheidend, mir klarzumachen, daß meine sozialen Ängste tatsächlich unbegründet sind. Viele nette Menschen bewerten andere Menschen gar nicht. Die akzeptieren einen einfach so wie man ist mit all seinen Macken. Für mich war das lange unvorstellbar, weil ich das aus meiner Kindheit und Jugend so nicht gewohnt war. Aber nach und nach habe ich gemerkt, Mobbing ist gar nicht das Übliche, sondern die Ausnahme. Für mich lange kaum zu glauben.
Es war für mich auch kaum vorstellbar, daß es nicht schlimm ist, unbeholfen zu sein oder schüchtern oder seltsam zu reagieren. Jeder Mensch ist irgendwie speziell und auf seine Art auch gelegentlich seltsam. Jedem ist mal was peinlich. Das ist ok.
Seitdem ich weiß und auch darauf vertraue, daß ich ok bin, genau wie die meisten anderen, nicht besser und auch nicht schlechter, ist es leichter. Keine glänzende, besonders charismatische, allen sympathische Persönlichkeit, aber eben ok. Das genügt für einen freundlichen Kontakt und führt manchmal sogar über Bekanntschaft zu Freundschaft.
Im Laufe der Jahre hat sich einfach ein realistischeres Bild von mir und von den anderen ergeben. Deswegen gib nicht auf. Sprich mit Menschen. Schau sie Dir an. Schau, wo sie alle ihre Schwachpunkte haben, ohne sie zu bewerten. Und schaffe Gelegenheiten, wo Du erleben kannst, daß du nicht bewertet wirst.
Für mich hat sich bewährt, Menschen mit ähnlichen Interessen über einen längeren Zeitraum kennenzulernen, wo sich aus dem gemeinsamen Tun immer wieder Gesprächsanlässe geben, wo man aber auch einfach still dabeisein und zuhören kann, ohne daß das komisch wirkt. Ähnlich wie in der Schule. Ich habe mehrere Fortbildungen zu Themen, die mich interessierten gemacht, wie Theater, Schamanismus und Natur- und Wildnispädagogik. Die gingen jeweils über 2 oder 3 Jahre, alle paar Monate ein Wochenende in einer festen Ausbildungsgruppe. D.h. man traf in einem sicheren äußeren Rahmen über eine längere Zeit immer wieder auf die gleichen Menschen, die auch noch die gleichen Interessen wie man selber hatte. In solchen Seminaren habe ich viel Selbstbewußtsein aufbauen können, eben weil ich gemerkt habe, wir haben alle das gleiche Interesse, es macht Spaß und ich bin einfach Teil der Gruppe ohne etwas Besonderes dafür leisten zu müssen. Und es waren in diesen Gruppen immer total unterschiedliche Menschen, laute und leise, unterschiedlichen Alters, mit vielen unterschiedlichen Lebenserfahrungen, aber einem gemeinsamen Interesse, das verbindet. Und gerade die Theater- oder Waldleute sind größtenteils sehr tolerant und aufgeschlossen, was vermeintliche Absonderlichkeiten angeht. Ich fand es ganz wichtig, mich dorthin zu begeben, um Menschen zu finden, die meine Schwächen nicht abwerten. In einem Sportverein oder mit Shoppingmädels oder bei groben, aggressiven Menschen wäre ich vielleicht nicht so gut zurecht gekommen.
Deswegen mein Rat: such dir was, was Dir Freude macht und schau, ob Du da einen sicheren Rahmen für regelmäßige Begegnungen mit netten Menschen findest.
Ich habe in jeder dieser Fortbildungen einen oder zwei Menschen getroffen, mit dem sich im Laufe der Jahre der Kontakt intensiviert hat und eine Freundschaft entstanden ist. Und solche Freundschaften helfen dann, irgendwann zu akzeptieren und zu verinnerlichen, daß man eigentlich ganz ok sein muß, wenn so nette Menschen gerne mit einem zusammen sind.
Ich wünsche Dir viele positive kleine und große Erfahrungen mit anderen Menschen, die es immer leichter und leichter für Dich machen.