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Überängstliche Mutter; ist es falsch, dass ich weit weg ziehen will?

InColdBlood

Neues Mitglied
Hallo leute, ich bin neu hier und habe sowas ehrlich gesagt noch nie gemacht. Also im internet über meine probleme berichtet. Aber ich fühle mich gerade wieder so schlecht, dass ich meine gedanken irgendwo teilen muss. Außerdem interessiert mich die Meinung von Außenstehenden.
Also...

Seit ich mich erinnern kann, hat meine Mutter eine riesen angst um mich gehabt. Sie hat auch schon seit mehreren Jahren regelmäßig Panikattacken. Sie hat mich als Kind nicht geimpft, weil sie irgendwo mal was gelesen hat, dass Impfungen angeblich schädlich sind, was immer wieder ein Diskussionsthema bei uns ist. Ich war ihr erstes kind und sie wusste vieles vielleicht nicht besser, deswegen habe ich ihr das, was sie damals gemacht hat, größtenteils verziehen. Sie hat mir z.b. aktivitäten mit meinen freunden sehr oft nicht erlaubt, weil sie immer der Meinung war, die anderen wären 'schlechter einfluss' oder würden mich auf die schiefe Bahn lenken. Nur weil sie schlechtere Noten in der schule hatten als ich. Und Dinge wie zusammen in einen Club oder auf ein Konzert zu gehen war einfach 'zu gefährlich'. Sogar meine beste freundin durfte ich irgendwann nicht mehr sehen, und das nur weil sie damals mehr machen durfte als ich. Zu der zeit war ich 16/17. Einen festen Freund durfte ich auch nicht haben, bis ich 17 war. Und immer wieder, seit ich denken kann, hat sie mich vor der gefährlichen welt da draußen gewarnt, es fast schon in mich eingeprügelt, wodurch sich ihre Ängste auch teilweise auf mich übertragen haben. Ich kämpfe aber sehr dagegen an, weil ich mich davon nicht einschränken lassen will.

Ich bin nun 21, wohne noch daheim und auch wenn sie mir theoretisch nichts mehr verbieten kann, geht der Terror weiter. Mit 19 wollte ich studieren gehen, in die Großstadt. Dazu sollte ich vielleicht noch erwähnen, dass meine mutter aus einer rechts-konservativen Familie stammt, und die Flüchtlingskrise für sie der blanke Horror war. Und auch jetzt noch muss ich mir fast täglich anhören, wie gefährlich es doch in Deutschland ist, wegen den ganzen Ausländern, die auf der straße Frauen vergewaltigen und abstechen. Hinzu kommt, dass sie und mein Vater, der auch ihre polit. meinung teilt, sich jeden tag videos auf youtube über eben genannte Vorfälle anschauen, was ihre Ängste natürlich in die höhe treibt.
Jedenfalls, als ich mit 19 ausziehen wollte war es (kurz vor den Bundestagswahlen) sehr unruhig auf den straßen. Mit einreden von Schuldgefühlen hat meine Mutter es geschafft, dass ich mich doch dazu entscheide, noch ein jahr zu hause zu bleiben, und in der nähe arbeiten zu gehen. Denn in der Großstadt war es zu der Zeit zu 'gefährlich' und sie macht sich ja so große sorgen um mich. Sie geht daran kaputt meint sie.
Während dieser Zeit lernte ich dann meinen freund kennen, mit dem ich seitdem eine glückliche (aber leider noch Fern-) beziehung führe.
Wir sind uns sehr sicher miteinander, und ich möchte dieses Jahr nun endlich studieren gehen. Ebenso fängt er eine Ausbildung an. Wir wollen zusammen ziehen.
Nun das Problem: unser Ziel ist Berlin. 400km von zu hause entfernt. Mein freund und ich lieben die Stadt und er hat wie gesagt dort schon einen Ausbildungsplatz. Ich habe auch schon länger den wunsch gegenüber meiner mutter geäußert, nach berlin zu ziehen, aber erst jetzt wo es ernst wird scheint es wieder ein riesen Problem darzustellen. Sie sagt nun 'Großstadt ist okay, aber nicht Berlin'. Sie meinte gerade zu mir, sie wird es niemals akzeptieren dass ich in so einer Zeit in die 'gefährlichste Stadt Deutschlands' ziehe, unterstellt mir, dass mein Freund mir wichtiger sei als sie, erwähnt immer wieder wie sehr ich sie verletze und dass ich es bereuen werde, ihr sowas angetan zu haben. Und schon seit Monaten endet fast jedes Gespräch mit solchen Aussagen. Wenn ich mal in die Großstadt fahre um meine Freunde zu besuchen geht es immer wieder los mit den Schuldgefühlen. Außerdem redet sie mir meine Beziehung schlecht, was sie aber überhaupt nicht begründen kann. Es ist offensichtlich, dass sie mich einfach nicht loslassen will.

Sie redet mir so viele Schuldgefühle ein, dass ich nicht mehr weiß was ich machen soll. Mit meinem Freund in der Großstadt zu wohnen und zu studieren ist schon lange mein Wunsch, aber ich habe Angst dass meine mutter an ihren Ängsten kaputt geht, wenn ich sie tatsächlich verlasse und so weit weg ziehe. Und dass sie mir mein Leben lang Vorwürfe macht. Bin ich zu egoistisch, wenn ich weit weg ziehe? Wenn ich mich an ihre Ängste nicht anpasse? Immerhin ist sie meine Mutter, und ich liebe sie. Aber ich weiß nicht wie es weiter gehen soll, weil mich das Verhältnis zwischen ihr und mir zunehmend kaputt macht.. ich weine nach fast jedem gespräch mit ihr, weil ich sie nicht verletzen will, aber auch nicht auf meine Wünsche verzichten will. Gehört es nicht zum Elternsein dazu, irgendwann solche dinge zu akzeptieren?

Und bevor jemand fragt, ihr Hausarzt hat ihr schon öfter empfohlen, sich bei einem Psychologen hilfe zu suchen, aber sie glaubt nicht an sowas, bzw. meint sie braucht sowas nicht.


So, ich denke das reicht erstmal. Sorry falls es Schreibfehler gibt, bin sehr aufgewühlt. Falls sich das überhaupt jemand durchliest sag ich schonmal danke.
 
Wenn Du Deinen Freund liebst und Ihr nach Berlin ziehen wollt, zieht nach Berlin.
Lass Dich nicht kirre machen, auch auf dem Dorf oder Kleinstadt lebt man "Gefährlich". Du kannst auch dort jeder Zeit überfahren werden, es kann jeder Zeit Dir ein Flugzeug auf dem Kopf fallen und ja auch andere Schlimme Dinge können in einen/eine Dorf/Kleinstadt passieren.

Berlin ist eine schöne Stadt.
 

InColdBlood

Neues Mitglied
Wenn Du Deinen Freund liebst und Ihr nach Berlin ziehen wollt, zieht nach Berlin.
Lass Dich nicht kirre machen, auch auf dem Dorf oder Kleinstadt lebt man "Gefährlich". Du kannst auch dort jeder Zeit überfahren werden, es kann jeder Zeit Dir ein Flugzeug auf dem Kopf fallen und ja auch andere Schlimme Dinge können in einen/eine Dorf/Kleinstadt passieren.

Berlin ist eine schöne Stadt.
Berlin ist wunderschön, da stimme ich dir zu. Und dass überall etwas passieren kann ist klar, bloß ist das für meine mutter kein argument. Ich werde nach Berlin ziehen, ich weiß nur nicht wie ich mit den Gefühlen meiner Mutter umgehen soll.
 
H

highfifi

Gast
Deine Mutter lebt in einer anderen Welt – aber eben nicht Deutschland. Natürlich musst du, zumindest Abends, allein in der Großstadt mehr auf deine Umgebung achten, weil da insgesamt einfach viel mehr los ist. Wenn du auf dich aufpasst, dann wird dir aber auch dort nichts passieren.

Mein Vater war da ganz ähnlich. Ich habe sogar direkt in einem Haus an einem Bahnhof einer Großstadt gelebt und das war der Super-GAU schlechthin. :D Er war strikt der Meinung, dass ich im Dunkeln auf gar keinen Fall mehr raus sollte, wegen den vergewaltigenden Flüchtlingen, was einfach total utopisch ist, wenn es im Winter schon um 17 Uhr finster wird. Und meine Großeltern sind auch jedes Mal ausgerastet, wenn ich mal Abends mit dem Bus zu ihnen gefahren bin. Jedenfalls ist mir in 4 Jahren in der Großstadt nichts passiert. Ich bin sogar ziemlich oft noch spät Abends alleine mit dem Hund draußen gewesen und mich hat nie jemand angesprochen oder gar angemacht.

Also geh! Du brauchst das. Du MUSST dich abnabeln. Von kleinen Schritten rate ich dir aber ab. Bei anderen Menschen mögen kleine Schritte vielleicht funktionieren. Die sind aber nicht so fest an ihre Eltern gebunden wie du. Vor allem werden die meisten Menschen aber nicht so kirre gemacht und müssen nicht mit derlei Ängsten kämpfen. Trau dir das zu, werde selbstsicher.

Wovon ich dir aber tatsächlich auch selbst abraten würde ist, mit dem Freund zusammenzuziehen. Ich finde es wichtig, erst einmal zu lernen, alleine klar zu kommen. Mit einem WG-Zimmer findest du außerdem schneller Anschluss und viel Unterstützung von Eingesessenen.
 
D

Deliverance

Gast
Ich kann deine Bedenken verstehen, mir ging es als Kind und Jugendliche ähnlich.
Mein Highlight war, als ich mit 17 meinen damaligen Freund nicht besuchen durfte, weil er sehr ländlich gelebt hat.
Auf dem Land fahren viele Menschen betrunken Auto, Standard, könnte nachts einer ins Haus rein fahren. Was mache ich denn, wenn mein Freund mich nachts aussperrt, weil wir uns streiten? Und natürlich sind überall auf dem Dorf Vergewaltiger, mitten auf dem Feld würde auch niemand meine Leiche finden...
Komischerweise hat sie die Sachen alle selbst gemacht (permanent besoffen, mich nachts auf der Straße schlafen lassen, Vergewaltiger und Schläger anschleppen....), aber wehe, ich gehe raus und könnte schöne Erfahrungen machen ;)

Überängstliche Eltern sind eigentlich ganz normal und es ist völlig egal, was du tust, du wirst es immer falsch machen.
Du wirst immer in die falsche Gegend ziehen, die falschen Freunde haben, dass Falsche tun. Für deine Mutter wird dein Auszug eine Katastrophe sein, egal ob du 50 Meter oder 500 km weit weg ziehst ;)
In kleinen Schritten abnabeln kann sie nicht zulassen....und das ist ganz allein ihr Problem. Nicht deins.
Du kannst ihr eine Liste mit Therapeuten da lassen, damit sie einen Anreiz hat, daran zu arbeiten.
 

InColdBlood

Neues Mitglied
Wenn du nach Berlin willst, weil es dort einen Studienplatz für dich gibt, der einfach optimal passt - nur zu!
Wenn du nach Berlin willst, weil dein Freund, den du bislang nur aus der Ferne kennst, nach Berlin will wegen seiner Ausbildung - nicht gut!
Meiner Ansicht nach sollte man nicht von der fernbeziehung in den gemeinsamen haushalt ohne Zwischenschritte.
Und deine Mutter kann ich schon verstehen.
Warum gerade Berlin?
Weil da jeder hin will und es hip ist? Oder weil du einen Bezug, ein individuelles Interesse an dieser Stadt hast?
Wenn deine Fernbeziehung nach Bremen gehen würde, würdest du dann auch nach Bremen gehen?

Abnabelung vollzieht sich in kleinen Schritten.
Ebenso, wie Verbindung.
Mein Freund und ich wohnen weit auseinander aber wir verbringen ingesamt mindestens 2 wochen jeden Monat bei dem anderen. Also ich kenne ihn nicht 'nur aus der ferne'. Und wie gesagt, wir sind uns sehr sicher. Und ob berlin hip ist oder nicht ist mir vollkommen egal, ich fühle mich dort einfach nur sehr wohl. Um den ausbildungsplatz hat er sich erst beworben, nachdem wir lange darüber gesprochen haben und wir beide Berlin als unseren Favoriten ausgewählt haben. Das war eine gemeinsame Entscheidung. Und klar, ich hätte mir gewünscht dass die Abnabelung in kleinen schritten passiert, aber dazu hat mir meine Mutter nie die Chance gegeben. Und immerhin geht es nun um mein Studium, warum ist es denn ein zu großer schritt wenn ich für mein studium weit weg gehe? Und ja, natürlich gibt es in berlin ein Studium, was zu mir passt, sonst wäre das für mich und meinen freund gar keine option gewesen.
 

HalliGalliSuperstar

Aktives Mitglied
Die Frage ist ja nur noch, WIE du es machst, d.h. wie du es ihr erklärst. Ich würde sagen, indem du ihr klipp und klar sagst (oder als Brief schreibst), dass du dich nicht weiter dermaßen emotional erpressen lässt und dass du den Kontakt (vorläufig) abbrechen wirst, wenn sie nicht aufhört, dir Schuldgefühle einzureden. Und das auch durchziehst. SIE hat ein Problem, nicht du. Sie hat eine überängstliche Persönlichkeit, ihre Wahrnehmung ist völlig verzerrt. Das musst du ihr vielleicht mal so klar sagen. Wenn sie sich grämen will über die Gefahren Berlins, soll sie das tun, aber du kannst ja nicht dein Leben davon bestimmen lassen. Wenn es Bremen oder Karlsruhe wäre, würde sie auch das Schlimmste befürchten. Ich glaube nicht, dass es so einen großen Unterschied macht.

Lies mal "Der ganz normale Wahnsinn: Vom Umgang mit schwierigen Menschen" von Francois Lelord und Christophe André, da wird eine solche ängstliche Persönlichkeit beschrieben, und wie man mit ihr umgehen sollte.
 

Petra10

Mitglied
Hallo InCold…

Zitat von Dir: ich hätte mir gewünscht dass die Abnabelung in kleinen schritten passiert, aber dazu hat mir meine Mutter nie die Chance gegeben.


Ich finde das ganz toll von Dir, daß Du Dir Gedanken über Deine Mutter machst.

Wir Mütter machen diese Abnabelung alle durch-und Ja- es ist schmerzhaft. Aber es ist auch notwendig und wichtig.

Und irgendwann hat man sich als Eltern auch daran gewöhnt-glaube es mir bitte und dann wird sie stolz darauf sein, wenn sie erkennt, daß Du Dein Leben ohne sie im Griff hast.

So hat sie irgendwann auch mehr Zeit, sich um ihr eigenes Wohl zu kümmern. Vielleicht hat sie Hobby-s oder irgendwas, das sie beschäftigt.

Heutzutage gibt es Telefon und Internet.

Wenn Du sie nicht ganz vergißt, wird alles gut. Berlin ist wunderbar für junge Leute.

Alles Gute für Dich und Deinen Freund.

Liebe Grüße
Petra
 

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