Ich finde auch sehr interessant, die aktuelle Entwicklung in Bezug auf meine Biografie zu betrachten, oder auch die Biografie von anderen Menschen.
Ja, ich finde das auch sehr interessant.
Bei mir waren die Lebensumstände sehr ähnlich, zumindest deine geschilderte Wohnsituation deckt sich so ziemlich mit den Häusern, Kellern, Räumen, Wohnungen, in denen ich aufgewachsen bin. Erst in einem zerfallenden Kriegsland geboren, später als Flüchtlingskind hergekommen und die Kindheit/Jugend in den späten 90er und 00er-Jahre in Deutschland verbracht. Da dann natürlich auch nichts gehabt. Oft nichtmal Licht, weil wir einfach keine Lampen oder auch nur Glühbirnen hatten. Manchmal auch gar keinen Strom, weil Rechnungen nicht bezahlt werden konnten.
Davon abgehärtet fühle ich mich nicht, eher im Gegenteil. Aus meiner Erfahrung, weiß ich, dass Armut irre anstrengend ist, weil man nie hat was man braucht und sich ständig erklären oder lügen, tricksen oder gar klauen muss, um irgendwie durchzukommen. Und ist man mal einen Tag grade so durchgekommen, tut sich am nächsten oft schon ein neues Problem auf und man muss wieder strampeln. Man kommt nie zur Ruhe und findet sich so, so oft, in Situationen wieder, die einfach würdelos sind. Außerdem gibt es wenig, was die Gesundheit - sowohl physisch, als auch psychisch - so systematisch gefährdet wie Armut.
Wie gesagt, heute lebe ich mit meiner Familie finanziell abgesichert und Einsparungen würden stellenweise Verzicht bedeuten, aber nicht annähernd das, was ich als Kind erlebt habe oder was auch heute die Lebensrealität viel zu vieler Menschen ist.
Trotzdem merke ich, wie wenig Verhandlungsspielraum ich emotional habe, Entscheidungen darüber zu treffen, und wie sehr ich in einer Verteidigungshaltung bin, die der Sache gar nicht entspricht. Mein Mann, gut-bürgerlich und finanziell sorglos aufgewachsen, versteht das, weil er meine Biographie kennt, aber so richtig nachvollziehen, kann er es einfach nicht.