Ich fühle mich ausgebrannt und ausgenutzt

[Ostwind1957]

Letzten Sonntag waren wir bei Freunden. Irgendwann fiel mir ein, dass ich noch zur Europawahl gehen sollte. Dann meinte einer aus der Runde, dass neben dem Rathaus eine Pizzeria sei und ich ihm und seiner Freundin von dort Pizza mitbringen könnte.

Dann hättets du sagen können:" Dann laß uns zusammen gehen. Und während ich wählen gehe, könnt ihr euch die Pizza holen!"

 

[Northern Light]

Also, das Beispiel mit dem Zigaretten mitbringen finde ich jetzt nicht gravierend, ehrlich gesagt. Du hast keinen extra Umweg, und das Benzingeld wäre so oder so angefallen; das hätte dir ja offenbar nichts ausgemacht, es nur für den Kaffee auszugeben. Klar, der Einkauf hätte ein wenig länger gedauert, aber die Zigaretten zB sind eh an der Kasse.

Ich will darauf hinaus, ob es evtl sein kann, dass du dich an Stellen ausgenutzt fühlst, die andere als normale Alltagsgefallen empfinden würden? Du schreibst ja in deinem EP auch, dass du dieses Gefühl bei quasi allen Menschen hast, mit denen du dich umgibst - Partner, Freunde, Familie, Kollegen... das fände ich schon ungewöhnlich.

Würden denn in deinem genannten Beispiel die Freunde dir umgekehrt auch etwas vom Einkauf mitbringen? Wenn ja, sehe ich eigentlich kein Problem. Dass du gar nicht erst darum bittest, dafür können sie ja nichts.

 

[Savay]

Finde auch, ein Geben und Nehmen kann nur statt finden, wenn man auch mal nimmt. Also anderen auch mal die Chance gibt einem etwas zu geben.
Alles alleine und selbstständig zu machen ist zwar toll, aber halt auch unausgeglichen oder?

Wobei dann auch wieder dieses Aufrechnen beginnt 🤔

Vielleicht kannst du dich daran orientieren ob du grad gerne jemanden einen Gefallen machen möchtest?
Und wenn nicht, dann sagst du es.
Ist doch irgendwie auch nicht fair die anderen im Unwissen darüber zu lassen, daß es dir damit nicht gut geht.

 

[Lauralee]

@Holunderzweig : Danke für den guten Tipp! Ich werde mich mal im Internet umschauen und ggf auch Bücher zu diesem Thema in unserer Bibliothek suchen. Wie gesagt, schaffe ich es in manchen Situation schon, mich abzugrenzen. Aber wenn ich zu müde und kaputt bin, gelingt es mir oftmals nicht.


@Ostwind1957 : Ich sollte vielleicht noch erwähnen, dass mich das erst so richtig belastet, seit ich ein Auto habe. Viele Jahre bin ich nicht Auto gefahren, weil ich mich am Steuer unwohl fühlte. Anfang letzten Jahres habe ich mir zum ersten Mal einen Wagen gekauft, weil ich inzwischen auf dem Land lebe und etwas unabhängiger sein wollte.
Das mit dem Mitnehmen wäre nicht so einfach gewesen. Ich fahre nämlich ein Microcar, mein Auto ist ein Zweisitzer. D. h. es kann generell nur eine Person mitfahren. Außerdem wären die Leute am Sonntag selbst in einen größeren Wagen niemals eingestiegen, weil sie alle mit offenen Bierflaschen im Garten saßen. Und wenn die Leute mal sitzen, dann sitzen sie.


@Northern Light : Das mit den Zigaretten ist ja auch nicht wirklich schlimm. Als ich das erste Mal darum gebeten wurde, Freunden was aus dem Supermarkt mitzubringen, hat mich das gar nicht gestört. Mich stört, dass ich wirklich jedes Mal um einen Gefallen gebeten werde, wenn ich irgendwo hinfahre.
Als ich noch kein Auto hatte, war ich mal mit meinem Freund in seinem Auto zum Wocheneinkauf unterwegs. Während der Fahrt rief mich eine Freundin an und fragte, ob wir spontan bei ihr vorbeikommen wollten. Sie hatte ein paar Freunde zu Besuch und saß mit ihnen im Garten. Als ich meinte, dass wir erst noch den Wocheneinkauf machen müssen und danach gerne vorbeikommen, hat sie gleich irgendwelche Sachen für sich und ihre Gäste bestellt, die wir ihr mitbringen sollten. Das fand ich schon merkwürdig, das hätte ich an ihrer Stelle sicher nicht gemacht.
Um ehrlich zu sein weiß ich nicht, ob meine Freunde umgekehrt nicht auch was für mich mitbringen würden. Natürlich fahren auch mal andere Leute weg, wenn sie kurzfristig etwas brauchen. Aber ich bin noch nie auf die Idee gekommen, jemanden zu bitten, mir etwas mitzubringen. Mir ist es sehr unangenehm, andere um einen Gefallen zu bitten, weil ich niemandem Umstände bereiten möchte.


@Savay : Manchmal sage ich tatsächlich "Nein", wenn ich einen triftigen Grund habe. Z. B. hat mich mein Partner vor kurzem vor vollendete Tatsachen gestellt. Er hat einmal in der Woche seinen Stammtisch und meinte neulich, er würde sich freuen, wenn ich nach der Arbeit auch dazukomme. Habe ich dann gemacht, um dann von ihm zu hören, dass er dann ja etwas trinken, sein Auto stehen lassen und mit mir nach Hause fahren könne. Ich musste ihn dann am nächsten Tag nach Feierabend zur Kneipe fahren, damit er sein Auto wieder nach Hause bringen konnte.
Als ich am Sonntag nach der Wahl zu unseren Freunden zurückkehrte, hatte er auch wieder mehr getrunken und von mir erwartet, dass ich ihn mit nach Hause nahm (wir waren getrennt angereist, weil er vorher noch woanders war). Ich habe dann aber gleich klar gestellt, dass ich ihn am nächsten Tag sicher nicht zu seinem Auto fahren werde, weil ich einen langen Arbeitstag vor mir hatte und es spät wird. An seinem Verhalten hat mich in erster Linie gestört, dass er mich vor vollendete Tatsachen gestellt hat. Meiner Meinung nach sollte man in so einer Situation fragen, ob das für den Fahrer in Ordnung geht. Einer unserer Freunde hat ihn dann am Montag zum Auto gebracht.


@Knirsch : Es ist tatsächlich so, dass ich viel über mich und meine Aktivitäten erzähle und deshalb meinen Mitmenschen mehr Angriffsfläche biete als andere. Mir ist das aber meistens gar nicht bewusst, dass diese Informationen ausgenutzt werden könnten. Außer natürlich, wenn es sehr private Dinge sind, da bin ich schon vorsichtig. Wie gesagt, würde ich gar nicht auf die Idee kommen, dass jemand auch für mich was mitbringen könnte, wenn er mal die Runde verlässt und etwas erledigen möchte.

Manche Leute bei uns bitten generell oft andere um einen Gefallen. Ich finde das auch sehr strange, dass wenn ich bei anderen bin und kurz in die Küche gehe, um mir eine Tasse Kaffee zu holen, gleich von mehreren Seiten kommt: "Bringst du mir XY mit?" Manche sind sogar zu bequem, um den Garten zu verlassen und sich eine Tasse Kaffee aus der Küche zu holen. Oder wenn wir auf einem Festival sind, auf dem Zeltplatz auf unseren Stühlen sitzen und ich mir dann an einem der Stände was zu essen oder trinken holen möchte, werde ich auch öfters gefragt, ob ich anderen etwas mitbringen kann.

Mich stört das halt, weil es mich an meinen Vater früher erinnert, der sich von mir und meiner Mutter ständig bedienen lassen hat.
Und diese Einkaufsgeschichten stören mich, weil meine Mutter früher auch zu faul war, um gewisse Dinge selbst einzukaufen. Sie saß lieber den ganzen Tag in der Bude und hat gewartet, bis ich total kaputt von der Schule oder von der Arbeit nach Hause kam und mich dann gebeten, nochmal in die Stadt zu gehen und ihr die Sachen mitzubringen.

Früher habe ich mich wie die Dienstmagd meiner Eltern gefühlt. Jetzt kommen diese Gefühle wieder hoch, weil mich das Verhalten meines Partners und unserer Freunde an meine eigene Familie erinnert.

 

[Northern Light]

Mich stört das halt, weil es mich an meinen Vater früher erinnert, der sich von mir und meiner Mutter ständig bedienen lassen hat.

Früher habe ich mich wie die Dienstmagd meiner Eltern gefühlt. Jetzt kommen diese Gefühle wieder hoch,

Das ist vermutlich der Casus Knaxus.

 

[Mond-Wind]

Ja, das sehe ich so wie @Northern Light

Am "bringst du mir bitte xy mit", wenn du ohnehin in das Geschäft fährst, zum Stand gehst ..., kann ich kein Ausnutzen erkennen. Was du nicht bequem tragen kannst geht dann halt nicht mehr. Das frage ich durchaus auch.

Aber es betrifft dich und und fühlst dich ausgenutzt. Dann sehe ich nur, dass du entweder an dieser Sichtweise etwas änderst oder dass du all diese Bitten freundlich aber bestimmt ablehnst.

 

[Lauralee]

Neulich habe ich mal wieder bei einem Umzug geholfen. Ein sehr guter Freund von mir, der auch dabei war, hat kein Auto. Ich hatte ihm im Vorfeld angeboten, ihn am Bahnhof abzuholen. Weil er im Gegensatz zu uns anderen Umzugshelfern am Vormittag keine Zeit hatte, bin ich am frühen Nachmittag losgefahren.

Bevor ich losfuhr, kam eine Freundin (die auch beim Umzug mitgeholfen hat) auf mich zu und meinte, dass es in der Nähe des Bahnhofs eine Tankstelle gibt. Sie hat mich gebeten, ihr von dort Knabbereien und Zigaretten mitzubringen. Das Ende von Lied war, dass ich mich verfahren habe und mein guter Freund 15 Minuten auf mich warten musste.

Früher ging es nur darum, Sachen aus den Supermärkten mitzubringen, in die ich sowieso rein wollte. Inzwischen heißt es, da ist dies oder jenes in der Nähe, kannst du auch noch dort vorbeischauen...

Vielleicht sollte ich mal mit den Leuten reden und ihnen mitteilen, welche Gefühle ihr Verhalten bei mir auslöst.

 

[Marisol]

Manche Leute bei uns bitten generell oft andere um einen Gefallen. Ich finde das auch sehr strange, dass wenn ich bei anderen bin und kurz in die Küche gehe, um mir eine Tasse Kaffee zu holen, gleich von mehreren Seiten kommt: "Bringst du mir XY mit?" Manche sind sogar zu bequem, um den Garten zu verlassen und sich eine Tasse Kaffee aus der Küche zu holen. Oder wenn wir auf einem Festival sind, auf dem Zeltplatz auf unseren Stühlen sitzen und ich mir dann an einem der Stände was zu essen oder trinken holen möchte, werde ich auch öfters gefragt, ob ich anderen etwas mitbringen kann.

Ich antworte dann: "Bin ich dein Diener oder was?"
Die fragen nie mehr.

 

[Lauralee]

Vielleicht ist die folgende Info noch wichtig für den Strang: Wir haben im Freundeskreis einen Mann, der querschnittsgelähmt ist. Er sitzt im Rollstuhl. Weil er nicht laufen kann und wir ihn trotzdem gerne bei unseren Treffen dabei haben, machen wir für ihn Dinge, die jeder gesunde Mensch selbständig erledigen kann: Z. B. bringen wir ihm Teller mit Essen und Gläser mit Getränken an den Tisch. Er bittet nicht nur mich, sondern auch andere immer mal wieder um einen Gefallen.

In seinem Fall macht es mir aber gar nichts aus, etwas für ihn zu tun. Im Gegenteil, für ihn mache ich das gerne. Die anderen Freunde auch. Der Mann kann nicht laufen. Für ihn wäre es um ein Vielfaches umständlicher, wenn er überall mit dem Rollstuhl fahren und sich alles selbst besorgen müsste. Das können wir Freunde auf zwei Beinen deutlich schneller. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass manche sich das von ihm abgeschaut haben.

Aber ich fühle mich nicht gut dabei, wenn ich dasselbe für einen gesunden Menschen machen soll. Übrigens sind es mit Ausnahme meines Partners keine Männer, die mir sagen: ""Bring mir dies oder jenes." In unserem Freundeskreis sind es ausschließlich Frauen, die sich so verhalten.

 

[Marisol]

Aber ich fühle mich nicht gut dabei, wenn ich dasselbe für einen gesunden Menschen machen soll.

Dann mach es nicht.

Übrigens sind es mit Ausnahme meines Partners keine Männer, die mir sagen: ""Bring mir dies oder jenes."

So redet dein Partner mit dir???

In unserem Freundeskreis sind es ausschließlich Frauen, die sich so verhalten.

Dann zeig den girls jetzt mal, wo der Hammer hängt.