Am 4. Oktober 1990 werde ich um 16:07 Uhr in einem Krankenhaus der Army in den USA geboren. Ab hier beginnt mein Kampf ums Überleben. Ich werde nach meiner Geburt in eine Kiste mit vielen Schläuchen gesteckt und verbringe dort meine erste Zeit auf der Welt. Die Ärzte geben mir 10% Überlebenschance und wenn ich überlebe, wäre ich schwerbehindert. Die Ärzte können mir hier nicht helfen und meine Mutter flieht mit mir unter dem Arm aus den USA vor meinem Vater und seinen Ärzten. In Deutschland gefühlt keine Spur mehr davon. Mein Leben geht weiter, wie bei jedem Kind, doch langsam merke ich ein Unwohlsein. Der erste Kontakt mit der Gestalt auf meiner Schulter, wann genau? Keine Ahnung aber von da an kam es immer wieder.
Mein erster Freund war ein Kuscheltier, ein weißer Bär, der mich bis heute begleitet, mit verkratzten Augen und kein Fell mehr hat. Trotzdem ein Freund, dem ich alles erzählen konnte und er mir immer zuhörte, obwohl ich noch nie gut im Reden war.
Irgendwann holte mich meine Oma zu Fuß aus dem Kindergarten ab. Wir standen an der Ampel, gegenüber ein Plus Markt. Ich schaute nach links und lief los, obwohl ein Auto kam. Ein weißer Golf, der Fahrer ein Mann mit kurzer Frisur und Zigarette im Mund, fuhr mit sehr überhöhter Geschwindigkeit in die 30er Zone. Meine Oma schrie, zerrte mich an meiner Jacke zurück auf den Bordstein und rettete mir so womöglich das Leben. Mein erster Versuch? Ich weiß es nicht und auch nicht, was ich in diesem Moment gedacht habe.
Einige Jahre vergingen, welche mit schlechten Noten und Mobbing in der Schule durchzogen waren. Meine Mutter bestellte die von mir beschuldigten Kinder zu uns nach Hause und schimpfte mit ihnen. Ihre Eltern wurden darüber ebenfalls in Kenntnis gesetzt und am nächsten Tag fing alles wieder von vorne an. Ich habe es einfach ertragen und oft nichts mehr darüber gesagt. Es war für mich nicht sehr angenehm, aber ich überstand auch diese Zeit irgendwie.
Nach der Schule fing ich eine Ausbildung an. Es war ein Kampf und ich hatte keinen wirklichen Spaß dabei. Meine Mutter meinte ich solle in eine kleine Firma gehen, da lernt man am meisten. Ein großer Fehler, wie sich später herausgestellt hat. Ich durchlief meine Ausbildung, wurde jedoch immer klein gehalten und wenn ich es nicht verstanden habe, wurde mir mein Platz mit Nachdruck gezeigt.
Dieser Kampf ging bis 2008 und ab hier kam wieder dieses Unwohlsein, welches sich langsam, aber sicher in ein angenehmes Gefühl verwandelte. Danach meine ersten wirklichen Versuche diesem Gefühl freien Lauf zu lassen. Aus Traurigkeit und dem Gefühl nichts wert zu sein entwickelte sich langsam ein von mir angetriebener Selbsthass. Das führte immer mehr zu Kontrollverlusten in meinem Leben und meinen damaligen Beziehungen. Das Ganze ging so weit, dass meine Mutter irgendwann nicht mehr weiterwusste und an einem Abend die Polizei rief. Sie sagte ich würde mir vielleicht etwas antun und wäre bewaffnet. Natürlich kamen keine zwei netten Beamten, um diese Sache wie in ihrer Vorstellung zu klären. Ein Polizeigroßaufgebot sperrte die Straße in beide Richtungen. Ich saß an meinem PC in Arbeitsklamotten und wollte einfach nur meine Ruhe. Irgendwann klopfte es an allen Türen und es wäre eine Freundin von meiner Mutter da die mit mir sprechen möchte. Im nächsten Moment flog die Tür auf und ich fand mich auf dem Boden in Handschellen wieder. Ein wenig später in dem Bus der Polizei auf dem zur Wache fragte mich der Polizist, was ich mir dabei gedacht habe. Ich habe nur gesagt, dass ich meine Ruhe wollte. Auf der Wache wurde ich behandelt, als hätte ich eine wirkliche Straftat begangen.
Wenig später fand ich mich in einer Psychiatrie wieder, dem Gewächshaus für geistige Probleme. Ich traf viele normale Menschen, die dort zu Unrecht eingesperrt wurden. Man konnte richtig beobachten, wie sich diese Menschen in die Richtung entwickelt haben damit sie genau in diese Anstalt hineinpassten. Demnach waren die Gespräche dort nicht sehr hilfreich und die Medikamente nahm ich, weil ich es musste. Ich habe hier meinen nächsten Versuch unternommen und einen Schalter ausgebaut, um an Gegenstände zu gelangen. Dafür wurde ich in einen extra Raum eingesperrt und ans Bett gefesselt. Am Ende hatte ich aufgegeben und tat nun alles, um aus der Anstalt wieder entlassen zu werden. Ich habe nur noch das gesagt, was man von mir hören wollte.
Danach ging es immer weiter bergab. Ich habe nur noch Sachen gemacht die andere wollten. Ich sollte mit jedem darüber reden, aber das hat alles nur schlimmer gemacht, was meinen Hass nur weiter schürte und weiter in Selbstzerstörung überging. Am Ende fand ich meine Droge in Schmerzen. Sie ließen mich für einige Momente vergessen, was um mich herum und in meinem Kopf passierte. Ein weiteres Heilmittel waren meine Großeltern, welche 400km weit weg wohnten aber telefonisch immer erreichbar waren.
Nach einiger Zeit in meinem gehassten Job ging ich zur Bundeswehr und hatte wieder einen Sinn erkannt, der mir auch vorgegeben wurde. Ich durchlief die Grundausbildung und meine Spezialgrundausbildung. Hier wurde ich sogar für meine herausragenden Leistungen von den Scharfschützen angeworben, dies blieb mir jedoch verwehrt aufgrund meines Zugführers, denn er hatte andere Pläne mit mir als ich. Ich versuchte danach mehrfach meine Chancen zu nutzen, doch immer blieb es an einer anderen Stelle hängen. Ab dem Jahr 2018 war ich im Auslandseinsatz und habe dort und danach auch sehr viele Gespräche anonym geführt, jedoch ohne Erfolg. Die Lösung für meine Probleme waren wieder nur Schmerz, Hass und meine Großeltern. Im Einsatz lag ich öfter nachts wach und hatte 3x meine Waffe im Mund. Es wurde erst besser als die Aufträge mehr und gefährlicher wurden. Ich hatte einen knappen Moment, in dem eine Waffe auf mich gerichtet war und ich war irgendwie glücklich in diesem Moment. Ich funktionierte, wie es von mir erwartet wurde, bis sich diese Situation am Ende geklärt hatte.
Ich habe während meiner Dienstzeit angefangen, mein Geld zu investieren. Ich dachte mit mehr Geld würden sich meine Probleme vielleicht lösen lassen. Ich habe mich zu sehr daran geklammert und dann in den finanziellen Ruin getrieben. Im Jahr 2019 telefonierte ich mit meiner Oma über den Gesundheitszustand meines Opas. Ich habe mich auf der Schießbahn bei einer Schießpause zusammengekauert hinter meinem Panzer versteckt. Was 2019 nur ein Gespräch und eine schlechte gesundheitliche Phase meines Opas war wurde 2020 zur Wirklichkeit. Er hat meine Oma, meine Mutter und mich in dieser Welt zurückgelassen. Ich habe es bis heute nicht verarbeitet, aber ich musste irgendwie weiter durchhalten.
Meine Dienstzeit neigte sich dem Ende und ich wusste nichts mit mir anzufangen. Meine Gedanken fraßen mich auf und meine finanzielle Situation saß mir immer mehr im Nacken. Auf meiner letzten Fahrt in die Kaserne hatte ich einen fast tödlichen Autounfall. Die Folgen daraus trieben mich immer weiter in finanzielle Schwierigkeiten. Ich hatte wieder dieses Gefühl jedoch fühlte es sich langsam angenehm an. Die Gestalt auf meiner Schulter wurde immer mehr zum Freund über diese lange Zeit. Vielleicht versucht mir jemand zu helfen? Ich ließ mich langsam immer mehr darauf ein und folgte diesem Gefühl. Am Abend des 29.06.2022, ein Tag vor meiner Entlassung versuchte ich mich auf meiner Stube in der Kaserne zu erhängen. Ich wachte jedoch irgendwann auf dem Boden meiner Stube auf, da sich die Bänder an der Stange lösten. Es sollte wohl noch so weiter gehen wie bisher. Ich erzählte es meiner Mutter und versprach ihr, so etwas nicht noch einmal zu tun. Ich machte das, was von mir erwartet wurde und plante mein Leben weiter.
Im Jahr danach verstarb ein Tag nach Weihnachten nun auch meine Oma. Bis hierhin hatte ich zwei Drittel meiner Familie verloren. Meine Mutter blieb als einzige übrig, welche selbst mit sich und Depressionen zu kämpfen hatte.
Ich werde müde, meine Gedanken fressen mich auf und ich weiß nicht mehr weiter. Alle Versuche aus diesem Abwärtsstrudel zu entkommen sind gescheitert. Kein Gespräch oder Medikament hat bisher geholfen. Keiner versteht es wonach ich mich sehne. Ich kann das ganze nicht mehr verarbeiten jedoch hält mich mein Versprechen an meine Mutter zurück, Frieden zu finden. Ich quäle mich also weiter durchs Leben, spiele meine Rolle und warte, bis es von selbst passiert. Es tut mir leid für die, die mir helfen wollten bzw. es immer noch versuchen.