Ich habe mir heute noch einmal Gedanken gemacht über eine angemessene Wahlrechtsreform. Mein Vorschlag sieht so aus:
Die Anzahl der Wahlkreise wird von 299 auf 200 reduziert. Das ist genug, um alle Regionen Deutschlands angemessen zu repräsentieren. Anders als heute wird das absolute Mehrheitswahlrecht angewendet. Dies deshalb, damit es nicht mehr vorkommt, dass ein Kandidat mit teilweise sogar unter 20% gewählt wird, der ja dann mehr als 80% der Wähler gar nicht hinter sich hat. So wird eine Mehrheit von über 50% sichergestellt. Das ist sehr demokratisch.
Natürlich wird es dann in den meisten Wahlkreisen Stichwahlen geben, da es erfahrungsgemäß nur in wenigen Wahlkreisen vorkommt, dass ein Kandidat im ersten Wahlgang schon auf mehr als 50% der Stimmen kommt. Damit dann aber schon am Tag der Bundestagswahl das Ergebnis festeht, finden die Wahlen für die Wahlkreisabgeordneten schon zwei Wochen vor der eigentlichen Bundestagswahl statt. Mit einem eigenen Wahlzettel, so das Verwechslungen der Funktion von Erst- und Zweitstimme künftig ausgeschlossen ist. Die Abstimmung per Briefwahl ist hier natürlich auch möglich.
Durch diese separate Wahl der Wahlkreisabgeordneten beschäftigt man sich auch mehr mit ihnen. Das ist von Vorteil.
Zwei Wochen später findet dann die Wahl der weiteren 200 Abgeordneten statt, die nach Verhältniswahl über Parteilisten gewählt werden. Insgesamt hat der Bundestag dann 400 Sitze fix. 2%-Sperrklausel, keine Grundmandatsklausel. In den Wahlkreisen, in denen im ersten Wahlgang kein Kandidat auf mehr als 50% der Stimmen gekommen ist (das dürfte in der ganz großen Mehrheit der Wahlkreise der Fall sein), findet eine Stichwahl statt zwischen dem erstplatzierten und dem zweitplatzierten Kandidaten. So kommt es auf jeden Fall zu einer absoluten Mehrheit.
Diese Art von Wahlrecht nennt man Grabenwahlrecht. Direktmandate werden nicht auf die nach Verhältniswahlrecht über Parteilisten gewonnen Sitze angerechnet. So können gar keine Überhangmandate mehr entstehen. Ausgleichsmandate gibt es dann natürlich auch nicht mehr. Und die Grundmandatsklausel wird augrund der niedrigen Sperrklausel von 2% künftig auch nicht mehr gebraucht und entfällt.
Das Mehrheitswahlrecht, das bei der Wahl der 200 Wahlkreisabgeorneten angewendet wird, begünstigt allerdings große Parteien und benachteiligt kleine Parteien.
Damit das vermieden wird, ist künftig eine zweifache Mehrheit notwendig. Ein Gesetz bedarf also sowohl der Mehrheit der 200 Wahlkreisabgeordneten wie auch der Mehrheit der 200 über Parteilisten gewählten Abgeordneten. Durch eine moderne Abstimmungsanlage, die registriert, ob ein Abgeordneter Wahlreisabgeordneter oder über die Liste gewählt ist, wird dieses Wahlverfahren möglich. So kann keine der beiden Gruppen überstimmt werden. Und wenn ein Gesetz nur in einer der beiden Gruppen eine Mehrheit hat, in der anderen aber nicht, dann findet eine Vermittlung statt, die dann einen Gesetzentwurf hervorbringt, der in beiden Gruppen eine Mehrheit findet. Das geht in Richtung Konkordanzdemokratie; und die ist stabiler als eine Konkurrenzdemokratie, weil die unterschiedlichen Interessen angemessen ausgeglichen werden.