In letzter Zeit würde ich es mir schon wünschen Nähe zulassen zu können, bzw. stoße ich Männer sehr schnell weg, auch wenn ich sie mag. Ich finde es eigentlich wichtig darüber zu sprechen, aber oftmals verkompliziert das auch alles. Irgendwie habe ich da noch nicht den richtigen Weg gefunden.
Es ist auch verdammt schwierig, da einen gute Umgang mit zu finden und ich bin mir (- leider -) fast sicher, dass es da nicht den einen richtigen Universalweg gibt.
Darüber mit jemanden zu sprechen, den man neu kennenlernt, stelle ich mir auch sehr schwer vor. Es ist so ein intimes, höchstpersönliches und auch schmerzhaftes Thema, das will man nicht jedem auf die Nase binden und sowas bespricht sich auch nicht mal eben locker bei nem Bier. Ja, und auf der anderen Seite kann es auch hilfreich sein, wenn der Mann Bescheid weiß, denn nur dann kann er entsprechend Verständnis aufbringen und Rücksicht nehmen. Oh Mist, da werde ich gleich wieder wütend auf diese Arschgeigen von Tätern, weil es so ungerecht ist, womit man sich nach so einem Gewalterlebnis herumschlagen muss.
Ich wüsste auch nicht, wie ich bei neuen Kontakten damit umgehen würde, vor allem wenn ich selbst ambivalent bin und gerne Nähe zu einem Kerl, den ich gern habe, zulassen möchte, aber es mir zugleich auch schnell zu viel wird.
Gut wäre wahrscheinlich, es wirklich sehr, sehr langsam und kleinschrittig anzugehen, um Vertrauen aufzubauen und, sobald es sich richtig anfühlt, darüber zu sprechen. Dafür muss man zunächst nicht konkret werden, meiner Meinung nach. Wenn du merkst, dass die Gesprächsbasis stimmt und du den Mann verständnisvoll einschätzt, sollte es ausreichen zu sagen: "Hör mal, ich habe in der Vergangenheit viel Scheiße mit Männern erlebt. Ich mag dich und würde gern weiter Zeit mit dir verbringen, aber ich weiß, dass das nur geht, wenn wir es sehr langsam und in meinem Tempo angehen."
Wenn ihr körperlich miteinander werdet, könnte es hilfreich sein, wenn erstmal nur du aktiv bist und die Kontrolle hast, was wann passiert. Wenn er passiv bleibt bzw. nur auf deine Initiativen reagiert, erhöht das vielleicht das Sicherheitsgefühl? Das muss gar nicht erst beim Sex anfangen, sondern auch schon früher. Du nimmst seine Hand, wenn du es möchtest. Du rückst an ihn ran, wenn er neben dir sitzt. Du umarmst ihn, wenn es sich richtig anfühlt. Du initiierst den Kuss. Du. Nicht er.
Zumindest mir geht es auf diese Weise besser mit Nähe, die mir einerseits sehr gut tut und die andererseits auch überfordernd und unangenehm sein kann. Die Situation ist nicht vergleichbar, weil ich einerseits schon lange in einer Beziehung bin und - wie gesagt - andererseits die Gewalt nicht innerhalb der Beziehung passiert ist. Somit sind unsere Ausgangslagen sehr verschieden.
Vielleicht kannst du dennoch etwas für dich mitnehmen: mir wurde in einer Beratungsstelle geraten, mit meinem Mann zu vereinbaren, dass Berührungen und Zärtlichkeiten aktiv von mir ausgehen sollen. Er akzeptiert das natürlich, aber es ist trotzdem gar nicht so einfach umsetzen, weil wir beide sehr körperliche Menschen sind und uns im Alltag oft selbstverständlich und fast unbewusst berühren und körperlich nahe sind. Wenn der eine irgendwo steht oder sitzt, dazu kommen, an ihn ranschmiegen und umarmen. Im Vorbeigehen ein schneller Kuss oder liebgemeinter Klaps oder so. Abends gehe ich in der Regel nach meinem Mann ins Bett. Wenn ich mich hinlege, wacht er meist auf und zieht mich im Halbschlaf zu sich, legt mir seinen Arm um den Bauch oder krault mir noch ein bisschen durch's Haar. Das ist so eine tiefverwurzelte Gewohnheit, zehntausendmal so geschehen, dass sie über die Jahre zum Automatismus geworden ist und uns so gar nicht mehr bewusst war. Bis nach der Vergewaltigung, als ich mich mehrmals zu Tode erschrocken habe, als ich ins Bett gegangen bin und er mir ganz selbstverständlich die Hand auf die Hüfte gelegt oder mich umarmt hat. Persönlich finde ich es selbst ärgerlich, dass sich das so unangenehm und schrecklich anfühlt, aber im Moment kann ich es nicht ändern. Wahrscheinlich wird es mit der Zeit besser. Was aber wirklich gut funktioniert, ist, wenn ich die Aktive bin, mich ins Bett lege, selbst an ihn ran rutschte und seinen Arm nehme und selbst um mich lege. Da finde ich die Nähe gut auszuhalten und sogar schön.
Vielleicht funktioniert das für dich auf diese Weise auch besser als anders?
Aber vorher würde ich mir tatsächlich viel, viel Zeit lassen und im Verlauf so eines Kennenlernens ganz oft innehalten, um gut auf dein Bauchgefühl zu hören, ob das Tempo für dich so gut ist oder doch nicht.